TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/29 Ro 2018/16/0013

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

E3L E09302000
E3R E02101000
E3R E02200000
E3R E02202000
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/05 Verbrauchsteuern

Norm

BAO §198 Abs2
BAO §201
BAO §279 Abs1
BierStG 1995 §10 Abs1
BierStG 1995 §10 Abs2
BierStG 1995 §10 Abs4
BierStG 1995 §5 Abs1
BierStG 1995 §7 Abs1
BierStG 1995 §7 Abs1 Z1 idF 2009/I/151
31992R2913 ZK 1992 Art235
32008L0118 Verbrauchsteuer-SystemRL Art12
32013R0952 ZK 2013 Art5 Z28
32013R0952 ZK 2013 Art5 Z29

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der B eGen in F, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 23. Jänner 2018, Zl. RV/5200073/2012, betreffend Biersteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Feldkirch Wolfurt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im Gefolge einer im Jahr 2011 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung der revisionswerbenden Genossenschaft (Revisionswerberin) erließ das Zollamt Feldkirch Wolfurt drei (nachstehend dargestellte) Bescheide jeweils vom 16. März 2012. 2 Mit dem Bescheid Zl. 920000/03509/2012 "berichtigte" das Zollamt "gemäß § 201 der Bundesabgabenordnung" die Biersteueranmeldungen der Revisionswerberin für die Monate Jänner, März, April, Juni, Juli, August, September, November und Dezember 2009 laut den "als Teil des Spruches geltenden Berechnungsblättern". Die Biersteuer sei hinsichtlich der in diesen Monaten "dem Zollamt Feldkirch Wolfurt gegenüber unrichtig angemeldeten Biermenge" kraft Gesetzes entstanden. Die Abgabenschuld betrage laut dem als Bestandteil des Bescheides geltendem Berechnungsblatt:

"entstandene Biersteuer EUR 565.969,80 EUR

angemeldete Biersteuer EUR 552.529,80 EUR

Abgabenschuld EUR  13.440,00 EUR"

Die als Teil des Spruches geltenden Berechnungsblätter führen in tabellarischer Form für die einzelnen Monate jeweils in den Spalten "gesamtangemeldete Biersteuer in Euro" sowie "tatsächlich anzumeldende Biersteuer in Euro", "Biersteuer-Nachforderung" und "2 % Säumniszuschlag" schließlich als letzte Spalte eine "Gesamtabgabenschuld" an.

3 Mit dem Bescheid Zl. 920000/03510/2012 erfolgte mit näher angeführten Beträgen Gleichartiges hinsichtlich der Biersteueranmeldungen für die Monate Jänner, Februar, März, September, Oktober, November und Dezember 2010.

4 Mit dem Bescheid Zl. 920000/03511/2012 erfolgte mit näher angeführten Beträgen Gleichartiges für die Monate Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni und Juli 2011, wobei jedoch im Spruch die "entstandene Biersteuer" mit 453.385,78 EUR und die "angemeldete Biersteuer" mit 470.265,78 EUR angeführt wurde, während bei der Saldierung der auf den Berechnungsblättern aufscheinenden Beträge der einzelnen Monate der Betrag "gesamtangemeldete Biersteuer" mit 453.385,78 EUR und der Betrag "tatsächlich anzumeldende Biersteuer" mit 470.265,78 EUR und einer "Biersteuer-Nachforderung" mit 16.880 EUR angeführt ist.

5 Die Bescheide begründete das Zollamt jeweils damit, es seien von der Revisionswerberin die in einer Anlage zur im Rahmen der erwähnten abgabenbehördlichen Prüfung aufgenommenen Niederschrift näher angeführten Mengen an Bier aus dem Steuerlager entnommen und in weiterer Folge in Großgebinden zu einer T KG nach Deutschland zwecks Abfüllung in Flaschen mit einem Mengeninhalt von 0,5 l verbracht worden, ohne dass ein Steueraussetzungsverfahren eröffnet worden wäre. Die Biersteueranmeldungen hätten diese entnommenen Biermengen nicht berücksichtigt und seien deshalb zu berichtigen.

