Entscheidungsdatum
27.05.2019Norm
AlVG §24Spruch
W198 2218777-1/2Z
W198 2218778-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. am XXXX , gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz - jeweils - vom 31.10.2018, Versicherungsnummer XXXX beschlossen:
A)
Die Verfahren werden gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Wiener Gebietskrankenkasse über die Voll- bzw. Arbeitslosenversicherungspflicht der Beschwerdeführerin in den Zeiträumen 24.10.2016 bis 19.01.2017, 26.01.2017 bis 01.03.2017 sowie 02.03.2017 bis 19.07.2017 ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit den angefochtenen Bescheiden jeweils vom 31.10.2018 wurde der Bezug der Notstandshilfe von XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) für die Zeiträume von 24.10.2016 bis 19.01.2017, 26.01.2017 bis 01.03.2017 sowie der Bezug des Arbeitslosengeldes von 02.03.2017 bis 19.07.2017 vom Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (in der Folge: belangte Behörde) widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt sowie die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 2.564,55 und zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von € 128,80 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in den genannten Zeiträumen zu Unrecht eine Leistung bezogen habe, da sie in diesen Zeiträumen in einem (vollversicherungspflichtigen) Dienstverhältnis bei der XXXX - Reinigung GmbH gestanden sei.
2. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht und führte im Wesentlichen aus, dass sie das im Bescheid genannte Unternehmen nicht kenne, sie nie für dieses Unternehmen gearbeitet hätte. Somit sei die GKK - Meldung nicht korrekt und läge in den in den Bescheiden genannten Zeiträumen Arbeitslosigkeit vor, da sie in keinem Dienstverhältnis gestanden sei. Beantragt werde die zeugenschaftliche Einvernahme des -laut Firmenbuchs-Geschäftsführers und Eigentümers der im Bescheid genannten Firma. Es sei dieser zur Vorlage aussagekräftiger Dokumente (z.B. Arbeitsaufzeichnungen, Lohnkonten, Entgeltüberweisungsbelege bzw. Zahlungsquittungen,...) zu verpflichten. Sie hätte inzwischen bei der Gebietskrankenkasse den Antrag gestellt, die entsprechende Versicherungszeit zu stornieren.
3. Am 13.05.2019 wurden die Beschwerden samt entsprechenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Den Verwaltungsakten angeschlossen war jeweils eine Erklärung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 04.02.2019, wonach die Beschwerdeführerin schriftlich gemeldet hätte, ihre Versicherungszeit beim genannten Dienstgeber zu stornieren. Es fände derzeit eine laufende Überprüfung statt, bei der auch die Aussage der Beschwerdeführerin überprüft werde. Es könne nach derzeitigen Stand nicht gesagt werden, wann die Überprüfung abgeschlossen (erledigt) sein wird.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 31.10.2018, mit welchen der Bezug der Notstandshilfe für die Zeiträume von 24.10.2016 bis 19.01.2017, 26.01.2017 bis 01.03.2017 und der Bezug des Arbeitslosengeldes von 02.03.2017 bis 19.07.2017 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt wurde sowie die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistungen verpflichtet wurde, Beschwerde erhoben. Begründet wurde die Beschwerde mit dem Nichtbestehen eines (vollversicherungspflichtigen) Dienstverhältnisses.
1.2. Zur Klärung der Frage, ob in den Zeiträumen von 24.10.2016 bis 19.01.2017, 26.01.2017 bis 01.03.2017 und von 02.03.2017 bis 19.07.2017 ein (vollversicherungspflichtigen) Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin bestand, ist derzeit ein Verfahren beim zuständigen Versicherungsträger anhängig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anwendbares Recht
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Wien Esteplatz.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes-oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Aus Sicht des entscheidenden Richters handelt es sich bei der Aussetzung gemäß § 38 AVG um einen für die Verfahrensführung erforderlichen Beschluss, welcher, zumal er auch in einem Aktenvermerk festgehalten und der Partei formlos bekannt gegeben werden könnte (vgl. VwGH 30.04.2014, 2013/12/0220; 11.02.1992, 92/11/0006), durch die oder den Vorsitzende/n eines Senates zu treffen ist.
Gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.3. Die relevanten Bestimmungen des AlVG lauten wie folgt:
§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer
1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,
2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und
3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.
[...]
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
a) wer in einem Dienstverhältnis steht
b) wer selbständig erwerbstätig ist
[...].
§ 24 (1) [...]
(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Ist die fehlerhafte Zuerkennung oder Bemessung auf ein Versehen der Behörde zurückzuführen, so ist der Widerruf oder die Berichtigung nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr zulässig.
§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.
Allgemeine Bestimmungen
§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.
Zu Spruchpunkt A)
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Zuerkennung der Notstandshilfe und des Arbeitslosengeldes widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe sowie des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes verpflichtet. Voraussetzung für einen Widerruf ist gemäß § 24 Abs. 2 AlVG, dass die Zuerkennung der Notstandshilfe und des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war.
Ob die Beschwerdeführerin in den Zeiträumen von 24.10.2016 bis 19.01.2017, 26.01.2017 bis 01.03.2017 sowie im Zeitraum 02.03.2017 bis 19.07.2017 in einem (vollversicherungspflichtigen) Dienstverhältnis stand, stellt eine Vorfrage dar, welche derzeit den Gegenstand eines beim zuständigen Sozialversicherungsträger anhängigen Verfahrens im Sinne des § 38 AVG bildet.
Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens über die Vorfrage, steht es im Ermessen der Behörde das Verfahren zu unterbrechen, oder selbst die Vorfrage zu beurteilen. § 38 AVG regelt nun nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen nicht völlig ungebunden. Ihre Entscheidung kann nämlich in der Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat. Die Überlegungen, von denen sie sich dabei leiten lassen muss, werden vornehmlich solche der Verfahrensökonomie sein (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 38 Rz 59 f genannten weiteren Kriterien der möglichsten Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, der Erzielung möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidungen samt Vermeidung von Wiederaufnahmen; demgegenüber das Postulat der möglichst raschen Beendigung des Verfahrens). Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie könnte dann nicht als vorrangig angesehen werden, wenn die Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren zur selbstständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage gewesen wäre (Hinweis Erkenntnis des VwGH vom 30. Mai 2001, 2001/11/0121, mwN, und Erkenntnis des VwGH vom 19. Dezember 2012, 2012/08/0212).
Die Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin in den Zeiträumen von 24.10.2016 bis 19.01.2017, 26.01.2017 bis 01.03.2017 sowie im Zeitraum 02.03.2017 bis 19.07.2017 in einem versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses stand wäre ohne Durchführung eines aufwendigen Ermittlungsverfahrens jedenfalls nicht möglich, weshalb daher im Sinne der Raschheit und Einfachheit die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens bis zum Abschluss des im Spruch genannten Verwaltungsverfahrens zur Feststellung, ob die Beschwerdeführerin in den maßgeblichen Zeiträumen in einem (vollversicherungspflichtigen) Dienstverhältnis stand, zu beschließen war.
Den Parteien wird hiermit aufgetragen, die entsprechenden Unterlagen nach rechtskräftigem Abschluss des anhängigen Verfahrens beim zuständigen Versicherungsträger dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich vorzulegen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG Gebrauch.
Schlagworte
Aussetzung, Versicherungspflicht, VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W198.2218778.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.07.2019