TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/17 W250 2218482-1

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Veröffentlicht am 17.05.2019
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Entscheidungsdatum

17.05.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W250 2218482-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte in Österreich bisher insgesamt 5 Anträge auf internationalen Schutz, zuletzt am 04.06.2013.

Am 22.06.2013 wurde das Verfahren eingestellt, da der BF untergetaucht und in die Schweiz ausgereist war. Im Juli 2013 wurde der BF nach den Bestimmungen der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) nach Österreich überstellt.

Der BF tauchte neuerlich unter und wurde am 19.11.2015 von Dänemark nach Österreich überstellt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 19.01.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 04.06.2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Es wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und zugleich ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2018 abgewiesen.

2. Der BF befand sich auf Grund seiner mittlerweile 11. Verurteilung von 16.01.2018 bis 16.01.2019 in Strafhaft und wurde am 29.08.2018 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er im Jahr 1996 erstmalig nach Österreich gekommen sei, sich in den Jahren 2000 bis 2002 in Deutschland, von 2002 bis 2010 in Österreich und von 2010 bis 2015 in Dänemark aufgehalten habe. Seit 2015 befinde er sich wieder in Österreich. Er sei algerischer Staatsangehöriger. Seine Mutter stamme aus Marokko, sein Vater aus Algerien. Seine Eltern seien verstorben und in Algerien begraben, er habe einen Bruder, der sich in Spanien befinde. Im Besitz eines gültigen Reisedokumentes oder eines anderen Ausweisdokumentes sei er nicht. Im Rahmen der Einvernahme wurde ein Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates handschriftlich ausgefüllt. Der BF wolle Österreich freiwillig verlassen, allerdings nicht nach Algerien. In der Strafhaft arbeite er als Koch, seinen Lebensunterhalt bestreite er durch finanzielle Unterstützung durch seinen Bruder, manchmal durch Schwarzarbeit. Er verfüge weder über finanzielle Mittel noch über eine Bankomat- oder Kreditkarte. In Österreich habe er weder familiäre noch soziale Bindungen. Der BF sei gesund, er nehme allerdings Beruhigungsmittel ein.

3. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF auf Grund eines vom Bundesamt am 14.01.2019 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages am 16.01.2019 festgenommen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 3 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG 2005 Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 1a, 3, 8 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF sei mehrmals untergetaucht und habe sich dadurch sowohl dem Verfahren als auch der Abschiebung entzogen, eine Rückkehrentscheidung sei am 15.06.2017 in Rechtskraft erwachsen und verfüge der BF im Bundesgebiet über keinerlei persönliche Beziehungen oder Bindungen. Er habe keine Chance auf eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit und verfüge über keine ausreichenden Mittel zur Existenzsicherung. Die Wohnsituation des BF sei nicht gesichert und er sei unsteten Aufenthaltes. Die Sicherung der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF als nicht vertrauenswürdig und hoch mobil erwiesen habe. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ergebe, dass das private Interesse des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Da auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF sowie seiner persönlichen Lebenssituation ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe, könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 16.01.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.

5. Das Bundesamt führte am 11.02.2019, 12.03.2019 und 10.04.2019 Schubhaftprüfungen durch.

6. Das Bundesamt legte am 09.05.2019 den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab dazu eine Stellungnahme ab, aus der sich im Wesentlichen ergibt, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig sei. Ergänzend wurden die bisher eingeleiteten Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ausführlich beschrieben.

7. Am XXXX wurde der BF der Vertretungsbehörde Libyens vorgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass es sich beim BF um keinen libyschen Staatsangehörigen handelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. - I.7.)

Der unter Punkt I.1. bis I.7. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht nicht fest, er gibt an, Staatsangehöriger Algeriens zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 16.01.2019 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF verfügte in Österreich seit 06.04.2005 über keine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt oder eines Polizeianhaltezentrums. Er ist mehrmals untergetaucht und hat dadurch seine Abschiebung erschwert und sich insbesondere seinem mit Antrag vom 04.06.2013 eingeleiteten Asylverfahren entzogen. Der BF wurde im Juli 2013 aus der Schweiz und am 21.03.2014 sowie am 19.11.2015 aus Dänemark nach Österreich überstellt.

3.2. Es liegt auf Grund der mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.01.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2018 abgewiesen.

3.3. Der BF stellte in Österreich am 19.06.1996, am 07.04.1998, am 23.01.2002, am 29.09.2007 und am 04.06.2013 insgesamt fünf Anträge auf internationalen Schutz. Am 09.02.2013 stellte der BF einen Asylantrag in Dänemark.

3.4. Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörige oder sonstige soziale Bindungen.

