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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §863;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des D, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät P & R in Dr, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 9. Juni 1998, Zl. Jv 19671-14e/97, betreffend Zeugengebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Justiz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der in Deutschland ansässige Beschwerdeführer wurde in einem Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien für den 15. September 1997 als Zeuge geladen. Mit einem Schreiben vom 31. Mai 1997 teilte der Beschwerdeführer dem zuständigen Richter des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien mit, daß ihm im Falle der Befolgung der Zeugenladung Kosten von DM 10.620,--, darunter an Verdienstausfall DM 9.000,--, entstehen würden. In diesem Schreiben heißt es, der Beschwerdeführer gehe von der Erstattung dieser Kosten aus, soweit die Ladung aufrechterhalten bleibe. Weiters kündigte der Beschwerdeführer an, er werde eine Bescheinigung über den Verdienstausfall vorlegen. Mit Schreiben vom 1. Juni 1997 bestätigte die I-AG, daß dem Beschwerdeführer durch die Befolgung der in Rede stehenden Ladung ein Schaden durch Verdienstausfall in der Höhe von DM 9.000,-- entstehen werde. Dieser Schaden sei durch andere Maßnahmen nicht reduzierbar.
Mit Beschluß vom 6. Juni 1997 trug das Arbeits- und Sozialgericht Wien derjenigen Prozeßpartei, welche die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Gericht beantragt hatte, den Erlag eines Kostenvorschusses in der Höhe von S 70.000,-- zur Deckung der Gebühren des Beschwerdeführers binnen drei Wochen auf. Begründend führte das Arbeits- und Sozialgericht in diesem Beschluß aus, daß der Beschwerdeführer die Kosten für seine Einvernahme mit voraussichtlich DM 10.620,-- (davon DM 9.000,-- Verdienstentgang) beziffert habe. Die antragstellende Partei erlegte daraufhin den Kostenvorschuß. Das Erstgericht hielt die Ladung des Beschwerdeführers aufrecht. Nachdem der Beschwerdeführer am 15. September 1997 ausgesagt hatte, sprach er am 17. September 1997 an Zeugengebühren u.a. für Verdienstausfall DM 9.000,-- an. Zur Bescheinigung dieses Anspruches berief sich der Beschwerdeführer auf das Schreiben der I-AG vom 1. Juni 1997, und legte in der Folge ein weiteres Schreiben dieser Gesellschaft vom 3. Oktober 1997 vor, in dem ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer stehe in einem freiberuflichen Verhältnis zu diesem Unternehmen. Durch seine Zeugeneinvernahme sei ein Verdienstausfall von DM 9.500,-- entstanden, weil er an diesem Tag seiner Tätigkeit nicht habe nachgehen können.
Am 23. Oktober 1997 hielt der Präsident des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien dem Beschwerdeführer vor, daß dieser verpflichtet sei, auch die Höhe seines Anspruches zu bescheinigen. Die Höhe des tatsächlich entgangenen Einkommens sei jedoch bislang durch die vorgelegten Schreiben der I-AG nicht bescheinigt worden. Weiters wurde um Bekanntgabe ersucht, wie viele Stunden der Berechnung des Einkommensentganges zugrundegelegt worden seien. Daraufhin richtete die I-AG an das Arbeits- und Sozialgericht Wien ein mit 5. November 1997 datiertes Schreiben, in dem neuerlich bescheinigt wird, daß dem Beschwerdeführer ein Verdienstausfall von DM 9.500,-- entstanden sei. Der Beschwerdeführer sei für die I-AG freiberuflich im Merger- und Akquisitionsgeschäft tätig. In diesem Geschäft sei es nicht üblich, nach Stunden bezahlt zu werden, sondern nach dem tatsächlichen Umsatz.
