TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/21 97/20/0014

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Veröffentlicht am 21.01.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des W M, geboren am 28. November 1960, wohnhaft in Wien, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in Mauthausen, Bahnhofstraße 138, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Dezember 1994, Zl. 4.338.142/2-III/13/92, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Dezember 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Irak, der am 21. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 26. Mai 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 16. November 1992 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte bei seiner niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 30. Mai 1992 zu seinen Fluchtgründen folgendes angegeben:

"Ich gehöre der christlichen Minderheit des Irak an und durfte ich deswegen nach der Matura nicht weiter studieren. Ich mußte nach der Matura sofort zum Militär einrücken und wurde ich dort zu den schwersten Arbeiten eingeteilt und bekam weniger dienstfrei als meine islamischen Kameraden. Ich wurde auch an die Front in den Iran und dann auch nach Kuwait geschickt. Da ich meinen Bruder im Krieg im Iran verloren habe, möchte nicht auch ich noch durch den Krieg umkommen und bin ich deswegen im Dezember 1990 vom Militär desertiert. Da mir als Deserteur die Todesstrafe drohen würde, habe ich mich zur Flucht aus dem Irak entschlossen........

Da ich gleich nach der Matura einrücken mußte, konnte ich als Soldat keinen RP bekommen.

Im Dezember 1990 bin ich von meiner Einheit in El Ahwar desertiert und begab ich mich in den Norden des Irak.

Ich habe mich dann bis 1.4.1991 in Douhok aufgehalten und als dann die irakische Armee den Norden des Irak angriff, war ich gezwungen, den Irak zu verlassen, da ich ansonsten hingerichtet worden wäre. Ich habe im März 1991 auch an den Demonstrationen gegen Saddam Hussein in Douhok teilgenommen.

Ich begab mich nach Zacho, von wo ich dann am 26.12.1991 zu Fuß und illegal in die Türkei flüchtete."

In seiner gegen den erstinstanzlichen (Formal-) Bescheid gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer darüber hinaus aus wie folgt:

"Ich gehöre der assyrischen Minderheit im Irak an (Altkatholisch). Wir werden wegen unserer Religion ständig verfolgt und bedroht. Als der Krieg zwischen Irak und Kuwait ausbrach, kämpfte ich mit meinen Glaubensbrüdern gegen das Regime Saddam Hussain. Nachdem der Konflikt zwischen Irak und Kuwait beigelegt worden war, flüchtete ich zu den Kurden im Nord-Irak. Saddam Hussain regiert und kontrolliert wieder das Land und rächt sich jetzt grausam an uns (an unserer religiösen Minderheit). Sollte ich in das Land zurückkehren, ist mir die Todesstrafe gewiß."

Die belangte Behörde führte nach Darstellung des Verfahrensganges, der von ihr in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung im wesentlichen aus, die dem Beschwerdeführer im Irak in Aussicht gestellte Strafe wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion allein rechtfertige noch nicht die Annahme eines asylrelevanten Aspektes der von ihm behaupteten Furcht. Desertion und Wehrdienstverweigerung seien auch in einem demokratischen und rechtsstaatlichen Land wie Österreich mit Strafe bedroht. Die Strenge und Art der angedrohten Strafe sei nicht maßgeblich, zumal sich der Beschwerdeführer dieser eventuellen Bestrafung selbst wissentlich ausgesetzt habe. Die Flucht vor einer wegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung stelle keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling (gemeint: im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention) dar. Daß er mit einer schwereren Bestrafung (gemeint: als andere nicht der von ihm behaupteten religiösen Minderheit angehörenden Personen) zu rechnen gehabt hätte, habe er nie behauptet. Bezüglich seiner Verurteilung durch ein Militärgericht am 4. November 1986 verneinte die belangte Behörde einen erkennbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Flucht und überdies infolge der tatsächlichen Verbüßung dieser Freiheitsstrafe auch die Relevanz dieses Umstandes. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer chaldäischen Glaubens und Angehöriger der assyrischen Volksgruppe sei, er sich daher als Christ und Angehöriger einer Minderheit ständig bedroht gefühlt habe, sei ebenfalls für die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht ausreichend. Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert würden, träfen alle Angehörigen dieser Minderheit in gleichem Maße und reichten für sich allein noch nicht aus, daraus begründete Furcht vor Verfolgung abzuleiten. Den behaupteten Benachteiligungen in der Berufsausbildung und beim Militärdienst sprach die belangte Behörde eine relevante Intensität dieser Eingriffe in seine Privatsphäre ab. Auch die angebliche Teilnahme an Demonstrationen gegen Saddam Hussain in Dohouk lasse die Ableitung einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes nicht zu. Außerdem habe der Beschwerdeführer nicht behauptet, während seines Aufenthaltes im Nordirak in der Zeit vom 1. April bis 26. Dezember 1991 konkreten, asylrelevanten und individuellen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Im März 1991 sei nördlich des 36. Breitengrades eine Sicherheitszone eingerichtet worden, in der den Kurden Autonomie zugestanden und in der dadurch die Gefahr einer individuellen Verfolgung durch irakische Behörden ausgeschlossen worden sei. Trotz der lediglich einigen wenigen Verletzungen der Sicherheitszone im Grenzbereich des 36. Breitengrades habe er eine asylrelevante Verfolgung dort nicht befürchten müssen. Die Furcht vor Verfolgung müsse sich jedoch auf das gesamte Gebiet des Heimatstaates eines Asylwerbers beziehen. Dies träfe im Falle des Beschwerdeführers nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, daß infolge der im angefochtenen Bescheid zutreffend erfolgten Anwendung des Asylgesetzes 1968 kein Fall des Außerkrafttretens gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 vorliegt.