6 Mit Schriftsatz vom 5. April 2012 erhob die Revisionswerberin Berufung gegen diese drei Bescheide mit der Begründung, die in Rede stehenden Mengen seien am selben Tag wieder zurückgenommen worden und später durch Lieferung an Kunden (Wegbringung aus dem Steuerlager) in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt und dann korrekt angemeldet worden. 7 Das Zollamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Mai 2012 als unbegründet ab. Mit dem Wegbringen des in Rede stehenden Bieres aus dem Steuerlager, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren angeschlossen habe, sei für das betreffende Bier erstmalig die Steuer entstanden. 8 Die Revisionswerberin brachte mit Schriftsatz vom 13. Juni 2012 einen Vorlageantrag (nach damaliger Rechtslage:

Beschwerde nach § 85c und § 85f des Zollrechts-Durchführungsgesetzes in der damals geltenden Fassung) ein, worin sie darauf hinwies, dass Bier, welches bis zum Tag der Aufzeichnung aus dem freien Verkehr zurückgenommen werde, nicht angemeldet werden müsse.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verfahrensganges stellte das Bundesfinanzgericht fest, die Revisionswerberin sei ein Unternehmen, welches sich mit der Herstellung, der Lagerung und dem Vertrieb von Bier und Biermischgetränken sowie mit dem Handel von Fremdbier und alkoholfreien Getränken beschäftige. Sie sei Inhaberin einer vom damaligen Hauptzollamt Feldkirch erteilten Bewilligung gemäß § 12 Biersteuergesetz. Anlässlich einer durchgeführten Betriebsprüfung sei u.a. festgestellt worden, dass die Revisionswerberin aus ihrem Steuerlager in den Jahren 2009 bis 2011 Bier in Großbehältern entnommen habe, an die T KG nach Deutschland zur Abfüllung in Flaschen versendet und nach erfolgtem Rücklangen der Flaschenware wiederum in ihr Steuerlager aufgenommen habe. Für die Beförderung der Großbehälter nach Deutschland sei kein begleitendes (elektronisches) Verwaltungsdokument von der Revisionswerberin erstellt worden. Nach Abgabe der Flaschenware an Kunden habe die Revisionswerberin die Anmeldung an das Zollamt im Sinn des § 10 Abs. 1 BierStG und die Selbstberechnung der angefallenen Biersteuer vorgenommen. 10 Nach Wiedergabe rechtlicher Bestimmungen aus dem Biersteuergesetz gelangte das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, durch das Wegbringen des in Rede stehenden Bieres in Großbehältern aus dem Steuerlager der Revisionswerberin, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren für dieses nach Deutschland zur Abfüllung verbrachte Bier angeschlossen habe, sei der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 Biersteuergesetz erfüllt, das Bier in den steuerrechtlichen Verkehr übergeführt worden und dadurch sei die Steuerschuld für diese Ware entstanden. Dies entspreche auch den maßgeblichen unionsrechtlichen Richtlinien. 11 § 10 Biersteuergesetz enthalte Bestimmungen mit näheren Modalitäten bezüglich der dem Zollamt anzumeldenden Biermengen, welche im Vormonat aus dem Steuerlager weggebracht oder zum Verbrauch entnommen worden seien. Der letzte Satz des § 10 Abs. 1 BierStG bestimme eine Vereinfachung, dass Bier, welches bis zum Tag der Aufzeichnung aus dem freien Verkehr zurückgenommen worden sei, nicht angemeldet werden müsse. Voraussetzung für den Entfall der Anmeldepflicht für zurückgenommenes Bier sei neben der Einhaltung der Frist nach § 43 BierStG die Rücknahme des Biers aus dem steuerrechtlich freien Verkehr.

