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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AufG 1992 §9 Abs3 idF 1995/351;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/1590 96/19/1592 96/19/1594Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) des DD, geboren 1980, 2.) des WD, geboren 1945, 3.) des SD, geboren 1975 sowie 4.) der OD, geboren 1952, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 12. März 1996, 1.) Zl. 114.610/4-III/11/96
(betreffend den Erstbeschwerdeführer), 2.) Zl. 114.610/2-III/11/96
(betreffend den Zweitbeschwerdeführer), 3.) Zl. 114.610/3-III/11/96 (betreffend den Drittbeschwerdeführer), und
4.) Zl. 113.348/3-III/11/96 (betreffend die Viertbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen jeweils in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Viertbeschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer beantragten jeweils im Weg über das österreichische Generalkonsulat in Krakau die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gaben der Erst- und Drittbeschwerdeführer - das sind die Söhne des Zweit- und der Viertbeschwerdeführerin - jeweils "Besuch der Grundschule" an, der Zweitbeschwerdeführer die Ausübung des Zahnarztberufes und die Viertbeschwerdeführerin die Ausübung einer Tätigkeit als Pädagogin. Der Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin gaben als derzeitigen Wohnsitz eine Adresse in Polen an. Einen Ort im Bundesgebiet, an dem sie ihren Aufenthalt zu nehmen beabsichtigten, gaben die Beschwerdeführer weder in den Anträgen noch während des weiteren Verfahrens an.
Mit (inhaltlich im wesentlichen übereinstimmenden) Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 19. August (hinsichtlich der Viertbeschwerdeführerin) sowie vom 22. August 1994 (hinsichtlich der übrigen Beschwerdeführer) wurden die Anträge jeweils gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Beschwerdeführer beriefen.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden je vom 12. März 1996 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde führte in den Bescheiden gleichlautend aus, daß die Beachtung der gemäß § 2 des Gesetzes erlassenen Verordnung bedeute, daß die Behörde bei der Erteilung von Erstbewilligungen nicht nur die ihr für das betreffende Jahr eingeräumte Quote nicht überschreiten dürfe, sondern derart zu verwalten habe, daß darin solche Fälle einer Aufenthaltsnahme ihre Deckung fänden, die im Sinne des Gesetzes als vorrangig zu betrachten seien. Demnach seien primär Fälle von Familienzusammenführungen bei Vorliegen eines Rechtsanspruches gemäß § 3 AufG sowie Fälle, wo eine Einzelsicherungsbescheinigung, Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis bestünde, vorrangig zu genehmigen. Was die Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Lande Wien betreffe, sei festzustellen, daß Wien eines der Bundesländer mit dem höchsten Ausländeranteil sei, was insbesondere auf dem Arbeits- und auf dem Wohnungsmarkt zu wachsenden Problemen führe. Unter diesen Gesichtspunkten habe sich die Behörde nicht entschließen können, die vorliegenden Anträge, auf die keines der obangeführten Kriterien für eine Bevorzugung zuträfe, zu genehmigen.
Gegen diese Bescheide richten sich die in ihrer Ausführung gleichlautenden Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat über die Beschwerden erwogen:
Die Beschwerdeführer verfügten noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb auf die vorliegenden Beschwerdefälle die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder 7 Fremdengesetz 1997 keine Anwendung findet.
§ 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 4 AufG lauteten:
"§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.
§ 6. ...
(4) Über den Antrag entscheidet, außer in den Fällen des § 7, der nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die nach dem beabsichtigten Aufenthalt des Fremden zuständige Bezirksverwaltungsbehörde mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden. Die örtlich zuständige österreichische Berufsvertretungsbehörde im Ausland hat auf Ersuchen des Landeshauptmannes oder der ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde allfällige Erhebungen unter Anwendung des AVG durchzuführen."
Die Beschwerdeführer stützen ihre Beschwerden darauf, daß in ihren Fällen keine Versagungsgründe gemäß § 5 AufG festgestellt werden konnten. Die von der belangten Behörde angewandte Ermessensübung erscheine nicht als zweckmäßig, da die Beschwerdeführer ein überdurchschnittliches Bildungsniveau aufwiesen und damit ihr Aufenthalt im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interesse liege und sie darüberhinaus bereits mit entsprechenden hochrangigen Vertretern der Republik Österreich Kontakt gehabt hätten, welche bei der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung behilflich sein wollten. Diese Bemühungen könnten nicht ohne weiteres unberücksichtigt bleiben. Schließlich liege auch noch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, da den Beschwerdeführern niemals die Möglichkeit einer Äußerung bei der erkennenden Behörde eingeräumt worden sei.
