TE Vwgh Beschluss 2019/6/6 Ra 2019/16/0106

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Veröffentlicht am 06.06.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in Wien gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 23. Jänner 2019, RV/5101610/2015, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde (mitbeteiligte Partei: P P in P, vertreten durch Mag. Markus Dutzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass die Revisionswerberin ihren Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2015 an den Mitbeteiligten selbst, dem zum damaligen Zeitpunkt ein Sachwalter, zuständig für die Verwaltung von Einkünften und Vermögen, Verbindlichkeiten und Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinaus gehen, beigegeben war, richtete.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 teilte der Sachwalter mit, dass ihm der Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. Mai 2015 am 19. Juni d.J. ausgehändigt worden sei, womit die Berufungsfrist ab

19. d.M. laufe. In seiner Beschwerde vom 25. Juni 2015 beantragte der einschreitende Sachwalter die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Seit 28. Mai 2018 ist Mag. Markus Dutzler zum Sachwalter des Mitbeteiligten für den selben Kreis von Angelegenheiten wie sein Vorgänger bestellt.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde vom 25. Juni 2015 als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach Darstellung des - unstrittigen - Verwaltungsgeschehens und Zitierung der §§ 79 und 97 Abs. 1 lit. a BAO sowie § 7 ZustG erwog das Verwaltungsgericht:

"Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Prozesshandlungen eines nicht Prozessfähigen sind unwirksam. Bescheidzustellungen an Prozessunfähige sind unwirksam (zB VwGH 8.7.1971, 487/71, Slg 8057A; BFG 18.9.2015, RV/7102791/2015). An den Beschwerdeführer, der in der gegenständlichen Angelegenheit nicht handlungsfähig war, konnte der angefochtene Bescheid nicht wirksam zugestellt werden.

Für wen nach dem - allein maßgebenden-  Willen der Behörde das Schriftstück bestimmt ist, wer also ?Empfänger' desselben im Sinn des Zustellgesetzes ist, hängt von der Zustellverfügung ab. Gemäß § 7 ZustG gilt, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Wenn ein unzutreffender Empfänger in der Zustellverfügung genannt wird, so liegt kein Fall vor, bei dem im Sinne des § 7 Abs. 1 ZustG durch das tatsächliche Zukommen des Dokumentes an den Empfänger eine Heilung eines Zustellmangels und damit eine wirksame Zustellung erfolgen könnte (vgl. VwGH 23.11 2016, Ra 2015/05/0092).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid an den Beschwerdeführer und nicht an dessen gerichtlich wirksam bestellten Sachwalter zugestellt. Als Empfänger der Sendung war der Beschwerdeführer und nicht der Sachwalter genannt, somit konnte keine Heilung gemäß § 7 ZustG eintreten. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht wirksam ergangen.

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (VwGH 27.4.1995, 93/17/0075; VwGH 29.5.1995, 93/17/0318; BFG 24.9.2015, RV/2100161/2013). Da der angefochtene Bescheid mangels Zustellung nicht existent geworden ist, ist die dagegen eingebrachte Bescheidbeschwerde des damaligen Sachwalters zurückzuweisen."

4 Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, im gegenständlichen Fall seien die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. 5 Die gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Amtsrevision begründet ihre Zulässigkeit folgendermaßen:

"Die (Revisionswerberin) vertritt dagegen die Auffassung, dass die Revision auf zwei Rechtsfragen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG im Bereich der Zustellung gestützt werden kann, zu denen noch keine (eindeutige) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt:

1. Ist § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG analog auf gesetzliche Vertreter iSd § 80 BAO anwendbar?

2. Tritt Heilung eines Zustellfehlers dadurch ein, dass ein nicht an den gesetzlichen Vertreter zugestellter Bescheid diesem vom Bescheidempfänger übergeben wird und innerhalb der Monatsfrist ab Ausfolgung durch den Rechtsvertreter eine inhaltlich begründete Bescheidbeschwerde eingebracht wird?"

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (VwGH 26.6.2018, Ra 2018/16/0087, mwN).

Eine Revision, die - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes - eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, hat konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihr ins Treffen geführten Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Fall jedoch anders entschieden hat und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (VwGH 22.10.2018, Ra 2018/16/0147, mwN).

8 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss für seine tragenden Erwägungen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch Zitate ins Treffen geführt. Die vorliegende Amtsrevision legt überhaupt nicht dar, inwiefern die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich wäre, geschweige denn, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlte oder das Verwaltungsgericht von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

9 Überdies besteht zu Konstellationen wie der revisionsgegenständlichen und zur Maßgeblichkeit des § 9 Abs. 3 ZustG idF BGBl. I Nr. 5/2008 bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (16.3.2011, 2008/08/0087, 29.9.2011, 2011/16/0197, 18.3.2013, 2011/05/0085, und 11.12.2013, 2012/08/0221).

Den von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen kommt daher keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu, zumal sich die zweite Frage von der revisionsgegenständlichen Konstellation, der unrichtigen Adressierung des in Rede stehenden Bescheides, entfernt.

10 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 6. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160106.L00

Im RIS seit

12.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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