Mit Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. November 1997 wurden die Gebühren des Beschwerdeführers mit S 5.358,-- bestimmt. An Entschädigung für Zeitversäumnis wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG ein Betrag von S 1.176,-- zugesprochen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, dem Zeugen gebühre an Entschädigung für Zeitversäumnis S 147,-- für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung zustehe. Beim selbständig Erwerbstätigen gebühre gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 GebAG das tatsächlich entgangene Einkommen anstelle dieser Entschädigung. Der Beschwerdeführer habe vorliegendenfalls zwar den Grund seines Anspruches bescheinigt, nicht jedoch die Höhe des behaupteten tatsächlich entgangenen Einkommens. Die Schreiben der I-AG bildeten hiefür keine geeignete Grundlage. Aus diesem Grund sei die Gebühr für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG zu bestimmen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 1998 wurde der Beschwerde in Ansehung der geltend gemachten Gebühr für Zeitversäumnis nicht Folge gegeben. Soweit sich die in Rede stehende Beschwerde gegen die Bestimmung der Reisekosten richtete, wurde ihr Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid insoweit aufgehoben und dem Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien diesbezüglich die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung der Gebühr für Zeitversäumnis aus, den Zeugen treffe jedenfalls die Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten. Eine solche Aufgliederung oder Konkretisierung sei vorliegendenfalls ungeachtet der erkennbar in diese Richtung zielenden Aufforderung der erstinstanzlichen Behörde vom 23. Oktober 1997 nicht erfolgt. Sie wäre aber insbesondere auch im Hinblick auf die außergewöhnliche Höhe des behaupteten Verdienstentganges erforderlich gewesen. Der Umstand, daß der Verhandlungsrichter einen Kostenvorschuß von S 70.000,-- auferlegt habe, sei für die Beurteilung des Gebührenanspruches des Zeugen durch die Verwaltungsbehörden ohne Bedeutung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiven Recht auf Ersatz der Zeugengebühren gemäß § 18 GebAG verletzt. Inhaltlich wendet sich der Beschwerdeführer lediglich gegen die Abweisung seiner Beschwerde gegen die Bestimmung der Gebühr für Zeitversäumnis durch die erstinstanzliche Behörde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er beantragt den angefochtenen Bescheid, insoweit seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht Folge gegeben wurde, aufzuheben. Lediglich für den Fall, daß der Verwaltungsgerichtshof den Spruch des bekämpften Bescheides nicht als in einzelne Spruchpunkte trennbar ansehen sollte, wird die gänzliche Aufhebung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, daß eine Trennung des angefochtenen Bescheides in einen aufhebenden Teil in Ansehung des Zuspruches der Reisekosten und der Abweisung des diesbezüglichen Mehrbegehrens und in einen abweisenden Teil in Ansehung der Bestimmung der Gebühr für Zeitversäumnis möglich ist. Im Hinblick auf den sohin maßgeblichen Beschwerdehauptantrag war der angefochtene Bescheid lediglich im Umfang der Abweisung der Beschwerde gegen die Gebühr für Zeitversäumnis zu überprüfen.
§ 18 und § 20 Abs. 2 GebAG, ersterer in der hier maßgeblichen im Zeitpunkt der Einvernahme des Zeugen geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 214/1992, lauten:
"Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis
§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
- 147 S für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem
Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
- anstatt der Entschädigung nach Z 1
- .......
- b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich
entgangene Einkommen,
- .......
- (2) im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des
Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu
bescheinigen.
- .......
Bestimmung der Gebühr
§ 20 ......
(2) Vor der Gebührenbestimmung kann der Zeuge aufgefordert
werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung
bedeutsam sind, zu äußern, und, unter Festsetzung einer bestimmten
Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen.
........."
§ 863 und § 914 ABGB lauten:
"§ 863. (1) Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Wort und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übriglassen.
(2) In Bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.
.....
§ 914. Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht."
