Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** S*****, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld und Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwälte in Landeck, gegen die beklagte Partei H***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Pallauf Meissnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte, Zell am See, wegen 9.481 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 21. Februar 2019, GZ 53 R 2/19d-11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 29. November 2018, GZ 16 C 567/18p-6, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagte betreibt einen Hochseilpark. Der nunmehr 13-jährige Kläger, ein Schüler einer Neuen Mittelschule, besuchte im Juni 2018 im Rahmen einer Schulsportwoche mit seiner Klasse den Hochseilpark und verletzte sich bei der Benützung einer der Seilrutschen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten gestützt auf vertragliche Haftung die Zahlung von 9.481 EUR an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für künftig entstehende Schäden aus dem Vorfall im Hochseilpark. Er habe im Rahmen einer Schulsportwoche mit der Beklagten ein Vertragsverhältnis über die Benützung des Hochseilparks abgeschlossen. Er sei durch die von der Beklagten eingesetzten Personen nicht ordnungsgemäß über die sichere Verwendung des Hochseilparks aufgeklärt und eingeschult worden, insbesondere über das Verdrehen des Seilgurtsystems unmittelbar vor Annäherung an die Landeplattform. Die Landeplattform sei auch nicht entsprechend den gültigen Sicherheitsbestimmungen abgesichert gewesen. Lediglich ein Mitarbeiter der Beklagten habe sich während des Betriebs im Hochseilpark aufgehalten. Bei durchgehender Kontrolle und Aufsicht hätte der Vorfall verhindert werden können. Beim Anprall auf die Landeplattform habe er sich erhebliche Verletzungen am rechten Sprunggelenk zugezogen.
Die Vorinstanzen bejahten die Organstellung der im Rahmen der Schulsportwoche tätig gewordenen Betreiberin des Hochseilparks und wiesen die Klage gemäß § 9 Abs 5 AHG zurück. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zwar für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln herangezogen würden, der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig sei, jedoch bestehe keine „gesicherte Rechtsprechung, ob in allen derartigen Fällen bei Bestehen einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Geschädigten und der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen daraus, der Rechtsweg stets unzulässig“ sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) – mangels Erörterung einer im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. In Abkehr von älterer Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0115014) wird seit 1 Ob 176/08a (= SZ 2009/30) judiziert, dass auch für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in Pflicht genommen oder beliehen wurden – ebenso wie für Klagen gegen physische Personen als Organe – der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig ist (RS0124590; 1 Ob 204/16f mwN). Auch eine subsidiäre Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt damit nicht in Betracht (RS0022989; 1 Ob 148/18y mwN; vgl auch RS0050139). Dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht gefolgt.
2. Für die Begründung einer Organstellung kommt es darauf an, ob eine (auch juristische) Person hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat. Dann ist sie Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst herangezogen wurde und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (RS0087679). Auf den zugewiesenen Verantwortungsgrad, eine Entscheidungsbefugnis oder Leitungsbefugnis oder gar auf den hierarchischen Rang, den eine Person in der Organisation des Rechtsträgers oder bei Besorgung einer hoheitlichen Aufgabe einnimmt, kommt es nicht an (RS0087675 [T2]). Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; vgl auch RS0049897). Private handeln daher auch dann als Organe, wenn sie selbst keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit nur in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten (RS0104351; vgl RS0049972 [T2]).
3. Die Erteilung des Unterrichts wird nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und einhelliger Lehre hoheitlich ausgeübt (1 Ob 203/15g mwN uva; Schragel, AHG3 Rz 78; Ziehensack, AHG § 1 Rz 1735 ff). Lehrer werden in ihrer eigentlichen Funktion, der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, zu der auch die Beaufsichtigung gehört, hoheitlich tätig (RS0022978; RS0049933; vgl auch RS0050061). Für „andere geeignete Personen“, die gemäß § 44a Abs 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) im Rahmen von Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen für die Aufsicht herangezogen werden, wie zB Erziehungsberechtigte, qualifizierte Personen aus den Bereichen Sport, Musik ua, normiert § 44a Abs 2 SchUG, dass diese insoweit als Bundesorgane tätig werden (1 Ob 203/15g).
