TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/16 W278 2217911-1

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Veröffentlicht am 16.05.2019
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Entscheidungsdatum

16.05.2019

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
VwGVG §35

Spruch

W278 2217911-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 06.03.2019 bis 09.03.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ergab sich, dass er am 14.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Deutschland gestellt hatte. Deutschland stimmte einer Übernahme des BF zu. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 26.07.2017, als unzulässig zurückgewiesen und seine Außerlandesbringung angeordnet. Die gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis Zl W175 2167159-1/3E, rechtkräftig mit 14.09.2017, als unbegründet abgewiesen. Der BF wurde am 08.03.2018 nach Deutschland überstellt.

3. Nach Wiedereinreise in das Bundesgebiet habe der BF auf einer Polizeiinspektion (PI) am 06.03.2019 einen Asylantrag stellen wollen und sei aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) überstellt worden. Gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamts angeordnet.

Das Bundesamt begründete die Entscheidung im Wesentlichen folgendermaßen: Seit 14.09.2017 bestehe gegen den BF eine durchsetzbare und rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung. Er verfüge über kein Reisedokument, um seinen unrechtmäßigen Aufenthalt aus eigenem zu beenden. Er habe sich unrechtmäßig unter Verletzung des Meldegesetzes im Verborgenen im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten. Im bisherigen Verfahren habe er sich unkooperativ verhalten, indem er sich dem Verfahren entzogen habe, von sich aus keinen Kontakt zur Behörde aufgenommen habe und er sei auch für die Behörde telefonisch nicht erreichbar gewesen. Die Behörde sei somit davon ausgegangen, dass er bei einem Verfahren auf freiem Fuß untertauchen werde, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen und seinen illegalen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet fortsetzen werde. Die Entscheidung sei daher auch verhältnismäßig.

Gegenständlicher Bescheid wurde dem BF am 06.03.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt. Am 09.03.2019 erfolgte die Entlassung des BF durch das Bundesamt.

Am 23.04.2019 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde gegen gegenständlichen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft vom 06.03. bis 09.03.2019. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der Dublin-III-VO nicht vorgelegen habe. Er sei bereits eine Woche nach seiner Ankunft in Deutschland wieder nach Österreich eingereist um seine Frau in der Schwangerschaft und bei der Geburt des gemeinsamen Kindes zu unterstützen. Am 26.07.2018 sei ihr gemeinsamer Sohn zur Welt gekommen. Das Familienleben sei weiterhin intakt, seine Frau erwarte zum voraussichtlichen Geburtstermin 16.07.2019 ihr zweites gemeinsames Kind. Er habe sich gemeinsam mit seiner Frau zum Bundesamt und in weitere Folge auf eine Polizeiinspektion (PI) begeben, um einen Asylantrag zu stellen. Auf der PI sei er festgenommen worden, ohne dass seine Antragstellung weiter zur Kenntnis genommen worden sei. Im Zuge des Beratungsgesprächs mit seinem Rechtsvertreter am 08.03.2019 habe sich herausgestellt, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Erstbefragung iSd § 19 Abs. 1 AsylG durchgeführt worden sei. Am 09.03.2019 sei schließlich die Einvernahme erfolgt und die Dokumente die Vaterschaft und Ehe belegen zur Vorlage gebracht worden. Unmittelbar darauf sei er aus der Schubhaft entlassen worden. Das Bundesamt habe es damit unterlassen die konkrete Situation des Einzelfalles zu prüfen. Er habe sich aus eigenem zum Bundesamt begeben um einen Asylantrag zu stellen. Seit seiner Wiedereinreise habe er keinen Behördenkontakt gehabt, da er seine familiäre Situation und den gesundheitlichen Zustand seiner Frau priorisiert habe. Nach Stabilisierung habe er sich unmittelbar an die Behörde gewandt. Der Vorhalt im Bescheid, dass er für die Behörde telefonisch nicht erreichbar gewesen wäre sei nicht nachvollziehbar. Hätte die Behörde seinen Antrag auf internationalen Schutz, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre unmittelbar ordnungsgemäß weitergeleitet und dementsprechend die Erstbefragung durchgeführt, wäre er nicht in Schubhaft angehalten worden, da die Behörde festgestellt hätte, dass bei ihm als Familienvater und Ehemann keinerlei Fluchtgefahr bestehe.

Der BF beantragte den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft sowie die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, auszusprechen sowie ihm den Ersatz der Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG zuzusprechen.

