Entscheidungsdatum
06.05.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W107 2136297-3/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, alias XXXX , geboren am XXXX , StA.
Russische Föderation, vertreten durch den XXXX :
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG ist rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der von der gegenständlichen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betroffene, im Spruch genannte, Asylwerber (im Folgenden: AW) reiste schlepperunterstützt und illegal, somit unter Umgehung der Einreisebestimmungen, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Hierbei gab er an, den Namen XXXX zu führen, afghanischer Staatsangehöriger und am XXXX in der afghanischen Provinz XXXX geboren zu sein.
Diesen ersten Antrag auf internationalen Schutz begründete der AW in seiner Erstbefragung am 18.10.2015 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari damit, dass er noch ein Kleinkind gewesen sei, als er gemeinsam mit seiner Familie Afghanistan Richtung Tadschikistan, XXXX verlassen habe. In Tadschikistan habe er aber niemanden mehr und auch keinen Platz zum Schlafen. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei nicht möglich gewesen, weil er nicht gewusst habe, wie er überleben solle.
2. Der AW wurde in weiterer Folge einer gutachterlichen Altersfeststellung unterzogen, die die behauptete Minderjährigkeit des AW im Zeitpunkt seiner Antragstellung am 16.10.2015 bestätigte.
3. Am 13.07.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des AW vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari.
4. Der erste Antrag des AW auf internationalen Schutz vom 16.10.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 17.08.2017, Zl. XXXX , sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem AW nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des AW nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde eine Frist von zwei Wochen [gemeint: 14 Tagen] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise des AW festgelegt.
5. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari - mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in Folge: BVwG) vom 23.10.2018, GZ XXXX , in Anwesenheit des AW als unbegründet abgewiesen. Die gekürzte Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 23.10.2018 erging am 30.10.2018 zur GZ XXXX .
6. Infolge der Verhängung der Untersuchungshaft über den AW wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des AW mit Bescheid des BFA vom 29.11.2018, Zl. XXXX , gemäß § 55 Abs. 2 FPG widerrufen.
7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.12.2018, 25 Hv 83/18w, wurde der AW rechtskräftig wegen § 269 Abs. 1, 3. Fall StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt), § 84 Abs. 2 und 5 Z 1 StGB (schwere Körperverletzung), § 89 StGB (Gefährdung der körperlichen Sicherheit), § 136 Abs. 1 StGB (unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen) und § 229 Abs. 1 StGB (Urkundenunterdrückung) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
8. Am 29.11.2018 wurde der AW von der afghanischen Botschaft identifiziert und ein Heimreisezertifikat betreffend den AW ausgestellt.
9. Der AW stellte im Dezember 2018 einen Antrag auf freiwillige und unterstützte Heimreise nach Afghanistan.
10. Am 11.01.2019 teilte der Rechtsvertreter des AW der Behörde mit, dass der AW nun nicht mehr ausreisewillig sei.
11. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.01.2019, 37 Hv 144/18d, wurde der AW rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer teilbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei sechs Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
12. Am 20.03.2019 stellte der AW aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Hierbei gab er nunmehr an, den Namen XXXX zu führen, tschetschenischer Staatsbürger und am XXXX in Tschetschenien geboren zu sein.
Seinen Folgeantrag begründete der AW im Rahmen seiner Erstbefragung am 21.03.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch im Wesentlichen damit, dass er im Erstverfahren von zwei afghanischen Staatsbürgern dazu verleitet worden sei, sich ebenfalls als afghanischer Staatsbürger auszugeben, um bessere Chancen im Asylverfahren zu haben. Er sei von diesen Personen sodann gezwungen worden, in das Drogengeschäft einzusteigen, ansonsten hätten sie seine falsche Identität an die Behörden verraten. Der AW habe große Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, da er kein afghanischer Staatsbürger sei und dieses Land nicht kenne. In Tschetschenien habe er auch keine Verwandten mehr. Sein damaliger Fluchtgrund sei der Krieg in Tschetschenien gewesen.