In der Rechtsprechung wurde etwa die Organstellung eines bei einer Schulsportwoche eingesetzten Tennislehrers (1 Ob 5/88 = RS0049933 [T2] = RS0050188) und einer Betreiberin eines Kajak-Centers bejaht, weil der dabei geschlossene Vertrag der Ausbildung und damit hoheitlichen Zwecken diente (1 Ob 296/03s = SZ 2004/145 = RS0119444). Dagegen zieht die entgeltliche Beförderung von Schülern (sei es täglich zur Schule, sei es zu einem Ausflugsziel oder einem Museumsbesuch im Rahmen einer Schulveranstaltung) nicht eine Organstellung der Mitarbeiter des jeweiligen Transportunternehmens nach sich, weil der Transport – auch durch Seilbahnen oder Schilifte – keinen ausreichend engen inneren oder äußeren Zusammenhang zu einer anschließenden (sportlichen) Ausbildung, dem Unterricht, hat. In diesem Sinn sind auch Betreiber eines Schilifts, den Schüler auf einem Schulschikurs benützen, und dessen Mitarbeiter nicht Organe im Sinn des AHG (1 Ob 203/15g = ZVR 2016/78, 165 [zustimmend Kathrein]).
4. Nach der Beurteilung des Rekursgerichts habe der Besuch des Hochseilparks und die Benützung der dort vorhandenen Einrichtungen grundsätzlich der Zielsetzung von Sportwochen, die körperliche Ertüchtigung der Schüler herbeizuführen (§ 1 Abs 1 Z 3 Schulveranstaltungen-
verordnung 1995 – SchVV, BGBl 1995/498 idF BGBl II 2017/90), entsprochen. Die Beklagte sei als Betreiberin des Hochseilparks bei der – durch einen Mitarbeiter vorgenommenen – Einweisung und Einschulung sowie der nachfolgenden Beaufsichtigung der Schüler als Organ des Bundes tätig gewesen. Ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe der Betreuung der Schüler liege vor, bedienten sich doch selbst Sportlehrer, wenn sie mit dem Klettersport vertraut seien, gerade in einem Hochseilpark der Mitwirkung des fachlich versierten Personals des Betreibers, um Schülern die möglichst gefahrlose Benützung von Seilrutschen und anderen Einrichtungen zu ermöglichen. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Klägers gegenüber der als Organ des Bundes tätig gewordenen Beklagten sei gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig, auch wenn er sich auf vertragliche Schadenersatzansprüche oder deliktische Ansprüche aufgrund allgemeiner Verkehrssicherungspflichten stütze. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.
Unter „Inpflichtnahme“ („Indienstnahme“) werden verschiedene Formen der Mitwirkung Privater an der Erfüllung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung, auch der Hoheitsverwaltung, zusammengefasst. Im Unterschied zur Beleihung geht es dabei bloß um unterstützende und verwaltungsentlastende Tätigkeiten; eine Kompetenz zur selbständigen Entscheidung über die Setzung von Hoheitsakten ist damit nicht verbunden (VwGH Ro 2016/04/0002 mwN; Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht IV2 Rz 46.044). Wenn der Kläger bezweifelt, dass „irgendein Verhältnis zwischen Rechtsträger und der schädigenden Person“ vorgelegen sei, so ist ihm entgegenzuhalten, dass die Tätigkeit der Beklagten als Betreiberin eines Hochseilparks gegenüber dem Kläger im Rahmen der Schulsportwoche erfolgte und ihre Mitwirkung an der Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe des Unterrichts durchaus als „Inpflichtnahme“ einzustufen ist. Die der Beklagten angelastete Verletzung der Aufsichtspflicht erfolgte im Rahmen einer Schulveranstaltung und steht in hinreichend engem Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe der Erteilung des Unterrichts. Ihre Organstellung ergibt sich aus § 44a Abs 2 SchUG.
5. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann im Revisionsrekurs nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963 [T4, T49]; RS0043919).
6. Schon anhand der bestehenden Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zweifelsfrei die Organstellung einer bei einer Schulsportwoche beigezogenen Betreiberin eines Hochseilparks als Mitwirkende an der hoheitlich zu verrichtenden Aufgabe der Erteilung des Unterrichts ableiten, sodass die Vorinstanzen ohne Fehlbeurteilung die Klage gemäß § 9 Abs 5 AHG zurückwiesen. Rechtsfragen von der Bedeutung des § 528 Abs 1 ZPO werden im Rechtsmittel des Klägers nicht angesprochen.
7. Der Beklagten, die auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels hinwies, gebührt gemäß § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO der Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung.
Textnummer
E125269European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00087.19D.0527.000Im RIS seit
10.07.2019Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021