TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/22 Ro 2019/09/0005

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Veröffentlicht am 22.05.2019
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
24/01 Strafgesetzbuch
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz
64/03 Landeslehrer

Norm

BDG 1979 §43 Abs2
DO Wr 1994 §18 Abs2
LDG 1984 §29 Abs2
LDG 1984 §87 Abs1
LDG 1984 §95 Abs2
StGB §6 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §28 Abs2

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die Revision der Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Burgenland in Eisenstadt, vertreten durch Maxl & Sporn Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 16. Jänner 2019, Zl. E HG1/01/2018.010/024, betreffend ein Disziplinarverfahren nach dem LDG 1984 (mitbeteiligte Partei: X Y in Z, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Kostenantrag der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 28. März 2017, Ra 2017/09/0008, sowie vom 30. Mai 2018, Ra 2018/09/0045, verwiesen.

2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Burgenland (in der Folge: DK) vom 30. Oktober 2017 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe am 17. April 2016 an einem näher bezeichneten Duathlon-Wettkampf teilgenommen und sei bei diesem als Sieger einer näher umschriebenen Leistungsklasse hervorgegangen, obwohl er laut amtsärztlichem Gutachten dienstunfähig gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch gegen § 29 Abs. 1 und 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984) verstoßen, weshalb über ihn gemäß §§ 70 und 71 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug verhängt wurde. 3 Der gegen diesen Bescheid vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und stellte das Disziplinarverfahren ein. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für zulässig erklärt.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei zum fraglichen Zeitpunkt des Duathlons aufgrund einer depressiven Krankheit ("burn-out-Syndrom") dienstunfähig gewesen. Die Wettkampfteilnahme habe keinen negativen Einfluss auf die Wiederherstellung seiner psychischen Gesundheit gehabt. Vor dem Tag des Wettkampfes habe kein Arzt oder Therapeut dem Mitbeteiligten gesagt, dass eine wettkampfmäßige Sportausübung seiner Gesundheit oder Genesung von der Depression abträglich sei oder sein könnte.

5 Die DK, so das Verwaltungsgericht weiter, habe dem Mitbeteiligten vorgehalten, Delikte nach § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 verwirklicht zu haben. Das dem Mitbeteiligten im Tatvorwurf angelastete Verhalten stehe in keinem Zusammenhang mit einer Aufgabenerfüllung nach § 29 Abs. 1 leg. cit., es gebe auch keinen erkennbaren Grund, dass ein Delikt nach diesem Absatz objektiv verwirklicht bzw. angelastet worden sei. Zum Vorwurf, der Mitbeteiligte habe mit seinem Verhalten gegen § 29 Abs. 2 LDG 1984 verstoßen, weil er aufgrund der Teilnahme am Duathlon während seines Krankenstandes "das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" geschädigt habe, führte das Verwaltungsgericht aus, Schutzobjekt dieser Bestimmung sei nicht das Standesansehen der Lehrer. Das Verhalten des Mitbeteiligten stehe mit seinem Aufgabengebiet als Lehrer in keinem konkreten Zusammenhang. Das "gesamte Verhalten" erfasse zwar auch das außerdienstliche Verhalten während des Krankenstandes, dies jedoch nur dann, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstünden. Solche Rückwirkungen seien nicht hervorgekommen. Nicht zuletzt stelle gemäß § 69 LDG 1984 nur die "schuldhafte" Verletzung einer Dienstpflicht eine Dienstpflichtverletzung dar. Schuldhaft handle ein Lehrer dann, wenn er entweder vorsätzlich oder fahrlässig einer Dienstpflicht zuwiderhandle. Das Disziplinarerkenntnis lasse nicht erkennen, weshalb die DK von der Schuld des Mitbeteiligten ausgehe und welche Schuldform sie unterstelle. Vorsatz könne mangels Wissens des Mitbeteiligten von der Pflichtwidrigkeit seiner Vorgangsweise nicht vorliegen, ein fahrlässiges Verhalten sei nicht dargelegt worden bzw. sei nicht erkennbar.

6 Zusammenfassend hält das Verwaltungsgericht abschließend fest, dass das inkriminierte Tatverhalten schon objektiv keine Dienstpflichtverletzung darstelle. Aber selbst wenn der angezogene Tatbestand als verwirklicht betrachtet werde, fehle es am erforderlichen Verschulden. Sohin sei das Disziplinarerkenntnis als rechtswidrig aufzuheben und das Verfahren gemäß § 87 Abs. 1 LDG 1984 einzustellen gewesen. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil es "für einen vergleichbaren Disziplinarfall eines Landeslehrers" keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe und "eine Bedeutung über den Anflassfall hinaus" möglich sei. 7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Verwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist; sie ist im Ergebnis auch begründet.

10 § 29 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) idF

BGBl. Nr. 302/1984 lautet auszugsweise wie folgt:

"Allgemeine Dienstpflichten

§ 29. (1) Der Landeslehrer ist verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Landeslehrer hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

(3) ..."

11 Dem Verwaltungsgericht ist zunächst zuzustimmen, dass durch das dem Mitbeteiligten vorgeworfene Verhalten der Teilnahme an einem Duathlon-Wettkampf während seines längeren Krankenstandes nicht der Tatbestand von § 29 Abs. 1 LDG 1984 verwirklicht werden kann.

12 Es kann dem Verwaltungsgericht aber nicht gefolgt werden, wenn es in seiner rechtlichen Beurteilung weiters die Auffassung vertritt, dass das inkriminierte Verhalten auch nicht unter Abs. 2 dieser Bestimmung subsumiert werden könne, den Revisionsfall nicht mit dem hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, 98/09/0078, vergleichbar sieht, weil es in dem zitierten Erkenntnis um eine Verletzung des § 18 Abs. 2 zweiter Satz (der Wiener) Dienstordnung 1994 (DO 1994) gehe, und dazu ausführt, dass diese Bestimmung anders als § 29 Abs. 2 LDG 1984 gelagert sei, weil § 29 Abs. 2 LDG 1984 im Gegensatz zu § 18 Abs. 2 DO 1994 nur auf das "Vertrauen in die sachliche Wahrnehmung der Dienstpflichten" Bezug nehme und insoweit das Standesansehen der Lehrer durch das LDG 1984 nicht geschützt sei:

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass der in § 18 Abs. 2 DO 1994 geregelte - das dienstliche wie das außerdienstliche Verhalten betreffende - Maßstab auf die allgemeine Wertschätzung hinweist, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt bzw. nach dem Willen des Gesetzgebers genießen soll. Das zu schützende Rechtsgut liegt dabei in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass § 43 Abs. 2 BDG 1979 insoweit mit § 18 Abs. 2 DO 1994 vergleichbar ist (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0049, mwN; 15.9.2004, 2002/09/0152). Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 43 Abs. 2 BDG 1979 kommt es (auch) nur darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet ist, dass Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen (vgl. VwGH 24.2.2011, 2009/09/0184). 14 Wie der Verwaltungsgerichtshof des Weiteren ausgesprochen hat, ist die Bestimmung des § 29 Abs. 2 LDG 1984 der Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 inhaltlich entsprechend nachgebildet, weshalb die zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 ergangene Rechtsprechung auch für § 29 Abs. 2 LDG 1984 in gleicher Weise maßgeblich ist (vgl. VwGH 20.11.2003, 2002/09/0088; 16.10.2001, 2001/09/0096). Daraus folgt nun aber, dass der in § 18 Abs. 2 DO 1994 geregelte Maßstab wiederum gleichermaßen auf die Bestimmung des § 29 Abs. 2 LDG 1984 anzuwenden ist. Dem Verwaltungsgericht ist daher nicht zuzustimmen, wenn es ausführt, diese beiden Bestimmungen seien insofern nicht vergleichbar und das Standesansehen der Lehrer sei insoweit durch das LDG 1984 nicht geschützt.

15 Im vorliegenden Fall hat der Mitbeteiligte während seines Krankenstandes, in dem er (nach der Aktenlage im Jahr 2016) aufgrund einer depressiven Krankheit ("burn-out-Syndrom") dienstunfähig war, am 17. April 2016 an einem Duathlon-Wettkampf teilgenommen und ist bei diesem als Sieger einer näher umschriebenen Leistungsklasse hervorgegangen. Aus den Feststellungen bzw. dem Beweisverfahren des Verwaltungsgerichts ergibt sich nicht, dass der Mitbeteiligte die Frage, ob diese Teilnahme am Wettkampf positive oder negative Auswirkungen auf die Wiederherstellung seiner psychischen Gesundheit haben könnte, bei seinem behandelnden Arzt oder dem Amtsarzt thematisiert habe. 16 In einem solchen Fall, in dem sich jemand wegen eines diagnostizierten Zustandes rascher "Erschöpfbarkeit (Erschöpftheit)" als Landeslehrer im Krankenstand befindet, ist die Teilnahme an einer Duathlon-Veranstaltung, welche eine hohe Leistungsfähigkeit sowohl in mentaler als auch körperlicher Hinsicht verlangt, geeignet, die Berechtigung seines Krankenstandes in der Öffentlichkeit in Zweifel zu ziehen und damit das Vertrauen der Allgemeinheit im Sinne des § 29 Abs. 2 LDG 1984 zu beeinträchtigen und diesen Tatbestand in objektiver Hinsicht zu erfüllen; insofern gleicht es dem dem hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, 98/09/0078, zu Grunde liegenden Fall, wo ein provokantes Verhalten in der Teilnahme an einem Tennisturnier im Krankenstand gesehen wurde.

17 Wenn das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Verschuldens des Mitbeteiligten die Auffassung vertritt, dieser habe nicht vorsätzlich gehandelt und es sei auch ein fahrlässiges Verhalten nicht erkennbar, so ist zu entgegnen, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes (zwar) kein ärztliches Verbot für die Teilnahme an einem Duathlon-Wettkampf ausgesprochen worden sei. Es ist - wie bereits oben erwähnt - aber nicht ersichtlich, dass der Mitbeteiligte vor dem in Rede stehenden Duathlon-Wettkampf eine ausdrückliche ärztliche Empfehlung an dem Wettkampf teilzunehmen, erhalten habe. Aus den Aussagen jener beiden Ärzte, die den Mitbeteiligten zuletzt vor dem Duathlon-Wettkampf begutachtet haben, ergibt sich vielmehr, dass derartige sportliche Aktivitäten dabei nicht thematisiert worden seien. Selbst wenn daher das Verwaltungsgericht in der besagten Teilnahme kein vorsätzliches Verhalten des Mitbeteiligten zu erkennen vermag, könnte bei dieser Sachlage dem Mitbeteiligten jedenfalls ein fahrlässiges Verhalten in dem Sinne vorgeworfen werden, dass er trotz Dienstunfähigkeit ohne vorherige medizinische Klärung und Freigabe an diesem sportlichen Wettkampf teilgenommen und damit den Tatbestand des § 29 Abs. 2 LDG 1984 erfüllt hat.

18 Im Übrigen übersieht das Verwaltungsgericht, dass in diesem Verfahrensstadium das Disziplinarverfahren nicht mehr einzustellen, sondern entweder ein Schuld- oder ein Freispruch nach § 95 Abs. 2 LDG 1987 zu fällen gewesen wäre (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0036, zum insoweit vergleichbaren BDG 1979).

19 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt und auch zu Unrecht die Vergleichbarkeit mit dem Fall in VwGH 4.4.2001, 98/09/0078, verneint hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

20 Der Kostenantrag der revisionswerbenden Partei war abzuweisen, da nach § 47 Abs. 4 VwGG der Revisionswerber und der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 bis 4 und Abs. 8 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben.

Wien, am 22. Mai 2019

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019090005.J00

Im RIS seit

08.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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