TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/21 97/20/0331

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.1999
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §127 Abs1 idF 1993/799;
StVG §127 Abs5 idF 1993/799;
StVG §127 Abs5;
VerbotsG 1947 §3a Z2;
VerbotsG 1947 §3g;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des X Y in Z, vertreten durch Dr. Otto Tuma, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weißgerber Lände 50/12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 17. April 1997, Zl. 433.161/32-V.6/1997, betreffend eine Angelegenheit des Strafvollzuges, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Justiz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener in der Vollzugsanstalt Z. Er verbüßt dort eine über ihn vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 24. Oktober 1994 verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Jahren wegen §§ 3a Z. 2, 3g Verbotsgesetz. Es ist dies seine erste Freiheitsstrafe.

Bereits am 16. September 1995 beantragte der Beschwerdeführer die Einreihung in den Erstvollzug gemäß § 127 StVG. Mit Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 6. März 1996 wurde diesem Ansuchen im Sinn des § 127 Abs. 5 StVG nicht Folge gegeben, sondern die Anhaltung des Beschwerdeführers im Normalvollzug und die mündliche Verkündigung der Ergebnisse der Klassifizierung dem Beschwerdeführer gegenüber angeordnet.

Mit Eingaben vom 10. Juli 1996 und 7. April 1997 wiederholte der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Einreihung in den Erstvollzug. Die Gründe des § 127 Abs. 5 StVG träfen bei ihm nicht zu. Die Bekanntgabe der Ergebnisse der Klassifizierung stellten zwar keinen Bescheid dar, sondern lediglich die Mitteilung eines Prüfungsergebnisses aus einem Ermittlungsverfahren, er könne daher gegen eine solche Mitteilung auch nicht das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde erheben. Nichtsdestoweniger sei er durch die Art der Klassifizierung beschwert, da ihm hierdurch Möglichkeiten der Betreuung (insbesondere im Sinne des § 56 StVG) vorenthalten würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Ansuchen des Beschwerdeführers vom 10. Juli 1996 und 7. April 1997 um Anhaltung im Erstvollzug gemäß § 127 Abs. 5 StVG ab und begründete dies im wesentlichen damit, das Bundesministerium für Justiz habe bereits anläßlich der Klassifizierung mit Erlaß vom 6. März 1996 ausgesprochen, daß der Strafgefangene gemäß § 127 Abs. 5 StVG im Normalvollzug anzuhalten sei; die Strafvollzugsbehörde habe bereits damals einen schädlichen Einfluß auf Mitgefangene befürchtet. Diese Ansicht vertrete die belangte Behörde aus noch darzulegenden Gründen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nach wie vor. Der Beschwerdeführer sei vom Gericht schuldig gesprochen worden, eine Verbindung gegründet zu haben, deren Zweck es sei, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben und die auf der Verfassung beruhende Rechtsordnung der Republik Österreich zu beseitigen. In dieser Verbindung habe sich der Strafgefangene führend betätigt und eine Organisation aufgebaut, die er in der weiteren Folge österreichweit koordiniert habe. Schließlich habe er die ideologische Schulung der Mitglieder angeordnet und organisiert, selbst Unterrichtsbehelfe bereitgestellt, Referate gehalten und Propagandamaterial ausgearbeitet, vervielfältigt und verbreitet. Das Geschworenengericht habe anläßlich der Verurteilung u.a. die einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall, die oftmalige Wiederholung der Tathandlungen durch einen langen Zeitraum und schließlich die Verführung zahlreicher anderer Personen (insbesondere auch Minderjähriger) zu strafbaren Handlungen als erschwerend angenommen. Auf Grund dieses gerafften Auszuges aus dem Gerichtsurteil, aber auch auf Grund des Tatbildes der §§ 3a und 3g des Verbotsgesetzes ergebe sich, daß die negative Beeinflussung der Mitmenschen geradezu zum Wesen einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung gehöre und daß der Strafgefangene im Verlaufe der letzten Jahre eben auch tatsächlich zahlreiche andere in seinem Sinne negativ beeinflußt habe. Durch die Verurteilung und den nunmehrigen Strafvollzug sei nach wie vor die Gefahr der Beeinflussung anderer, nämlich der Mitgefangenen, gegeben. Diese Gefahr werde um so größer sein, je weniger Möglichkeit einer Überwachung durch die Strafvollzugsbediensteten bestünde. In den Erstvollzugsabteilungen werde regelmäßig ein gelockertes Vollzugsregime geführt, insbesondere auch durch lange Öffnungszeiten der Hafträume, wodurch