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Höhe seines Verdienstentganges sei durch die Schreiben der I-AG ausreichend im Sinne des § 18 Abs. 2 GebAG bescheinigt. Unter "Bescheinigung" sei zu verstehen, daß der Behörde letztlich die Wahrscheinlichkeit dargetan werden müsse. Überdies seien zur Bescheinigung lediglich "parate" Bescheinigungsmittel zulässig. Ausführlichere Bescheinigungsmittel - wie etwa ein erst einzuholendes Sachverständigengutachten - seien unzulässig. Es bleibe daher schlichtweg offen, durch welche anderen zulässigen Bescheinigungsmittel als die vorgelegten der Beschwerdeführer seinen Verdienstentgang hätte dartun sollen. Im übrigen schreibe § 18 Abs. 2 GebAG keine bestimmte Art der Bescheinigung vor. Der angefochtene Bescheid erweise sich schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Diesem Vorbringen ist folgendes entgegenzuhalten:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebAG ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Daß der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten. Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben, und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der dem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG keinesfalls verschlossen ist. Eine solche Schätzung wäre aber der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen keinesfalls gleichzuhalten, muß doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbstständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1998, Z. 98/17/0137). Fehlt es aber einem Antrag auf Bestimmung der Zeugengebühr an der konkreten Behauptung, daß der Antragsteller infolge seiner Abwesenheit eine bestimmte Tätigkeit nicht habe verrichten können und ihm dadurch ein bestimmter Einkommensverlust entstanden sei, so wird der Obliegenheit, den konkreten Verdienstentgang unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten, nicht entsprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 92/17/0184). Im vorliegenden Fall sind aber derart konkretisierte Behauptungen weder dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, noch den von ihm vorgelegten Urkunden zu entnehmen. Die Beschwerdebehauptung, der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, weil der Anspruch ausreichend bescheinigt worden sei, ist daher unzutreffend.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß es die Verwaltungsbehörden unterlassen hätten, ihn zur Erstattung eines entsprechenden Vorbringens anzuleiten, bzw. ihm Parteiengehör zu gewähren. Insbesondere hätten die Verwaltungsbehörden nicht dargelegt, welche bestimmten Bescheinigungsmittel ihres Erachtens vorzulegen wären. Ein derartiger Vorhalt sei auch nicht im erstinstanzlichen Bescheid zu erblicken, sei doch dort bloß die Rede davon gewesen, daß die Höhe des Einkommensentganges nicht nachgewiesen sei, während § 18 GebAG bloß eine Bescheinigung verlange. Durch die Bestimmung des § 18 Abs. 2 GebAG habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, daß tatsächliche Kosten ersetzt werden. Keinesfalls sollte aber durch Obliegenheiten zur Bescheinigung in besonderer Form dem Zeugen eine besondere Beweislast aufgebürdet werden. Jedenfalls hätten die Behörden klarzustellen gehabt, welche Schritte eine Partei zur Erlangung eines Anspruches setzen müsse. Dies sei hier nicht geschehen.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen wie folgt:
Da der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren jedenfalls eine - wenn auch bloß allgemeine - Tatsachenbehauptung in der Richtung aufgestellt hat, durch seine Abwesenheit habe er nicht näher bezeichnete Tätigkeiten nicht verrichten können, waren die Verwaltungsbehörden verpflichtet, von der im § 20 Abs. 2 GebAG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, ihn zur Ergänzung der Bescheinigung aufzufordern, insbesondere also zur konkreten Darlegung, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer eine bestimmte Tätigkeit durch seine Abwesenheit nicht habe verrichten können und ihm dadurch ein bestimmter Einkommensverlust entstanden sei. Bei unklaren oder nicht belegten Gebührenansprüchen ist nämlich ein Verbesserungsverfahren nach § 20 Abs. 2 GebAG einzuleiten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 92/17/0184).
