TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/21 96/18/0534

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Veröffentlicht am 21.01.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
StGB §146;
StGB §147 Abs2;
StGB §147 Abs3;
StGB §148;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde der S M, geborene K, (geb. 22.10.1942), vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 47/5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. September 1996, Zl. SD 928/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. September 1996 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine kroatische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin halte sich laut eigenen Angaben seit 27 Jahren in Österreich auf und sei aufgrund einer bis zum 9. Mai 1996 gültigen Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig in Österreich gewesen. Derzeit befinde sie sich in der Justizanstalt Schwarzau in Haft.

Die Beschwerdeführerin sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 30. Mai 1995 wegen schweren Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 2 StGB) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Weiters sei sie am 30. April 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe ihren eigenen Landsleuten (27 Personen) auf betrügerische Art und Weise durch Vorgabe, über Behördenkontakte zu verfügen und so in der Lage zu sein, Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen, Visa und Wohnungen verschaffen zu können, von 1994 bis zu ihrer Verhaftung am 6. März 1996 insgesamt etwa 1,2 Millionen Schilling herausgelockt. Sie habe weder die Absicht noch die Möglichkeit gehabt, die von ihr angebotenen Vermittlungen durchzuführen oder die versprochenen Dienste zu leisten. Es sei ihr jeweils nur darum gegangen, Bargeld für ihren Lebensunterhalt, "wie für Miete, Anschaffung von PKW bzw. Finanzierung ihrer Spielleidenschaft" zu erlangen.

Es könne kein Zweifel bestehen, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG in mehrfacher Hinsicht verwirklicht worden sei, weil die Beschwerdeführerin mehr als einmal wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, rechtskräftig verurteilt worden sei und weil bei der zweiten Strafe das Strafausmaß des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG weit überschritten worden sei. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gefährde daher die öffentliche Sicherheit, weshalb die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Weiters könne kein Zweifel bestehen, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die "offensichtliche Unverbesserlichkeit" der Beschwerdeführerin und auf die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten sei.

Da das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei, ist der damit verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 19 FrG zulässig. Zweifellos handle es sich dabei um einen sehr schwerwiegenden Eingriff und die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und die ihrer Familie wögen sehr schwer, zumal sich die Beschwerdeführerin seit 27 Jahren in Österreich aufhalte und seit 1971 als Krankenschwester arbeite, aber auch weil ihr Ehegatte und alle Verwandten "(nähere Beschreibung fehlt)" in Österreich aufhältig seien.

Die belangte Behörde sei jedoch zur Auffassung gekommen, daß die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die zweifellos schwerwiegenden Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin vor dem Anlaßfall bereits einschlägig vorbestraft gewesen sei und eine große Anzahl eigener Landsleute "(Vielzahl von Fakten, hohe Schadenssumme, intensive kriminelle Neigung)" geschädigt habe.

Auch § 20 Abs. 2 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil der Beschwerdeführerin, wie die Erstbehörde richtig festgestellt habe, schon nach der ersten Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien im Jahr 1995 die Staatsbürgerschaft nicht mehr hätte verliehen werden können, da der Verleihung § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 entgegengestanden wäre; nach dieser Bestimmung könne einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür biete, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde. Außerdem sei die Beschwerdeführerin bei ihrer zweiten Verurteilung wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung (gemäß § 148 StGB) verurteilt worden.

Die Ausführungen in ihrer Berufung, daß die Beschwerdeführerin im Jahr 1991 eine Anzeige gegen eine "Jugo-Bande" hätte machen sollen und daß sie "für eine Frau" viel mehr Geld retour gegeben und ein näher genannter Herr von ihr viel mehr Geld retour verlangt hätte und daß sie aus Angst immer bezahlt hätte, seien nicht verständlich, jedenfalls aber nicht geeignet, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen. Der von der Beschwerdeführerin der Berufung beigelegte Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten habe keinesfalls einen Einfluß auf die Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Die Beschwerdeführerin sei berechtigt, ihre Alterspension auch im Ausland von der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt zu beziehen. Ein unbefristetes Aufenthaltsverbot sei zulässig und im Hinblick auf die Straftaten auch gerechtfertigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, daß im Beschwerdefall die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75 (im folgenden: "FrG 1997") nicht anzuwenden und somit auch das Beschwerdeverfahren nicht nach § 114 Abs. 7 FrG 1997 einzustellen ist. Gemäß der nach § 114 Abs. 4 FrG 1997 in Betracht zu ziehenden Regelung des § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 3 Z. 1 FrG 1997 ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig, wenn der Fremde vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits 10 Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war, es sei denn, er wäre von einem inländischen Gericht (u.a.) wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden. In Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren kommen die genannten Bestimmungen vorliegend nicht zum Tragen.

Die Prüfung des angefochtenen Bescheides ist daher auf der Grundlage des FrG vorzunehmen.