die Strafgefangenen völlig ungehindert und auch unkontrolliert vom Bewachungspersonal miteinander in Kommunikation treten könnten. Es erscheine demnach nicht vertretbar und verantwortbar, einen großen und unbestimmten Kreis von Mitgefangenen, noch dazu gerade solchen, die als Ersttäter eines besonderen Schutzes bedürften, der Gefahr einer kriminellen Infektion durch nationalsozialistisches Gedankengut auszusetzen. Obwohl die Leitung der Justizanstalt Z sich nicht gegen eine Einreihung des Beschwerdeführers in den Erstvollzug ausgesprochen habe und auch die Stellungnahme des psychiatrischen und des psychologischen Dienstes der Anstalt sich nicht eindeutig gegen eine Einreihung in den Erstvollzug aussprächen, sei doch aus dem Bericht des Leiters der Justizanstalt Z vom 4. November 1996 in eindeutiger Weise herauszulesen, daß auch die Anstalt die konkrete Gefahr einer negativen Beeinflussung von Mitgefangenen vor Augen habe. Schon bei der Einteilung zur Arbeit sei auf "besondere anstaltsinterne Überlegungen zwecks Gewährleistung einer sicheren Verwahrung und einer bestmöglichen Überwachung" Rücksicht genommen und keine Arbeit in einem Betrieb, sondern eine Haftraumarbeit ausgewählt worden, um "unerlaubte Kontaktmöglichkeiten mit anderen Insassen weitgehendst zu verhindern". Auch für die Freizeitaktivitäten und die Teilnahme an einer Gruppenarbeit sei besonders darauf geachtet worden, daß sich der Strafgefangene hierbei "unter besonderer Aufsicht" befände, um eine "Beeinflussung der anderen Insassen hinsichtlich seiner Gesinnung hintanzuhalten". In der Stellungnahme des Anstaltspsychiaters hätten sich aus einem Persönlichkeitstest "deutliche Zeichen einer Dissimulation bei durchschnittlich hohem Lügenwert" ergeben. Nach Ansicht des Anstaltspsychiaters seien diese Werte "wohl so zu interpretieren, daß Strafgefangene doch die Tendenz haben, sich besser darzustellen als sie für sich selbst ein Selbstbildnis haben". Der Psychiater komme schließlich zu dem Ergebnis, daß weder eindeutige Indikationen noch Kontraindikationen zur Überstellung in den Erstvollzug gegeben seien. Lediglich die Anstaltspsychologin habe aus psychologischer Sicht keine Bedenken gegen eine Einreihung des Strafgefangenen in den Erstvollzug äußern können. Das Bundesministerium für Justiz habe bereits anläßlich der Klassifizierung, jedoch auch im weiteren Verlauf des Strafvollzuges und auch auf Grund der Eingaben des Strafgefangenen vom 10. Juli 1996 und 7. April 1997 die Gefahr einer negativen Beeinflussung von Mitgefangenen, vor allem jener des Erstvollzuges, für gegeben erachtet, und folge damit auch den Befürchtungen der Anstaltsleitung, die diese in ihrem Bericht vom 4. November 1996 geäußert habe. Da jedoch gemäß § 127 Abs. 5 StVG Strafgefangene, von denen ein schädlicher Einfluß auf Mitgefangene zu befürchten sei, nicht in den Erstvollzug aufzunehmen seien, habe auch der neuerliche Vorstoß des Strafgefangenen in diese Richtung abschlägig behandelt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren und gesetzmäßige Behandlung in der Strafhaft, insbesondere auf Anhaltung im Erstvollzug gemäß § 127 Abs. 1 StVG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 StVG sind Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr übersteigt, in der nach § 134 zu bestimmenden Strafvollzugsanstalt zu vollziehen; bis zur Bestimmung der zuständigen Strafvollzugsanstalt ist der Strafvollzug jedoch im Gefangenenhaus eines Gerichtshofes einzuleiten.

Ist der Vollzug einer Freiheitsstrafe im Gefangenenhaus eines Gerichtshofes einzuleiten, so ist nach § 9 Abs. 3 StVG grundsätzlich das Gefangenenhaus desjenigen Gerichtshofes, in dessen Sprengel der Verurteilte seinen Wohnsitz hat, örtlich zuständig. Dieses Gefangenenhaus hat den zu einer Freiheitsstrafe, deren Strafzeit ein Jahr übersteigt, Verurteilten als Strafgefangenen aufzunehmen (§ 131 Abs. 1 StVG). Längstens binnen sechs Wochen nach der Aufnahme hat der Bundesminister für Justiz im Rahmen der Klassifizierung u.a. zu bestimmen, in welcher Strafvollzugsanstalt die Strafe im Einzelfall zu vollziehen ist (§ 134 Abs. 1 StVG). Nach welchen Kriterien dabei vorzugehen ist, regelt § 134 Abs. 2 StVG wie folgt:

"Bei der Bestimmung ist auf die Wesensart des Strafgefangenen, sein Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse und die Beschaffenheit der Straftat, deren er schuldig erkannt worden ist, insoweit Bedacht zu nehmen, als es erforderlich ist, um die Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges unter bestmöglicher Ausnützung der Vollzugseinrichtungen zu gewährleisten."

