TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/24 W278 2219127-1

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Veröffentlicht am 24.05.2019
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Entscheidungsdatum

24.05.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W278 2219127-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde XXXX , StA. Algerien, Alias XXXX , StA. Libyen gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Fremde reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein.

Der Fremde legitimierte sich bei seiner Festnahme durch die Exekutive nach Begehung eines Strafrechtsdeliktes mit einem falschen belgischen Personalausweis.

Der Fremde wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX , rechtskräftig mit gleichem Datum, wegen Vergehen gemäß §§ 224 a, 127, 130 Abs. 1

1. Fall, 15, 269 Abs 1, 1. Fall zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt.

Über den im Betreff genannten Fremden wurde mit gegenständlichem Bescheid vom 18.01.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Abschiebung angeordnet. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgt seit 30.01.2019, 08.00 Uhr (unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Strafhaft).

Der Fremde machte wahrheitswidrige Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit.

Mit Bescheid des BFA, XXXX , wurde dem Fremden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG), nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), wurde gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Libyen zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG), wurde gegen den Fremden ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, (BFA-VG), die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Entscheidung erwuchs mit 13.02.2019 in Rechtskraft.

Am 15.01.2019 wurde ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft Libyens eingebracht. Aufgrund der offensichtlichen Verschleierung seiner Identität wurden für den Fremden weitere Anträge auf Ausstellung von HRZ bei den Botschaften von Algerien, Marokko und Tunesien eingebracht.

Am 04.02.2019 stellte der Fremde im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Fremden wurde am 04.02.2019 der Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG über die Aufrechterhaltung der Schubhaft zugestellt.

Das Verfahren hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz wurde von der Erstaufnahmestelle Ost nach Erstbefragung ohne Aufenthaltsrecht (Verlust des Aufenthaltsrechtes nach § 13 Abs 2 AsylG wurde mit Verfahrensanordnung vom 05.02.2019 dem Fremden mitgeteilt) zugelassen.

Am 08.03.2019 wurde seitens des PAZ mitgeteilt, dass der Fremde aufgrund des Einschmuggelns von Gegenständen (Handy) als Disziplinierungsmaßnahme in eine Einzelzelle verbracht wurde.

Um die Staatsangehörigkeit des Fremden abschließend festzustellen, wurde die Erstellung eines Sprachgutachtens in Auftrag gegeben. Am 26.03.2019 wurde dem BFA mitgeteilt, dass der Fremde aus Algerien stammt.

Am 23.04.2019 langte ein Antragsformular hinsichtlich der unterstützten freiwilligen Rückkehr beim BFA ein. Darin gab der Fremde selbst an, aus Algerien zu stammen. Gleichzeitig legte der Fremde algerische Dokumentenkopien vor.

Mit Bescheid des BFA, XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.02.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Algerien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), wurde gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist. Gemäß § 13 Absatz 2 Asylgesetz hat der Fremde sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 05.11.2018 verloren. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1, 2, 3, 4, 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG), die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1, 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG), wurde gegen den Fremden ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde nachweislich am 26.04.2019 zugestellt. Es wurde gegen die erlassene Entscheidung bis dato kein Rechtsmittel ergriffen.

Nach Weiterleitung der aktuellen Informationen und Unterlagen stimmte die algerische Vertretungsbehörde am 16.05.2019 der Ausstellung eines HRZ sowie der Rückübernahme des Fremden zu.

Am 21.05.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung der fortgesetzten Anhaltung in Schubhaft vor.

Mit Schreiben vom 23.05.2019 teilte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass für 22.06.2019 ein begleiteter Abschiebetermin für den Fremden organisiert wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die algerische Staatsangehörigkeit des Fremden steht fest. Die Algerischen Vertretungsbehörden haben einer HRZ Ausstellung der der Rückübernahme des Fremden zugestimmt. Für 22.06.2019 ist ein begleiteter Abschiebetermin organisiert.

1.2. Der Beschwerdeführer hat sich vor und während der Anhaltung in Schubhaft als nicht kooperativ und nicht vertrauenswürdig erwiesen. Er wurde am 05.11.2018, rechtskräftig wegen Vergehen gemäß §§ 224 a, 127, 130 Abs. 1 1. Fall, 15, 269 Abs 1, 1. Fall zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt. Der Fremde machte wahrheitswidrige Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit. Anlässlich einer Rückkehrberatung gem. § 52a Abs. 2 BFA-VG am 16.01.2019 zeigte sich der Genannte nicht rückkehrwillig.

1.3. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht nach wie vor. An der bisherigen Dauer trifft das Bundesamt keine Schuld.