9. Das Bundesamt legte am 26.04.2019 den Verwaltungsakt vor und gab eine Stellungnahme ab, in der nach einer Schilderung des bisherigen Verfahrensverlaufes im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der BF trotz bestehender Anordnung zur Außerlandesbringung illegal nach Österreich zurückgekehrt sei, von den Konsequenzen seines Handelns sei der BF in Kenntnis gewesen. Das Verhalten des BF zeige eindeutig, dass er nicht bereit sei, behördliche Entscheidungen zu achten. Es sei als schlüssig anzusehen gewesen, dass der BF untergetaucht wäre um sich einer Abschiebung nach Deutschland zu entziehen. Der Sicherungsbedarf sei daher gegeben gewesen.

Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder als unzulässig zurückzuweisen und den BF zum Ersatz für den Vorlage- und den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde zu verpflichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des BF

Der BF ist volljährig und Staatsangehöriger Afghanistans. Seine Identität steht nicht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten. Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten.

2. Familiäre und soziale Komponente

Der BF ist nach islamischem Recht mit einer in Österreich asylberechtigten Frau verheiratet und hat mit dieser ein gemeinsames minderjähriges Kind. Der BF geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, er hat kein Einkommen und kein zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ausreichendes Vermögen. Der BF verfügte zum Zeitpunkt seiner Festnahme in Österreich über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet.

3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Festgestellt wird, dass der BF sowohl in Österreich als auch in Deutschland jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

3.2. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 26.07.2017, als unzulässig zurückgewiesen und seine Außerlandesbringung angeordnet. Die gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis Zl W175 2167159-1/3E, rechtkräftig mit 14.09.2017, als unbegründet abgewiesen. Ein für 12.10.2017 organisierter Überstellungsversuch nach Deutschland musste abgesagt werden, da der BF an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte. Der BF kam einem Ladungsbescheid vom 29.01.2018 nach und wurde am 08.03.2018, nach Deutschland überstellt

Der BF ist trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist.

3.3. Der BF begab sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin am 06.03.2019 auf eine Polizeiinspektion um einen Asylantrag zu stellen, wurde festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt und am 06.03.2019 zur beabsichtigten Schubhaftverhängung einvernommen. Mit gegenständlichen Bescheid wurde am 06.03.2019 die Schubhaft verhängt.

3.4. Am 09.03.2019 wurde der BF vom Bundesamt aus eigenem aus der Schubhaft entlassen. Entlassungsgrund: " XXXX , da mit in Österreich lebender Frau verheiratet und Kind; Vaterschaftserkenntnis vorgelegt, wohnen gemeinsam in XXXX => INT-Verfahren wird inhaltlich geprüft."

3.5. Festgestellt wird, dass der BF am 06.03.2019 nicht zu seiner neuerlichen Asylantragstellung erstbefragt wurde. Festgestellt wird, dass die für seine Entlassung am 09.03.2019 ausschlaggebenden Gründe (Feststellung 3.4) bereits bei Anordnung der Schubhaft vorlagen.

3.6. Seit seiner Entlassung verfügt der BF über eine aufrechte Meldung am Familienwohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 06.03.2019 betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zur Person des BF und 2. zur familiären und sozialen Komponente

Die Feststellungen zu Punkt 1 und Punkt 2 ergeben sich aus der Aktenlage und sind unstrittig.

3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft, zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

Die Feststellungen zu den Punkten 3.1 bis 3.4. ergeben sich aus der Aktenlage und sind unstrittig.

3.5. Die Feststellung, dass die Entlassungsgründe am 09.03.2019 bereits am 06.03.2019 vorgelegen sind ergibt sich daraus, dass keine Änderung am entscheidungsrelevanten Sachverhalt während der Anhaltung des BF in Schubhaft eingetreten ist. Sämtliche Gründe - seine Ehe nach islamischen Recht mit einer asylberechtigen Frau, seine Vaterschaft, sowie die gemeinsame Wohnmöglichkeit- die zu seiner durch das Bundesamt aus eigenem durchgeführten Entlassung am 09.03.2019 führten sind bereits am 06.03.2019 vorgelegen und wurden vom BF auch während seiner Einvernahme am 06.03.2019 vorgebracht. Seine Lebensgefährtin war bei der Festnahme anwesend. Seine Erstbefragung zur beabsichtigten Asylfolgeantragstellung erfolgte jedoch erst am 09.03.2019 und führte unverzüglich zu seiner Entlassung. Das Bundesamt stellte somit selbst fest, dass eine erhebliche Fluchtgefahr aufgrund des Bestehens einer familiären Verankerung im Bundesgebiet nicht vorgelegen ist.

