Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §37Betreff
?
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der J GmbH in S, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in 5301 Eugendorf, Gewerbestraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 12. März 2018, Zl. 405-4/1171/1/44-2018, betreffend Bewilligung der Errichtung einer LED-Werbeanzeige nach der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Gemeindevertretung der Gemeinde W; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 16. August 2016 beantragte die revisionswerbende Partei bei der Gemeinde W. die Bewilligung der Errichtung einer LED-Werbeanzeige auf der nördlichen Seite der K.- Straße auf einem näher bezeichneten privaten Grundstück. Diesem Antrag legte sie zwei Gutachten eines von ihr beauftragten Sachverständigen, die darlegen sollten, dass durch das geplante Vorhaben eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit nicht zu erwarten sei, bei.
2 Der Standort der geplanten LED-Werbeanzeige liegt ungefähr 100 Meter vor dem als "Turbo-Kreisverkehr" ausgestalteten Kreisverkehr F.-Straße, vor dem sich ein Vorwegweiser zur Einordnung sowie eine Verflechtungsstrecke zwischen den zum Kreisverkehr führenden beiden Fahrstreifen befinden. Der rechte Fahrstreifen führt aus einem einige Meter vor dem geplanten Standort der LED-Werbeanzeige gelegenen anderen Kreisverkehr, der linke Fahrstreifen aus einer unter diesem gelegenen Unterführung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - nach Beiziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen und Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen - den Antrag der revisionswerbenden Partei - im Beschwerdeverfahren - ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 In seiner Begründung führte es aus, die geplante LED-Werbeanzeige liege mit ihrer Größe vom 11,1 m2 um knapp 40 Prozent über dem Ausmaß, welches der standardmäßigen Beurteilung durch die Kriterien der von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr herausgegebenen Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen 05.06.11 und 05.06.12 ("RVS") zu Grunde liege. Es sei daher aus dieser Sicht die Forderung des Amtssachverständigen "nach einem größeren Abstand als dem 3- Sekunden-Weg zur Verflechtungsstelle" einleuchtend. Zudem sei es für jeden Führerscheinbesitzer nachvollziehbar, dass der für eine bestimmte Fahrtrichtung zwingend notwendige Fahrstreifenwechsel im relativ kurzen Zulauf zum Kreisverkehr F.-Straße ein anspruchsvolles Manöver darstelle, welches nicht durch Ablenkungen erschwert werden dürfe. Vor diesem eigentlichen Fahrstreifenwechsel habe sich der ortsunkundige Lenker (von einem solchen sei angesichts des hohen Anteiles Ortsunkundiger auszugehen) über den weiteren Verlauf der Fahrstreifen zu orientieren und die Wegentscheidung zu treffen. Erst dann habe er sich mit dem "3-S-Blick" zu vergewissern, ob Fahrzeuge aus der Unterführung durch den Fahrstreifenwechsel behindert würden, die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen, den Wechsel anzuzeigen und zuletzt den Fahrstreifenwechsel vorzunehmen. Dabei sei anzumerken, dass die Strecke eine hohe Verkehrsfrequenz (durchschnittlicher Stundenwert: 511 Fahrzeuge) aufweise und es immer wieder zu spontaner Staubildung vor dem Kreisverkehr komme. Dies bewirke gerade im Moment, in dem sich annähernde Fahrzeuge durch Blick in den Rückspiegel über den Verkehr in der Unterführung vergewissern, eine höhere Gefahr von Auffahrunfällen. Das diesbezügliche Gegenargument des Privatsachverständigen, wonach Staus aus ausreichender Entfernung wahrgenommen werden könnten, gehe insofern an der Sache vorbei, als die Staubildung zum Teil unvorhersehbar während der Annäherung an den Kreisverkehr erfolge.