13. Am 09.04.2019 wurde der AW vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier wiederholte der AW, bei seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz gelogen zu haben; er habe seinen ersten Antrag nicht unter Angabe seiner richtigen Daten stellen können, weil der tschetschenische Präsident seine Eltern und Großeltern umgebracht habe und sich der AW auch auf dessen Liste befunden habe. Seine nunmehr angegebene Identität könne er aber nicht nachweisen, da er keine Dokumente besitze. Er habe Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan, da er Dari nicht beherrsche. In Afghanistan würde er als Tschetschene eingesperrt und umgebracht werden. Befragt zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich gab der AW an, in Österreich weder Verwandte noch Kinder zu haben. Er habe jedoch eine Freundin; diese habe er vor zwei Jahren kennengelernt und wolle sie heiraten; in einem gemeinsamen Haushalt mit dieser Freundin lebe der AW nicht. Zu seinem Gesundheitszustand befragt gab der AW an, suizidgefährdet zu sein, an Lähmungserscheinungen zu leiden und eine Suchtmitteltherapie wegen seines Drogenkonsums zu machen. Der AW legte einen Kurzbrief der Forensik des XXXX Universitätsklinikums vom 14.01.2019, einen Entlassungsbrief aus der Neurologischen Ambulanz des XXXX Universitätsklinikums vom 14.01.2019, einen Arztbrief der Neurologischen Abteilung des XXXX Universitätsklinikums vom 03.01.2019, einen CT-Befund vom 04.01.2019, Blutbefunde vom 03.01.2019 und 04.01.2019 sowie eine Medikamentenübersicht der Justizanstalt XXXX vom 18.03.2019 vor.
Dem AW wurde im Rahmen seiner Einvernahme mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn einen Festnahmeauftrag zu erlassen, um ihn nach Strafhaftende in Schubhaft zu überstellen.
Am Ende der Einvernahme wurde dem AW die Möglichkeit gegeben, in die vom BFA herangezogenen Länderinformationen zu Afghanistan (Stand: 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 26.03.2019) Einsicht zu nehmen und hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Zudem wurden die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 01.12.2017 "Selbstmord/Suizid und dessen Behandlung in Afghanistan" sowie vom 29.07.2013 "Psychische Erkrankungen" ins Verfahren eingeführt und auch diese dem AW zur Kenntnis gebracht. Der AW verweigerte die Einsichtnahme in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte mit der Begründung, dass er gar kein Afghane sei.
14. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 09.04.2019 wurde dem AW mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.
15. Am 10.04.2019 wurde der AW aus der Strafhaft entlassen und sogleich in die Schubhaft überstellt.
16. Am XXXX wurde der AW neuerlich vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Russisch und eines Rechtsberaters niederschriftlich zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier wiederholte er seine Angaben aus der ersten Einvernahme vom 09.04.2019 im Wesentlichen. Zur aktuellen Medikation des AW ist im Anhalteprotokoll des Anhaltezentrums XXXX vom 10.04.2019 festgehalten, dass die Medikation Pantoprazol, Quetiapin und Pregabalin gemäß den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 07.03.2019, 17.01.2019 und 26.04.2018 in Afghanistan verfügbar sei. Dem AW wurde sodann die Möglichkeit eingeräumt, in die herangezogenen Anfragebeantwortungen Einsicht zu nehmen. Der AW verzichtete auf eine Einsichtnahme mit der Begründung, dass er kein Afghane sei und auch kein Afghane sein wolle.
Im Anschluss an diese Einvernahme hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des AW gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXX auf und wurde im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX entsprechend dokumentiert.
Das BFA legte dieser Entscheidung die Feststellungen zu Grunde, dass der AW im Entscheidungszeitpunkt volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan sei, an keiner lebensbedrohenden Krankheit leide und über keine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Auch habe er keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden; eine Lebensgemeinschaft habe der AW nicht begründet, ebensowenig einen gemeinsamen Haushalt. Der AW sei er mehrfach strafgerichtlich verurteilt worden. Nach Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 (mit letzter Kurzinformation vom 26.03.2019) und der ins Verfahren eingeführten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Afghanistan führte das BFA zusammengefasst aus, dass sich aus dem Vorbringen des AW insgesamt kein neuer, entscheidungswesentlicher Sachverhalt ergeben habe. Das Vorbringen im Folgeverfahren sei zum einen nicht glaubwürdig und hätte zum anderen bereits im ersten Verfahren geltend gemacht werden können. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei - im Rahmen einer Prognoseentscheidung - daher voraussichtlich zurückzuweisen. Auch die allgemeine Lage in Afghanistan habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Selbiges gelte für die persönlichen Verhältnisse des AW.
