TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/28 Ra 2019/05/0008

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10 Verfassungsrecht
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
30/01 Finanzverfassung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §6
ABGB §7
AVG §13 Abs3
AVG §63 Abs3
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012
VwGG §28 Abs1
VwGG §28 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §33 Abs1
VwGVG 2014 §9
VwGVG 2014 §9 Abs1
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §9 Abs2 Z1
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/05/0009Ra 2019/05/0010Ra 2019/05/0011Ra 2019/05/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. des T, 2. des E W, 3. der P W, 4. der M S und 5. des F G, alle in H, alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Staße 55/1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 28. November 2018, Zl. LVwG-AV-999/001-2018, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:

Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: H GmbH in H, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8-9), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich (im Folgenden: Landeshauptfrau) vom 3. August 2018 wurde unter Spruchpunkt A. der mitbeteiligten Partei die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer (näher beschriebenen) Abfallbehandlungsanlage erteilt. Unter Spruchpunkt B. wurde eine Bauaufsicht auf Kosten der Anlagenbetreiberin bestellt und deren Tätigkeitsumfang näher umschrieben sowie unter Spruchpunkt C. die mitbeteiligte Partei zur Tragung der näher bestimmten Kosten des Genehmigungsverfahrens verpflichtet. Ferner wurden im Spruch dieses Bescheides als Rechtsgrundlagen für die Sachentscheidung (näher genannte) Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 - AWG 2002, des Immissionsschutzgesetzes - Luft, IG-L und des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG sowie für die Kostenentscheidung (näher genannte) verfahrensrechtliche Bestimmungen angeführt.

2 Unter Vorlage einer Ausfertigung dieses Bescheides erhoben die Revisionswerber an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung adressierte Beschwerde. 3 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt 1.) diese Beschwerde zurückgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

4 Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, dass die Revisionswerber in der Beschwerde zum einen den dieser beigelegten Bescheid als angefochtenen Bescheid und zum anderen als die den angefochtenen Bescheid erlassende und als belangte Behörde ausdrücklich die "Niederösterreichische Landesregierung" bezeichnet hätten. Den "verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid" habe jedoch nicht die Niederösterreichische Landesregierung, sondern die Landeshauptfrau als örtlich und sachlich zuständige Behörde erlassen. Da die Revisionswerber in der Beschwerde die belangte Behörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ausdrücklich unrichtig bezeichnet hätten, stehe es dem Verwaltungsgericht nicht zu, diese ausdrückliche Bezeichnung dahin umzudeuten, dass als belangte Behörde die Landeshauptfrau in Anspruch genommen werden sollte. Die Beschwerde sei daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen, wobei mangels Vorliegens eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG und damit eines Formgebrechens kein Raum für ein Verbesserungsverfahren bestehe. 5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision.

6 Die Landeshauptfrau und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision ist in Anbetracht der in den Ausführungen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG aufgeworfenen Frage der Auslegung der Beschwerde in Bezug auf die Bezeichnung der belangten Behörde gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 VwGVG zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu:

8 Die Revision bringt (u.a.) vor, dass nach der hg. Judikatur in Fällen, in denen die Bezeichnung der belangten Behörde (zwar) nicht richtig, aber unter gleichzeitiger Vorlage des angefochtenen Bescheides eines Landeshauptmannes oder einer Landesregierung erfolgt sei, die sofortige Zurückweisung der Beschwerde nicht gerechtfertigt sei. Bei Einreichung der Bescheidbeschwerde habe auch kein Zweifel bestanden, gegen welchen Bescheid dieses Rechtsmittel erhoben worden sei, weshalb der gesamte Akt an das Verwaltungsgericht übermittelt worden sei. Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei, sei nicht nur aus der Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer zu ersehen, sondern auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Keinesfalls sollte ein übertriebener Formalismus in das Verwaltungsverfahren eingeführt werden. Gegenständlich hätten die Revisionswerber der Bescheidbeschwerde den angefochtenen Bescheid beigelegt und würden im gesamten in dieser Beschwerde vorgebrachten Sachverhalt nicht einmal die Wörter "belangte Behörde" verwendet, sondern werde auf das konkrete Verfahren mit Daten und Geschäftszahlen eingegangen. Das bedeute, sowohl aus dem Vorbringen in der Bescheidbeschwerde als auch aus den angeschlossenen Beilagen (nämlich dem Bescheid vom 3. August 2018) sei eindeutig erkennbar, wer die belangte Behörde sei. Wenn in der Bezeichnung des Hilfsapparates die gesamte Landesregierung oder die Landeshauptfrau mitumfasst sei, so müsse jedenfalls in der Bezeichnung der Landesregierung auch die Landeshauptfrau umfasst sein. Da das Fehlen der Bezeichnung der belangten Behörde einer Verbesserung zugänglich sei, sollte auch das Fehlen eines Wortes ("Landeshauptfrau") einer Verbesserung zugänglich sein. 9 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 12 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, sind Beschwerden an das Verwaltungsgericht grundsätzlich bei der belangten Behörde einzubringen.

