TE Vwgh Beschluss 2019/5/28 Ra 2018/10/0085

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
LMSVG 2006 §90 Abs1
VStG §5 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, den Hofrat Dr. Lukasser sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des J O in K, vertreten durch Mag. Christian Leyroutz, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 39, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 12. März 2018, Zl. KLVwG- 2069/4/2017, KLVwG-2070/4/2017, betreffend Bestrafung nach dem LMSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit zwei Straferkenntnissen der belangten Behörde vom 22. September 2017 wurden dem Revisionswerber als Bürgermeister der Marktgemeinde H. und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenem zwei Übertretungen des § 90 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 Z 1 und Abs. 5 Z 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG) zur Last gelegt, weil die von zwei verschiedenen Gemeindewasserversorgungsanlagen am 17. August 2016 im Zuge einer Betriebskontrolle durch das Lebensmittelaufsichtsorgan entnommenen Proben wegen Überschreitungen bei Enterokokken - in einem Fall seien zusätzlich coliforme Keime nachgewiesen worden - nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 1 der Trinkwasserverordnung, BGBl. II Nr. 304/2001, entsprochen hätten. Die als für den menschlichen Verzehr ungeeignet und daher als nicht sicher zu beurteilenden Wasserproben seien daher entgegen § 5 Abs. 1 Z 1 LMSVG in Verkehr gebracht worden. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde der Revisionswerber mit einer Geldstrafe von jeweils EUR 1.500,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von je 12 Stunden, bestraft.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. März 2018 gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten den dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerden insoweit Folge, als die verhängten Geldstrafen auf je EUR 250,-- und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 6 Stunden herabgesetzt wurden.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Die Zulassungsbegründung der vorliegenden Revision wendet sich gegen die Annahme einer leichten Fahrlässigkeit des Revisionswerbers durch das Verwaltungsgericht. Gerade in der vorliegenden Fallkonstellation wäre es für jeden Bürgermeister unmöglich, die ihm übertragenen Aufgaben durchzuführen und eine Wasserversorgung aufrecht zu erhalten. Jeder Bürgermeister wäre bei Regenfällen angehalten, die Wasserversorgungsanlagen zu schließen, Proben zu entnehmen, diese einzuschicken und erst bei entsprechender Befundung, dass das Wasser keimfrei sei, die Wasserversorgung wieder zu öffnen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Amtssachverständige ausgeführt habe, dass eine Verwaltungsübertretung wie die vorliegende sehr schwer zu verhindern sei, unter Umständen nur dann, wenn die Anlage ganz optimal ausgeführt sei, könne dem Revisionswerber nicht einmal leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Dabei sei noch zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber in den letzten Jahren EUR 113.000,-- in die Sanierung der Wasseranlage investiert habe. 7 Fragen des Vorliegens eines Verschuldens der Partei sind der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zuzuordnen und könnten nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellen, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichts in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/01/0237; 6.4.2016, Ro 2016/16/0007, jeweils mwN). 8 Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt nach § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wobei Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

9 § 90 Abs. 1 LMSVG enthält weder eine Bestimmung über das Verschulden, noch gehört zum Tatbestand des Inverkehrbringens von Lebensmitteln, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind, der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr; es handelt sich somit um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt. Eine Fahrlässigkeit des Revisionswerbers wäre somit (nur) dann nicht anzunehmen, hätte er glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. VwGH 21.5.2012, 2011/10/0050; 26.4.2010, 2008/10/0169). 10 Das Revisionsvorbringen, wonach der Revisionswerber nach Regenfällen gehalten sei, die Wasserversorgungsanlagen zuerst zu schließen, dann Proben zu entnehmen und erst nach Einlangen eines die Keimfreiheit der Proben bestätigenden Befundes die Wasserversorgungsanlagen wieder in Betrieb zu nehmen, wodurch die Aufrechterhaltung der Wasserversorgung unmöglich sei, führt schon deshalb nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil nach dem Inhalt des angefochtenen Erkenntnisses eine solche Vorgangsweise vom Revisionswerber gar nicht verlangt wird.

11 Das Verwaltungsgericht hielt zur Frage des Verschuldens vielmehr - ausgehend von dem unstrittigen Sachverhalt, dass rund 10 Tage vor der Probeziehung am 17. August 2016 einige Unwetter mit starken Regenfällen in der Gemeinde niedergegangen sind und es mehrere Tage hindurch stark geregnet hat - fest, dass der Revisionswerber grundsätzlich sorgfältig arbeite und ernsthaft bemüht sei, z.B. durch regelmäßige Sichtkontrollen und Investitionen in die Wasserversorgungsanlagen eine Verunreinigung des Trinkwassers zu verhindern. Es sei dem Revisionswerber jedoch bekannt gewesen, dass es bereits in der Vergangenheit nach starken Regenereignissen immer wieder Probleme mit der Trinkwasserqualität gegeben habe. Dennoch habe er noch nie Eigenkontrollen veranlasst. Es reiche nicht aus, dass der Betriebsleiter wöchentlich oder alle zwei Wochen Sichtkontrollen durchführe, diese in ein Wasserbuch eintrage und dem Revisionswerber regelmäßig berichte. 12 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, eine Verwaltungsübertretung wie die vorliegende sei kaum zu verhindern, sodass ihm nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, ist zu entgegnen, dass, auch wenn die Verunreinigung des Trinkwassers angesichts der Vielzahl von vorhandenen, allenfalls erst kostspielig zu sanierenden Wasserquellen im Fall starker Regenfälle schwer zu verhindern wäre, dies aber nicht von der Verpflichtung enthebt, alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die Einhaltung der hier maßgebenden Regelungen sicherzustellen (vgl. zu einer nicht zu verlangenden lückenlosen Kontrolle VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092). Dass Eigenkontrollen im Fall maßgeblicher Regenereignisse nicht möglich oder zumutbar wären, hat der Revisionswerber im gesamten Verfahren jedoch nicht dargetan. Ausgehend davon kann die im Einzelfall getroffene Beurteilung des Verwaltungsgerichts, den Revisionswerber treffe ein Verschulden an der Verwaltungsübertretung, weil er trotz der starken Regenfälle und in Kenntnis der Auswirkungen vergangener intensiver Regenereignisse keine Eigenkontrollen veranlasst habe, nicht als unvertretbar erkannt werden.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100085.L00

Im RIS seit

26.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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