12 Zu dem in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff "zurückgenommen" habe das vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union geltende Biersteuergesetz 1977 in seinem § 8 näher zitierte Bestimmungen enthalten. Der im § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG verwendete Begriff "zurückgenommenes Bier" entspreche dem Begriff von "Rückbier" des Biersteuergesetzes 1977. 13 Die Vereinfachung des § 10 Abs. 1 letzter Satz Biersteuergesetz gelte nur für jenes Bier, welches bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sei, wenn sich danach Gründe für eine Rücknahme der gelieferten Ware ergeben hätten. Es stelle sich demnach in diesen Fällen nachträglich heraus, dass die Disposition der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr unzutreffend gewesen sei. Im Regelfall handle es sich also um Reklamationen des Abnehmers beim Lieferer. Der hier vorliegende Sachverhalt sei mit diesen Fällen jedoch nicht vergleichbar. Es handle sich um eine in Deutschland durchgeführte Lohnabfüllung des dem Abfüllunternehmen in Großbehältern gelieferten Bieres, wobei die Rücklieferung in anderen Gebinden (hier: Flaschen) von vornherein vereinbart gewesen sei. Es komme weder zu einer Stornierung des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes noch folge daraus eine Gutschrift oder eine etwaige kostenlose Ersatzlieferung an den Vertragspartner. Das in Rede stehende Bier habe nicht die Eigenschaft von Rückbier im Sinn des § 10 Abs. 1 letzter Satz Biersteuergesetz.

14 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 letzter Satz Biersteuergesetz fehle.

15 Die dagegen erhobene ordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer vom Zollamt Feldkirch Wolfurt mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018 eingebrachten Revisionsbeantwortung dem Verwaltungsgerichtshof vor.

16 Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht auf Nichtberichtigung der Biersteueranmeldungen, Nichtvorschreibung der über die Anmeldungen hinausgehenden Abgaben sowie auf Nichtverhängung von Säumniszuschlägen hinsichtlich der Bescheide vom 16. März 2012 verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Gemäß § 1 Abs. 1 des Biersteuergesetzes 1995 (BierStG) unterliegt Bier, das im Steuergebiet (gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. das Bundesgebiet, ausgenommen das Gebiet der Ortsgemeinden Jungholz und Mittelberg) hergestellt oder in das Steuergebiet eingebracht wird, einer Verbrauchsteuer (Biersteuer). 18 § 7 Abs. 1 und 4 BierStG in der Stammfassung lautet:

"§ 7. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, entsteht die Steuerschuld dadurch, dass Bier aus einem Steuerlager weggebracht wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder Zollverfahren nach § 15 Abs. 1 Z 3 anschließt, oder dadurch, dass es in einem Steuerlager zum Verbrauch entnommen wird (Entnahme in den freien Verkehr). Als Entnahme von Bier zum Verbrauch gilt auch ...

...

(4) Die Steuerschuld entsteht

1. in den Fällen des Abs. 1 im Zeitpunkt der Entnahme in den freien Verkehr;

2. in den Fällen des Abs. 2 ..."

19 § 7 Abs. 1 und 5 BierStG in der gemäß § 46 f Abs. 1 Z 1 BierStG mit 1. April 2010 anzuwenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2009 (AbgÄG 2009) lautet:

"§ 7. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, entsteht die Steuerschuld durch Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr. Bier wird in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt durch:

1. die Wegbringung aus einem Steuerlager, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt, oder durch die Entnahme zum Verbrauch in einem Steuerlager;

2.

die gewerbliche Herstellung ohne Bewilligung;

3.

eine Unregelmäßigkeit nach § 23 bei der Beförderung unter Steueraussetzung.

...

(5) Die Steuerschuld entsteht

1. in den Fällen des Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 im Zeitpunkt der Wegbringung oder Entnahme zum Verbrauch;

2. in den Fällen des Abs. 1 Z 2 im Zeitpunkt der Herstellung;

..."

