TE Bvwg Beschluss 2019/5/21 W214 2196878-1

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W214 2196877-1/13E

W214 2196878-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die MA 11 - Wiener Kinder- und Jugendhilfe, und 2. XXXX , geb. am XXXX , syrische Staatsangehörige, gegen jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018, Zlen XXXX und XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde werden die angefochtenen Bescheide behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung von neuen Bescheiden an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerinnen, syrische Staatsangehörige muslimischen sunnitischen Glaubens und Zugehörige der Volksgruppe der Kurden, stellten am XXXX .2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am selben Tag gaben die Beschwerdeführerinnen an, am 02.02.2018 schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, sie habe ihr Land wegen des dort herrschenden Krieges verlassen und weil ihre Schwestern zum Militär hätten einrücken müssen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, sie sei wegen des herrschenden Krieges ausgereist.

2. Am 16.04.2018 wurden die Beschwerdeführerinnen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für Arabisch niederschriftlich einvernommen. Die Beschwerdeführerinnen führten aus, in XXXX geboren zu sein, ihr Lebensmittelpunkt habe sich auch zuletzt im Stadtviertel XXXX in XXXX befunden. Die Beschwerdeführerinnen seien gemeinsam nach Österreich gekommen. Ihre Eltern lebten derzeit in der Türkei, gemeinsam mit ihrer ältesten Schwester sowie ihren beiden minderjährigen Brüdern. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, sie habe Syrien im Februar 2016 illegal in die Türkei verlassen und sei am 02.02.2018 durch ihr unbekannte Länder nach Österreich eingereist. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, sie habe Syrien im Februar 2017 illegal in die Türkei verlassen und sei am 02.02.2018 durch ihr unbekannte Länder nach Österreich eingereist. Weiters gaben die Beschwerdeführerinnen an, dass sie hier in Österreich Verwandte hätten, nämlich zwei Großmütter, zwei Onkel sowie einen Großonkel, welche alle in XXXX wohnhaft seien.

Nach den Fluchtgründen befragt führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie Syrien verlassen habe, weil dort Krieg herrsche und die kurdischen Milizen sie und ihre Schwester rekrutieren hätten wollen. Die Lage werde immer schlechter und sie könne die Schule nicht mehr weiter besuchen. Ihr Vater habe so schnell wie möglich ausreisen wollen, bevor die (Anm. kurdischen Milizen) zu ihnen nach Hause haben kommen können.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte aus, dass sie Syrien wegen des Krieges und der allgemeinen Lage verlassen habe. Sie habe auch Angst gehabt, dass sie von den kurdischen Milizen rekrutiert werde, ihr Vater habe entschieden, dass sie ausreisen.

3. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (jeweils Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführerinnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (jeweils Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 27.04.2019 erteilt (jeweils Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen und der Identität der Beschwerdeführerinnen fest, dass die Beschwerdeführerinnen im Februar 2018 illegal in das Bundesgebiet eingereist seien. Weiters wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen in Syrien nie politisch tätig waren und auch keiner politischen Gruppe angehören, sowie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder Volksgruppenzugehörigkeit keine Probleme in Syrien gehabt haben. Die Beschwerdeführerinnen seien in Österreich nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht straffällig geworden, nicht festgestellt werden konnte von der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerinnen in Syrien einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen seien bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätten.

Die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurden daher abgewiesen, hingegen wurde den Beschwerdeführerinnen aufgrund der allgemeinen Lage in Syrien der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde den Beschwerdeführerinnen ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Gegen Spruchpunkt I. der genannten Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen jeweils fristgerecht Beschwerde. Darin führten die Beschwerdeführerinnen unter anderem aus, dass sich der Distrikt

XXXX , in welchem sie sich zuletzt aufgehalten haben, unter der Kontrolle der YPG befinde und die YPG von jeder Familie mindestens ein Mitglied für den Kampf fordere. Die Beschwerdeführerinnen selbst sowie ihre Familienmitglieder hätten jedoch nicht im syrischen Krieg kämpfen wollen und seien deshalb aus ihrem Heimatland geflüchtet. Offiziell rekrutiere die YPG nur volljährige Personen, im Distrikt der Beschwerdeführerinnen seien jedoch auch minderjährige Nachbarsmädchen rekrutiert worden. Nach aktuellen Länderberichten sei jede Familie dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als Freiwilligen für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Werde dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, komme es zu Zwangsrekrutierungen, bei denen auch minderjährige Buben und Mädchen rekrutiert werden. Es sei nicht möglich, sich der Rekrutierung, beispielsweise aus Gewissensgründen, zu entziehen. Aus der Kernfamilie der Beschwerdeführerinnen habe noch kein Familienmitglied für die YPG gekämpft. Die Familie sei daher im Visier der YPG gewesen und habe jederzeit die Gefahr gedroht, dass ein Mitglied der Familie von der YPG zwangsweise rekrutiert werde. Dieser Umstand sei von der belangten Behörde überhaupt keiner Würdigung unterzogen worden, weshalb die belangte Behörde die amtswegige Ermittlungspflicht gemäß § 18 AsylG verletzt habe.