10 § 9 VwGVG in der bei Erlassung des angefochtenen Beschlusses geltenden Stammfassung lautet auszugsweise:

"Inhalt der Beschwerde

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

...

(2) Belangte Behörde ist

1. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat,

..."

11 Die Regierungsvorlage (2009 BlgNR 24. GP 4) führt zu dieser Bestimmung (u.a.) Folgendes aus:

"Zu § 9:

Der vorgeschlagene § 9 regelt den Inhalt der Beschwerde. Gemäß Abs. 1 soll die Beschwerde den angefochtenen Bescheid ...

und die belangte Behörde bezeichnen. ... Die Beschwerde hat die

Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde, zu enthalten.

Diese Angaben sind deshalb erforderlich, weil das Verwaltungsgericht gemäß dem vorgeschlagenen § 27 im Prüfungsumfang beschränkt sein soll. Die Anforderungen an die Beschwerde sind demnach höher als die Anforderungen an eine Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass schon das vorangegangene Verwaltungsverfahren den Parteien besondere Achtsamkeit abverlangt; so etwa die rechtzeitige Erhebung zulässiger, auf subjektive Rechte bezogener Einwendungen, um die Parteistellung nicht zu verlieren (§ 42 Abs. 1 AVG). Mangelhafte Beschwerden sind unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 AVG einer Verbesserung zugänglich.

Der vorgeschlagene Abs. 2 bestimmt den Begriff der 'belangten Behörde' näher."

12 Der Verfassungsausschuss (vgl. 2112 BlgNR 24. GP 7) beschloss in diesem Zusammenhang folgende Feststellung:

"Der Verfassungsausschuss geht davon aus, dass die inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG jenen des § 63 Abs. 3 AVG materiell entsprechen. Aus der Beschwerdebegründung muss der Wille des Beschwerdeführers erkennbar sein, im Beschwerdeverfahren ein für ihn vorteilhafteres Verfahrensergebnis zu erreichen. Die inhaltlichen Anforderungen sind so zu verstehen, dass ein durchschnittlicher Bürger sie auch ohne Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter erfüllen kann."

13 So hat gemäß der - insoweit weiterhin anwendbaren - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 Abs. 3 AVG (in der Fassung vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides in der Weise zu erfolgen, die es ermöglicht, unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB den angefochtenen Bescheid zu erkennen und jede Verwechslung darüber auszuschließen. Keinesfalls sollte damit ein übertriebener Formalismus in das Verwaltungsverfahren eingeführt werden (vgl.  etwa VwGH 2.5.2018, Ra 2017/02/0254, mwN).

14 Der Hinweis im oben genannten Bericht des Verfassungsausschusses auf die Bezeichnung des Bescheides im Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 3 AVG spricht gegen eine streng formale Interpretation, solange der Gegenstand des Verfahrens - wenn auch nach Auslegung des Vorbringens im Sinne der §§ 6 und 7 ABGB und unter Berücksichtigung angeschlossener Urkunden - zweifelsfrei, also ohne Möglichkeit einer Verwechslung, zu erkennen ist (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 77 mwH auf die ständige hg. Judikatur; ferner zum Ganzen etwa VwGH 13.11.2014, Ra 2014/12/0010).

15 Im vorliegenden Revisionsfall haben die Revisionswerber in der Beschwerde den angefochtenen Bescheid mit (richtigem) Datum (3. August 2018) und (richtiger) Zahl (RU4-KB-445/003-2018) bezeichnet, die Beschwerde an das "Amt der Nö. Landesregierung Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr Abteilung Umwelt- und Energierecht Außenstelle Baden Schwartzstraße 50 2500 Baden" adressiert und ihr den angefochtenen Bescheid vom 3. August 2018 in Kopie beigelegt. Dazu ist zu bemerken, dass im Kopf dieses Bescheides (Seite 1) die Adressatin der Beschwerde, nämlich das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung "Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr Abteilung Umwelt- und Energierecht, Außenstelle Baden Postanschrift 2500 Baden Schwartzstraße 50" aufscheint und es sich beim Amt der Landesregierung grundsätzlich um den Hilfsapparat der Landesregierung sowie in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung um den Hilfsapparat des Landeshauptmannes bzw. der Landeshauptfrau handelt (vgl. etwa VwGH 16.9.2013, 2012/12/0156).

16 Wenn im Rubrum der Beschwerde (Seite 2) als belangte Behörde - insoweit unrichtig, weil der durch Bezeichnung mit Datum und Zahl individualisierte und der Beschwerde als angefochtener Bescheid beigelegte Bescheid "Für die Landeshauptfrau" unterfertigt und somit von dieser erlassen wurde - die "Niederösterreichische Landesregierung Schwartzstraße 50 2500 Baden" benannt wurde, so hätte das Verwaltungsgericht nicht ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass sich die Beschwerde nicht gegen den dieser beigelegten Bescheid richtet.

