TE OGH 2019/6/25 1Ob95/19f

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI R***** K*****, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei „K*****“ *****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Walter Suppan, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung, Beseitigung und Duldung/Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. April 2019, GZ 2 R 52/19p-30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. Jänner 2019, GZ 29 Cg 26/17t-26, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine unrichtige Wiedergabe des Vorbringens des Klägers würde – worauf bereits das Berufungsgericht hinwies – nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO begründen. Eine solche kann aber – wenn das Berufungsgericht Vorbringen übersehen oder missverstanden hat – zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung führen (RIS-Justiz RS0007388 [T3]; RS0043402 [T5]; E. Kodek in Rechberger4 § 503 ZPO Rz 18 mwN). Der Kläger vermag aber keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darzulegen, das seinem erstinstanzlichen Vorbringen zum „Servicewagen“ (Lkw mit Kran) keine Bedeutung für die rechtliche Beurteilung zumaß.

2.1. Die Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB ist ein Fall der Verjährung einer bestehenden Dienstbarkeit und erfolgt durch die Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer der belastenden Liegenschaft in Verbindung mit einer manifesten Beeinträchtigung des Servitutsrechts (RS0034288; RS0034333 [T1]). In der Frage des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist ist zwischen Wege- und Wasserleitungsrechten nicht zu differenzieren, sind doch Wegedienstbarkeiten mit ihrem Duldungsanspruch des Berechtigten einem Wasserschöpf- und Wasserleitungsrecht durchaus vergleichbar (1 Ob 2188/96p).

Dass sich der Verpflichtete konkreten Versuchen der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt, ist nach der neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht mehr erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Dienstbarkeitsberechtigte ein vom Belasteten geschaffenes Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit zumindest beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte wahrnehmen können (RS0034271 [T10, T11]). Die Rechtsprechung verlangt für die Freiheitsersitzung zwar kein unüberwindliches, aber immerhin ein beträchtliches Hindernis, das etwa die ungehinderte Benützung des Dienstbarkeitswegs auf gewöhnliche und allgemein übliche Art unmöglich macht (RS0034309 [T6]; RS0037141).

2.2. Die Freiheitsersitzung kann auch zur Einschränkung der Dienstbarkeit führen (RS0034281). Diese Einschränkung kann sich auf die räumliche Ausdehnung (vgl etwa 1 Ob 34/18h), auf den sachlichen Umfang (zB Gehrecht statt Fahrrecht), aber auch auf den Zeitraum der Ausübung beziehen (RS0034281 [T6]).

Ob sich der verpflichtete Teil der Ausübung einer Servitut im Sinn des § 1488 ABGB widersetzt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0034288 [T2]; RS0034241 [T9]).

