TE Bvwg Beschluss 2019/4/1 W104 2182868-1

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Veröffentlicht am 01.04.2019
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Entscheidungsdatum

01.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W104 2182868-1/18Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 04.12.2017, Zl. XXXX :

A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende

Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 25.03.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung gab er an, er habe sieben Jahre für die Nato gearbeitet. Nach dem Abzug der Amerikaner hätten die Taliban ihn gefoltert. Sie hätten ihn zum Tode verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.08.2017, Zl. 220 Hv 22/17h, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 (2. Fall), Abs. 2a SMG rechtskräftig zu einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen eines Vergehens am 01.06.2017 verurteilt.

Die für den 17.11.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geplante Einvernahme konnte wegen Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin nicht durchgeführt werden.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.11.2017 gab der Beschwerdeführer an, er sei in Baghlan geboren, Tadschike und sunnitischer Muslim. Er habe etwa sieben Jahre für die Taliban gearbeitet. Vor vier bis fünf Jahren sei es im Herkunftsort nicht so problematisch gewesen, jetzt gebe es sehr viele Taliban in der Heimat. Diese seien zum Haus des Beschwerdeführers gekommen und hätten seinen Neffen mit dem Messer verletzt. Als Polizist sei er in Kunduz durch einen Schuss am Kopf verletzt worden.

2. Mit Bescheid vom 04.12.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.), erließt gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.) und sprach gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 Asylgesetzt aus, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22.08.2017 verloren hat (Spruchpunkt IX.). Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer für die Amerikaner gearbeitet habe. Die Bedrohung sei jedoch im Hinblick auf die GFK nicht relevant. Der Beschwerdeführer könne sich an die staatlichen Behörden wenden und stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 10.01.2018 vollumfänglich Beschwerde und regt außerdem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an. Weiter führt er aus, dass er alkoholkrank sei, was eine Rückkehr verunmögliche. In der Vergangenheit habe er auch weitere Suchtmittel konsumiert. Auch sei er als Unterstützer bzw. Angestellter der US-Streitkräfte gefährdet. Die Sicherheitslage sei schlecht und eine Niederlassung in einem anderen Landesteil nicht zumutbar.

3. Mit Erkenntnis vom 22.01.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde insoweit statt, als kein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z 1 FPG verhängt werde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde entschied der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25.02.2019, am Bundesverwaltungsgericht einlangend am 18.03.2019, und hob das Erkenntnis auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. Z 2 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Nach § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 4 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Gemäß § 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG in den Fällen der Abs. 1 bis 6 leg. cit. nicht anwendbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes ergibt sich aus § 87 Abs. 2 VfGG dass das Verfahren durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in die Lage zurücktritt, in der es sich vor der Erlassung der angefochtenen Entscheidung befunden hat (z.B. VfGH 26.11.2014, E 873/2014 mwN).

Demnach lebt auch die in § 18 Abs. 5 BFA-VG normierte Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts zur amtswegigen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wieder auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes hat das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde förmlich mit (Teil-) Erkenntnis zu entscheiden (zuletzt VwGH 13.12.2018, Ro 2018/18/0008), während ein zusätzlicher Antrag auf aufschiebende Wirkung durch den Beschwerdeführer unzulässig ist (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284).

Im gegenständlichen Fall wird die Beschwerde zwar als "Beschwerde in vollem Umfang" bezeichnet. Allerdings ergibt sich aus dem Beschwerdebegehren, dass der Beschwerdeführer lediglich die amtswegige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG anregt, jedoch Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides nicht in Beschwerde zieht.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde lediglich zum Anlass für ein amtswegiges Vorgehen nimmt, ist nach §§ 28 Abs. 2 i. V.m. 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zu entscheiden.

Nach jüngster Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst zu klären, ob eine besondere Verfahrenskonstellation vorliegt, in der unter Bedachtnahme auf Art. 31 Abs. 8 Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) eine Beendigung des Verbleibs des Antragstellers vor der Entscheidung der Beschwerde in der Hautsache gerechtfertigt ist, wobei § 18 Abs. 1 Z 2. BFA-VG in Art. 31 Abs. 8 lit. j Verfahrensrichtlinie Deckung findet (VwGH 13.12.2018, Ro 2018/18/0008).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründet die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass der Beschwerdeführer wegen eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei. Bei Delikten nach dem Suchtmittelgesetz sei jedenfalls mit einer Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu rechnen.

Hierzu ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht die einmalige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a 2. Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall Abs. 2 SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten nicht als schwerwiegenden Grund iSd § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG bewertet, weil nur eine geringe Strafe verhängt wurde und der Beschwerdeführer nach seinem Beschwerdevorbringen nunmehr eine Suchttherapie in Anspruch nimmt, wozu er auch ein Beweisanbot erstattet.

Weiter macht der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen ein reales Risiko einer Verletzung der zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen geltend. Bei einer Grobprüfung des Vorbringens kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um "vertretbare Behauptungen" handelt, die im Fall der Ausreise des Beschwerdeführers eine Verletzung (zumindest) seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK bedeuten würde und ist die Teilnahme des Beschwerdeführers an der zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers durchzuführenden mündlichen Beschwerdeverhandlung erforderlich.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich bei seiner Entscheidung an der unter A) dargestellten zu § 18 BFA-VG ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, Menschenrechtsverletzungen,
real risk, reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2182868.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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