Was die eben dargestellte gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften betrifft, so verabsäumen es die Beschwerdeführer darzustellen, was - über die ausführlichen Berufungs- und Beschwerdevorbringen hinaus - in derartigen Stellungnahmen vorgebracht worden wäre und inwieweit dieses Vorbringen geeignet gewesen wäre, zu anderen Bescheiden zu gelangen. Die diesbezüglichen Beschwerdevorbringen erwiesen sich daher mangels Darlegung der Relevanz des angeblichen Verfahrensfehlers nicht geeignet, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erfolgreich geltend zu machen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt dargelegt, daß die belangte Behörde sowohl nach der Rechtslage vor, als auch nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bei der Reihenfolge der Vergabe offener Quotenplätze gehalten ist, nach pflichtgebundenem Ermessen vorzugehen und daß eine der dabei zu beachtenden Ermessensdeterminanten der Zeitpunkt der Antragstellung ist. Damit ist aber auch ausgesagt, daß die Behörde auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 3 Abs. 5 AufG, welcher dies für Ansprüche gemäß § 3 AufG ausdrücklich vorsieht, im Rahmen der jeweiligen Quote Bewilligungswerber bevorzugt zu berücksichtigen hatte, bei denen die Erteilung einer Bewilligung besonders dringlich erschien (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1998, Zl. 97/19/1564).
Die belangte Behörde nannte als Gründe für eine "Bevorzugung" Fremder innerhalb einer Quote das Vorliegen von Familienzusammenführung sowie Fälle, in denen eine ausländerbeschäftigungsrechtliche Bewilligung vorläge. In den Fällen der Beschwerdeführer meinte die belangte Behörde, auf die vorliegenden Anträge fände keines der obgenannten Kriterien seinen Niederschlag, weshalb sie sich zu einer positiven Ermessensübung nicht "entschließen habe können". Unter welche der Quoten die Anträge der Beschwerdeführer zu subsumieren seien, geht aus den angefochtenen Bescheiden allerdings nicht hervor.
Die in der wiedergegebenen Bescheidbegründung zum Ausdruck gebrachte Ansicht, wonach bereits das Vorliegen anderer Anträge, die den genannten Kriterien (eher) entsprächen, zur Abweisung des Antrages führen müsse, erweist sich aber als inhaltlich rechtswidrig. Der Verwaltungsgerichtshof hat im obzitierten Erkenntnis vom 16. Oktober 1998, ausgehend von der zu § 3 Abs. 5 AufG entwickelten Rechtsprechung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zlen. 95/19/0629 bis 0631), zum Ausdruck gebracht, daß im Rahmen der Bewirtschaftung sämtlicher Quoten das Vorhandensein dringlicherer Anträge nicht zur Abweisung des weniger dringlicheren Antrages, sondern lediglich zur Hintanreihung seiner Behandlung führt.
Eine abweisliche Ermessensentscheidung wäre in den vorliegenden Fällen somit nur dann rechtmäßig gewesen, wenn sich die belangte Behörde nicht darauf gestützt hätte, daß dringendere andere Anträge vorlägen. Dabei wären die im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0338, erstellten Grundsätze für eine derartige Ermessensentscheidung zu beachten gewesen. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs.2 VwGG verwiesen. Die angefochtenen Bescheide enthalten aber hinsichtlich der Ermessensübung keine diesen Voraussetzungen entsprechende Begründung, weshalb sie sich als inhaltlich rechtswidrig erweisen.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß sich die belangte Behörde vorerst mit der Frage auseinanderzusetzen haben wird, ob der Landeshauptmann von Wien zu Recht als Aufenthaltsbehörde erster Instanz über die verfahrensgegenständlichen Anträge entschieden hat, zumal aus den vorgelegten Verwaltungsakten keine Umstände ableitbar sind, die seine Zuständigkeit als Aufenthaltsbehörde erster Instanz zu begründen vermöchten. Den Anträgen der Beschwerdeführer ist keine Angabe eines beabsichtigten Aufenthaltsortes im Bundesgebiet zu entnehmen und ergeben sich auch sonst aus den vorgelegten Verwaltungsakten keine Hinweise auf einen beabsichtigten Aufenthalt der Beschwerdeführer gerade in Wien. Vor einer neuerlichen Entscheidung über die Berufungen wird die belangte Behörde daher durch entsprechende Nachfrage bei den Beschwerdeführern zu klären haben, wo die Beschwerdeführer ihren Aufenthalt zu nehmen gedenken, zumal sich daraus nicht nur die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz ergibt, sondern auch, welche der für die Bundesländer jeweils in verschiedener Höhe festgelegten Quoten bei Beurteilung der Anträge auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen zu beachten ist.
Die angefochtenen Bescheide waren aus den obgenannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs.2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der Viertbeschwerdeführerin war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (Eingabengebühr für 2 Ausfertigungen der Beschwerde und Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen war.
Wien, am 22. Jänner 1999
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996191588.X00Im RIS seit
02.05.2001