TE OGH 2019/5/27 1Ob68/19k

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Veröffentlicht am 27.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. S*****, vertreten durch Mag. Gerd Egner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. B*****, 2. A*****, sowie 3. T*****, und 4. A*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 15. November 2018, GZ 3 R 55/18g-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 16. Februar 2018, GZ 3 C 224/17h-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei trägt die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst.

Text

Begründung:

Der Kläger, die Erstbeklagte gemeinsam mit dem Zweibeklagten sowie eine am Verfahren nicht beteiligte Dritte sind jeweils Eigentümer einer Stammsitzliegenschaft, mit der jeweils ein Drittel der Anteile am Gemeinschaftsgut einer Agrargemeinschaft realrechtlich verbunden ist. Der Kläger ist als Eigentümer seiner Stammsitzliegenschaft (1) aufgrund einer Benützungsvereinbarung zur alleinigen Bewirtschaftung zweier Grundstücke des Gemeinschaftsguts der Agrargemeinschaft berechtigt. Diese Grundstücke werden durch einen bestimmten (Dienstbarkeits-)Weg mit seiner Stammsitzliegenschaft (1) verbunden. Der Weg führt dabei zuerst über ein Grundstück der Stammsitzliegenschaft (3) der nicht beteiligten Dritten und dann über eines, das im Hälfteeigentum der Erst- und des Zweitbeklagten steht, aber nicht zu deren Stammsitzliegenschaft (2) gehört. Die Dritt- und der Viertbeklagte waren vorher Eigentümer dieser Liegenschaft und werden als Verbotsberechtigte in Anspruch genommen, weil zu ihren Gunsten ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingetragen ist. Der Kläger hat gegen sie (als damalige Eigentümer) in einem Vorverfahren die urteilsmäßige Verpflichtung der Duldung der Begehung und Befahrung des Wegs auf ihrem Grundstück zum Zweck der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der zwei zuvor genannten Grundstücke der Agrargemeinschaft erwirkt. Nun begehrt er von den Beklagten die Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit zu Gunsten seiner Stammsitzliegenschaft (1).

Das Berufungsgericht bestätigte das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Beklagten erhobene Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts – mangels Erörterung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Dies ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

1. Die Beklagten meinen, der Kläger sei zur Klagsführung nicht aktivlegitimiert. Sie behaupten – unter Bezugnahme auf „agrargemeinschaftliche Grundstücke der Stammsitzliegenschaft des Klägers“ –, er bedürfe der Mitwirkung aller Mitglieder der Agrargemeinschaft (also auch der Erst- und des Zweitbeklagten), weil beim Streit über Grunddienstbarkeiten alle Miteigentümer notwendige Streitgenossen seien.

Voranzustellen ist, dass die Grundstücke der Agrargemeinschaft, zu deren alleinigen Bewirtschaftung der Kläger berechtigt ist, nicht „Grundstücke der Stammsitzliegenschaft des Klägers“ sind und eine Agrargemeinschaft kein Miteigentumsverhältnis iSd §§ 825 ff ABGB (RIS-Justiz RS0013176; RS0013177) ist. Sie ist vielmehr eine Sachgemeinschaft (bzw „Gesamthandgemeinschaft“ [H. Böhm in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 825 Rz 19]), welche dadurch gekennzeichnet ist, dass der jeweilige Eigentümer eines Hofes nutzungsberechtigt wird und die Anteile am Gemeinschaftsgut mit dieser „Stammsitz-“(„Rücksitz-“)-Liegenschaft realrechtlich verbunden sind (RS0013176). Das Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft kann also nur von den jeweiligen Eigentümern der Stammsitzliegenschaft ausgeübt werden und ist nach Art eines Zubehörs mit der Liegenschaft verbunden (vgl RS0013354 [T1]; RS0024421). Mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft ist folglich (nur) ein bestimmtes Anteilsrecht an einer Agrargemeinschaft verbunden (hier ein Drittel), nicht aber das Eigentum an bestimmten ihrer Grundstücke.