Dem AW wurde nach erteilter Rechtsmittelbelehrung eine Kopie der Niederschrift vom XXXX ausgefolgt. Der AW gab zu Protokoll, gegen diese Entscheidung Beschwerde einbringen zu wollen.
17. Am 24.04.2019 langte der gegenständliche Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein, worüber das BFA noch am selben Tag verständigt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt des BFA und den hg. Gerichtsakt, GZ XXXX , betreffend den AW.
1. Feststellungen:
Der AW ist Staatsbürger von Afghanistan. Er ist volljährig. Seine Identität steht nicht fest. Er ist ledig und kinderlos.
Der AW stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari begründete er diesen damit, dass er Afghanistan bereits im Kleinkindalter gemeinsam mit seiner Familie Richtung Tadschikistan verlassen hätte. In Tadschikistan habe er niemanden mehr; nach Afghanistan könne er nicht zurück, da er nicht wisse, wie er überleben solle.
Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 17.08.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem AW nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise des AW festgelegt.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari - mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2018, GZ XXXX , als unbegründet abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung betreffend den Herkunftsstaat Afghanistan verbunden. Das Fluchtvorbringen des AW wurde für nicht glaubhaft erachtet. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und durchsetzbar. Das Erkenntnis vom 23.10.2018 wurde am 30.10.2018 (gekürzt) ausgefertigt.
Der AW stellte im Dezember 2018 einen Antrag auf freiwillige und unterstützte Heimreise nach Afghanistan, welchen er im Jänner 2019 zurückzog.
Am 20.03.2019 stellte der AW aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Im Folgeverfahren gab er an, sein erstes Verfahren unter Verwendung einer falschen Identität geführt zu haben, um bessere Chancen im Asylverfahren zu haben. Er sei deshalb erpresst und zu Drogengeschäften gezwungen worden, weshalb er seine Identität bislang nicht habe richtigstellen können. Tatsächlich heiße er XXXX , sei tschetschenischer Staatsbürger und am XXXX in Tschetschenien geboren. Er habe seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht unter Angabe seiner richtigen Daten stellen können, weil der dortige Präsident seine Eltern und Großeltern umgebracht habe und sich auch der AW auf dessen Liste befunden habe. Er könne nicht nach Afghanistan, da er dieses Land nicht kenne.
Der AW hat in Österreich keine Familienangehörigen und keine Verwandten. Er hat in Österreich nach eignen Angaben eine Freundin, die er vor zwei Jahren kennengelernt hat und heiraten will. Eine Lebensgemeinschaft des AW mit seiner ins Treffen geführten Freundin besteht nach eigenen Angaben des AW im Folgeverfahren nicht; ein gemeinsamer Haushalt des zunächst in Strafhaft und sodann in Schubhaft befindlichen AW mit seiner in Stey lebenden Freundin besteht nicht; ein gegenseitiges finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis wurde nicht dargetan.
Der AW bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und er ist nicht erwerbstätig.
Der AW ist mehrfach strafrechtlich bescholten:
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 12.12.2018, 25 Hv 83/18w, wurde der AW rechtskräftig wegen § 269 Abs. 1, 3. Fall StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt), § 84 Abs. 2 und 5 Z 1 StGB (schwere Körperverletzung), § 89 StGB (Gefährdung der körperlichen Sicherheit), § 136 Abs. 1 StGB (unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen) und § 229 Abs. 1 StGB (Urkundenunterdrückung) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.01.2019, 37 Hv 144/18d, wurde der AW rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer teilbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei sechs Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Der AW wurde am 10.04.2019 aus der Strafhaft entlassen und sogleich in Schubhaft überstellt.