Vorliegendenfalls kann es dahingestellt bleiben, ob die Verwaltungsbehörden durch den Vorhalt vom 23. Oktober 1997 im Zusammenhang mit den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid dem § 20 Abs. 2 GebAG hinreichend entsprachen oder nicht. Selbst verneinendenfalls wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften könnte gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn der belangten Behörde allenfalls unterlaufene Verfahrensmängel wesentlich waren, bei ihrer Vermeidung also die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Liegt dies nicht bereits nach den Umständen des Falles auf der Hand, so ist diese Voraussetzung vom Beschwerdeführer darzutun. Eine allfällige Verletzung des § 20 Abs. 2 GebAG durch die Verwaltungsbehörden wäre hier aber deshalb nicht wesentlich, weil sich der Aktenlage nicht entnehmen läßt, auf welche Art der Beschwerdeführer den von ihm behaupteten Einkommensentgang, und zwar im Hinblick auf eine konkrete, ihm ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung, glaubhaft zu machen versucht hätte, wäre er hiezu ausreichend konkretisiert von der belangten Behörde aufgefordert worden. Der Beschwerdeführer hätte daher in seiner Beschwerde darzulegen gehabt, inwieweit er durch eine allfällige Mangelhaftigkeit des Verbesserungsverfahrens nach § 20 Abs. 2 GebAG gehindert war, die konkreten Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und ihm Einkommen gebracht hätten, zu bezeichnen und zu beschreiben (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 92/17/0184). Ansatzpunkte hiefür finden sich im Beschwerdevorbringen nicht. Mit seinem Beschwerdevorbringen verkennt der Beschwerdeführer, daß es vorliegendenfalls nicht an der Vorlage eines Bescheinigungsmittels einer bestimmten Art, sondern an einem ausreichend konkretisierten Vorbringen mangelte. Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Obliegenheit zur Darlegung der Relevanz behaupteter Verfahrensmängel auf das hg. Erkenntnis vom 8. März 1991, Zl. 90/11/0188, verweist und in diesem Zusammenhang meint, für die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels reiche die Behauptung, daß das Verfahren bei Vermeidung desselben anders beendet worden wäre, ist ihm entgegenzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof diese Aussage zur Verletzung der - hier nicht in Betracht kommenden - aus § 13a AVG abgeleiteten Verpflichtung der Behörde, einen zur Leistung von Kaderübungen ausgewählten Wehrpflichtigen über die Möglichkeit der Befassung der Beschwerdekommission nach § 6 des Wehrgesetzes 1978 vor Bescheiderlassung zu belehren, getroffen hat. Diese Aussage ist daher auf den vorliegenden Beschwerdefall nicht übertragbar.
Schließlich vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, der in Rede stehende Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien sei rechtswidrig, weil er gegen Treu und Glauben verstoße. Der Beschwerdeführer habe der außerhalb Österreichs jedenfalls nicht vollstreckbaren Zeugenladung nur deshalb Folge geleistet, weil er davon ausgegangen sei, daß die ihm entstehenden Kosten ersetzt würden. Dies habe er dem Gericht auch mit Schreiben vom 31. Mai 1997 mitgeteilt. Das Gericht habe dennoch die Ladung aufrechterhalten und überdies der antragstellenden Partei den Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen. Damit habe das Gericht aber einen - auch die im Zuge der Gebührenbestimmung tätig werdenden Verwaltungsbehörden bindenden - Vertrauenstatbestand geschaffen.
§ 18 GebAG biete den Behörden einen ausreichenden Ermessensspielraum, sodaß diese dem geschaffenen Vertrauenstatbestand bei ihrer Entscheidung ohne Verletzung des Legalitätsprinzips hätten Rechnung tragen können und müssen.
Die Frage der Geltung von Treu und Glauben im öffentlichen Recht wird in Österreich prinzipiell bejaht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird Geltung dieses Grundsatzes im öffentlichen Recht durch Herstellung der Analogie zu den entsprechenden zivilrechtlichen Grundsätzen begründet (vgl. Stoll, BAO II, 1293). Es wird allerdings betont,daß das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben ist. Dieser Grundsatz darf und kann somit der gesetzmäßigen Anwendung bindender Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Der in Rede stehende Grundsatz vermag folglich nur im Bereich des Vollzugs von Rechtsnormen wirksam werden, die erkennbar vom Vertrauensprinzip getragen sind, die Billigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen gebieten oder zufolge ihrer Ausgestaltung (Ermessen, unbestimmte Rechtsbegriffe) entsprechende Spielräume für die Entfaltung der letztlich gebotenen Entscheidung frei lassen (vgl. Stoll, a.a.O. 1295). Die Anwendung von Treu und Glauben in dem oben wiedergegebenen Umfang setzt überdies folgendes voraus:
-
der eine Teil hat innerhalb des bestehenden Verhältnisses durch sein Verhalten beim anderen Teil ein bestimmtes Vertrauen ausgelöst,
-
der andere Teil hatte auf dieses Vertrauen aufbauend seine wirtschaftlichen Belange geordnet, insbesondere seine Vermögensdispositionen getroffen, bzw. seine Rechtspositionen danach eingerichtet und bezogen,
-
und würde, bei einer Nichterfüllung seiner gerechtfertigten Vertrauenserwartung einen Nachteil erleiden (vgl. Stoll, a.a.O. 1298).
