TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 G306 2205489-1

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Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
FPG §70

Spruch

G306 2205489-1/7E

Schriftliche Ausführung des am 20.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.03.2019 zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion XXXX, XXXX vom XXXX.2018, wurde die Beschwerdeführerin (BF) als auch ihr Gatte (Z), aufgrund des Verdachtes auf Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen und -Partnerschaften ohne Bereicherung an die Staatsanwaltschaft XXXX angezeigt.

Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX.2018, Zl. XXXX wurde die Landespolizeidirektion XXXX, XXXX von der Einstellung des Verfahrens benachrichtigt.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Regionaldirektion Wien, Team 2, wurde der BF eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, mit dem Hinweis, dass es geplant sei, gegen sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, übermittelt. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde der BF eine Frist von 2 Wochen ab Zustellung eingeräumt.

Mit Schreiben vom 17.05.2018 eingelangt beim BFA am 18.05.2018, gab die BF durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung eine Stellungnahme ab.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gegen die BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

Das Aufenthaltsverbot wurde damit begründet, dass die BF erstmalig am XXXX.2014 eine Aufenthaltsberechtigung "Studierende", zuletzt gültig bis XXXX.2017 gehabt hätte. Aufgrund der drohenden Nichtverlängerung habe sie am XXXX.2007 einen freizügigkeitsberechtigten bulgarischen Staatsangehörigen geheiratet. Am XXXX.2017 habe sie bereits einen Antrag auf eine Aufenthaltskarte gestellt. Eine gemeinsame Wohnsitzbegründung sei erst am XXXX.2017, also einen Monat vor der Hochzeit, erfolgt. Die polizeilichen Erhebungen hätten den Verdacht der Scheinehe hervorgebracht. Die Beschwerdeführerin als auch ihr Gatte seien niederschriftlich einvernommen worden und hätten ihre Befragungen Divergenzen aufgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Darin wurde beantragt, der gegenständlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, der Beschwerde Folge zu geben und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die Erstbehörde zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die gegenständliche Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt und sind dort am 13.08.2018 eingelangt.

Am 20.03.2019 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die BF und ihr Ehegatte teilnahmen. Die Vollmacht der Rechtsvertretung wurde aufgelöst. Das BFA nahm - trotz Ladung - an der Verhandlung nicht teil. Das Erkenntnis wurde am Ende der Verhandlung mündlich verkündet.

Mit Schreiben vom 01.04.2019, beim BVwG eingelangt am selben Tag, stellte das BFA einen Antrag auf Ausfertigung des am 20.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnis.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die BF ist bosnische Staatsangehörige und seit XXXX.2017 mit dem bulgarischen Staatsangehörigen XXXX, geb. am XXXX, verheiratet. Sie führt mit diesem seit Mitte des Jahres 2016 eine Beziehung und lebt mit diesem seit XXXX.2017 im gemeinsamen Haushalt. Die BF führt mit ihrem Ehegatten eine umfassende Lebensgemeinschaft und lernte ihn in XXXX kennen. Die BF unterhält sich mit ihm auf Deutsch.

Die BF hielt sich bereits vom 17.07.2014 - 11.09.2015 (Nebenwohnsitz) sowie seit 11.09.2015 durchgehend im Bundesgebiet auf (Hauptwohnsitz).

Die BF hatte bisher folgende Aufenthaltstitel:

Aufenthaltsbewilligung für Studierende - gültig bis XXXX.2015

Aufenthaltsbewilligung für Studierende - gültig bis XXXX.2016

Aufenthaltsbewilligung für Studierende - gültig bis XXXX.2017

Die BF ging in der Zeit von 20.10.2014 - 18.03.2016, 23.03.2015 - 20.03.2015, 07.04.2015 - 30.09.2016 sowie 06.10.2016 - 01.10.2017 immer wieder geringfügigen Beschäftigungen nach.

Die BF ist unbescholten und frei von Obsorgeverpflichtungen.

Ihr Ehegatte, XXXX, hält sich seit dem 17.05.2010 durchgehend im Bundesgebiet auf. Zuvor war er bereits von 2002 - 2010 fast durchgehend in Österreich aufhältig. Der Ehegatte geht einer geregelten Erwerbstätigkeit nach und kommt für den Unterhalt der BF auf. Die BF ist mit ihm mitversichert (Unfall- und Krankenversicherung).