Der AW leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen. Er gab im Folgeverfahren an, suizidgefährdet zu sein, Lähmungserscheinungen zu haben und eine Suchtmitteltherapie zu machen bzw. zu benötigen; mit Befund vom 03.01.2019 wurde eine psychogene Verhaltensstörung des AW diagnostiziert. Der AW erhält derzeit Medikamente gegen Angst- und Schlafstörungen. Sämtliche, dem AW verordneten, Medikamente (Pantoprazol, Quetiapin, und Pregabalin) sind in Afghanistan verfügbar.
Die Lage im Herkunftsstaat des AW stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.
2. Beweiswürdigung:
Der im Spruch angeführte Name und Aliasname sowie das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum und Aliasgeburtsdatum des AW dienen ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren und wurden bereits dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt. Die Identität des AW konnte mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsnachweise nicht festgestellt werden, zumal der AW seinen Folgeantrag unter Angabe einer anderen Identität als im Erstverfahren gestellt hat.
Die Feststellung zur afghanischen Staatsangehörigkeit des AW resultiert aus dem Verfahrensakt. Mit der belangten Behörde ist auszuführen, dass eine nunmehr im Folgeverfahren behauptete russische Staatsangehörigkeit des AW nicht glaubhaft ist. Der AW gab in seinem Erstverfahren im Zuge seiner Erstbefragung am 18.10.2015 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN). Auch im weiteren Verfahren gab der AW - ebenso unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari - stets an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Gegenteiliges wurde erstmals im Folgeantrag behauptet. Zudem wurde der AW - wie bereits von der belangten Behörde festgestellt - von der afghanischen Botschaft als afghanischer Staatsbürger identifiziert; er stellte - nach negativen Ausgang seines ersten Asylverfahrens - auch einen Antrag auf freiwillige Heimreise nach Afghanistan. Dass der AW im Folgeverfahren nunmehr behauptet, der im Erstverfahren als Muttersprache angeführten Sprache Dari gar nicht mächtig zu sein und nur russisch zu sprechen und zu verstehen, ist vor dem Hintergrund, dass sämtliche Einvernahmen des AW im Erstverfahren unter Beiziehung von Dolmetscher für die Sprache Dari in Dari geführt und hierbei keinerlei Verständigungsprobleme vermerkt wurden, nicht plausibel und völlig unglaubwürdig. Auch der Umstand, dass die Einvernahmen des AW im Folgeverfahren auf dessen Verlangen auf Russisch durchgeführt wurden und der AW erwiesener Maßen über Kenntnisse der russischen Sprache verfügt, vermochte an der Feststellung, dass der AW afghanischer Staatsbürger ist, nichts zu ändern. Hierzu ist festzuhalten, dass der AW im Erstverfahren selbst angab, bereits im Kleinkindalter mit seiner Familie von Afghanistan nach Tadschikistan gezogen zu sein und es notorisches Amtswissen darstellt, dass in Tadschikistan (neben der Amtssprache Tadschikisch) zudem Russisch gesprochen wird. Letztlich wurde bereits im Einvernahmeprotokoll vom 09.04.2019 die Anmerkung des beigezogenen Dolmetschers für die Sprache Russisch festgehalten, dass Russisch "wahrscheinlich nicht die Muttersprache des AW ist". Die bloße Kenntnis der russischen Sprache ist daher vor diesem Hintergrund für sich alleine nicht ausreichend, um glaubhaft darzutun, dass der AW russischer Staatsbürger ist, zumal er seine behauptete Identität mangels Dokumente nicht belegen konnte. Ebenso wenig überzeugt die - inkonsistente - Begründung des AW, wonach er zunächst behauptete, die afghanische Staatsbürgerschaft deshalb angegeben zu haben, um bessere Chancen im Asylverfahren zu haben und an anderer Stelle wiederum angab, er habe seine wahre Identität deshalb nicht habe preisgeben können, weil seine Familie vom tschetschenischen Präsidenten Kadyrow getötet worden sei und auch er selbst auf dessen Liste stehe. Es ist daher mit der belangten Behörde die Feststellung zu treffen, dass der AW - wie von diesem im Erstverfahren stets angegeben wurde - Staatsangehöriger von Afghanistan ist.
