TE Vwgh Beschluss 2019/5/27 Ra 2019/14/0198

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Veröffentlicht am 27.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das am 19. November 2018 mündlich verkündete und am 27. November 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, L521 2016335-2/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 30. August 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Begründung brachte er im Wesentlichen vor, dass er für die PKK gearbeitet habe und schon zweimal festgenommen worden sei. Ihm sei gesagt worden, dass er beim nächsten Angriff sein ganzes Leben inhaftiert werde. Im Fall der Rückkehr würde ihn lebenslange Haft erwarten.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 4. Dezember 2014 ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Türkei zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18. Mai 2015 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, das Vorbringen, der Revisionswerber würde als Sympathisant der PKK gezielt und nachhaltig verfolgt werden, sei nicht glaubwürdig.

4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 18. Februar 2016 ablehnte.

5 Am 20. Jänner 2017 stellte der Revisionswerber, der zwecks Beischaffung eines Passersatzdokumentes (Heimreisezertifikates) eine Ladung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl für den 18. Jänner 2017 erhalten, aber den Termin unter Hinweis auf eine Erkrankung nicht wahrgenommen hatte, neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, die bisherigen Fluchtgründe seien noch aufrecht. Die Lage in der Türkei sei sehr schlecht und jene der Kurden sei schlimmer geworden.

6 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Folgeantrag mit Bescheid vom 16. Mai 2018 wegen entschiedener Sache zurück. Die Behörde sprach unter einem aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde. Weiters erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

7 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, der mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2018 gemäß § 17 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

8 Mit dem am 19. November 2018 nach Durchführung einer Verhandlung mündlich verkündeten und am 27. November 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es keine nachprüfbare Gegenüberstellung der tatsächlichen Situation in der Türkei zum Entscheidungsstichtag des ersten und zum Entscheidungsstichtag des zweiten Erkenntnisses enthalte. Zudem habe der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, seinen Gesundheitszustand zu untersuchen. Dass dem nicht nachgekommen worden sei, stelle einen groben Verfahrensfehler dar. 13 Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines dem angefochtenen Erkenntnis anhaftenden Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. etwa VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0654).

14 Soweit der Revisionswerber auf eine Änderung der Lage in der Türkei abstellt, übersieht er, dass das Vorbringen zu seinen Fluchtgründen bereits im ersten Asylverfahren als unglaubwürdig eingestuft wurde. Auf Feststellungen zur - allenfalls: geänderten -

allgemeinen Situation in der Türkei kommt es vor diesem Hintergrund fallbezogen nicht an, zumal auch der angefochtenen Entscheidung die Unrichtigkeit seiner Angaben zum ursprünglichen Fluchtvorbringen zugrundliegt. Dass aber dieses Vorbringen unverändert Grundlage für den vom Revisionswerber gestellten Folgeantrag war, wird in der Revision eingeräumt. Schon deswegen fehlt es dem auf die allgemeine Lage in der Türkei Bezug nehmenden Revisionsvorbringen an der Relevanz für den Verfahrensausgang. 15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2019/14/0058; 10.4.2019, Ra 2019/20/0153, jeweils mwN). 16 Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht, das sich ausführlich mit den Umständen des vorliegenden Einzelfalls - auch mit den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Revisionswerbers - auseinandergesetzt hat, eine unvertretbare Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen hätte. Wenn der Revisionswerber geltend macht, es hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu seinem Gesundheitszustand nicht unterbleiben dürfen, so legt er nicht dar, zu welchen für den Verfahrensausgang maßgeblichen konkreten Feststellungen das Verwaltungsgericht bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers hätte kommen können. Es stellt sich zudem nicht als nachvollziehbar dar, wenn die Revision ohne weitere Erläuterungen davon ausgeht, es hätte sich aufgrund eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Orthopädie ergeben, dass der Revisionswerber "lebenslänglich schwer traumatisiert" sei. Im Übrigen ist dem Protokoll zur Verhandlung vom 19. November 2018 ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu entnehmen. Welche Angaben des Revisionswerbers im Verhandlungsprotokoll nur - so die Revision wörtlich - "suboptimal" wiedergegeben worden wären und der Sache nach als solcher Antrag zu verstehen gewesen wären, wird in der Revision nicht dargelegt.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 27. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140198.L00

Im RIS seit

22.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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