20 § 10 BierStG lautet auszugsweise:

"§ 10. (1) Der Steuerschuldner hat bis zum 25. eines jeden Kalendermonats bei dem Zollamt, in dessen Bereich sich der Betrieb des Steuerschuldners befindet, die Biermengen, die im vorangegangenen Monat aus dem Steuerlager weggebracht oder zum Verbrauch entnommen wurden, nach Steuerklassen getrennt, schriftlich anzumelden. Bier, das bis zum Tag der Aufzeichnung (§ 43) aus dem freien Verkehr zurückgenommen worden ist, muss nicht angemeldet werden.

(2) Der Steuerschuldner hat in der Anmeldung von den anzumeldenden Mengen jene darin enthaltenen Mengen abzuziehen, die auf Bier entfallen, das unter Steueraussetzung verbracht wurde oder nach § 4 von der Biersteuer befreit ist. Die abgezogenen Mengen sind nach den Befreiungsgründen des § 4 aufzugliedern. Von den nach Vornahme dieser Abzüge verbleibenden Mengen hat der Steuerschuldner die Biersteuer zu berechnen (Selbstberechnung). Der Steuerschuldner kann bei der Selbstberechnung Biersteuerbeträge abziehen, die gemäß § 5 Abs. 1 oder § 31 Abs. 1 zu erstatten oder zu vergüten sind. Die Vornahme eines solchen Abzugs gilt als Antrag im Sinne des § 5 Abs. 1 oder § 31 Abs. 1. Erweist sich der Abzug als unrichtig oder unvollständig, ist die Höhe der zu erstattenden oder zu vergütenden Biersteuer bescheidmäßig festzustellen, wenn der Steuerschuldner vor Erlassung des Bescheides nicht von sich aus die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit durch eine neue Selbstberechnung beseitigt und diese Berichtigung oder Ergänzung spätestens bis zum Ablauf des dem im Abs. 1 genannten Zeitpunkt zweitfolgenden Kalendermonats vornimmt."

21 § 5 Abs. 1 BierStG in der Stammfassung lautet:

"§ 5. (1) Die Steuer wird auf Antrag erstattet oder vergütet für nachweislich im Steuergebiet versteuertes Bier, das in ein Steuerlager aufgenommen worden ist, ausgenommen Ausleerbier, Tropfbier oder Bierneigen."

22 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012 wurde dem § 5 Abs. 1 BierStG folgender - im Revisionsfall noch nicht anzuwendender - Satz angefügt:

"Für Bier, das in ein Steuerlager zurückgenommen wurde (Rückbier), wird die Steuer nur dann erstattet oder vergütet, wenn das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft nachweislich rückabgewickelt wurde."

23 Gemäß § 10 Abs. 4 BierStG ist die gemäß § 7 Abs. 1 BierStG in der Stammfassung oder die gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BierStG in der Fassung des AbgÄG 2009 entstandene Biersteuer bis zum 25. des auf das Entstehen der Steuerschuld folgenden Kalendermonats zu entrichten.

24 § 43 Abs. 1 BierStG lautet:

"§ 43. (1) Die Eintragungen in die Aufzeichnungen (§§ 38 bis 42) sind in der Regel am Tag des aufzuzeichnenden Ereignisses vorzunehmen, spätestens jedoch am zweiten darauffolgenden Werktag."

25 Die Bestimmungen des Biersteuergesetzes über das Entstehen der Steuerschuld ergingen zur Umsetzung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtige r Waren, ABl. L76 vom 23.3.1992, insbesondere deren Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a), wonach die Verbrauchsteuer mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht, worunter jede - auch unrechtmäßige - Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung gilt, und ab 1. April 2010 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG, ABl. L9 vom 14.1.2009, insbesondere deren Art. 7 Abs. 1 und 2 lit. a, wonach der Verbrauchsteueranspruch zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht und als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr die Entnahme verbrauchsteuerpflichtigen Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung gilt.