Da der Grundsatz von Treu und Glauben im Bereich des öffentlichen Rechtes nach der hg. Judikatur kraft Analogieschlusses aus dem österreichischen bürgerlichen Recht gewonnen wird, wo er in den Bestimmungen des § 863 ABGB und des § 914 ABGB seinen positiv-rechtlichen Niederschlag fand, sind die im Zivilrecht entwickelten Grundsätze insbesondere auch für die Prüfung der Frage heranzuziehen, ob ein bestimmtes Verhalten (einer Behörde) berechtigterweise ein bestimmtes Vertrauen auszulösen vermag. Vorliegendenfalls leitet der Beschwerdeführer sein Vertrauen darauf, daß ihm der behauptete Verdienstausfall ersetzt würde, daraus ab, daß das Arbeits- und Sozialgericht Wien sein Schreiben vom 31. Mai 1997 unbeantwortet ließ und überdies der antragstellenden Prozeßpartei einen Kostenvorschuß auftrug.
Eine ausdrückliche Erklärung des Gerichtes dahingehend, daß dem Zeugen die in seinem Schreiben genannten Kosten ersetzt würden, liegt nicht vor. Bei der Beurteilung von Handlungen auf ihre konkludente Aussage ist aber nach den - wie oben dargelegt - hier anwendbaren Grundsätzen des Zivilrechtes (§ 863 ABGB) größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind. Deshalb bestimmt § 863 ABGB, daß eine konkludente Erklärung nur angenommen werden darf, wenn eine Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß ein Erklärungswille in bestimmter Richtung vorliegt. Dem Schweigen darf grundsätzlich kein Erklärungswert beigemessen werden. Dies gilt auch dann, wenn jemand - wie vorliegendenfalls der Beschwerdeführer - einem Empfänger einer Erklärung mitteilt, er werte dessen Schweigen nach Ablauf einer bestimmten Frist als Einverständnis (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechts I10, 87 f).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Schweigen des Gerichtes auf das Schreiben vom 31. Mai 1997 auch im Zusammenhang mit dem Auftrag an eine Prozeßpartei, einen Kostenvorschuß zu erlegen, weil der Verdienstausfall nach Auskunft des Zeugen voraussichtlich DM 9.000,-- betragen werde, nicht eindeutig der Erklärungswert entnommen werden, daß dem Beschwerdeführer der Ersatz des angekündigten Verdienstausfalles unabhängig davon geleistet würde, ob dieser Verdienstentgang in der Folge im Sinne des § 18 Abs. 2 GebAG bescheinigt wird oder nicht. Da jedenfalls ein Vertrauenstatbestand in Richtung eines vorweggenommenen Verzichtes auf jede weitere Konkretisierung und Bescheinigung des Anspruches nicht geschaffen wurde, widerspricht es nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die belangte Behörde auch im Falle des Beschwerdeführers an das Erfordernis der Konkretisierung seines behaupteten Verdienstentganges die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgegebenen Maßstäbe anlegte. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob ein vom Gericht geschaffener Vertrauenstatbestand die hier bei der Gebührenbestimmung tätig gewordenen Verwaltungsbehörden hätte binden können und ob diesfalls an das Erfordernis der Bescheinigung im Sinne des § 18 Abs. 2 GebAG in einem Einzelfall ausnahmsweise ein weniger strenger Maßstab angelegt werden könnte.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Jänner 1999
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998170222.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
31.10.2012