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14/01 Verwaltungsorganisation;Norm
BMG §17b Abs10 idF 1997/I/021;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 14. Mai 1997, Zl. 1426/2-VII/D/12/97, betreffend Aufhebung eines rechtskräftigen Bescheides i.A. Überleitung in das Funktionszulagenschema, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Oberoffizial i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine letzte Dienststelle war das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz. Durch Bescheid der Aktiv-Dienstbehörde vom 28. März 1995 wurde der Beschwerdeführer, der als Ministerchauffeur eingesetzt war, mit Ablauf des 31. März 1995 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Dieser Bescheid blieb unangefochten.
Erst nach seiner Ruhestandsversetzung gab der Beschwerdeführer formularmäßig die schriftliche Optionserklärung ins Funktionszulagenschema nach § 254 Abs. 1 BDG 1979 in der Fassung des Besoldungsreformgesetzes 1994, BGBl. Nr. 550, ab.
Als Reaktion darauf erhielt der Beschwerdeführer folgende Erledigung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 28. Juni 1995:
"Bescheid
Ihre Erklärung vom 22. Mai 1995 hat gemäß § 254 Abs. 1 und 7 in Verbindung mit § 244 Abs. 1 Z 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. Nr. 333, die Überleitung in die Besoldungsgruppe Allgemeiner Verwaltungsdienst mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 bewirkt.
Mitteilung
Unter Berücksichtigung Ihrer Verwendung und Ihrer besoldungsrechtlichen Stellung zum 1. Jänner 1995 lautet nunmehr Ihre besoldungsrechtliche Stellung zum genannten Termin:
Verwendungsgruppe A 3, Funktionsgruppe -,
Gehaltsstufe 15, Funktionsstufe -,
nächste Vorrückung: 1. Jänner 1997.
Die Verwendungsbezeichnungen und Amtstitel der Beamten sind in § 140 BDG 1979 geregelt.
Sie sind demnach berechtigt, den Amtstitel Fachinspektor (§ 140 Abs. 2 Z 3 lit. a) BDG 1979) zu führen.
Die Neubemessung des Ruhebezugs wird beim Bundesrechenamt
veranlaßt werden.
28. Juni 1995
Für die Bundesministerin
(Name)."
Vorher war dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesrechenamtes vom 13. April 1995 sein Ruhegenuß ausgehend von der Einstufung vor der Überleitung (Option) ins Funktionszulagenschema bemessen worden.
Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz ersuchte daraufhin das Bundesrechenamt mit Schreiben vom 18. Juli 1995 um Neubemessung des Ruhegenusses im Hinblick auf die Überleitung des Beschwerdeführers in das Funktionszulagenschema.
Das Bundesrechenamt antwortete darauf mit Schreiben vom 21. Juli 1995, daß diese Neubemessung nicht erfolgen dürfe, weil die Optionserklärung des Beschwerdeführers nicht rechtswirksam gewesen sei; der Bescheid betreffend seine Überleitung in das Funktionszulagenschema sei vielmehr aufzuheben.
Die genannte Behörde hielt dem mit Schreiben vom 2. August 1995 entgegen, daß die Bewertung der Arbeitsplätze rechtswidrig erst im März 1995 erfolgt sei und dem Beschwerdeführer daher die "informierende Dienstgebererklärung" erst nach seiner Versetzung in den Ruhestand zugegangen sei. Das könne ihm nicht vorgeworfen werden und dürfe ihm daher auch nicht zum Nachteil gereichen. Er sei vielmehr zu den vom Gesetz bestimmten Stichtag für die Überleitungserklärung Beamter des Dienststandes gewesen.
Das Bundesrechenamt beharrte auf seinem Standpunkt.
Die genannte bzw. die belangte Behörde gaben schließlich dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. November 1996 bzw. vom 19. Februar 1997 mit verschiedener Begründung bekannt, daß beabsichtigt sei, den Überleitungsbescheid vom 28. Juni 1995 aufzuheben. Der Beschwerdeführer gab dazu Stellungnahmen ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:
"Gemäß § 68 Abs. 2 des Allgemeinen Verfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 in der geltenden Fassung, und gemäß § 13 Abs. 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29 in der geltenden Fassung, wird der Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 28. Juni 1995, Zahl 1426/4-I/D/12/95, aufgehoben."