3.5. Der BF verfügte vor seine Festnahme am 16.01.2018 über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, er war nach den Bestimmungen des Meldegesetzes nicht gemeldet und ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

3.6. Der BF versuchte während seiner Anhaltung in Schubhaft durch Hungerstreik, den er von 18.01.2019 bis 25.01.2019 aufrecht hielt, seine Haftunfähigkeit herbeizuführen.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf:

4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.06.1999 wurde der BF wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Abs. 1 und 130 Strafgesetzbuch - StGB, wegen des Vergehens des gewerbsmäßig vorschriftswidrigen Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz - SMG sowie wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

4.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 15.01.2001 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

4.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.06.2003 wurde der BF wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach §§ 127 und 129 Z. 1 StGB sowie wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

4.1.4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 02.03.2004 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB zur einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

4.1.5. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 14.04.2005 wurde der BF wegen des Vergehens des vorschriftswidrigen Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

4.1.6. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.05.2006 wurde der BF wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach §§ 127 und 129 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

4.1.7. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.02.2008 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 SMG zur einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

4.1.8. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 30.07.2009 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall und 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

4.1.9. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 02.10.2014 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und 27 Abs. 3 SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

4.1.10. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 29.01.2016 wurde der BF wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens des Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

4.1.11. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 20.02.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt.

4.2. Bei den Vertretungsbehörden Algeriens, Tunesiens, Marokkos und Libyens wurden Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet.

4.2.1. Bei der Vertretungsbehörde Algeriens wurden seit dem Jahr 2009 zwei Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF geführt. Am XXXX teilte die algerische Botschaft mit, dass der BF zum damaligen Zeitpunkt nicht als algerischer Staatsangehöriger habe identifiziert werden können. Am XXXX wurde auf Grund des neuen Erkenntnisstandes, der sich aus den Angaben des BF auf Grund seines fünften Asylantrages ergab, ein zweites Verfahre zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet. In diesem Verfahren wurde der BF am XXXX der algerischen Botschaft vorgeführt, konnte jedoch nicht als algerischer Staatsangehöriger identifiziert werden. Am XXXX fand auf Grund der vom BF in der Einvernahme vom 29.08.2018 gemachten Angaben eine neuerliche Vorführung des BF vor die algerische Vertretungsbehörde statt. Laut Mitteilung der algerischen Vertretungsbehörde vom XXXX handelt es sich beim BF doch um einen algerischen Staatsangehörigen. Diesbezüglich wurden am XXXX neuerlich Daten nach Algerien übermittelt. Zuletzt wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates am XXXX urgiert, die Dauer der Erhebungen in Algerien erstreckt sich über mehrere Monate.

4.2.2. Die Vertretungsbehörde Tunesiens teilte am XXXX mit, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt wird.

4.2.3. Bei der marokkanischen Vertretungsbehörde wurde am XXXX ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde bereits mehrmals, zuletzt am XXXX urgiert. Die Erhebungen in Marokko erstrecken sich über mehrere Monate.

4.2.4. Der BF wurde am XXXX der Vertretungsbehörde Libyens vorgeführt, wobei mitgeteilt wurde, dass es sich beim BF um keinen libyschen Staatsangehörigen handelt.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 16.01.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.01.2018 betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.01.2018 betreffend.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere auf den Angaben des BF und der Tatsache, dass bisher noch kein Dokument zum Nachweis der Identität des BF vorgelegt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Anträge des BF auf internationalen Schutz wurden ab- bzw. zurückgewiesen, weshalb der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

1.3. Dass der BF seit 16.01.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit oder eine die Verhältnismäßigkeit ausschließende Erkrankung wurden vom BF nicht behauptet. In seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 29.08.2018 gab er zwar an, Beruhigungsmittel einzunehmen, eine weitergehende medizinische Behandlung nannte er jedoch nicht. Auch aus der Anhaltedatei ergeben sich keine Arztbesuche des BF.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Die Feststellungen zu den Meldedaten des BF ergeben sich aus dem Melderegister, die Daten der Überstellungen aus anderen Mitgliedstaaten aus dem Verwaltungsakt. Dass er sich seinem mit Antrag vom 04.06.2013 eingeleiteten Verfahren entzogen hat steht insofern fest, als sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes im Beschwerdeverfahren den Bescheid vom 19.01.2018 betreffend ergibt, dass der BF nach seiner Haftentlassung am 12.12.2017 über keinen gemeldeten Wohnsitz verfügte und für die Behörde nicht greifbar war.

2.2. Die Feststellungen zur mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.01.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

2.3. Die Daten der vom BF in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dass er in Dänemark einen Asylantrag gestellt hat ergibt sich aus der diesbezüglichen Eurodac-Eintragung im Zentralen Fremdenregister.

2.4. Dass der BF in Österreich weder über Familienangehörige noch über sonstige Bindungen verfügt, gab der BF selbst in seiner Einvernahme am 29.08.2018 an.

2.5. Die Feststellung über den mangelnden Wohnsitz des BF ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Dass er in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging und über keine finanziellen Mittel verfügt, gab der BF selbst bei seiner Einvernahme am 29.08.2018 an. Da er seit dieser Einvernahme durchgehend in Straf- bzw. Schubhaft angehalten wird, ist von einer Änderung dieser von ihm genannten Umstände nicht auszugehen.

2.6. Die Feststellung den Hungerstreik des BF während der hier zu beurteilenden Anhaltung in Schubhaft betreffend ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, der diesbezüglich mit den Eintragungen in der Anhaltedatei übereinstimmt.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister.

3.2. Die Feststellung zu den vom Bundesamt im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezeritfikates vorgenommenen Veranlassungen ergeben sich aus dem Verwaltungakt und der im Rahmen der Aktenvorlage übermittelten Stellungnahme des Bundesamtes.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 16.01.2019 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die vom BF bekannt gegebenen Identitätsdaten werden von der algerischen sowie der marokkanischen Vertretungsbehörde derzeit überprüft, weshalb die Erlangung eines Heimreisezertifikates und damit die Abschiebung des BF weiterhin möglich ist.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF ist mehrfach untergetaucht und hat dadurch seine Abschiebung zumindest erschwert. Er hat den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung durch Untertauchen erschwert und sich dem mit Antrag vom 04.06.2013 eingeleiteten Asylverfahren entzogen hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt über keine Familienangehörigen oder sonstige soziale Bindungen im Bundesgebiet, geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Vermögen und ein eigener gesicherter Wohnsitz existiert nicht. Es liegen daher keine Umstände vor, die im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG gegen eine Fluchtgefahr sprechen, weshalb auch dieser Tatbestand erfüllt ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vor.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist.

Der BF ist in Österreich seinen Meldeverpflichtungen nicht nachgekommen und hat mehrfach Österreich verlassen wodurch er seine Abschiebung erschwert und sich seinem Asylverfahren entzogen hat. In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist davon auszugehen, dass der BF, insbesondere aufgrund der zu erwartenden Abschiebung, nach einer Freilassung aus der Schubhaft untertauchen werde um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

Auf Grund des vom BF vor Anordnung der Schubhaft jahrelang gezeigten Verhaltens ist daher weiterhin Sicherungsbedarf gegeben und wird dies dadurch untermauert, dass der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft versucht hat durch Hungerstreik seine Freilassung zu erzwingen.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht der BF in Österreich nicht nach und verfügt über keinen Wohnsitz. Der BF ist mehrfach untergetaucht.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist elf Vorstrafen wegen Vermögens- und Gewaltdelikten sowie Delikten nach dem Suchtmittelgesetz auf. Bemerkenswert ist, dass er insgesamt vier Mal wegen (gewerbsmäßigen) Einbruchsdiebstahls, drei Mal wegen Körperverletzung, ein Mal wegen Suchtgifthandel und sechs Mal wegen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften bestraft wurde. Diese Delikte hat der BF über einen Zeitraum von etwa 19 Jahren begangen und es konnten ihn insbesondere die vollzogenen Haftstrafen nicht davon abhalten, neuerlich einschlägige Straftaten zu begehen. Es besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Drogen- und Beschaffungskriminalität sowie an der Verhinderung von Vermögens- und Gewaltdelikten. Da nicht einmal Haftstrafen den BF zu einem gesetzeskonformen Verhalten bewegen konnten und er über keine finanziellen Mittel verfügt, ist daher davon auszugehen, dass der BF auch künftig Straftaten, insbesondere Vermögens- und Gewaltdelikte sowie Delikte nach dem Suchtmittelgesetz begehen werde, sodass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bedingt. Dass sich die Erlangung dieses Dokumentes verzögert, ist dem Verhalten des BF zuzurechnen, da er keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher insgesamt ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändert.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das Bundesamt die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF regelmäßig bei den algerischen und marokkanischen Vertretungsbehörden urgiert. Insbesondere hat das Bundesamt bereits während der Anhaltung des BF in Strafhaft Verfahrensschritte zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF gesetzt. So wurde im September 2018 das mittlerweile dritte Verfahren mit der Vertretungsbehörde Algeriens eingeleitet, im September 2018 ein Verfahren mit der Vertretungsbehörde Tunesiens geführt und bei der Vertretungsbehörde Marokkos im August 2018 ein entsprechendes Verfahren eingeleitet.

Anhaltspunkte dafür, dass die Schubhaft auf Grund des Gesundheitszustandes des BF unverhältnismäßig wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 16.01.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere da er bereits mehrfach untergetaucht und in verschiedene Mitgliedstaaten ausgereist ist und seit 06.04.2005 über keine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt oder eines Polizeianhaltezentrums verfügte - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF geführt werden.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2218482.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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