2. Die Behauptung der Beklagten, das Berufungsgericht habe die Stammsitzliegenschaft (1) zum herrschenden Gut deklariert, ohne dass hiefür ein Vorbringen des Klägers vorgelegen hätte, trifft nicht zu, ist doch das Klagebegehren so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440 ua). Aus der im Klagebegehren zitierten und zum „integrierten“ Bestandteil des Ersturteils (sowohl in diesem als auch im Vorverfahren) erklärten Urkunde (Beil ./D) ist zweifelsfrei ersichtlich, dass der teilweise über die Liegenschaft der Erst- und des Zweitbeklagten geführte Weg seine Stammsitzliegenschaft (1) mit den ihm zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Grundstücken des Gemeinschaftsguts der Agrargemeinschaft verbindet. Der Kläger hat dezidiert behauptet, seine Stammsitzliegenschaft sei in Ansehung der ersessenen (ungemessenen) Servitut das herrschende Gut, er habe als Eigentümer dieser Stammsitzliegenschaft (1) ein berechtigtes Interesse daran, dass die bestehende Wegedienstbarkeit entsprechend dem Urteil im Vorverfahren auch grundbücherlich sichergestellt werde. Wenn das Berufungsgericht angesichts dessen sein Vorbringen zu deren Alleinnutzung unter Berufung auf seine Stellung „als Eigentümer der Stammsitzliegenschaft (1)“ dahin verstand, dass die Bewirtschaftung der (Wald-)Grundstücke des Gemeinschaftsguts – als ihr „Zubehör“ – von der Stammsitzliegenschaft (1) aus erfolge und den erstmals in der Berufung aufgestellten gegenteiligen Vorhalt der Beklagten als unbeachtliche Neuerung wertete, liegt darin keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung (RS0042828 [T6, T7, T25, T27, T31]; RS0037440 [T6]); umso weniger als die Beklagten im Verfahren erster Instanz selbst zugestanden haben, dass diese Grundstücke der Agrargemeinschaft – auf denen auch keine eigene Wirtschaft geführt wird – aufgrund der zwischen den Eigentümern der Stammsitzliegenschaften abgeschlossenen Benützungsvereinbarung von den „jeweiligen Eigentümern der Stammsitzliegenschaft (1)“ genützt werden.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung muss eine Dienstbarkeit dem berechtigten Grundstück (bloß) einen Vorteil gewähren (vgl 1 Ob 101/16h; RS0011597; 6 Ob 114/15f). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass dann, wenn etwa eine zu einem bäuerlichen Anwesen gehörende Wiese oder ein Obstgarten vom Hof aus bewirtschaftet wird, sowohl das Hofgrundstück als auch die betreffende Wiese bzw der Obstgarten in Bezug auf einen sie verbindenden Servitutsweg herrschende Grundstücke seien (7 Ob 271/99z; s auch 6 Ob 114/15f). Dass die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das Grundstück der Erst- und des Zweitbeklagten zur Nutzung bestimmter Grundstücke der Agrargemeinschaft hier (jedenfalls auch) der Stammsitzliegenschaft (1) einen Vorteil bringt, ist nicht zu bezweifeln. Wenn der Kläger als ihr Alleineigentümer (auch nur) zu deren Gunsten die Einverleibung begehrt, ist der Einwand, er sei dazu nicht aktivlegitimiert, nicht verständlich, sind doch die Eigentümer der anderen Stammsitzliegenschaften ebenfalls (bloß) Mitglieder der Agrargemeinschaft, eindeutig aber nicht (wechselseitig) Miteigentümer der anderen Stammsitzliegenschaften. Das einzuverleibende Wegerecht bleibt – schon nach dem Spruch des vom Berufungsgericht bestätigten Ersturteils – auf den Zweck der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der bestimmten Grundstücke der Agrargemeinschaften beschränkt. Die Beklagten verkennen, dass es hier nicht um die Frage geht, ob auch die Grundstücke der Agrargemeinschaft als „herrschende Grundstücke“ anzusehen sind, sondern nur darum, ob die Servitut mit der Stammsitzliegenschaft (1) des Klägers als herrschende Liegenschaft verbunden ist.

4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit der bereits vom Berufungsgericht zitierten Judikatur in Einklang. Den Beklagten gelingt es nicht, eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage anzusprechen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er auf die fehlende Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und auch nicht deren Zurückweisung, sondern nur beantragt hat, ihr keine Folge zu geben (vgl RS0035979 [T2]).

Textnummer

E125456

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00068.19K.0527.000

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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