3.6. Die Feststellung, dass der BF seit seiner Entlassung aus der Schubhaft gemeinsam mit seiner Familie aufrecht im Bundesgebiet gemeldet ist, ergibt sich aus einer amtswegig durchgeführten Meldeauskunft.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG angeordnet. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die betreffende Person in Haft nehmen, wenn erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-III-VO vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG zur berücksichtigen, ob der Fremde während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2017 wurde eine den BF betreffende Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen, die nach einem Beschwerdeverfahren vor dem BVwG mit 14.09.2017 in Rechtskraft erwachsen ist. Am 08.03.2018 wurde der BF nach Deutschland überstellt. Gemäß § 61 Abs. 2 zweiter Satz FPG bleibt eine Anordnung zur Außerlandesbringung binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht. Da der BF innerhalb dieser Zeit neuerlich nach Österreich eingereist ist, hat er den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder ob der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen hat (vgl. VwGH vom 28.06.2007, 2006/21/0051). Es liegt gegen den BF eine aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung vor und er hat sich seinem Asylverfahren in Deutschland entzogen. Durch dieses Verhalten ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 6 lit. a FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, auch zu berücksichtigen, ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder falsche Angaben darüber gemacht hat. Der BF hat sowohl in Österreich als auch in Deutschland Anträge auf internationalen Schutz gestellt, der BF wurde am 08.03.2018 nach den Bestimmungen der Dublin-III-VO nach Deutschland überstellt, weshalb anzunehmen ist, dass Deutschland nach der Dublin-III-VO für das Verfahren des BF zuständig ist. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 6 lit. a FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF geht in Österreich zwar keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und besitzt keine ausreichenden Mittel zur Sicherung seiner Existenz, er ist jedoch mit seiner asylberechtigten Lebensgefährtin nach islamischen Recht verheiratet und Vater eines minderjährigen Kindes in Österreich. Die Geburt des Kindes und die Familie sind auch der Grund der neuerlichen Einreise des BF. Der BF kann - so wie in der Vergangenheit - bei seiner Lebensgefährtin wohnen und von dieser finanziell unterstützt werden. Der BF konnte zwar vor seiner Überstellung nach Deutschland mehrmals nicht an seiner Meldeadresse angetroffen werden, leistete jedoch einem darauf ausgestellten Ladungsbescheid folge und wurde am 08.03.2018 nach Deutschland überstellt. Er hat somit seine sozialen Kontakte nicht dazu genutzt, sich seiner Abschiebung zu entziehen oder diese zu erschweren. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt den BF versucht habe telefonisch zu kontaktieren, sind dem Akt ebenso wenig zu entnehmen wie der Stellungnahme des Bundesamtes vom 26.04.2019. Der Umstand, dass sich die Lebensgefährtin des BF und sein neugeborenes Kind in Österreich befinden, der BF bei seiner Familie wohnen und finanziell unterstützt werden kann, spricht gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr. Seit seiner Entlassung bewohnt der BF den gemeinsamen Familienwohnsitz und es haben sich weder aus dem Akt, noch aus der Stellungnahme des Bundesamts Anhaltspunkte ergeben, dass der BF nicht an seinem neuerlichen inhaltlichen Asylverfahren mitwirkt. Das Bundesamt hat am 09.03.2019 selbst das Nichtvorliegen einer (zumindest) erheblichen Fluchtgefahr festgestellt und den BF aus der Schubhaft entlassen. Der Umstand, dass die für seine Entlassung ausschlaggebenden Gründe nicht bereits am 06.03.2019 berücksichtigt wurden, ist wie beweiswürdigend ausgeführt dem Bundesamt zuzurechnen.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen.

Es wurden durch sein Verhalten zwar die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 2, 3 und 6 lit. a FPG erfüllt, die objektiv für das Vorliegen von Fluchtgefahr sprechen. Das konkrete Verhalten des BF in der Zeit zwischen der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 13.04.2017 und seiner Überstellung nach Deutschland sowie nach seiner neuerlichen Einreise in das Bundesgebiet am - insbesondere auch die Tatsache, dass er zum Zwecke der Pflege seiner schwangeren Lebensgefährtin wieder einreiste - lässt jedoch den Schluss zu, dass Fluchtgefahr im von Art. 28 der Dublin-III-VO geforderten erheblichen Ausmaß nicht vorgelegen ist. Dies ergibt sich zwingend auch aus der amtswegigen Schubhaftbeendigung am 09.03.2019.

Der Begründung für das Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr im angefochtenen Bescheid war daher nicht zu folgen und der Bescheid für rechtswidrig zu erklären. Daraus folgt die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft bis zur amtswegigen Entlassung des BF.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.3. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkte II. und III. - Kostenersatz

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.3.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben wird und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60. Dem Bundesamt gebührt kein Kostenersatz.

3.6. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W278.2217911.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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