Gemäß § 1 des Asylgesetzes 1968, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (im folgenden: FlKonv), unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 FlKonv ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die belangte Behörde nahm das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach Art. 1 Abschnitt F FlKonv nicht an. Die belangte Behörde ging aber davon aus, daß den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umständen die Intensität, der konkrete Bezug zu seiner Person und das erforderliche zeitliche Naheverhältnis fehle. Diese Einschätzung erweist sich aus folgenden Überlegungen nicht als rechtswidrig:

Zunächst ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers - wie dies die belangte Behörde bereits getan hat - die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung und die Behandlung während des Militärdienstes sei infolge einer der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt bzw. die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion würde aus diesen Gründen im Vergleich zu anderen Staatsbürgern ungünstiger erfolgen (vgl. hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Den vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Benachteiligungen und Belästigungen während seines Militärdienstes (schwerere Arbeiten, weniger Dienstfreizeit als andere) fehlt es an der für eine Asylgewährung erforderlichen Intensität.

Daß die Einberufung zum Militärdienst, die Teilnahme am Kuwait-Krieg und im besonderen die dem Beschwerdeführer nun drohende Bestrafung wegen seiner Desertion auch einen asylrechtlich und somit nicht nur unter dem Gesichtspunkt eines allenfalls zu gewährleistenden Abschiebungsschutzes relevanten Aspekt gehabt hätte, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargetan. Die an die Religionszugehörigkeit anknüpfende Auswahl für Einsätze an vorderster Front, die den sicheren Tod bedeuten, wäre eine diskriminierende Maßnahme von ausreichender Intensität, um die Annahme wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu rechtfertigen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/20/0151), weil ein solches Vorbringen bedeuten hätte können, daß dem Beschwerdeführer wegen seiner Religionszugehörigkeit eine im Vergleich zu anderen Wehrpflichtigen erhebliche Benachteiligung gedroht hätte (vgl. dazu das Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0073). Daß der Beschwerdeführer als assyrischer Christ in diesem Krieg an die vorderste Front und dadurch in den sicheren Tod geschickt worden wäre sowie daß diese Maßnahme Teil der Verwirklichung der politischen Ziele Saddam Husseins gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aber nicht behauptet.

Auch mit seinem Vorbringen, die kurdischen Behörden in der autonomen Sicherheitszone des Nordirak wären nicht in der Lage gewesen, den Beschwerdeführer vor Verfolgung zu schützen, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Schlüssigkeit der Annahme der belangten Behörde, er sei dort vor Verfolgung sicher gewesen, habe also eine "inländische Fluchtalternative" gehabt und in Anspruch genommen, in Frage zu stellen. Denn sowohl die Stadt Dohouk als auch die Stadt Zacho befinden sich im Norden des Irak in der "Kurdenzone" bzw. an der Grenze zur Türkei, so daß es nicht unschlüssig ist, die Sicherheit vor Verfolgung durch irakische Behörden im von kurdischen autonom regierten Norden des Irak anzunehmen. Auf die nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung eingetretenen Umstände ist hier nicht Bedacht zu nehmen. Insbesondere ist den Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen, daß den Behörden seines Heimatlandes die Teilnahme an der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten politischen Demonstration oder andere regimefeindliche Aktivitäten des Beschwerdeführers überhaupt zur Kenntnis gelangt sind bzw. hätten gelangen können.

Insoweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Manuduktionspflicht der Behörde erster Instanz anläßlich seiner Einvernahme zu seinen Fluchtgründen geltend macht, ist ihm zu entgegnen, daß dieses Vorbringen ebenfalls nicht geeignet ist, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist nämlich weder aus § 13a AVG noch aus den §§ 37, 39 AVG die behördliche Verpflichtung zu folgern, einem Asylwerber Anleitungen oder Unterweisungen dahin zu erteilen, wie er sein Vorbringen konkret auszugestalten hat, damit seinem Antrag stattgegeben werden kann (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1994, Zl. 94/20/0003, und die dort wiedergegebene Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß auch die allgemeine Lage einer Minderheit bzw. die bloße Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit noch nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden kann, wenn nicht den Asylwerber persönlich konkret betreffende Umstände hinzutreten, die eine andere Einschätzung gebieten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis und die dort zitierte Vorjudikatur). Allgemeine Benachteiligungen auf Grund der Religionszugehörigkeit könnten in diesem Sinne nur dann als konkrete, gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen gewertet werden, wenn sie dessen Lebensgrundlage massiv bedrohten. Eine derartige konkrete massive Bedrohung der Lebensgrundlage auf Grund seiner Religionszugehörigkeit ist jedoch den Angaben des Beschwerdeführers weder anläßlich seiner Ersteinvernahme noch in der Berufung zu entnehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Da die Beschwerde und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht, konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Jänner 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997200014.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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