Zur Begründung wird nach Wiedergabe der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, der Überleitungsbescheid vom 28. Juni 1995 habe sich ausdrücklich auf § 254 Abs. 1 BDG 1979 gestützt. Diese Bestimmung enthalte den Wortlaut: "Ein Beamter des Dienststandes, der einer der Verwendungsgruppe A bis E oder P 1 bis P 5 angehört, kann durch schriftliche Erklärung seine Überleitung in den allgemeinen Verwaltungsdienst und damit in eine der Verwendungsgruppen A 1 bis A 7 bewirken."
Da der Beschwerdeführer seine schriftliche Optionserklärung vom 22. Mai 1995 erst als Beamter des Ruhestandes abgegeben habe, habe der Überleitungsbescheid vom 28. Juni 1995 gegen die zwingende gesetzliche Vorschrift des § 254 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen. Die Aufhebung dieses Bescheides sei daher gemäß § 13 Abs. 1 DVG zulässig, weil der Beschwerdeführer aufgrund des klaren Wortlautes des § 254 Abs. 1 BDG 1979 ("Beamter des Dienststandes") wissen mußte oder hätte wissen müssen, daß der genannte Überleitungsbescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoße. Der Verwaltungsgerichtshof erkenne in ständiger Rechtsprechung, daß die Partei "dann wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstößt, wenn sich der Widerspruch beim Vergleich des Bescheidinhaltes mit dem Wortlaut der angewendeten Vorschrift ergibt" (vgl. VwSlg. Nr. 5749/A). Der Wortlaut "Beamter des Dienststandes" sei dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen und bedürfe hinsichtlich seines Begriffsinhaltes für den Beschwerdeführer als langjährigen Beamten keiner weiteren Erklärung.
Ein Vergleich mit dem Bescheidinhalt sei dem Beschwerdeführer daher auch, wenn er in seiner Berufslaufbahn nicht mit juristischen Aufgaben betraut gewesen sei, ohne weiteres zumutbar und möglich gewesen.
Zur beabsichtigten Aufhebung des rechtswidrigen Bescheides vom 28. Juni 1995 sei dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör eingeräumt worden, von dem er auch Gebrauch gemacht habe. Klargestellt werde, daß Gegenstand des Ermittlungsverfahrens nur die schriftliche Optionserklärung des Beschwerdeführers als Ruhestandsbeamter, datiert mit 22. Mai 1995 gewesen sei. Mit dem angefochtenen Bescheid sei nur über Tatsachen abgesprochen worden, die sich in der Zeit des Ruhestandes des Beschwerdeführers, das sei ab 1. April 1995 ereignet hätten. Ereignisse in der Zeit seines Dienststandes bis zum 31. März 1995 seien weder Gegenstand des aufzuhebenden Bescheides vom 28. Juni 1995 noch Gegenstand dieses Bescheides gewesen.
Die Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend den Zeitraum vor dem 1. April 1995 seien somit nicht zur Sache gehörend gewesen.
Die formale Rechtskraft des Bescheides vom 28. Juni 1995 habe ausschließlich die im Ruhestand abgegebene Optionserklärung vom 22. Mai 1995 umfaßt. Der ursprünglich in Erwägung gezogene Aufhebungsgrund des § 62 Abs. 4 AVG habe sich nach Abwägung sämtlicher Argumente als nicht entscheidungsrelevant erwiesen (wird näher ausgeführt).
