TE Vwgh Erkenntnis 2019/6/12 Ro 2018/13/0007

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.06.2019
beobachten
merken

Index

E3L E09301000
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

UStG 1994 §12 Abs3 Z1
UStG 1994 §6 Abs1 Z27
UStG 1994 §6 Abs1 Z6 litd
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art169 litb
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art289

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des F in W, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Kaiserin Elisabethstraße 23/5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 26. Jänner 2018, Zl. RV/7101027/2017, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2014 und 2015, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber erzielte in den Streitjahren 2014 und 2015 Umsätze durch die Vermietung von Wohnungen, wobei ein Teil dieser Vermietungen die Voraussetzungen der (echten) Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 6 lit. d vierter Spiegelstrich UStG 1994 erfüllte (Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke an Vergütungsberechtigte im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 Internationales Steuervergütungsgesetz).

2 Der Revisionswerber war aber auch als Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 (unecht) steuerbefreit und hatte von der ihm in § 6 Abs. 3 UStG 1994 eingeräumten Möglichkeit, auf diese Steuerbefreiung zu verzichten, nicht Gebrauch gemacht. 3 In den Umsatzsteuerbescheiden für die beiden Streitjahre versagte das Finanzamt dem Revisionswerber die Berücksichtigung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 6 lit. d UStG 1994 für die davon betroffenen Umsätze und den damit verbundenen Vorsteuerabzug von rund EUR 180,-- bzw. EUR 230,-- mit der Begründung, er habe nicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer verzichtet. 4 Die dagegen gerichteten Beschwerden des Revisionswerbers wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Es legte dar, nach der im Schrifttum herrschenden und vom Bundesfinanzgericht geteilten Meinung habe die persönliche unechte Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) Vorrang vor anderen, insbesondere echten Steuerbefreiungen. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege dazu aber noch nicht vor, weshalb eine Revision gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. 5 Die Revision macht im Wesentlichen geltend, das Gesetz enthalte keine ausdrückliche Regelung für den Fall der Erfüllung mehrerer Steuerbefreiungstatbestände nach § 6 Abs. 1 UStG 1994. Im Erkenntnis vom 25. Juni 2007, 2006/14/0001, VwSlg 8243/F, habe der Verwaltungsgerichtshof einer sachlichen Befreiung (§ 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 betreffend bestimmte Fälle der Vermietung und Verpachtung) als der spezielleren Regelung gegenüber einer persönlichen Befreiung (§ 6 Abs. 1 Z 14 UStG 1994 betreffend Umsätze von gemeinnützigen Vereinigungen) den Vorrang eingeräumt. Wollte man eine solche Spezialität der im Revisionsfall strittigen (sachlichen) Befreiung nach § 6 Abs. 1 Z 6 lit. d UStG 1994 gegenüber der (persönlichen) Befreiung nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verneinen, so sei zweitens zu beachten, dass § 12 Abs. 4 UStG 1994 mit der Anordnung einer Aufteilung der Vorsteuerbeträge in abziehbare und nicht abziehbare "genau den Fall des Zusammentreffens von echt und unecht steuerbefreiten Umsätzen" regle. Eine "Ausnahme für Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994" sei in dieser Bestimmung nicht vorgesehen. Für den vom Bundesfinanzgericht angenommenen Vorrang der Kleinunternehmerbefreiung gebe es keine "Deckung im Gesetz". Spezialitätsüberlegungen, aus denen sich ein Vorrang ergeben könnte, würden im vorliegenden Fall "gerade in die gegenteilige Richtung weisen".

6 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Es ist unstrittig, dass die Umsätze, in Bezug auf die das Finanzamt den geltend gemachten Vorsteuerabzug versagte, sowohl die Voraussetzungen der persönlichen, gemäß § 12 Abs. 3 Z 1 und 2 UStG 1994 mit dem Ausschluss des Vorsteuerabzugs verbundenen (unechten) Steuerbefreiung für Kleinunternehmer mit EUR 30.000,-- nicht übersteigenden Umsätzen (§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem AbgÄG 2016, BGBl. I Nr. 117) als auch die Voraussetzungen der (echten) Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 6 lit. d vierter Spiegelstrich UStG 1994 erfüllten, für die der Ausschluss des Vorsteuerabzugs gemäß § 12 Abs. 3 lit. a UStG 1994 nicht gilt.