2. In der Beschwerde bleiben die in bezug auf § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen (die unter I.1. angeführten rechtskräftigen Verurteilungen) unbestritten. Der von der belangten Behörde aus diesen gerichtlichen Verurteilungen gezogene Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sowie - angesichts des den Verurteilungen

zugrundeliegenden Fehlverhaltens - auf das Gerechtfertigtsein der

im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme werden in der Beschwerde nicht bekämpft. Vor dem Hintergrund der besagten Sachverhaltsfeststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken.

3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG.

Die belangte Behörde stelle zutreffend fest, daß sich die Beschwerdeführerin seit 27 Jahren in Österreich befinde, seit 1971 als Krankenschwester arbeite und ihr Ehemann und ihre weiteren Verwandten in Österreich lebten. Die Beschwerdeführerin habe in Österreich eine gesicherte Existenz und lebe mit ihrem Ehemann in "geordneten Verhältnissen", was sich auch aus dem Umstand zeige, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Beschäftigung als Krankenschwester bereits mit Stichtag 1.11.2002 die Anspruchsvoraussetzungen auf eine Alterspension erfüllte; nach Beendigung ihrer Strafhaft sei es der Beschwerdeführerin jederzeit möglich, wieder einer Beschäftigung nachzugehen. Demgegenüber hätte sie keinerlei Verbindungen zu ihrer früheren Heimat und dort aufgrund der Kriegsereignisse der letzten Jahre auch keinerlei Chance, eine Existenz aufzubauen. Das von der belangten Behörde verhängte Aufenthaltsverbot würde ihre in 27 Jahren aufgebaute Existenz ruinieren und es wäre ihr auch nicht mehr möglich, mit ihrem Ehemann eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft zu führen. Die Beschwerdeführerin wäre auch aufgrund ihres Alters von 54 Jahren nicht mehr in der Lage, anderswo eine neue Existenz zu gründen.

Aufgrund der außergewöhnlich langen Dauer ihres Aufenthalts in Österreich und der sich daraus ergebenden starken Integration sowie bei richtiger Bewertung der dramatischen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und die ihrer Familie ergebe sich daher, daß diese Auswirkungen so schwerwiegend seien, daß die Folgen des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat - unter der zutreffenden Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffs in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 19 FrG - die Auffassung vertreten, daß diese Maßnahme dennoch zulässig sei, weil sie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten sei. Dieser Beurteilung kann nicht entgegengetreten werden. Die zweimalige Begehung eines schweren Betrugs, das zweite Mal in der das Delikt als Verbrechen qualifizierenden Begehungsform der Gewerbsmäßigkeit, das heißt mit der Absicht, sich durch wiederkehrenden Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, stellt eine nachhaltige Gefährdung des öffentlichen Interesses (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dar, die es im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK - unter Hinanstellung der gegenläufigen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin - notwendig macht, gegen sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Dringend-geboten-sein dieser Maßnahme ist umso mehr zu bejahen, als sich die Beschwerdeführerin auch durch eine bereits erfolgte rechtskräftige Verurteilung wegen schweren Betrugs nicht davon abhalten ließ, neuerlich einschlägig straffällig zu werden.

Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist auch das Ergebnis der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Abwägung unbedenklich. Die aus dem langjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin abzuleitende Integration ist in ihrem Gewicht insofern entscheidend relativiert, als die dafür essentielle soziale Komponente durch die Zahl und die Schwere der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Straftaten gravierend beeinträchtigt wurde. Mit ihrem Vorbringen betreffend ihr Heimatland verkennt die Beschwerdeführerin, daß sich der durch die §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG gewährleistete Schutz des Privat- und Familienlebens lediglich auf das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich bezieht (vgl. das zu § 17 Abs. 1 FrG ergangene, aber auch hier einschlägige hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1998, Zl. 95/18/0712).

Vor diesem Hintergrund ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, ihr Privat- und Familienleben in Österreich in vollem Umfang darzustellen und aufzuzeigen, daß sie keinerlei Bindungen zu ihrem Herkunftsland habe, nicht zielführend.

4.1. Weiters macht die Beschwerdeführerin geltend, daß ihr vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft im Sinn des § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 hätte verliehen werden können, zumal bei der Verurteilung der Beschwerdeführerin im Jahr 1995 lediglich eine Geldstrafe verhängt worden sei, was zeige, daß die von der Beschwerdeführerin begangene Tat "als nicht sehr gravierend betrachtet" worden sei; aus dieser Straftat lasse sich nicht ableiten, daß die Beschwerdeführerin eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde.

4.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Nach § 20 Abs. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftgesetzes 1985 verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z 1 leg.cit. zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist. Da das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs, dessentwegen die Beschwerdeführerin im Jahr 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilt wurde, gemäß § 148 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht ist, kommt § 20 Abs. 2 leg.cit. vorliegend nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin zum Tragen.

5. Da - wie ausgeführt - dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Jänner 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996180534.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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