Die BF ist gemeinsam mit ihrem Mann, Untermieterin der Wohnung "XXXX". Die Miete ohne Betriebskosen hierfür beträgt € 450,00 monatlich. Diese Kosten trägt der Ehegatte zur Gänze alleine.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt. Die Verständigung in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch war möglich.

Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen, Geburtsdatum), Familienstand, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Ausführungen in der Beschwerde, dem Bescheidinhalt, den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung und dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters.

Die BF legte einen auf ihren Namen ausgestellten bosnischen Reisepass und vor, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Ferner findet dieser Umstand im Inhalt des der BF betreffenden ZMR-Auszuges Niederschlag.

Die Eheschließung und deren Zeitpunkt ergeben sich aus der Heiratsurkunde, den übereinstimmenden Angaben der BF und ihres Mannes in der mündlichen Verhandlung wie dem Inhalt der auf die Genannten lautenden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die aktuellen bzw. ehemaligen Beschäftigungen der BF sowie die ihres Gatten, ergeben sich aus einem aktuellen Sozialversicherungsauszug.

Der Umstand das die BF und ihr Mann seit dem XXXX.2017 in einer gemeinsamen Wohnung Unterkunft genommen haben und dies noch immer tun, ergibt sich aus der aktuellen ZMR Auskunft sowie aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Entgegen den Annahmen des BFA muss von einem aufrechten Eheleben zwischen der BF und ihrem Gatten ausgegangen werden:

Die Staatsanwaltschaft XXXX hat beide Verfahren (BF und das ihres Gatten) wegen § 117 FPG, eingestellt.

Diesbezüglich führte der VwGH aus: "Es bestehen jedoch insgesamt keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken dagegen, dass das Gesetz bei den Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes im § 53 Abs. 2 Z 8 FPG nicht auf das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Bestrafung des Fremden wegen Beteiligung am Eingehen einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 oder 2 iVm Abs. 4 FPG abstellt, sondern nur auf das in der erstgenannten Bestimmung umschriebene Verhalten. Die Behörde ist daher befugt, das Vorliegen eines solchen Verhaltens selbständig zu prüfen und auf Basis entsprechender Feststellungen ein Einreiseverbot zu erlassen. Das gilt sinngemäß auch für ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG. Das korrespondiert im Übrigen auch mit der generellen Auffassung, ein Fehlverhalten könne auch dann zur Beurteilung der für ein Aufenthaltsverbot erforderlichen Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn dieses Verhalten (noch) nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt habe. Eine solche Vorgangsweise verstoße auch nicht gegen die Unschuldsvermutung, wobei es in einem solchen Fall - sofern das Fehlverhalten bestritten werde - "selbstverständlich" in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren getroffener Feststellungen bedürfe (vgl. das Erkenntnis vom 22. Jänner 2014, Zl. 2012/22/0246, mwN; siehe dazu auch noch das ebenfalls die Frage der Berücksichtigung von bloßen Anzeigen ohne nachfolgende Verurteilung betreffende Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2010/18/0264, mwN, und daran anschließend das Erkenntnis vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042)."

Die BF ist bereits in ihrer Stellungnahme vom 17.05.2018 dem Vorwurf des Vorleigens einer Aufenthaltsehe, entschieden entgegengetreten. Das BFA erwähnte zwar die Abgabe einer Stellungnahme in ihrem bekämpften Bescheid, ging auf dessen Inhalt jedoch mit keinem Wort ein. Die belangte Behörde stützte ihr Begründung zur Erlassung des bekämpften Aufenthaltsverbots einzig und allein auf die Erhebungsergebnisse der Landespolizeidirektion XXXX ohne sich selbst - obwohl die Scheinehe in der Stellungnahme abgestritten wurde - ein Bild der beiden Personen gemacht zu haben. Durch eine persönliche Befragung der BF und ihres Gatten, hätte sich die Behörde einen persönlichen Eindruck verschaffen können.

Die Entscheidung des BFA richtet in der Beweiswürdigung betreffend das erlassene Aufenthaltsverbot fast ausschließlich auf die Hochzeitsmodalitäten, Altersunterschied, gemeinsame Wohnungsaufnahme sowie des Kennenlernens der Ehepartner, ohne selbst Ermittlungen getätigt zu haben. Die belangte Behörde begnügte sich auf die zusammengefassten Widersprüche der Eheleute und sah den Bestand einer Aufenthaltsehe als gegeben. Hätte sich die belangte Behörde die Mühe gemacht, die BF samt ihren Ehegatten selbst zu befragen - zumindest hätte sie auf die Angaben in der Stellungnahme im Bescheid eingehen müssen - so hätte sie selbst feststellen können, dass im vorliegenden Fall keine Aufenthaltsehe vorliegt.

