TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/29 Ra 2017/06/0117

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs8
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §28 Abs3

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision der L KG in S, vertreten durch Mag. Max Verdino, Mag. Gernot Funder und Mag. Eduard Sommeregger, Rechtsanwälte in 9300 St. Veit/Glan, Waagstraße 9, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 31. März 2017, KLVwG-2569/2/2016, betreffend eine Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde Steindorf am Ossiachersee, vertreten durch die Tschurtschenthaler Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Gemeinde Steindorf am Ossiachersee hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde S. (belangte Behörde) vom 18. September 2012 (Beschlussfassung vom 23. Mai 2012) wurde das Bauansuchen der Revisionswerberin vom 12. April 2010 für den Umbau beim bestehenden Wohnhaus auf einem näher bezeichneten Grundstück abgewiesen, weil die Revisionswerberin trotz Aufforderung den Nachweis über die (für das Bauvorhaben zumindest) erforderlichen Stellplätze nicht beigebracht habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. April 2013 als unbegründet abgewiesen.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit dem Erkenntnis VwGH 2.11.2016, 2013/06/0174, Folge gegeben und der Bescheid der Kärntner Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Aufhebung wurde (zusammengefasst) damit begründet, dass die Abweisung des Bauansuchens im Wesentlichen (nur) darauf gestützt worden sei, in Bezug auf die von der Revisionswerberin vorgeschlagenen Stellplätze widerspräche es der Intention des § 18 Abs. 5 K-BO 1996, dass notwendige Stellplätze für Gebäude und bauliche Anlagen "endlos" untereinander teilbar wären bzw. nach der Genehmigung in einer Kette an andere Bauwerber weitergegeben werden könnten. Feststellungen dazu, ob gegenständlich die Auflage "Stellplätze für Kraftfahrzeuge" nach § 18 Abs. 5 K-BO 1996 im dargelegten Sinn tatsächlich nicht erfüllt werden könnte, seien jedoch im Verwaltungsverfahren nicht getroffen worden. Hinzuweisen sei darauf, dass § 18 Abs. 5 K-BO die nach Art. 18 B-VG erforderliche hinreichende Umschreibung der aufgrund dieser Gesetzesstelle zulässigen Auflagen enthalte (Hinweis auf Pallitsch/Pallitsch/Kleew ein, Kärntner Baurecht, 5. Auflage, S. 251 Z. 24 mwN). Bei diesem Ergebnis könne dahingestellt bleiben, ob durch die von der Revisionswerberin konkret vorgeschlagenen Stellplätze eine derartige Auflage erfüllt werden könnte, bedeute dies doch auch verneinendenfalls nicht, dass die Erfüllung dieser Auflage nicht auf anderem Wege möglich wäre.

3 Im fortgesetzten Verfahren wurde mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (LVwG) in Erledigung der nunmehr als Beschwerde zu wertenden Vorstellung der Revisionswerberin der Bescheid der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

4 Das LVwG führte zunächst aus, dass die von der Revisionswerberin vorgeschlagenen Stellplätze nicht für die Erfüllung der Auflage nach § 18 Abs. 5 K-BO herangezogen werden könnten, sodass - wie im aufhebenden Erkenntnis 2013/06/0174 dargelegt - geprüft werden müsse, ob die Erfüllung der erforderlichen Auflage nicht auch auf anderem Wege möglich sei. Maßgeblich sei, wie viele Stellplätze für Kraftfahrzeuge aufgrund des projektierten Vorhabens notwendig seien. Die bisherigen Verfahrensergebnisse reichten für eine solche Feststellung aber nicht aus. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin vorgebracht habe, sieben Stellplätze seien ausreichend. Um diesbezüglich eine nachvollziehbare Aussage treffen zu können, müsse zunächst festgestellt werden, wie viele Personen maximal zur gleichen Zeit bei Seminarveranstaltungen anwesend seien. Zu diesem Zweck wäre die Revisionswerberin aufzufordern, die Baubeschreibung durch Bekanntgabe der diesbezüglichen maximalen Seminarteilnehmerzahl (in für sie bindender Weise) zu ergänzen (§ 6 Abs. 4 lit. a K-BAV). Wenn feststehe, wie viele Stellplätze tatsächlich erforderlich seien, wäre in weiterer Folge zu prüfen, ob die Schaffung derselben auf dem verfahrensgegenständlichen Baugrundstück bzw. in dessen unmittelbarer Nähe möglich sei, wobei sich die Lage und Ausführung der Stellplätze nach den örtlichen Verhältnissen zu richten habe (§ 18 Abs. 5 vorletzter Satz K-BO). Sollte die Behörde zum Ergebnis gelangen, dass die Schaffung der notwendigen PKW-Stellplätze am verfahrensgegenständlichen Baugrundstück bzw. in dessen unmittelbarer Nähe (Hinweis auf § 7 Abs. 6 lit. c des geltenden textlichen Bebauungsplanes) nicht möglich sei, sei auf § 13 Kärntner Parkraum- und Straßenaufsichtsgesetz (K-PStG), LGBl. Nr. 55/1996, hinzuweisen. Nach § 13 Abs. 1 lit. b leg. cit. könne die Baubehörde, wenn es bei Bauvorhaben nach § 6 lit. b oder c K-BO nicht möglich sei, sämtliche der nach Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes oder der baulichen Anlage erforderlichen Garagen oder Stellplätze für Kraftfahrzeuge zu errichten, in den Auflagen zur Baubewilligung festlegen, wie viele Garagen oder Stellplätze tatsächlich zu errichten seien und für wie viele eine Ausgleichsabgabe zu entrichten sei.

