TE Vwgh Beschluss 2019/6/5 Ra 2019/18/0168

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Veröffentlicht am 05.06.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des N H, vertreten durch Dr. Benno Wageneder in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2019, Zl. W257 2147824- 1/21E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger Afghanistans aus der Provinz Ghazni. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Er stellte am 1. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlich damit begründete, dass sein Vater seine Grundstücke dem Dorfältesten - auf dessen Aufforderung hin - nicht habe übergeben wollen und daraufhin verschwunden sei. Seine Mutter hätte Angst um den Revisionswerber und seinen Bruder gehabt und sei daher zwei Tage nach dem Verschwinden des Vaters mit ihnen nach Pakistan gereist. Von dort sei der Revisionswerber mit seinem Bruder aufgrund der schlechten Situation für Afghanen in den Iran geflüchtet. Nach Europa sei er geflohen, weil ihm die Abschiebung nach Afghanistan gedroht habe.

2 Mit Bescheid vom 19. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, das Fluchtvorbringen sei aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft und es habe auch eine Gruppenverfolgung nicht festgestellt werden können. Dem Revisionswerber sei zudem auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen. Nach den Länderfeststellungen habe sich die Sicherheitslage in einigen abgelegenen Gebieten der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers in den letzten Jahren verschlechtert. Jedoch könne der Revisionswerber unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf die Städte Mazar-e Sharif oder Herat verwiesen werden. In diesem Zusammenhang traf das BVwG umfangreiche Feststellungen zu den individuellen Umständen des Revisionswerbers und zu den Gegebenheiten im Herkunftsstaat. Betreffend die Rückkehrentscheidung erwog das BVwG, dass fallbezogen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Der Revisionswerber gehe in Österreich einer geregelten Arbeit nach (Lehrstelle in einem Hotel), habe sich um eine 91-jährigen Dame gekümmert, besuche Sprachkurse, stehe in regelmäßigem Kontakt mit einer österreichischen Großfamilie, wohne mit einer Kollegin in einer Wohnung und sei mit Schulkollegen befreundet. Jedoch sei er nur fast vier Jahre in Österreich aufhältig und hätte sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. 5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zusammengefasst geltend macht, dass die Länderfeststellungen veraltet seien. Zudem weiche das BVwG bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Revisionswerbers von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 2 BFA-VG ab. Insbesondere im Hinblick auf die fehlende Bindung zum Herkunftsstaat Afghanistan sei die Gesamtbetrachtung fehlerhaft.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Soweit der Revisionswerber zunächst pauschal die mangelnde Aktualität der vom BVwG herangezogenen Länderberichte beanstandet, legt er nicht dar, welche aktuelleren Länderberichte vom BVwG heranzuziehen gewesen wären und inwiefern deren Berücksichtigung zu einem anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Verfahrensergebnis hätte führen können (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarlegung bezüglich Verfahrensmängel etwa VwGH 14.3.2018, Ra 2019/18/0068-0072). Im Übrigen ist eine mangelnde Aktualität auch nicht ersichtlich, zumal die dem Erkenntnis zugrunde gelegten Berichte - entgegen dem Revisionsvorbringen - unter anderem aktuelle Kurzinformationen zur Lage im Herkunftsstaat vom 31. Jänner 2019 beinhalten. 10 Sofern die Revision die vom BVwG nach Art. 8 EMRK vorgenommene Interessenabwägung moniert und sich dabei im Wesentlichen darauf stützt, das BVwG habe die abwägende Gesamtbetrachtung fehlerhaft durchgeführt, weil keine Bindung zum Herkunftsstaat Afghanistan vorhanden und er seit mehr als dreieinhalb Jahren in Österreich aufhältig sei, verkennt der Revisionswerber, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie, wie vorliegend der Fall, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2019/18/0030, mwN). Eine solche unvertretbare Interessenabwägung zeigt die Revision nicht auf. 11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180168.L00

Im RIS seit

19.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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