In der mündlichen Verhandlung konnte sich der erkennende Richter selbst ein Bild der Eheleute machen und zeigte dies ein anderes Bild, das der Feststellung einer Scheinehe nicht zugänglich war.

Der BF und ihrem Ehemann wurden eingehende Fragen zu ihrer Partnerschaft bzw. Ehe gestellt. Die Widersprüchlichkeiten im vorangegangenen Verfahren konnten geklärt werden. Auch bei der nunmehrigen mündlichen Verhandlung konnte nicht der Eindruck gewonnen werden, dass die Angaben zu bestimmten Fragen vorhinein abgesprochen wurden. Ganz im Gegenteil divergierte die eine oder andere Frage an die Eheleute. Wenn man sich jedoch ein persönliches Bild der beiden Eheleute macht - vor allem beim Ehegatten, welcher ein stoisches und phlegmatisches Verhalten an den Tag legt, welches seinesgleichen sucht und ihm daher auch Glauben geschenkt wurde, wenn er angab: "worauf hätte ich warten sollen. Sie ist 35 und ich um 12 Jahre älter". Die BF als auch ihr Ehegatte machten keinen Hehl daraus, dass sie auch wussten, dass sie dadurch eine Aufenthaltsberechtigung bekomme - aber sei dies verboten, wenn man sich liebt?

Davon abgesehen ist zu bemerken, dass beide seit dem XXXX.2017 einen gemeinsamen Wohnsitz haben. Der bekämpfte Bescheid wurde am 25.07.2018 erlassen und wohnen die Eheleute nach wie vor gemeinsam, planen ihre gemeinsame Zukunft.

Davon abgesehen konnten in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Anhaltspunkte wahrgenommen werden, die auf eine nur lose geführte Beziehung schließen ließen. Auch die Dauer der bisher geführten Beziehung insgesamt - sie dauert mittlerweile nahezu 3 Jahre - spricht gegen den Bestand einer Aufenthaltsehe.

Im Übrigen wurde gegen die Eheleute kein Strafverfahren eingeleitet und gibt es daher auch keine dahingehende Verurteilung nach § 117

FPG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet wie folgt:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."

"§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Vorauszuschicken ist, dass sich die BF jedenfalls nicht in einem zehn Jahre übersteigenden Zeitraum im Bundesgebiet aufhielt, weshalb der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG nicht als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbots zur Anwendung kommt.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 07.11.2012, Zl. 2012/18/0057).

Der BF wurde vom Bundesamt das Eingehen einer Aufenthaltsehe vorgeworfen.

Der VwGH äußerte sich in seinem Erkenntnis vom 23.03.2017, Zahl Ra 2016/21/0349 - zu diesem Thema wie folgt:

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FrPolG 2005 liegen vor, wenn ein Fremder - im Sinn des Tatbestands des § 53 Abs. 2 Z 8 FrPolG 2005 - eine Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK nicht geführt und sich trotzdem (ua) für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen hat (vgl. E 21. Februar 2013, 2011/23/0647; E 12. März 2013, 2012/18/0228; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005). In diesem Fall beträgt die Höchstdauer eines Aufenthaltsverbotes - abweichend von § 67 Abs. 2 FrPolG 2005 - allerdings nicht zehn, sondern nur fünf Jahre (vgl. E 30. September 2014, 2013/22/0280).

Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, führen die BF und ihr Mann - entgegen der Annahme der belangten Behörde - sehr wohl ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK. Damit fehlt es an der wesentlichen Voraussetzung für das Eingehen einer Aufenthaltsehe.

Im Ergebnis sind daher keine Momente hervorgekommen, welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen des Bestandes einer Aufenthaltsehe gerechtfertigt hätten und war dieses daher aufzuheben.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Da - wie oben festgehalten - die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht gegeben sind und die BF tatsächlich ein Familienleben mit ihrem Ehegatten führt, war auf die Prüfung des § 9 BFA-VG nicht weiter einzugehen.

Abschließend ist noch folgendes anzumerken:

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029). Diesen Ansprüchen ist die belangte Behörde nicht nachgekommen. Hätte sie diese Grundsätze befolgt, hätte sie sich ein eigenes Bild von den Eheleuten machen können.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Familienleben, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2205489.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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