Nach § 135 Abs. 1 StVG hat der Leiter der zum Strafvollzug bestimmten Anstalt Einzelheiten des Vollzuges in einem Vollzugsplan festzulegen. Zur Vorbereitung dieses Planes ist der Strafgefangene nach § 135 Abs. 2 StVG zu hören. Nach § 135 Abs. 3 erster Satz StVG (in der Fassung der StVG-Novelle 1993, BGBl. Nr. 799) ist mit dem Strafgefangenen in der zum Strafvollzug bestimmten Anstalt schließlich auch ein "Gespräch über die für die Klassifizierung maßgebenden Erwägungen sowie über den Inhalt des Vollzugsplanes zu führen". Nach § 135 Abs. 4 StVG gilt für den Vollzugsplan im übrigen § 134 StVG dem Sinne nach.

Am Ergebnis der Klassifizierung orientieren sich daher im Sinne der §§ 134 f StVG die weiteren Entscheidungen über Strafvollzugsort und -art.

Der im Beschwerdefall angesprochene § 127 StVG lautet:

"(1) Strafgefangene, die zum ersten Mal eine Freiheitsstrafe verbüßen, sind getrennt von Strafgefangenen anzuhalten, bei denen dies nicht der Fall ist; bei Strafgefangenen, deren Strafzeit drei Jahre übersteigt, kann mit ihrer Zustimmung von einer solchen Trennung abgesehen werden.

(2) Bei der Bewegung im Freien, bei der Arbeit, beim Gottesdienst und bei Veranstaltungen ist von der Trennung nach Abs. 1 abzusehen, soweit diese nach den zur Verfügung stehenden Einrichtungen nicht möglich ist. Das Gleiche gilt im Fall der Anhaltung im gelockerten Vollzug.

(3) Strafgefangene im Erstvollzug sind, soweit sie dessen bedürfen, in vermehrtem Ausmaß erzieherisch (§ 56) zu betreuen.

(4) Strafgefangene, die bereits eine oder mehrere Freiheitsstrafen verbüßt haben, können in den Erstvollzug aufgenommen werden, wenn das nach der Art der strafbaren Handlungen, derentwegen sie verurteilt wurden, vertretbar erscheint und wenn dadurch die Erreichung der erzieherischen Zwecke des Strafvollzuges gefördert wird.

(5) Strafgefangene, von denen ein schädlicher Einfluß auf Mitgefangene zu befürchten ist, sind in den Erstvollzug nicht aufzunehmen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 10. April 1973, Zl. 1793/72, klargestellt, daß sich aus der Bestimmung des § 127 Abs. 1 StVG ein Rechtsanspruch des Strafgefangenen auf Vollzug seiner Strafe im Erstvollzug ergibt, von dessen grundsätzlicher Beachtung nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 ( nunmehr Abs. 5) leg.cit. abgegangen werden darf (arg.:

"... SIND getrennt ... anzuhalten"; so auch das hg. Erkenntnis vom 12. September 1996, Zl. 95/20/0750).

Der Beschwerdeführer verkennt aber mit seiner Beschwerde, daß die belangte Behörde nicht einen ihm zustehenden, aus § 127 Abs. 1 StVG ableitbaren Rechtsanspruch verneint, sondern in ihrer meritorischen Erledigung seines Ansuchens im Sinne des Abs. 5 leg. cit. vielmehr das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung bejaht hat, nämlich die Gefahr eines schädlichen Einflusses auf Mitgefangene. Sie hat diese ihre Befürchtung auch eingehend begründet. Dem hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren und auch in der Beschwerde konkret nichts entgegengehalten, was die Gefährlichkeitsprognose der Verwaltungsbehörden hätte in Frage stellen können. Daß der in der genannten Gesetzesbestimmung genannte "schädliche Einfluß" keineswegs nur auf körperliche Gewaltanwendung beschränkt ist, sondern selbstverständlich auch ideologische Indoktrinierung im Sinne des Verbotsgesetzes umfaßt, hat die belangte Behörde zutreffend erkannt.

Die Beschwerde war daher aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Jänner 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997200331.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten