Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ArbIG 1993 §12Betreff
? Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. März 2018, Zl. LVwG-AV-1138/001-2017, betreffend Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (mitbeteiligte Parteien: 1. Ö AG in W,
2. Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), den Beschluss
Spruch
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 25. August 2017 ordnete die revisionswerbende Landeshauptfrau nach § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) an, die Eisenbahnkreuzung in km 49,726 der ÖBB-Strecke Wien Praterstern-Rennweg - Wolfsthal mit einer näher bezeichneten Gemeindestraße spätestens innerhalb von zwei Jahren nach Rechtskraft dieses Bescheides gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) durch Lichtzeichen zu sichern.
2 Begründend wurde unter anderem festgehalten, dass die gegenständliche Eisenbahnkreuzung auf Grund des Bescheides vom 28. Juni 2002 gemäß § 9 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 (EKVO) durch Lichtzeichenanlagen zu sichern gewesen sei. Bei der am 3. Juli 2017 abgehaltenen Ortsverhandlung habe der Amtssachverständige für Eisenbahntechnik und Eisenbahnbetrieb hinsichtlich dieser Eisenbahnkreuzung ein Gutachten erstattet, das auch im Bescheid wiedergegeben wurde.
Die beiden mitbeteiligten Parteien hätten (mit näherer Begründung) darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV gegeben wären. Allerdings könne dem glaubwürdigen und schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen "nicht ausdrücklich entnommen werden", dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 EisbKrV im vorliegenden Fall zutreffen würden, weshalb die Landeshauptfrau keine Veranlassung gesehen habe, von diesem Gutachten abzuweichen. 3 Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde des zweitmitbeteiligten Bundesministers hob das Verwaltungsgericht diesen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die revisionswerbende Landeshauptfrau zurück. Die Revision wurde für zulässig erklärt, da im Hinblick auf das Wort "beziehungsweise" in § 102 Abs. 1 EisbKrV das Verhältnis zwischen den §§ 4 ff leg. cit. und § 102 Abs. 1 und Abs. 3 leg. cit. auch auf eine andere Weise als durch das Verwaltungsgericht ausgelegt werden könnte.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Landeshauptfrau mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Revisionswerberin bezieht sich im Hinblick auf die Zulässigkeit auf den diesbezüglichen Ausspruch des Verwaltungsgerichtes, wonach zur Auslegung des Wortes "beziehungsweise" in § 102 Abs. 1 EisbKrV sowie zum Verhältnis zwischen den §§ 4 ff leg. cit. und § 102 Abs. 1 und Abs. 3 leg. cit. keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege und führt in den Revisionsgründen insbesondere aus, das Verwaltungsgericht sei von seiner meritorischen Entscheidungspflicht abgewichen. Weitere Gründe für die Zulässigkeit der Revision werden in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt.
5 In ihren Revisionsbeantwortungen treten die beiden mitbeteiligten Parteien der Amtsrevision entgegen.
6 Die Revision erweist sich als nicht zulässig. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0005).
8 Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen: Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Erkenntnis vom 5. September 2018, Ro 2018/03/0017, die vom Verwaltungsgericht vermisste Auslegung des § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV vorgenommen und damit die Rechtslage hinreichend geklärt:
Demnach hat die Verwaltungsbehörde nach den in Rede stehenden Bestimmungen Eisenbahnkreuzungen nicht nur bezüglich der erforderlichen Art der Sicherung (vgl. den ersten Halbsatz des zweiten Satzes des § 102 Abs. 1 EisbKrV), sondern gleichzeitig auch dahin zu überprüfen, ob die bestehenden Sicherungseinrichtungen (nach Maßgabe der Abs. 3 bis 5 des § 102 EisbKrV mit entsprechenden Anpassungen) beibehalten werden können (vgl. den zweiten Halbsatz des zweiten Satzes des § 102 Abs. 1 EisbKrV).
Daraus folgt, dass dann, wenn (wie im vorliegenden Fall) eine Überprüfung nach § 102 Abs. 1 erster Satz EisbKrV vorzunehmen ist, dabei gemäß § 102 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. nicht nur über die erforderliche Art der Sicherung gemäß dieser Verordnung, sondern zugleich auch (wie sich aus dem Wort "beziehungsweise" ableiten lässt) darüber zu entscheiden ist, ob die bestehende Art der Sicherung nach Maßgabe der Abs. 3 bis 5 des § 102 EisbKrV beibehalten werden kann.
Dieser Verpflichtung, auch über die Beibehaltung dieser Sicherung zu entscheiden, korrespondiert der Anspruch eines Eisenbahnunternehmens auf Beibehaltung nach Maßgabe der genannten einschlägigen Rechtsvorschriften.
Die Überprüfungsverpflichtung nach § 102 Abs. 1 EisbKrV bezieht sich somit stets auf die Frage der Beibehaltung einer bestehenden Sicherung im genannten Sinn. Aus rechtlicher Sicht zählt diese Frage der Beibehaltung zur Frage der Festlegung der Sicherung nach § 102 Abs. 1 zweiter Satz EisbKrV und lässt sich daher davon nicht trennen.
Zur weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2018, Ro 2018/03/0017, verwiesen.
9 Basierend auf dieser rechtlichen Grundlage wäre auch der vorliegende Fall von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden gewesen. Dem Verwaltungsgericht ist dahingehend zuzustimmen, dass sich die revisionswerbende Landeshauptfrau in ihrer Entscheidung lediglich mit dem ersten Teil der erforderlichen Prüfung nach § 102 EisbKrV beschäftigt hat.
Mit den weiteren wesentlichen Entscheidungsteilen, auf die sich der Bescheid nach § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV beziehen muss (nämlich der Frage, ob bzw. wie lange und mit welcher Anpassung die bestehende Sicherung beibehalten werden kann), hat sie sich nicht auseinander gesetzt und es wurden dazu - wenn überhaupt - nur ansatzweise Ermittlungen getätigt.
10 Das Verwaltungsgericht hat davon ausgehend nachvollziehbar und vertretbar dargelegt, dass am Maßstab der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 28 VwGVG (vgl. dazu grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) eine Ausnahme von der meritorischen Entscheidungspflicht des Verwaltungsgericht gegeben ist. Die revisionswerbende Landeshauptfrau hätte sich diesbezüglich nicht mit der Aussage begnügen dürfen, dass sich aus dem Gutachten des Amtssachverständigen keinerlei Hinweise betreffend den § 102 EisbKrV ergeben würden. Vielmehr hätte die Verwaltungsbehörde angesichts ihrer Überprüfungspflicht nach § 102 EisbKrV von Amts wegen (etwa auch durch einen entsprechenden Auftrag an den Sachverständigen, sein Gutachten zu ergänzen) auch die Frage der Beibehaltung der schon bestehenden Sicherung auf dem Boden der genannten Verordnung prüfen bzw. darüber entscheiden müssen.
11 Die Amtsrevision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
12 Schließlich ist die revisionswerbende Landeshauptfrau darauf zu verweisen, dass die Frage der Sicherung einer Eisenbahnkreuzung angesichts der Eisenbahn-ArbeitnehmerInnenschutzverordnung, BGBl. II Nr. 384/1999 in der Fassung BGBl. II Nr. 2015/2012 - vgl. etwa § 2 leg. cit. - den Arbeitnehmerschutz iSd § 12 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 berührt, weshalb im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dem zuständigen Arbeitsinspektorat Parteistellung und das Recht der Beschwerde zukommt (vgl. VwGH 5.9.2018, Ro 2018/03/0017, Rn. 45). Der hier angefochtene Beschluss entspricht zu dieser Frage daher auch insofern dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. 13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 31. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018030022.J00Im RIS seit
10.07.2019Zuletzt aktualisiert am
10.07.2019