5 Die Sicherheit dieses Fahrstreifenwechsels hänge aufgrund der kurzen Manöverstrecke zweifelsfrei davon ab, ob auch ortsunkundige Lenker in der Lage seien, sich rechtzeitig vor dem eigentlichen Manöver über den Verlauf der weiteren Straßenführung zu informieren, oder ob sie diese "Navigationsleistung" erst in der eigentlichen Manöverstrecke abschließen könnten. In dieser Beziehung werde durch die LED-Werbeanzeige die Möglichkeit beeinträchtigt, den Vorwegweiser frühzeitig zu erkennen. Es sei bereits bei laienmäßiger Beurteilung nachvollziehbar, dass ein erleuchtetes LED-Display - speziell bei Nacht und Dämmerung - die Aufmerksamkeit auf sich ziehe. Dies habe zur Folge, dass der weniger aufdringliche Vorwegweiser in der Annäherung regelmäßig viel später wahrgenommen würde als ohne eine solche optische Ablenkung. Dem Argument des Privatsachverständigen, wonach die LED-Werbeanzeige nicht den Ausschlussgrund einer visuellen Störung gemäß RVS 05.06.11 erfülle, sei entgegenzuhalten, dass die RVS nur Mindestanforderungen aufstellten und konkrete Bedenken aus Gründen der Verkehrssicherheit aufgrund der Besonderheit des zu beurteilenden Straßenabschnitts nicht ausschlössen. 6 Demgegenüber scheine die Aussage des Amtssachverständigen, dass es sich bei der relativ kurzen Verflechtungsstrecke vor dem Kreisverkehr F.-Straße um einen kritischen Straßenabschnitt handle, auf dem sich Lenker möglichst wenig mit dem Vorwegweiser befassen, sondern auf ihre eigentlichen fahrerischen Aufgaben konzentrieren sollten, logisch nachvollziehbar. Auch wenn die LED-Werbeanzeige knapp außerhalb der in der RVS vorgesehenen drei Fahrsekunden vor Beginn der Verflechtungsstrecke errichtet würde, hätte diese zweifelsfrei eine merkliche Verzögerung der effektiven Wahrnehmbarkeit des 40,5 Meter dahinter aufgestellten Vorwegweisers zur Folge.
7 Damit lägen "im Sinne des § 84 Abs 3 vorletzter Satz StVO" Bedenken gegen das Vorhaben aus Gründen der Verkehrssicherheit, die einer Genehmigung entgegenstünden, vor. Der beantragte Ortsaugenschein sei abzulehnen gewesen, weil nicht dargetan worden sei, welche entscheidungsrelevanten Umstände sich nur vor Ort und nicht bereits aus den ausführlichen Befunden der vorliegenden Gutachten erschließen würden.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
9 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
10 Die Salzburger Landesregierung erstattete als Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- oder Abweisung der Revision beantragt.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer au??erordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
15 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der hg. Rechtsprechung "insbesondere auch zum Thema Überprüfungs-, Abwägungs-, Begründungspflicht" abgewichen. So habe es nicht dargelegt, weshalb es dem - unschlüssigen - Gutachten des Amtssachverständigen und nicht jenem des Privatsachverständigen folge. Zudem habe es sich auf Bestimmungen der RVS berufen, die tatsächlich nicht den behaupteten Inhalt hätten. Es sei auch unerwähnt geblieben, dass die Schrift auf dem Vorwegweiser gar nicht gelesen werden könne und seien Feststellungen unterblieben, wann und von wo aus Fahrzeuglenker die Inhalte des Vorwegweisers überhaupt erkennen könnten bzw. ob zu diesem Zeitpunkt die LED-Werbeanzeige überhaupt noch im relevanten Sichtkegel sei. Auch hätte das Verwaltungsgericht den beantragten Lokalaugenschein durchzuführen gehabt, um sich von weiteren relevanten Gegebenheiten (etwa dem Nichtvorliegen eines hohen Anteils an ortsunkundigen Lenkern) überzeugen zu können.