Die Feststellung zur Volljährigkeit des AW basiert auf dessen Angaben in Zusammenschau mit dem im Erstverfahren eingeholten Gutachten zur Altersfeststellung, welches die Minderjährigkeit des AW im Zeitpunkt seiner ersten Asylantragstellung am 16.10.2015 bestätigte. Sowohl aus diesem dem Erstverfahren zugrunde gelegten Geburtsdatum ( XXXX ) als auch aus dem vom AW im Folgeverfahren angeführten Geburtsdatum ( XXXX ) ergibt sich die Volljährigkeit des AW im Zeitpunkt der gegenständlich angefochtenen Entscheidung des BFA zweifelsfrei. Gegenteiliges wurde zudem nicht behauptet.
Die Feststellungen zum Familienstand des AW gründen auf seinen eigenen Angaben im Verfahren. Der AW gab sowohl im Erstverfahren als auch im gegenständlichen Verfahren stets zu Protokoll, ledig und kinderlos zu sein.
Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Erledigung sowie zum damaligen Vorbringen des AW ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem hg. Gerichtsakt zum ersten Asylverfahren, GZ XXXX .
Die Rechtskraft des mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG vom 23.10.2018, GZ XXXX , mit welchem die Beschwerde gegen die Abweisung des (ersten) Antrags auf internationalen Schutz vom 16.10.2015 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde, ergibt sich daraus, dass dieses im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung als erlassen gilt und auch die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses nachweislich zugestellt wurde. Das Protokoll über die erfolgte Zustellung liegt im Akt XXXX auf.
Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen des AW ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensakts des BFA.
Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des AW in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Der AW verneinte bereits im Erstverfahren, in Österreich Verwandte oder Familienangehörige zu haben. Dass sich daran seit Abschluss des Erstverfahrens etwas geändert hätte, wurde weder behauptet noch gibt es hierfür Hinweise.
Anhaltspunkte dafür, dass in Österreich aktuell eine Lebensgemeinschaft des AW mit einer in Österreich aufhältigen Person besteht, sind im Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen. Der AW brachte im Folgeverfahren vor, in Österreich eine Freundin zu haben, die er vor zwei Jahren kennengelernt habe und welche er heiraten wolle. Näher zu diesen Lebensumständen befragt, gab der AW an, dass er hierzu nicht mehr sagen könne, als dass er seine Freundin liebe und sie heiraten wolle; dies sei seine Privatangelegenheit. Eine Lebensgemeinschaft besteht nach eigenen Angaben nicht. Über Rückfrage erklärte er, seine Freundin unterstütze ihn und gebe ihm Geld, wenn er es brauche. Das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts mit seiner Freundin behauptete der AW nicht. Vor dem Hintergrund der Strafhaft des AW bis zum 10.04.2019 und der anschließenden Überstellung in die Schubhaft bestehen dafür auch keine Anhaltspunkte.
Die strafrechtliche Bescholtenheit des AW ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft und den im Verwaltungsverfahrensakt einliegenden Urteilsausfertigungen des Straflandesgerichts.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zum Medikamentenbedarf des AW ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten Befunden und Arztbriefen sowie aus der Medikamentenübersicht der Justizanstalt XXXX vom 18.03.2019 und der Medikamentenübersicht des Anhaltezentrums XXXX vom 10.04.2019. Der AW gab im Folgeverfahren an, suizidgefährdet zu sein, an einer Suchterkrankung zu leiden und Lähmungserscheinungen zu haben. Dass der AW an einer lebensbedrohenden Krankheit leide, wurde hingegen weder behauptet noch belegt. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, resultiert aus der Befundlage vom 03.01.2019, dass im Fall des AW aktuell eine psychogene Verhaltensstörung vorliegt; Rückstände abgeprüfter Drogenbestandteile waren dem in Vorlage gebrachten Laborbefund vom 03.01.2019 nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der vom AW ins Treffen geführten Lähmungserscheinungen ist auszuführen, dass im vorgelegten Entlassungsbrief vom 14.01.2019 zwar festgehalten wurde, dass der AW nur kurze Strecken selbständig gehen könne; aus dem vom AW ebenfalls in Vorlage gebrachten Kurzbrief der Forensik des XXXX Universitätsklinikums vom 14.01.2019 geht jedoch hervor, dass aus neurologischer Sicht kein Hinweis auf eine organische Störung vorliege und auch eine Bereitstellung von Gehhilfen im Fall des AW nicht erforderlich sei. Die im Folgeverfahren behauptete Suizidgefahr des AW wurde nicht belegt und ist zudem in Afghanistan gemäß den von der Behörde eingeführten Länderberichten in Afghanistan ausreichend behandelbar. Die Verfügbarkeit der vom AW derzeit aufgrund seiner Angst- und Schlafstörungen einzunehmenden Medikamente (Pantoprazol, Quetiapin, und Pregabalin) in Afghanistan ergibt sich ebenfalls aus den von der belangten Behörde ins Folgeverfahren eingeführten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation. Diese wurden dem AW vor Erlassung des gegenständlichen Bescheides mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht und wurden auch im angefochtenen Bescheid erneut wiedergegeben. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des AW, die seiner Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen könnte, sind somit im Verfahren - unter Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter Befunde - nicht hervorgekommen.