5 Da die belangte Behörde, wie auch die Baubehörde erster Instanz, die vorstehend angeführten notwendigen Sachverhaltsermittlungen zur Beurteilung der Frage, ob die Erfüllung der nach § 18 Abs. 5 K-BO erforderlichen Auflage hinsichtlich der zu schaffenden Stellplätze für Kraftfahrzeuge nicht auch auf einem anderen Weg möglich wäre, unterlassen habe, sei der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen gewesen.

6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision beantragt die Revisionswerberin die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, jeweils unter Zuspruch von Kosten.

7 Das LVwG legte die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten vor. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision, die geltend macht, der angefochtene Beschluss widerspreche der (angeführten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, ist zulässig und begründet.

9 Festzuhalten ist zunächst, dass die Revision nicht nur die Zulässigkeit der Aufhebung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestreitet, sondern sich auch gegen die die Aufhebung tragenden Gründe, die Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfalten würden, wendet.

10 In diesem Zusammenhang ist vorauszuschicken, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, weil die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen habe, die vom Verwaltungsgericht als Grund für die Aufhebung und Zurückverweisung ins Treffen geführte Frage für die Entscheidung des Falles präjudiziell sein muss.

11 Darüber hinaus müssen aber, auch wenn diese Präjudizialität gegeben ist, die in der Rechtsprechung als Voraussetzung für eine solche Aufhebung herausgearbeiteten Kriterien erfüllt sein (vgl. zum Ganzen VwGH 29.11.2018, Ro 2016/06/0024, mwN). 12 Im Revisionsfall folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass einerseits zu prüfen ist, ob die vom LVwG für die Aufhebung und Zurückverweisung herangezogene Rechtsfrage, die weitere Sachverhaltserhebungen und eine weitere Begründung erforderlich macht, tatsächlich streitentscheidend ist, und andererseits zu prüfen ist, ob dann, wenn diese Frage bejaht werden kann, die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgelegen sind.

13 Zunächst ist zur Zulässigkeit der Aufhebung von bekämpften Bescheiden durch ein Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im Sinne der dazu bereits ergangenen Judikatur grundsätzlich Folgendes auszuführen (vgl. insbesondere VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063):

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass in dem in § 28 VwGVG insgesamt verankerten System die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird dabei insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

15 Auch die Notwendigkeit der Einholung weiterer Gutachten oder zulässige Projektänderungen und die mit zulässigen Projektänderungen verbundenen Verfahrensschritte und ebenso die Notwendigkeit einer (weiteren) mündlichen Verhandlung rechtfertigen grundsätzlich eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht (vgl. zum Ganzen VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0054, mwN). 16 Zunächst ist festzuhalten, dass aus dem angefochtenen Beschluss nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund das LVwG die Revisionswerberin nicht selbst auffordern konnte, die maximale Anzahl an gleichzeitig anwesenden Seminarteilnehmer/innen bekannt zu geben.

17 Die im vorliegenden Fall zu klärende Rechtsfrage ist, ob bzw. in welcher Form eine Auflage nach § 18 Abs. 5 K-BO zu erteilen ist. Eine Abweisung des Bauansuchens käme nur in Betracht, wenn das LVwG bereits festgestellt hätte, dass eine Auflage zur Errichtung einer bestimmten Anzahl von Stellplätzen von vornherein nicht erfüllt werden könnte. Das LVwG hat jedoch nicht dargelegt, inwiefern ihm diese Prüfung nicht möglich sein sollte. Es hat somit die Aufhebung und Zurückverweisung ohne ausreichenden Grund vorgenommen.

18 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Es erübrigte sich, auf das sonstige Revisionsvorbringen einzugehen. 19 Angesichts dessen konnte die Durchführung der von der Revisionswerberin beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

20 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060117.L00

Im RIS seit

22.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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