26 Das Bundesfinanzgericht begründet seine Entscheidung im Kern damit, § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG sei im Revisionsfall nicht anzuwenden, weil der vorliegende Sachverhalt mit den Regelfällen eines Rückbieres im Sinne des Biersteuergesetzes 1977 nicht vergleichbar sei.

27 Mit dem Verbringen des in Rede stehenden Bieres aus dem Steuerlager der Revisionswerberin entstand unstrittig gemäß § 7 Abs. 1 BierStG in der Stammfassung und gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BierStG idF des AbgÄG 2009 die Steuerschuld.

28 Mit dem Wegbringen aus dem Steuerlager ist das Bier in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt.

29 Für solches Bier ermöglicht § 5 BierStG die Erstattung der Biersteuer, wenn es aus dem steuerrechtlich freien Verkehr in ein Steuerlager aufgenommen worden ist. Die Voraussetzung, dass solches Bier "nachweislich versteuert" ist, betrifft Fälle, in denen die Biersteuer nicht nur entstanden, sondern auch fällig geworden oder vor Fälligkeit bereits entrichtet worden ist (§ 10 Abs. 4 BierStG).

30 Den Begriff des Erlasses von Biersteuer (zum Unterschied zwischen Erlass und Erstattung vgl. beispielsweise Art. 235 des Zollkodex der Gemeinschaften, nunmehr Art. 5 Z 28 und 29 des Unionszollkodex) kennt das BierStG nicht. Wird Bier aus dem freien Verkehr in ein Steuerlager zurückgenommen, bevor die Biersteuer fällig geworden (oder vorher entrichtet worden) ist, dann kann bei der Anmeldung der Biermenge für den entsprechenden Zeitraum der auf die aufgenommene Biermenge entfallende Biersteuerbetrag bei der Selbstberechnung abgezogen werden (§ 10 Abs. 2 vierter Satz BierStG). Die Voraussetzung für eine solche Erstattung, dass das Bier "nachweislich versteuert ist", ist in einem solchen Fall erfüllt, denn es wird ja gedanklich in einem ersten Schritt die Biersteuer für diese Menge angemeldet und gedanklich entrichtet und in einem zweiten zeitgleichen Schritt mit dem Abzug des entsprechenden Biersteuerbetrages in der Selbstberechnung die Erstattung dieses Betrages beantragt (§ 10 Abs. 2 fünfter Satz BierStG), wobei kein Bescheid zu ergehen hat, wenn sich der Abzug als richtig erweist (§ 10 Abs. 2 sechster Satz BierStG). Damit kann der Biersteuerschuldner den zu "erstattenden" Biersteuerbetrag mit dem Betrag der entstandenen Biersteuer saldieren und muss somit im Ergebnis den zu "erstattenden" Betrag nicht entrichten, was einen Erlass dieser Biersteuer (siehe Art. 12 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates) bedeutet. 31 Eine Verwaltungsvereinfachung besteht nach § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG darin, dass Bier, welches aus dem freiem Verkehr stammt und in das Steuerlager nicht nur aufgenommen, sondern zurückgenommen worden ist, nicht angemeldet werden muss. Hier erfolgt nicht nur eine - in der Selbstberechnung auszuwerfende - Saldierung des Biersteuerbetrages, sondern bereits - vor Aufnahme in die Anmeldung - eine Saldierung der anzumeldenden Biermenge.

32 Dies bedeutet, dass die Menge des zurückgenommenen Bieres innerhalb der in § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG genannten Frist und damit auch die Menge jenes Bieres welches verbracht worden ist, in die Anmeldung nicht aufgenommen werden muss, womit im Ergebnis ebenfalls ipso iure ein Wegfall der kurz zuvor entstandenen Biersteuerschuld normiert wird.