1.4. Der Fremde ist Asylwerber. Er stellte aus dem Stand der Schubhaft am 04.02.2019, nach Abschluss seines fremdenrechtlichen Verfahrens, unter Angabe einer falschen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Fremden wurde am 04.02.2019 der Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG über die Aufrechterhaltung der Schubhaft nachweislich zugestellt. Der den Antrag auf internationalen Schutz abweisende Bescheid des Bundesamts vom XXXX wurde dem Fremden am 26.04.2019 zugestellt. Eine Beschwerde wurde bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingebracht. Der Fremde spricht kein Deutsch und verfügt über keine familiären und keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und war im Bundesgebiet (bis zur Anordnung der Schubhaft) ausschließlich in Justizanstalten gemeldet. Gegenwärtig ist er praktisch mittellos. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren - insbesondere den (mit Dokumenten belegten) Ausführungen des Bundesamtes in der Aktenvorlage vom 21.05.2019, sowie den im Akt einliegenden Aktenvermerken zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit gem. § 80 Abs. 6 FPG vom 27.02.2019 und vom 24.04.2019. Sämtliche Zustellnachweise sowie die Buchungsbestätigung für den geplanten Abschiebeflug befinden sich im Akt.

2.2. Die Feststellungen zum Verhalten des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage. Der Fremde gab während seinen Einvernahmen gegenüber der Behörde eine falsche Identität und Staatszugehörigkeit an. Erst nach Beiziehung eines Sprachwissenschaftlers legte der Fremde seine algerischen Ausweiskopien via Rechtsberater vor Die strafrechtliche Verurteilung ist einer rezenten Abfrage im Strafregister entnommen, eine Kopie des Urteils befindet sich im Akt.

2.3. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Im konkreten Fall liegt hier bereits eine Zusage zur HRZ Ausstellung vor, ein Abschiebetermin wurde für 22.06.2019 organisiert. Der Grund für die Länge der Anhaltedauer liegt in der vom Beschwerdeführer bewusst herbeigeführten Notwendigkeit der Erlangung eines Heimreisezertifikats. Hätte der Fremde nicht wissentlich wahrheitswidrige Angaben über seine Identität und Staatangehörigkeit gemacht, hätte die Schubhaft auf wenige Wochen beschränkt werden können. Diese Umstände sind jedenfalls dem Bundesamt nicht vorzuwerfen; die Verantwortung dafür trägt im Kern der Beschwerdeführer.

2.4. Der Stand des Asylverfahrens, der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seiner fehlenden Integration ergeben sich aus der Aktenlage. Das Barvermögen des Beschwerdeführers ist in der Anhaltedatei ersichtlich. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Die Feststellung zu seinen bisherigen Wohnsitzmeldungen ergeben sich aus einer amtswegig durchgeführten ZMR Anfrage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

"§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Fremde seit 30.01.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. f EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 80 FPG ("Dauer der Schubhaft") lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen."

Für die Durchsetzung einer realistisch wahrscheinlichen Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Fremden erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff nunmehr durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine familiäre und keine feststellbaren substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Fremden im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte. Dies insbesondere, weil ihm das Bevorstehen einer Abschiebung jedenfalls bewusst ist.

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne der Ziffer 1 und 3 vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat Algerien entziehen wird. Überdies ist nunmehr auch die Ziffer 5 - sogar in der qualifizierten Form der Antragstellung aus der Schubhaft - erfüllt.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als nachvollziehbar, insbesondere, da gegen den Fremden während seiner Anhaltung in Schubhaft eine vollstreckbare Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen wurde. Zusätzlich wurde sein aus der Schubhaft gestellter Antrag auf internationalen Schutz erstbehördlich abweisend beschieden. Hinsichtlich des HRZ-Verfahrens ist eine unverhältnismäßige Länge ebenfalls nicht feststellbar, da die bisherige Dauer des Verfahrens alleine seinem Verhalten geschuldet ist. Die Zusage zur HRZ Ausstellung durch die algerische Vertretungsbehörde liegt vor, ein Abschiebetermin wurde bereits für 22.06.2019 festgesetzt.

Mit der Verhängung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Neben fehlender hinreichender persönlicher Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu sein ausschließliches in Erscheinung treten im Bundesgebiet durch die Begehung von gerichtlich strafbaren Delikten sowie seine wahrheitswidrigen Angaben betreffend Identität und Staatsangehörigkeit - gebricht es dem Fremden überdies an hinreichenden finanziellen Mitteln für einen nunmehr erforderlichen Aufenthalt von vier Wochen, weshalb eine Sicherheitsleistung auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.

Der Fremde war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und sich diese zudem weiterhin als verhältnismäßig erweist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität,
Mittellosigkeit, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W278.2219127.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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