Weiters wurde vorgebracht, dass sich trotz festgestellter Minderjährigkeit der Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen Bescheid kein Hinweis darauf finde, dass die Frage der besonderen Schutzwürdigkeit der minderjährigen Antragstellerin oder ihrer internationalen Kinderrechte einer besonderen Prüfung unterzogen und dementsprechend berücksichtigt worden sei. Diesbezüglich wurden in den Beschwerden auch die UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009 zitiert. Hieraus und aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich eine niedrigere Schwelle zur Asylrelevanz bei der Verfolgung von Minderjährigen.

5. Mit Bescheid vom 25.03.2019, Zl. XXXX , erkannte das BFA dem Vater der Beschwerdeführerin den Status des Asylberechtigten zu und stellte fest, dass dem Vater der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Der Vater der Beschwerdeführerin erstattete vor dem BFA das Vorbringen, dass die kurdische Miliz seine Kinder zum Militärdienst einberufen habe wollen. Er sei mit seiner Familie geflohen, weil seine Kinder, weil sie in den entsprechenden Registern eingetragen gewesen seien, in den nächsten Tagen einberufen worden wären.

Ebenso wurde der Mutter der Beschwerdeführerinnen und ihren beiden minderjährigen Brüdern der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, 127 und 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, 65 und 73 f.).

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Die angefochtenen Bescheide sind aus folgenden Gründen mangelhaft:

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Asylwerber auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesem im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (in Folge: GFK) droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, 2000/01/0131; vom 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, 93/01/0284; vom 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird;

auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, 98/01/0318;

vom 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung setzt nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH vom 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention).

Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 hat das BFA in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Das BFA hat es unterlassen, die notwendigen, auf die Personen der Beschwerdeführerinnnen bezogenen Erhebungen zu einer Rekrutierung durch die kurdische Miliz zu tätigen. Die Beschwerdeführerinnen gaben in der Einvernahme zwar an, dass die YPG von jeder Familie mindestens ein Mitglied für den Kampf fordere. Offiziell rekrutiere die YPG nur volljährige Personen, im Distrikt der Beschwerdeführerinnen seien jedoch auch minderjährige Nachbarsmädchen rekrutiert worden. Das BFA schließt in seiner Beweiswürdigung zwar nicht aus, dass die Beschwerdeführerinnen Angst gehabt hätten, von den kurdischen Milizen rekrutiert zu werden, dies wurde jedoch nicht als asylrelevant erachtet und es wurden dazu auch keine weiteren Fragen gestellt, etwa ob ihr Vater oder andere Familienangehörige bezüglich der Rekrutierung der Beschwerdeführerinnen kontaktiert wurde.

Das BFA hat es aber auch vor allem unterlassen, spezifische Feststellungen zur Rückkehrsituation der Beschwerdeführerinnen zu treffen, etwa inwiefern den Beschwerdeführerinnen eine Rekrutierung durch die kurdische Miliz drohen würde, und konkret zu Sanktionen, die Personen im Falle ihrer Rückkehr aufgrund ihrer rechtswidrigen Ausreise aus syrischer Sicht aus Syrien drohen. Auch stellt sich die Frage, wie sich die Situation der Beschwerdeführerinnen, die bei der Einreise nach Österreich noch minderjährig waren und von denen eine noch minderjährig ist und deren Eltern und Brüder in Österreich den Status von Asylberechtigten haben, bei einer allfälligen Rückreise nach Syrien darstellen würde, zumal es sich um schutzlose junge Frauen bzw. Mädchen handelt, die als besonders vulnerabel gelten. Im Fall der Beschwerdeführerinnen bestehen keine Hinweise darauf, dass diese freiwillig nach Syrien zurückgehen könnten (zur möglichen Asylrelevanz einer illegalen Ausreise bzw. einer Asylantragstellung im Ausland etwa VwGH 29.01.2004, 2001/20/0346).

Das BFA ist den von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Fluchtgründen nicht durch geeignete Fragestellungen auf den Grund gegangen. Damit wurde der Sachverhalt mangelhaft ermittelt und zugleich die erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen bzw. wurden zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt.

Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Eine Zurückverweisung der Sachen an das BFA zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt im vorliegenden Fall deshalb in Betracht, weil das BFA die erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat bzw. weil es den maßgebenden Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063). Im weiteren Verfahren wird das BFA umfassende Ermittlungsverfahren zu führen haben, bei dem alle für die Entscheidung relevanten Angaben gemacht und Beweismittel erbracht werden. Dabei wird das BFA auch das in der gegenständlichen Beschwerde erstattete Vorbringen zu berücksichtigen haben.

In der Gesamtschau ist der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der Zurückverweisung an das BFA zur Erlassung neuer Bescheide im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Folglich waren die Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Der Vollständigkeit halber wird im Hinblick auf ein allfälliges Familienverfahren bzw. eine gesonderte Führung der Verfahren ausgeführt: Zum einen war die Zweitbeschwerdeführerin bereits volljährig, als die Eltern den Status des Asylberechtigten zugesprochen bekamen. Zum anderen führte der Verwaltungsgerichtshof

In seinem Erkenntnis vom 15.11.2018, Ro 2018/19/0004 wie folgt aus:

"§ 34 Abs. 4 AsylG 2005 ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass eine gemeinsame Führung der Verfahren nur dann zu erfolgen hat, wenn diese gleichzeitig beim BFA oder gleichzeitig im Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind." Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis E 5157/2018 vom 07.03.2019 grundsätzlich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Daher waren die Verfahren der Beschwerdeführerinnen gesondert zu führen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an das BFA zur Erlassung eines neuen Bescheides ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W214.2196878.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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