Da der Gesetzgeber in § 254 Abs. 1 BDG 1979 allein der Schriftform der Optionserklärung Bedeutung zumesse, sei es für die rechtliche Beurteilung hinsichtlich § 62 Abs. 4 AVG bedeutungslos, ob dem Beschwerdeführer erst nach dem 1. April 1995 (Wirksamkeit seiner Ruhestandsversetzung) automationsunterstützt ein Formular zugesandt worden sei oder nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
In der Gegenschrift wies die belangte Behörde u.a. darauf hin, daß es der Beschwerdeführer vor Mitteilung der Bewertung seines Arbeitsplatzes im Aktivstand ausdrücklich abgelehnt habe, eine schriftliche Überleitungserklärung abzugeben. Die Bewertung seines Arbeitsplatzes als Ministerchauffeur habe im Zuge der Verhandlungen mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst mehrmals gewechselt. Erst nach der schließlich vereinbarten Bewertung nach Verwendungsgruppe A 3 hätte der Beschwerdeführer "S 2.000,-- monatlich lukrieren können". Der Beschwerdeführer habe sich auch weder nach der Mitteilung seiner beabsichtigten Ruhestandsversetzung noch nach Übernahme des Ruhestandsversetzungsbescheides nochmals nach dem Stand der Arbeitsplatzbewertung erkundigt. Er habe auch kein Rechtsmittel gegen den Ruhegenußbemessungsbescheid der Pensionsbehörde vom 13. April 1995, in dem seine besoldungsrechtliche Stellung mit Verwendungsgruppe P 1, Dienstklasse IV, Gehaltsstufe 3 angegeben gewesen sei, ergriffen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, daß nicht entgegen den Bestimmungen des § 68 Abs. 2 AVG i.V.m. § 13 Abs. 1 DVG ein rechtskräftiger Bescheid über seine Überleitung nach § 254 Abs. 1 und Abs. 7 BDG 1979 i.V.m. § 244 Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes zum 1. Jänner 1995 in die Besoldungsgruppe allgemeiner Verwaltungsdienst aufgehoben wird, und damit auch in seinem Recht auf Überleitung nach den vorbezeichneten Normen selbst durch unrichtige Anwendung dieser sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
Nach § 1 Abs. 1 DVG ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund das AVG mit bestimmten Abweichungen anzuwenden.
Bei Personen, die aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand ausgeschieden sind, und bei versorgungsberechtigten Hinterbliebenen und Angehörigen ist gemäß § 2 Abs. 6 DVG zur Entscheidung in Dienstrechtsangelegenheiten, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand eingetreten sind, die Dienstbehörde berufen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bediensteten aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand zuständig gewesen ist. In allen übrigen pensionsrechtlichen Angelegenheiten ist die Dienststelle Dienstbehörde, die über den Pensionsaufwand verfügt.
§ 135 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, bleibt unberührt.
Läßt sich nach den Vorschriften der Abs. 1 bis 7 des § 2 DVG eine zuständige Dienstbehörde nicht ermitteln, so ist nach Abs. 9 des genannten Paragraphen in Dienstrechtsangelegenheiten des Bundes der Bundesminister für Finanzen in erster und letzter Instanz zuständig (diese Bestimmung in der Fassung BGBl. I Nr. 61/1997 mit Wirkung vom 15. Februar 1997).
In Dienstrechtsangelegenheiten ist eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen gemäß § 13 Abs. 1 DVG auch dann zulässig, wenn die Partei wußte oder wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt. Zur Aufhebung und Abänderung gemäß Abs. 1 und gemäß § 68 Abs. 2 AVG sowie zur Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung die oberste Dienstbehörde jenes Ressorts zuständig, dessen Personalstand der Bedienstete, auf den sich das Verfahren bezieht,
1. im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Sinne des § 68 AVG oder
2. im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand oder Dienstverhältnis
angehört hat.
Das bedeutet für den Beschwerdefall, daß die Dienstbehörde "Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz" für die Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig gewesen wäre. Diese Dienstbehörde war aber im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde nicht mehr existent. Nach § 17b Abs. 10 des Bundesministeriengesetzes 1986 in der Fassung BGBl. I Nr. 21/1997 (ausgegeben am 14. Februar 1997) hat die belangte Behörde festzustellen, welche Beamten des bisherigen Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz Aufgaben besorgen, die ab 15. Februar 1997 in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales fallen und welche Beamten Aufgaben besorgen, die ab diesem Zeitpunkt in den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes fallen. Eine Zuordnung des Beschwerdeführers als Ruhestandsbeamter ist in diesem Sinne weder vorgesehen, noch erfolgt bzw. - im Hinblick auf seine seinerzeitige Funktion als "Ministerchauffeur" - gleichsam analog möglich, weil es diese Funktion nicht mehr gibt.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß die belangte Behörde mangels Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu ihrem Wirkungsbereich zur Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls unzuständig war. Da sich im Beschwerdefall aber weder aufgrund der besonderen Zuständigkeitsbestimmungen des § 13 Abs. 2 DVG i.V.m. § 17b Abs. 10 BMG 1986 noch der allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelungen des § 2 Abs. 1 bis 7 DVG eine konkret zuständige Dienstbehörde für diesen Problemfall ermitteln läßt, muß die subsidiäre Zuständigkeitsregelung des § 2 Abs. 9 DVG herangezogen werden. Für die Erlassung des angefochtenen Bescheides wäre demnach der Bundesminister für Finanzen zuständig gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher - ohne auf das inhaltliche Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Jänner 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997120220.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
02.08.2018