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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des Tir RaumOG 1994 betreffend Freizeitwohnsitze mangels LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Durch §§15 bis 16a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. für Tirol 81/1993, idF der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle LGBl. für Tirol 4/1996 (im folgenden: TROG 1994), wird - ungeachtet der (hier unbeachtlichen) Übergangsbestimmung des §110 - die Errichtung von Gebäuden, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, ausgeschlossen. Gleiches gilt grundsätzlich für Zubauten bzw. Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die Freizeitwohnsitze neu geschaffen werden. Lediglich die Vergrößerung bestehender Freizeitwohnsitze ist in eingeschränktem Ausmaße erlaubt. "Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes" (§15 Abs2 leg.cit.) bestehende Freizeitwohnsitze unterliegen einer Anmeldung gemäß §16 TROG 1994 und Wohnsitze dürfen überdies nur in sehr eingeschränkter Weise als Freizeitwohnsitze benützt werden (vgl. §15 Abs3 leg.cit.). Bei gesetzwidriger Verwendung von Freizeitwohnsitzen droht eine Verwaltungsstrafe bis zu S 500.000,-- (§15 Abs6, 7 und 8 TROG 1994).
Der hier vornehmlich maßgebliche §15 Abs1 des TROG 1994 hat folgenden Wortlaut:
"§15
Beschränkungen für Freizeitwohnsitze
(1) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden. Als Freizeitwohnsitze gelten nicht:
a) Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen sowie Kur- und Erholungsheime, die von öffentlichen Einrichtungen, Betrieben oder Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt erhalten werden;
b) Gebäude mit höchstens drei Wohnungen mit insgesamt höchstens zwölf Betten, die während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet werden (Ferienwohnungen); entsprechende Neubauten, für die die Baubewilligung erst nach dem 1. Februar 1996 rechtskräftig erteilt wird, gelten jedoch nur dann nicht als Freizeitwohnsitz, wenn der Vermieter der Ferienwohnungen im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz hat;
Ferienwohnungen in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, sind zusammenzuzählen;
c) Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen.
Sind in einem Gebäude oder in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, Ferienwohnungen und Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen, untergebracht, so darf die Zahl der Betten insgesamt zwölf nicht überschreiten.
..."
2. Mit seinem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller
"§16a Abs1 Satz 1 TROG 1994 (idF LGBl 4/1996), in eventu in §16a Abs1 Satz 1 TROG 1994 (idF LGBl 4/1996) die Worte 'Neubauten, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen' und §15 Abs2 TROG 1994 (idF LGBl 4/1996) zur Gänze, in eventu in §15 Abs2 TROG 1994 (idF LGBl 4/1996) die Worte 'Als Freizeitwohnsitze dürfen nur mehr Wohnsitze verwendet werden, die' als verfassungswidrig aufzuheben."
Zur Begründung seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, er sei Eigentümer zweier unmittelbar benachbarter Liegenschaften in Kitzbühel. Auf einer dieser Liegenschaften befinde sich ein Gebäude, das vom Antragsteller und seiner Familie seit nahezu vierzig Jahren als Freizeitwohnsitz, "und zwar in einem Umfang und in einer Intensität, die die Kriterien eines weiteren Wohnsitzes erfüllt", benützt werde. Die zweite Liegenschaft habe der Antragsteller "zum Zwecke der späteren Errichtung eines Freizeit- und/oder weiteren ordentlichen Wohnsitzes für seine Kinder und zum Zwecke der Vermögensveranlagung im Vertrauen auf die freie Verkehrsfähigkeit von Liegenschaften in Tirol und die Zulässigkeit der Errichtung von Freizeit- und/oder weiteren ordentlichen Wohnsitzen in Kitzbühel" erworben. Der Antragsteller beabsichtige, auf dieser Liegenschaft für seine beiden Kinder ein Gebäude zum Zwecke der Schaffung eines weiteren ordentlichen Wohnsitzes im Sinne der diesbezüglichen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu errichten. Die Kinder des Antragstellers beabsichtigten, den zu errichtenden Wohnsitz zu einem Mittelpunkt ihrer gesellschaftlichen Betätigung zu gestalten. Dieser Wohnsitz wäre daher ein Freizeitwohnsitz im Sinne des §15 Abs2 TROG 1994 und ein weiterer ordentlicher Wohnsitz im Sinne des B-VG. Ein Bauverfahren sei nicht anhängig. Der geplante Neubau dürfte nach der bestehenden Rechtslage nicht errichtet werden; ein Bescheid, mit dem entgegen §16a Abs1 TROG 1994 die Baubewilligung erteilt würde, leide an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Abgesehen von einem eindeutig als unzumutbar angesehenen Verwaltungsstrafverfahren bestünde für den Antragsteller einzig die Möglichkeit, die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen bewirkte Rechtsverletzung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, in einem förmlichen Bauansuchen nach den §§27 und 28 der Tiroler Bauordnung. Er müßte diesfalls allein zum Zweck der Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen die nach der Tiroler Bauordnung für ein Bauansuchen erforderlichen Planunterlagen anfertigen lassen, was der Verfassungsgerichtshof nach ständiger Judikatur als unzumutbar werte.
Der Antrag enthält darüber hinaus Darlegungen zur Rechtslage und jene Erwägungen, aus welchen die bekämpften Regelungen als verfassungswidrig erachtet werden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
2. Der Antragsteller vermochte nicht darzutun, daß durch die von ihm angefochtenen Bestimmungen des TROG 1994 ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in seine Rechtssphäre erfolgt. Denn der Antragsteller geht von der unrichtigen Prämisse (s. hiezu VfGH 12.12.1996, G224/96 ua.) aus, daß die von ihm angefochtenen Bestimmungen die Errichtung von Zweitwohnsitzen schlechthin unmöglich machen. Die in den vorliegenden Anträgen bekämpften Regelungen des TROG 1994 berühren aus diesem Blickwinkel nicht die Rechtssphäre des Antragstellers.
Ob aber die Realisierung eines ganz bestimmten Bauprojektes nach dem TROG 1994 zulässig ist oder nicht, ist nicht im Rahmen eines aufgrund eines Individualantrages eingeleiteten Normprüfungsverfahrens zu entscheiden, vielmehr bedarf es dazu der Konkretisierung des Gesetzes durch die Baupolizeibehörde. Insofern ist das grundsätzliche Verbot der Errichtung von Gebäuden, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, durch das TROG 1994 nicht in jeglicher Richtung nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmt. Die Frage also, ob ein konkretes Bauprojekt dem Gesetz entspricht, kann nur im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens entschieden werden.
Da der - behauptete - Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers nicht nach Art und Umfang durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, fehlt dem Antragsteller die Antragslegitimation.
3. Der Antrag erweist sich sohin als nicht zulässig. Bei diesem Ergebnis kann außer Betracht bleiben, ob allenfalls weitere Zurückweisungsgründe vorliegen.
III. Dies konnte gemäß §19
Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Raumordnung, Wohnsitz Freizeit-European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G211.1996Dokumentnummer
JFT_10038787_96G00211_00