Dass die allgemeine Situation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens (23.10.2018) im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Afghanistan für den AW nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.08.2017 abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, ist datiert mit 23.10.2018. Der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde am XXXX - sohin weniger als sechs Monate nach rechtskräftiger Beendigung des ersten Asylverfahrens - erlassen. Die letzten Anschläge in Afghanistan veranlassten eine Aktualisierung der Berichte dahingehend, ergeben jedoch keine wesentliche Lageänderung, zumal die Sicherheitslage in Afghanistan regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedlich ist jedenfalls Teile Afghanistans (darunter insbesondere die Regionen Herat-Stadt und Mazar-e Sharif) nach wie vor als hinreichend sicher und stabil eingestuft werden können.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018 ua. wurden verwaltungsgerichtliche Normanfechtungsanträge zur Überprüfung von ua. § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie gegen § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 abgewiesen, im Übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.
3.2. Zu A) Bestätigung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:
§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
...
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."
§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:
"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
§ 22 BFA-VG lautet:
"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:
Das Verfahren über den ersten Antrag des AW auf internationalen Schutz vom 16.10.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 17.08.2017 und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das BVwG am 23.10.2018 im Zeitpunkt der Verkündung des Erkenntnisses des BVwG in Anwesenheit des AW am 23.10.2018 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des AW auf internationalen Schutz vom 20.03.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.
Der Bescheid vom 17.08.2017 ist mit mündlich verkündetem, abweisendem Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2018 in Rechtskraft erwachsen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.
Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG des BFA vom 17.08.2017 wurde somit mit Erlassung (mündlicher Verkündung) des Erkenntnisses des BVwG am 23.10.2018 ebenfalls am 23.10.2018 rechtskräftig.
Laut seinen eigenen Angaben vor dem BFA war der AW seit seinem ersten Asylverfahren durchgehend in Österreich aufhältig und hat daher seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.
Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der zweite Antrag des AW auf internationalen Schutz vom 20.03.2019 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist:
Der AW brachte im Rahmen seines Folgeantrags vor, nicht nach Afghanistan zurück zu können, da er - entgegen seinen ursprünglichen Angaben - nicht afghanischer, sondern russischer Staatsbürger sei, kein Afghane sein wolle und zudem Afghanistan gar nicht kenne. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass diesem Vorbringen, wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, kein glaubhafter Kern zu entnehmen ist. Zudem wäre dieser Umstand bereits im ersten Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zu erstatten gewesen und stellt somit keinen neuen Sachverhalt dar, der erst nach Abschluss des Erstverfahrens eingetreten ist oder erst zu diesem Zeitpunkt hätte vorgebracht werden können. Gibt der AW in seinem Folgeverfahren weiter an, seinen angeblichen Herkunftsstaat Tschetschenien wegen des Krieges verlassen zu haben und nicht mehr nach Tschetschenien zurückzukönnen, da er auch dort keine Angehörigen mehr habe und zudem seine gesamte Familie vom tschetschenischen Präsidenten verfolgt werde, ist festzuhalten, dass mit diesem Vorbringen - selbst im Falle einer Wahrunterstellung - keine Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen bezogen auf den festgestellten Herkunftsstaat Afghanistan geltend gemacht wurden.
Dem Vorbringen des AW ist somit - nach einer Grobprüfung und im Sinne einer Prognoseentscheidung - insgesamt keine entscheidungswesentliche Änderung des Sacherhalts zu entnehmen. Eine Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Mit der belangten Behörde ist festzuhalten, dass sich beim AW zusammengefasst im zweiten Asylverfahren das Bild ergibt, dass dieser nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Afghanistan zurückzukehren. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass er die Frage des BFA in seiner Einvernahme am 09.04.2019, ob er im Falle seiner Abschiebung Widerstand leisten würde, dezidiert bejahte.
Zudem ergibt sich aus den von der belangten Behörde ins Folgeverfahren eingebrachten Länderberichten, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des AW keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid vom 17.08.2017 bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2018 eingetreten ist.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht.
Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des AW nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass der AW bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den AW im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).
Es sind auch keine erheblichen in der Person des AW liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der vom AW ins Treffen geführte Gesundheitszustand ist mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinische Unterstützung in Anspruch zu nehmen (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff), im Sinne einer Prognoseentscheidung nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen. Zudem wurde weder behauptet noch dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des AW in seinem Herkunftsstaat verschlechtern würde. Wie den im Folgeverfahren getroffenen Länderfeststellungen zu entnehmen ist, sind Behandlungsmöglichkeiten auch im Herkunftsstaat des AW grundsätzlich vorhanden und ist die vom AW aufgrund dessen Angst- und Schlafstörungen derzeit benötigte Medikation in Afghanistan verfügbar und zugänglich. Dass eine Behandlung im Herkunftsstaat unter Umständen nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder allenfalls kostenintensiver ist, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant (vgl. EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff).
Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den AW ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der AW hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der AW bereits im ersten Asylverfahren angegeben, in Österreich keine Familienangehörigen zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Zu der vom AW erstmals im Folgeverfahren ins Treffen geführten Beziehung mit seiner in Österreich aufhältigen Freundin, die er bereits vor zwei Jahren - somit vor Abschluss des ersten Asylverfahrens - kennengelernt haben will und nunmehr nach eigenen Angaben heiraten wolle, ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ergeben haben, vielmehr wurde dies vom AW selbst verneint. Es wurde weder ein gemeinsamer Haushalt behauptet, noch substantiiert vorgebracht, dass ein gegenseitiges finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Der AW gab in diesem Zusammenhang lediglich an, dass ihm seine Freundin Geld gebe, wenn er es brauche. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit des, sich zuletzt in Strafhaft und nunmehr in Schubhaft befindenden, AW von seiner Freundin geht daraus jedenfalls nicht hervor und wurde auch nicht belegt. Dass der AW mit seiner Freundin ein gemeinsames Kind hätte, wurde ebenfalls verneint. Die belangte Behörde ging somit zu Recht davon aus, dass die Ausweisung daher keinen Eingriff in das Recht des AW auf Schutz des Familienlebens bildet.
Eine besondere Aufenthaltsverfestigung des AW im Bundegebiet kann angesichts der vergleichsweise kurzen Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet (Einreise im Oktober 2015), der seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unrechtmäßig ist, nicht angenommen werden. In Anbetracht der mehrfachen strafgerichtlichen Verurteilungen des AW in Österreich kann von einer lediglich aufgrund der Aufenthaltsdauer begründeten besonderen sozialen Verfestigung keinesfalls gesprochen werden, wird die für die Integration eines Fremden wesentliche soziale Komponente doch erheblich durch die vom Fremden begangene Straftaten beeinträchtigt (vgl. VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181). Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.
Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des AW in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXX ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX schriftlich festgehalten hat, dass der AW gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom XXXX Beschwerde erheben wolle, ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass bereits die Vorlage der Akten gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gilt und es keiner gesonderten Beschwerde aus Eigenem gegen den Bescheid, mit dem der faktische Abschiebeschutz aberkannt wurde, bedarf bzw. diese nicht zulässig ist (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 21; vgl. dazu VfSlg. 19.215/2017).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2136297.3.00Zuletzt aktualisiert am
08.07.2019