33 § 10 Abs. 2 letzter Satz BierStG setzt einerseits voraus, dass es sich nicht bloß um aufgenommenes Bier, sondern um zurückgenommenes Bier handelt, sohin nur um ein vorher aus dem Steuerlager weggebrachtes und nunmehr zurückgebrachtes Bier. Andererseits setzt die Bestimmung voraus, dass die dort normierte Frist gewahrt ist. Eine weitere Voraussetzung, dass es sich etwa um eine vom Bundesfinanzgericht angeführte Art von Rückbier handelt, enthält das Gesetz nicht.

34 Der Begriff "zurückgenommen" ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes objektiv zu verstehen. Damit ist somit nicht nur ein Bier gemeint, welches nach der Absicht des Steuerlagerinhabers "endgültig" aus dem Steuerlager weggebracht und dann etwa aus den vom Bundesfinanzgericht beispielhaft angeführten Gründen (wie etwa nach einer Reklamation eines Verkäufers) zurückgenommen wird, sondern durchaus auch solches, welches subjektiv von vorneherein nur vorübergehend aus dem Steuerlager verbracht werden und sodann zurückgenommen werden soll.

35 Dergestalt handelt es sich im Revisionsfall bei dem nach einer Abfüllung in Deutschland ins Steuerlager der Revisionswerberin aufgenommenen Bier um zurückgenommenes Bier. Sollte die in § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG vorgesehene Frist - wie von der Revisionswerberin behauptet - eingehalten worden sein, so musste die Revisionswerberin die zurückgenommene Menge an Bier bei den monatlichen Biersteueranmeldungen tatsächlich nicht aufnehmen. Lediglich die Mehrmenge an weggebrachtem Bier (der Unterschied zwischen weggebrachtem und nicht mehr zurückgenommenem Bier, etwa der Abfüllschwund) wäre von der Bestimmung des § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG nicht erfasst gewesen.

36 Das Bundesfinanzgericht hätte somit - ohne Feststellungen, ob die Frist des § 10 Abs. 1 letzter Satz BierStG eingehalten wurde - nicht davon ausgehen dürfen, dass die in Rede stehenden Biermengen in die jeweiligen monatlichen Biersteueranmeldungen der Revisionswerberin aufzunehmen gewesen wären.

37 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

38 Für das fortzusetzende Verfahren sei bemerkt, dass die vom Zollamt vorgenommene Berichtigung der Biersteueranmeldungen gesetzlich nicht vorgesehen ist. Erweisen sich die angemeldeten Biersteuermengen und die entsprechenden Beträge an Biersteuer im Wege der Selbstberechnung als unrichtig, kommt eine Festsetzung nach § 201 BAO des gesamten zu entrichtenden Biersteuerbetrages (und nicht nur eines restlichen Nachforderungsbetrages - vgl. etwa VwGH 22.5.2014, Ro 2014/15/0008, und VwGH 20.10.2010, 2007/13/0065) in Betracht, wobei eine diesbezügliche rechtskonforme Gestaltung durch das Bundesfinanzgericht nachgeholt werden kann (vgl. VwGH 16.12.2009, 2009/15/0081). Im Übrigen sind die festzusetzenden Biersteuerbeträge nach dem normierten Erklärungszeitraum (Kalendermonat) aufzuschlüsseln (vgl. VwGH 18.12.2003, 2001/16/0122). Im Revisionsfall kam für die Monate der Jahre 2009 und 2010 und wohl jedenfalls für Jänner 2011 wegen Ablaufs des Jahres ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages für die Bescheide des Zollamtes vom 16. März 2012 lediglich eine Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO oder nach § 201 Abs. 3 Z 2 BAO idF vor dem VwG-AnpG BGBl. I Nr. 70/2013 in Betracht, was einen im Bescheid anzuführenden Wiederaufnahmsgrundes erfordert.

39 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018160013.J00

Im RIS seit

12.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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