3. Dem Rechtsvorgänger des Klägers wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten für seine Liegenschaft ein Wasserleitungsrecht über die nunmehrige Liegenschaft der Beklagten eingeräumt und zudem ein Geh- und Fahrrecht dergestalt, dass dem Dienstbarkeitsberechtigten das Recht des Betretens des Grundstücks der Beklagten zur Instandhaltung der Wasserleitung und die Zufahrt über dieses Grundstück „mit einem Servicewagen“ zu einem auf einer (anderen) Liegenschaft des Klägers befindlichen Brunnen eingeräumt wurde. Die beklagte Servitutsverpflichtete erbaute nach dem Kauf des belasteten Grundstücks eine Wohnanlage. Sie errichtete im November 2009 an der westlichen Grundstücksgrenze einen (Außen-)Zaun und im Abstand von 1,6 m dazu einen Gartenzaun für die daran anschließenden Gärten, womit die Wasserleitung frei bleiben sollte, war sie doch der Überzeugung, dass die Leitung – wie im Lageplan (Bestandteil des „Dienstbarkeitsvertrags“) eingezeichnet – dort verläuft. Tatsächlich verläuft die Wasserleitung nicht unter der als Weg freigehaltenen Fläche, sondern teilweise durch die – von der Beklagten geschaffenen – Gärten der vermieteten Wohnungen.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts habe sich die Beklagte infolge des errichteten Zauns samt versperrtem Gartentor im Zeitraum November 2009 bis ins Jahr 2014 (in diesem Zeitraum sei der servitutsberechtigte Kläger nie über diesen Weg gegangen und auch nicht darüber gefahren) der Ausübung des Wegerechts widersetzt, soweit es ein Fahrrecht für Fahrzeuge über ca 1,2 m Breite beinhalte, nicht aber dem „übrigen“ Wegerecht in einer Breite von ca 1,6 m (Breite des angelegten Wegs) zur Instandhaltung der Servitut. Der Kläger habe aufgrund der objektiv bestehenden Hindernisse (Zaun, versperrtes Tor) nicht davon ausgehen können, dass weiterhin ein „weitergehendes“ Geh- und Fahrrecht bestehe, vielmehr habe er damit rechnen müssen, dass ein solches – jedenfalls nach Ablauf der Frist für die dreijährige Freiheitsersitzung“ – als verjährt angesehen werde. Da er sich durch mehr als drei Jahre gegen dieses manifeste Hindernis nicht gewehrt habe, liege insoweit eine teilweise Freiheitsersitzung vor. Die Fertigstellung der Wohnanlage im November 2009 samt Errichtung der Vorgärten habe in Verbindung mit der gänzlichen Absperrung des Zugangs zur Wasserleitung bewirkt, dass sich das mit dem Wasserleitungsrecht verbundene Wegerecht entsprechend örtlich eingegrenzt habe, was „auch für das Wasserleitungsrecht an sich gelten“ müsse. Wenn der Kläger vorbringe, dass die Wasserleitung infolge Materialermüdung in den nächsten Jahren komplett zu sanieren sein werde, könne er diese ja in den frei zugänglichen 1,6 m breiten Weg legen. Der Kläger vermag in seiner Revision keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

Zum Beseitigungsbegehren enthält sein Rechtsmittel keine Darlegungen. Aus welchem Grund ihm das Betreten des Grundstücks der Beklagten zum Zweck der Instandhaltung der Wasserleitung im Ausmaß einer Breite von 4 m (viel weiter als die Wasserleitung tatsächlich verlegt ist) und in dieser Breite auch das Befahren der Liegenschaft, um zu seinem Brunnen auf einem daran anschließenden (ebenfalls in seinem Eigentum stehenden) Grundstück zu gelangen, zustehen sollte, führt er nicht konkret aus. Infolge der nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingetretenen Freiheitsersitzung (Einschränkung der Dienstbarkeit des Fahrrechts in räumlicher Hinsicht) kann er jedenfalls kein Fahrrecht auf dem bestehenden Weg für ein Fahrzeug in der Breite von 4 m beanspruchen. Seinen Feststellungs- und Duldungs- bzw Unterlassungsbegehren betreffend das Betreten der Liegenschaft der Beklagten in einer Breite von 1,6 m zum Zweck der Instandhaltung der Wasserleitung wurde rechtskräftig stattgegeben. Der tatsächliche Verlauf der Wasserleitung weicht vom Lageplan, der Bestandteil des Dienstbarkeitsbestellungsvertrags ist, nicht unerheblich ab. Der Kläger hat im Verfahren nicht dargelegt, warum er berechtigt sein sollte, seine Wasserleitung in diesem abweichenden Bereich zu führen (und diesen zu Reparaturzwecken zu betreten), sodass er nicht aufzuzeigen vermag, dass seine Begehren betreffend das Betreten der Liegenschaft der Beklagten gerade in einer Breite von 4 m berechtigt wären.

Wenn die Vorinstanzen zudem argumentierten, es sei nicht nachvollziehbar, warum aus dem „Institut des Notwegerechts“ seinen Klagebegehren stattzugeben sei, ist diese Beurteilung nicht zu beanstanden. Mit der nicht näher ausgeführten und völlig unbelegten Behauptung, „das Notwegegesetz [wäre] analog anzuwenden“ und das Berufungsgericht weiche „durch die Außerachtlassung des Notwegegesetzes“ von „der ständigen Rechtsprechung“ ab, zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E125473

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00095.19F.0625.000

Im RIS seit

11.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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