17 So hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 63 Abs. 3 AVG (in der Fassung vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) ausgesprochen, dass etwa das gänzliche Fehlen der Anführung der Geschäftszahl - ebenso wie etwa die Angabe eines unrichtigen Bescheiddatums - die Berufungsbehörde nicht zur Zurückweisung der Berufung berechtigt, wenn keine sonstigen Zweifel darüber bestehen, welchen Bescheid der Beschwerdeführer bekämpfen will (vgl. dazu etwa VwGH 24.2.1993, 92/02/0255, und VwGH 29.8.2017, Ra 2016/17/0197, mwN).

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters in Bezug auf die - zu § 9 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGVG insoweit ähnliche - Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG in der Fassung vor Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013 ausgesprochen, dass der Sinn dieser Bestimmung des VwGG ist, jeden Zweifel darüber, welche Erledigung vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten ist, auszuschließen, und dass die Angaben, welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, nicht bloß aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden kann, sondern auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar ist, sodass jene Behörde Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 24.1.2018, Ra 2017/09/0055, mwN). 19 Wenn das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss für seine Rechtsauffassung, dass aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung der belangten Behörde mit "Niederösterreichische Landesregierung" in der Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 VwGVG für eine Umdeutung dieser Bezeichnung kein Raum bestehe, wobei die Revisionswerber als Beschwerdeführer rechtsfreundlich (anwaltlich) vertreten gewesen seien, die (u.a.) zu § 28 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG in der Fassung vor Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013 ergangene hg. Judikatur (so u. a. VwGH 26.6.2012, 2010/07/0079, VwGH 29.10.2013, 2010/07/0044, und VwGH 23.1.2014, 2013/07/0291) ins Treffen führt, so ist dazu Folgendes zu bemerken:

20 Wie oben dargelegt wurde, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG jenen des § 63 Abs. 3 AVG (an eine Berufung) materiell entsprechen und so zu verstehen sein, dass ein durchschnittlicher Bürger sie auch ohne Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter erfüllen kann (vgl. dazu nochmals die Materialien AB 2112 BlgNR 24. GP 7). Diese Zielsetzung wie auch insbesondere der Umstand, dass im Beschwerdeverfahren nach dem VwGVG - anders, als dies nach dem VwGG in den Fassungen vor Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013 der Fall war - die Beschwerde nicht von einem Rechtsanwalt unterfertigt bzw. eingebracht werden muss, lassen es als sachlich geboten erscheinen, bei der Beurteilung einer Beschwerde nach dem VwGVG in formaler Hinsicht nicht denselben strengen Maßstab anzulegen wie an einen Rechtsmittelschriftsatz, wenn für diesen grundsätzlich Anwaltspflicht gilt. Im Hinblick darauf ist die oben genannte, (u.a.) zu § 28 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG in der Fassung vor Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013 ergangene hg. Judikatur daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

21 Dass - worauf das Verwaltungsgericht hinweist - die von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde von deren rechtsfreundlicher Vertretung (Rechtsanwalt) eingebracht wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. So sind Prozesserklärungen einer Partei ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 20.12.1995, 95/03/0310, und VwGH 26.6.2014, Ra 2014/04/0013, mwN), das heißt, es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. etwa VwGH 19.2.2014, 2013/10/0184, mwN). Auf subjektive, in der Person des Erklärenden gelegene Umstände oder darauf, ob die Parteienerklärung von einem rechtskundigen Parteienvertreter abgegeben wurde, kommt es hiebei - anders als etwa bei der Beurteilung des Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG - nicht an.

22 Wie oben dargelegt, hätte das Verwaltungsgericht somit - vor allem in Anbetracht des mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheides, der in der Beschwerde mit Datum und Zahl insoweit richtig bezeichnet wurde, und der dem Verwaltungsgericht bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich des AWG 2002 sowie die diesbezügliche Behördenorganisation - bei verständiger Würdigung des gesamten Beschwerdevorbringens nicht ohne jeden Zweifel davon ausgehen dürfen, dass die Revisionswerber mit ihrer Beschwerde eine andere als die den vorgelegten angefochtenen Bescheid erlassende Behörde (Landeshauptfrau) belangen wollten, und es hätte die Beschwerde nicht ohne Weiteres - zumindest nicht ohne vorhergehende Einräumung einer Verbesserungsmöglichkeit für die Revisionswerber (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG) - sofort zurückweisen dürfen.

23 Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt und dadurch den Revisionswerbern zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, sodass der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

24 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

25 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 28. Mai 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019050008.L00

Im RIS seit

23.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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