16 Die Revision ist nicht zulässig:
17 Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die von der
revisionswerbenden Partei beantragte Errichtung einer LED-Werbeanzeige am geplanten Standort eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit erwarten lässt. Nach der hg. Rechtsprechung hängt dies von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und hat dies die Behörde - somit auch das Verwaltungsgericht - vor der Erteilung der Bewilligung, erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen, zu beurteilen (vgl. VwGH 19.9.1990, 89/03/0169).
18 Das Verwaltungsgericht hat bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat es jene Gedankengänge aufzuzeigen, die es veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Bei einander widersprechenden Gutachten ist es dem Gericht somit gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen, es hat aber in der Begründung seiner Entscheidung die Gedankengänge und sachlichen Erwägungen darzulegen, die dafür maßgebend waren, dass es das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat. Wenn das Gericht sich über ein von der Partei beigebrachtes Sachverständigengutachten hinwegsetzt, ist dies daher zu begründen. Der bloße Umstand, dass Sachverständige zu verschiedenen Ergebnissen kommen, macht daher weder das eine noch das andere Sachverständigengutachten unglaubwürdig (vgl. VwGH 11.4.2018, Ra 2017/12/0034, 0035, mwN).
19 Gegenständlich hat das Verwaltungsgericht die Ausführungen beider Sachverständigen gegenübergestellt und begründet, weshalb es den Argumenten des Amtssachverständigen gefolgt ist. Letzterer hat im Wesentlichen die Meinung vertreten, dass aus verkehrstechnischer Sicht bereits jede Ablenkung im Bereich der Verflechtungsstrecke vor dem Kreisverkehr F.-Straße aufgrund der dort vorherrschenden komplexen Fahrsituation zu vermeiden sei. Das Verwaltungsgericht hat dieses Argument als schlüssig erachtet und in seiner Begründung weiter untermauert, weshalb nicht zu erkennen ist, dass es von den oben dargestellten Grundsätzen abgewichen wäre. Die revisionswerbende Partei übersieht, dass es gegenständlich primär um eine allfällige Ablenkung der Aufmerksamkeit der Fahrzeuglenker durch die LED-Werbeanzeige beim Annähern an den Kreisverkehr F.-Straße geht, weshalb nicht ersichtlich ist, dass die Feststellung der von ihr ins Treffen geführten weiteren Umstände zu einem für sie günstigeren Ergebnis führen würde.
20 Der Ansicht der revisionswerbenden Partei, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts stünden in Widerspruch zu den im Verfahren herangezogenen RVS, ist zu entgegnen, dass diesen Richtlinien nach der hg. Rechtsprechung per se keine normative Wirkung zukommt (vgl. VwGH 25.4.2013, 2012/10/0087; 24.3.2004, 2002/04/0168; 13.2.1991, 90/03/0265). Trotz Nichtvorliegens eines in diesen geregelten Ausschlussgrundes ist daher die Würdigung, dass einzelfallbezogen dennoch eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit vorliegt, zulässig.
21 Hinsichtlich des beantragten Augenscheins am Standort der beabsichtigten Errichtung der LED-Werbeanzeige ist die revisionswerbende Partei darauf hinzuweisen, dass es nach der ständigen hg. Rechtsprechung der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. etwa VwGH 17.12.2015, Ra 2015/02/0238, mwN). Die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen reichen zur Beurteilung der Frage, ob durch die gegenständliche LED-Werbeanzeige eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit anzunehmen ist, aus. Aus diesem Grund ist es nicht weiter notwendig, dass das Verwaltungsgericht - wie der revisionswerbenden Partei vorschwebt - den Anteil der am Standort der beabsichtigten Errichtung vorhandenen ortsunkundigen Fahrzeuglenker im Rahmen eines Augenscheins ermittelt. Die Abstandnahme vom beantragten Beweismittel erweist sich daher als vertretbar.
22 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. Mai 2019
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner BeweismittelBeweiswürdigung Wertung der Beweismittelfreie BeweiswürdigungGutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende PrivatgutachtenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisSachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerVerwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020187.L00Im RIS seit
09.07.2019Zuletzt aktualisiert am
09.07.2019