Entscheidungsdatum
23.05.2019Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W240 2210219-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Ghana, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Abuja vom 17.01.2017 (gemeint: 2018), GZ Abuja-ÖB/KONS/0311/2018, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid betreffend XXXX behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Botschaft Abuja zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ghana und stellte am 17.03.2016 unter Anschluss diverser Unterlagen bei der Österreichischen Botschaft Abuja (im Folgenden: ÖB) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte er aus, er sei der minderjährige ledige leibliche Sohn der in Österreich lebenden Bezugsperson XXXX welcher der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei.
2. Der genannten Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.12.2009, Zl. A13 302.700-1/2009/10E, rechtskräftig seit 14.12.2009, gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 Asyl gewährt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3. Nach Weiterleitung des Antrags auf Einreiseerlaubnis an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) teilte dieses der ÖB mit Mitteilung vom 03.04.2017 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass eine Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde in der angeschlossenen Stellungnahme des BFA ausgeführt, ein Familienleben im Herkunftsstaat bestehe offenkundig den Angaben der Bezugsperson zufolge seit dem Jahre 2006 nicht mehr, weshalb keinesfalls von der nach § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 geforderten Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden könne.
4. Die ÖB übermittelte mit Schreiben vom 17.06.2017 unter Anschluss von Mitteilung und Stellungnahme des BFA eine Aufforderung zur Stellungnahme an den Beschwerdeführer.
5. Aufgrund der daraufhin erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28.06.2017 führte das BFA nähere Ermittlungen zum Sachverhalt durch Einvernahme der Bezugsperson durch und ersetzte die erste Wahrscheinlichkeitsprognose vom 03.04.206 durch die neuerliche Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 05.12.2017. In dieser teilte das BFA der ÖB (neuerlich) mit, dass eine Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten aus folgenden Gründen nicht wahrscheinlich sei:
" - Ein Familienleben im Herkunftsstaat besteht seit dem Jahr 2005 nicht mehr, ab dem Zeitpunkt der Gewährung des Asylstatus an die Ankerperson am 10.12.2009 wäre es möglich gewesen, eine Wiederaufnahme des Familienlebens anzustreben, was jedoch bis August 2016 nicht erfolgte, weshalb nicht von der nach § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 geforderten Fortsetzung eines bestehenden gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ausgegangen werden kann.
-
Eine Wiederaufnahme eines Familienlebens zwischen den Antragstellern und der in Österreich aufhältigen Bezugsperson ist zum jetzigen Zeitpunkt in einem anderen Staat als Österreich, nämlich in Ghana, möglich."
In der angeschlossenen Stellungnahme führt das BFA näheres zu den von der Bezugsperson geschilderten Umständen des Familienlebens ihrer Kinder in Ghana aus und folgert - zusammengefasst - daraus, für die Bezugsperson bestehe spätestens seit dem Tod ihres Ehemannes, dem Vater ihrer Kinder, keine realistische Gefahr, in ihrem Heimatland Opfer einer Menschenrechtsverletzung zu werden. Daher sei ein gemeinsames Familienleben der Betroffenen in Ghana ohne weiteres möglich und auch - aus näher dargestellten Gründen - zumutbar. Gegenüber der Bezugsperson sei kein Asylaberkennungsverfahren anhängig.
6. Die ÖB übermittelte mit Schreiben vom 05.12.2017 unter Anschluss von neuerlicher Mitteilung und Stellungnahme des BFA eine Aufforderung zur Stellungnahme an den Beschwerdeführer.
7. Mit Schreiben vom 12.12.2017 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab und brachte - zusammengefasst - vor, die Trennung der Familie 2006 sei fluchtbedingt erfolgt, dies könne nicht als Abreißen des Familienlebens gewertet werden. Dass das gemeinsame Familienleben in Ghana fortgesetzt werden könnte, sei kein Grund für die Abweisung: Mit 01.11.2017 sei das FrÄG 2017 in Kraft getreten, das in diesem Punkt eine wesentliche Änderung der Rechtslage mit sich gebracht habe. Der bisherige § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG sei ersatzlos gestrichen worden, sodass die allfällige Möglichkeit der Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens in einem anderen Staat keine taugliche Grundlage für eine Abweisung eines Antrages auf Familienzusammenführung gemäß § 35 AsylG iVm § 26 FPG mehr sei.
8. Diese Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde dem BFA mit Schreiben der ÖB vom 14.12.2017 zugeleitet, dazu gab das BFA - soweit aktenkundig - keine weitere Äußerung ab.
9. Mit dem angefochtenen Bescheid, dem Antragsteller zugestellt am 23.04.2018, verweigerte die ÖB die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG mit der Begründung, das BFA habe nach Prüfung mitgeteilt, dass in dem dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten aus folgenden Gründen nicht wahrscheinlich sei: "Ein Familienleben im Herkunftsstaat besteht seit dem Jahr 2005 nicht mehr, ab dem Zeitpunkt der Gewährung des Asylstatus an die Ankerperson am 10.12.2009 wäre es möglich gewesen, eine Wiederaufnahme des Familienlebens anzustreben, was jedoch bis August 2016 nicht erfolgte, weshalb nicht von der nach § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 geforderten Fortsetzung eines bestehenden gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ausgegangen werden kann.
-
Eine Wiederaufnahme eines Familienlebens zwischen den Antragstellern und der in Österreich aufhältigen Bezugsperson ist zum jetzigen Zeitpunkt in einem anderen Staat als Österreich, nämlich in Ghana, möglich." Das BFA sei nach Prüfung der Stellungnahme des Beschwerdeführers zur Wahrscheinlichkeitsprognose bei seiner Mitteilung geblieben, weswegen der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels abzuweisen sei.
10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche, rechtzeitig erhobene Beschwerde vom 11.05.2018. In dieser wird auf das bisherige Vorbringen verwiesen und -soweit entscheidungswesentlich - ausgeführt, im gegenständlichen Fall seien die Einreiseanträge am 17.03.2016 gestellt worden und demgemäß seien in Bezug auf § 35 AsylG die Übergangsbestimmungen der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 (§ 75 Abs. 24 AsylG) beachtlich. Aus diesem Grund seien die vom BFA genannten Gründe, die zur Abweisung des gegenständlichen Antrages geführt hätten, rechtlich nicht relevant, wie das angeblich fehlende Familienleben zwischen 2010 und 2016 und die Zumutbarkeit des Familienlebens in Ghana. Es wurde beantragt, der Beschwerde statt zu geben, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Beschwerdeführer den Einreisetitel gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG zu erteilen, weiters möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung zwecks Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers durchgeführt werden.
11. Mit dem am 11.12.2018 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakten übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Behebung und Zurückverweisung:
1. Zunächst ist zu den maßgeblichen Bestimmungen für die Entscheidung über den gegenständlichen Einreiseantrag festzuhalten, dass gemäß § 75 Abs. 24 (dritter bis fünfter Satz) AsylG 2005 die §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden sind. Auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde.
Im gegenständlichen Fall stellte der Beschwerdeführer seinen Antrag nach § 35 AsylG 2005 am 17.03.2016. Das Verfahren über diesen Antrag war somit bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig, sodass hier § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden ist.
Mit dem FrÄG 2017 (BGBl. I Nr. 145/2017) entfiel - worauf der Beschwerdeführer bereits im behördlichen Verfahren und zuletzt in der Beschwerde zutreffend hinwies - vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU - "StatusRL" (vgl. EBzRV 1523 der Beilagen XXV. GP) mit Inkrafttretensdatum 01.11.2017 ohne Übergangsbestimmung (vgl. § 73 Abs. 18 AsylG 2005) unter anderem in § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 jeweils die Z. 2, in § 35 Abs. 5 leg.cit. wurden die Wendungen "im Herkunftsstaat" jeweils durch die Wortfolge "vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten" ersetzt, mit dem FrÄG 2018 (BGBl. I Nr. 56/2018) erfolgte ua mit Inkrafttretensdatum 01.09.2018 ohne Übergangsbestimmungen (vgl. § 73 Abs. 20 AsylG 2005) eine Neufassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 und Adaptierung in § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Bei verständiger Interpretation der genannten Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen sind im Beschwerdefall daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 in der durch das FrÄG 2018 modifizierten Fassung, die übrigen Bestimmungen in der nach dem FrÄG 2018 geltenden Fassung anzuwenden.
2. Der mit "Begriffsbestimmungen" übertitelte § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF lautet:
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
-[....]
22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;"
Der mit "Familienverfahren im Inland" übertitelte § 34 AsylG 2005 idgF lautet:
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
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-1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
-2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
-3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
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-
-1. dieser nicht straffällig geworden ist und
-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
-3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
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-1. dieser nicht straffällig geworden ist;
-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
-3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
-4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
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-1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der
2. Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
-3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
(§ 34 Abs. 2 lautete in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 145/2017 - FrÄG 2017 wie folgt:
"(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
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1.-dieser nicht straffällig geworden ist;
2.-die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und
3.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).")
§ 35 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung lautet:
"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1.
gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2.
das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
[...]
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
[...]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
[....]
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Allerdings steht es dem Bundesverwaltungsgericht innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems nunmehr offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
4. Die Überprüfung der Richtigkeit der Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA führt allerdings zu dem Ergebnis, dass das BFA bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen offenbar von einer (zu diesem Zeitpunkt) bereits überholten Rechtslage ausgegangen ist:
Der ledige, zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Beschwerdeführer nannte in seinem auf § 35 AsylG gestützten Einreiseantrag seine leibliche Mutter XXXX als Bezugsperson. Das Alter des Beschwerdeführers sowie seine leibliche Abstammung von der genannten Bezugsperson waren im behördlichen Verfahren nicht strittig, der Bezugsperson wurde nach dem ebenfalls unbestrittenen Sachverhalt mit Rechtskraft vom 14.12.2009 Asyl zuerkannt, ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status ist aktuell nicht anhängig (s. die Mitteilung des BFA iZm einem aktuellen IZR-Auszug).
Das BFA hat sich bei der - im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde zugrunde gelegten - negativen Wahrscheinlichkeitsprognose allein darauf gestützt, dass
1. zwischen Bezugsperson und Beschwerdeführer seit 2005 kein Familienleben mehr bestanden habe und damit die nach § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 geforderte Fortsetzung eines bestehenden gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht vorliege und
2. eine Wiederaufnahme eines Familienlebens zwischen Beschwerdeführer und der in Österreich aufhältigen Bezugsperson auch in Ghana möglich sei.
Diese Auffassung erweist sich allerdings vor dem Hintergrund der neuen, hier bereits anzuwendenden Rechtslage jedenfalls als unzutreffend: Wie nämlich aus den oben wiedergegebenen Bestimmungen hervorgeht, ist die nach der alten Rechtslage (kumulativ) geforderte Voraussetzung, dass die "Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigen zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist", durch Entfall der Ziffer 2 des § 34 Abs. 2 (und Abs. 3) AsylG 2005 durch das FrÄG 2017 in der Zwischenzeit weggefallen, sodass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose nicht auf die vom BFA angeführten Gründe gestützt werden kann.
Der Vollständigkeit halber ist zur Frage des Bestehens eines gemeinsamen Familienlebens darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]). Im Beschwerdefall war die Bezugsperson jedoch aufgrund der fluchtauslösenden Ereignisse gezwungen, den Beschwerdeführer und dessen Bruder in Ghana zurückzulassen, sodass keinesfalls davon gesprochen werden kann, dass jede Verbindung gelöst wurde (EGMR, Fall Boughanemi, Z 35). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Bezugsperson erst nach längerer Zeit des Aufenthaltes in Österreich um die Familienzusammenführung bemüht hat.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren nach Einholung einer neuerlichen Mitteilung des BFA unter Zugrundelegung der anzuwendenden Rechtslage über den Einreiseantrag des Beschwerdeführers neu zu entscheiden haben.
Betreffend den Einreiseantrag des bei Antragstellung ebenfalls minderjährigen und ledigen Bruders des Beschwerdeführers, XXXX , zu dem ein gleichgelagertes Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren geführt wurde, erging mit heutigem Tag eine gleichlautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl W205 2210217-1.
Der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung steht der klare Wortlaut des § 11a Abs. 2 FPG entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Familienleben, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W240.2210219.2.00Zuletzt aktualisiert am
09.07.2019