9 Die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, die unechte Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 habe im Fall eines solchen Zusammentreffens mit einer echten Befreiung gegenüber dieser Vorrang, was den Vorsteuerabzug ausschließe (vgl. Rz 1002 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000), wird im Schrifttum ausdrücklich geteilt (vgl. Blasina, SWK 2003, S 869, unter Hinweis auf die schon damals vertretene Ansicht von Ruppe; Ruppe/Achatz, UStG5, § 6 Tz 15 und Tz 443, jeweils mit Hinweis u.a. auf EuGH 7.12.2006, Eurodental, C-240/05; Rattinger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 6 Rz 663; Streicher, ecolex 2018, 948, zum hier angefochtenen Erkenntnis) oder ohne Kritik daran wiedergegeben (vgl. etwa Kollmann/Schuchter in Melhardt/Tumpel, a.a.O., § 12 Rz 352; Mayr/Ungericht, UStG4, § 6 Anm. 74). 10 Wenn der Revisionswerber dem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 2007, 2006/14/0001, VwSlg 8243/F, entgegenhält, so zeigt er damit auf, dass es - entgegen einem Teil der zuvor zitierten Autoren - kein Gebot der "Logik" ist, persönlichen gegenüber sachlichen Befreiungen den Vorrang einzuräumen.

11 Zu beachten ist andererseits das von Ruppe/Achatz erwähnte Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2006, Eurodental, C-240/05, wonach die (unechte) Steuerbefreiung für Leistungen von Zahntechnikern und Lieferung von Zahnersatz (vgl. in Österreich § 6 Abs. 1 Z 20 UStG 1994) gegenüber der (echten) Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Umsätze vorrangig ist. Im Erkenntnis vom 27. August 2008, 2006/15/0127, VwSlg 8357/F (bei Ruppe/Achatz, a. a.O., § 6 Tz 15, anders als in der Vorauflage mit unzutreffender Aktenzahl zitiert), das eine Kollision der (echten) Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 für Ausfuhrlieferungen mit der (unechten) Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 26 UStG 1994 betraf, sprach der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Urteil Eurodental aus, bei einem solchen Zusammentreffen gehe die unechte der echten Befreiung vor. 12 Ob dies ausnahmslos für alle echten und unechten Befreiungen gilt, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Klärung, weil hier Erwägungen, die speziell die Kleinunternehmerbefreiung betreffen, bei richtlinienkonformer Auslegung zum selben Ergebnis führen.

13 Unionsrechtliche Grundlage für die vom Revisionswerber in Anspruch genommene echte Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 6 lit. d vierter Spiegelstrich UStG 1994 ist (nunmehr) in Titel IX ("Steuerbefreiungen") der Richtlinie 2006/112/EG die Bestimmung des Art. 151 Abs. 1 lit. a über die Steuerbefreiung von Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die im Rahmen der diplomatischen und konsularischen Beziehungen bewirkt werden (vgl. zuvor Art. 15 Z 10 der Richtlinie 77/388/EWG und die Bezugnahme darauf in den Erläuterungen zur Einführung der Steuerbefreiung im UStG 1994 mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, 59 BlgNR 22. GP 280).

14 In Titel X der Richtlinie ("Vorsteuerabzug") räumt Art. 168 dem Steuerpflichtigen das Recht zum Vorsteuerabzug ein, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Art. 169 lit. b gewährt dieses Recht über den Vorsteuerabzug nach Art. 168 hinaus u.a. auch insoweit, als die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke von Umsätzen verwendet werden, die gemäß Art. 151 befreit sind. 15 Die Kleinunternehmerbefreiung findet sich in Titel XII der Richtlinie ("Sonderregelungen"). Auf Regelungen über die Kleinunternehmergrenze in Art. 287 und 288, nach denen u.a. die gemäß Art. 151 befreiten Umsätze in die Berechnung des Jahresumsatzes einzubeziehen sind, folgt in Art. 289 der ausdrückliche Ausschluss von Steuerpflichtigen, die eine Steuerbefreiung (für Kleinunternehmer) in Anspruch nehmen, vom "Vorsteuerabzug gemäß den Artikeln 167 bis 171 und 173 bis 177". 16 Für das im UStG 1994 nicht ausdrücklich geregelte Verhältnis zwischen den im vorliegenden Fall strittigen Befreiungsbestimmungen folgt daraus bei richtlinienkonformer Auslegung, dass die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer den Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug u. a. für Umsätze der hier strittigen Art bedeutet, für die er sonst nach Art. 169 lit. b der Richtlinie und § 12 Abs. 3 lit. a UStG 1994 zu gewähren wäre.

17 § 12 Abs. 4 UStG 1994 führt zu keinem anderen Ergebnis, weil eine Regelung "des Zusammentreffens von echt und unecht steuerbefreiten Umsätzen" nichts zur Lösung von Fällen beiträgt, in denen ein und derselbe Umsatz unter zwei Befreiungstatbestände mit unterschiedlichen Rechtsfolgen fällt.

18 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018130007.J00

Im RIS seit

12.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten