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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
BAO §279Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der H GmbH in W, vertreten durch die Stöhr Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsges.m.b.H. in 1090 Wien, Garnisongasse 7/21, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Jänner 2017, Zl. RV/7101588/2013, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2010, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2010) wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine Rechtsanwalts-GmbH.
2 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung (betreffend
Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und "Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag", jeweils für die Jahre 2008 bis 2010) wurde ausgeführt, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer der Revisionswerberin als Dienstnehmer der Revisionswerberin zu beurteilen seien. Demnach fielen für die Jahre 2008 bis 2010 für deren Bezüge sowie für Bezüge von unbekannten "Aushilfen" Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge an; auch seien Säumniszuschläge festzusetzen. In einer Ergebnisübersicht wurde festgehalten, Lohnsteuer sei (ohne Säumniszuschlag) geltend zu machen und Dienstgeberbeiträge seien (mit Säumniszuschlägen) festzusetzen. 3 In Folge der Außenprüfung stellte das Finanzamt mit Bescheiden vom 22. August 2012 u.a. Dienstgeberbeiträge für die Jahre 2008, 2009 und 2010 und hiezu auch jeweils Säumniszuschläge fest. Ausgeführt wurde dabei auch, der "DB und der DZ war(en) bereits fällig". In der Rechtsmittelbelehrung wurde gesondert auf die Bekämpfbarkeit von Bescheiden zur Festsetzung der Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag, wenn die Umlagepflicht dem Grunde nach bestritten werde, verwiesen.
4 Die Revisionswerberin erhob u.a. gegen diese Bescheide Berufung.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde teilweise Folge und änderte die angefochtenen Bescheide ab. Zur Bemessungsgrundlage und Höhe der festgesetzten Abgaben verwies das Bundesfinanzgericht auf ein angeschlossenes Berechnungsblatt. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
6 Im Kopf der Entscheidung wird ausgeführt, die Entscheidung ergehe über die Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamts vom 22. August 2012 "betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe (DB) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2008 bis 2010".
7 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, bei der Revisionswerberin sei es aufgrund einer durchgeführten Außenprüfung hinsichtlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag (DB) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2008 bis 2010 zu Feststellungen gekommen. In der Schilderung des Verfahrensgangs verwies das Bundesfinanzgericht wiederholt darauf, es seien für erhaltene Bezüge DB und DZ zu entrichten.
8 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung kam das Bundesfinanzgericht zusammengefasst zum Ergebnis, dass die Einkünfte des wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers als solche nach § 22 Z 2 EStG 1988 zu beurteilen seien; dessen Bezüge seien in die Bemessungsgrundlagen für die "Festsetzung des DB und DZ einzubeziehen". Die beiden nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer seien hingegen nicht als Dienstnehmer zu beurteilen, sodass für deren Bezüge keine Dienstgeberbeiträge festzusetzen gewesen seien. Eine "Festsetzung von DB und DZ" habe daher insoweit nicht zu erfolgen. 9 Im angeschlossenen Berechnungsblatt wurden die Bemessungsgrundlagen ausgewiesen; weiters der "Dienstgeberbeitrag DB" sowie der "Zuschlag zum DB - DZ" (mit Bemessungsgrundlage einerseits und "DZ" anderseits).
10 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 26. November 2018, E 763/2017-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018, E 763/2017-12, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
11 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich auch die vorliegende Revision. Die Revisionswerberin erachtet sich in ihrem subjektiven Recht auf Unterlassung von Geldvorschreibungen mangels der im § 122 WKG vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen zur Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen (DZ) verletzt.
12 Das Finanzamt hat - nach Einleitung des Vorverfahrens - keine Revisionsbeantwortung eingebracht.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Revisionswerberin gegen das auch hier angefochtene Erkenntnis bereits eine Revision eingebracht hatte. Diese wurde mit Beschluss vom 27. Juni 2017, Ra 2017/13/0018-7, als verspätet zurückgewiesen (die Revision war am letzten Tag der Frist - entgegen § 25 Abs. 5 VwGG - unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden).
15 Wie die Revisionswerberin in ihrer nunmehrigen Revision zutreffend ausführt, wurde damit das Revisionsrecht nicht "verbraucht". Es entsprach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013), dass die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verbrauchs des Beschwerderechts die Zulässigkeit der ersteingebrachten Beschwerde voraussetzt (vgl. z.B. VwGH 12.2.1987, 86/08/0111; 25.3.1999, 99/20/0017, mwN; vgl. auch - unter dem Blickwinkel eines Prozesshindernisses der Gerichtshängigkeit - Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 84; vgl. weiters - zur "Einmaligkeit" des Rechtsmittels im Zivilverfahrensrecht - OGH 20.4.2006, 4 Ob 50/06s: Rechtsmittelrecht wird nur durch wirksames Rechtsmittel verbraucht; im Außerstreitverfahren RIS-Justiz RS0006948 sowie zB. OGH 15.12.2009, 9 Ob 68/09d). 16 Für das Revisionsverfahren und den Verbrauch des Revisionsrechts gilt nichts anderes (vgl. etwa VwGH 4.9.2014, Ro 2014/12/0040, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom selben Tag zu Ro 2014/12/0008; 15.9.2015, Ra 2015/18/0207, mit Hinweis auf Ra 2014/01/0243 - Erkenntnis vom 13.10.2015; 15.9.2016, Ra 2016/21/0265 bis 0268, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom selben Tag zu Ra 2015/21/0167 bis 0170; 9.4.2018, Ra 2017/17/0877, zu zwei Revisionen; vgl. auch 11.4.2018, Ra 2017/08/0124, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom selben Tag zu Ra 2017/08/0122 und 0123).
17 Wurde freilich eine Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig zurückgewiesen, so lag bereits eine "wirksame" Revision vor; eine weitere Revision ist in diesem Fall als unzulässig zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 25.5.2016, Ra 2016/18/0090, unter Hinweis auf die mit Beschluss vom 9.6.2015 erledigte Revision zu Ra 2014/20/0185; 20.10.2016, Ra 2016/20/0257, unter Hinweis auf die mit Beschluss vom 24.5.2016 erledigte Revision zu Ra 2015/01/0144; 25.4.2018, Ra 2016/06/0016 und 0021; 11.6.2018, Ra 2018/17/0015 und Ra 2018/17/0016; vgl. bereits - zur Rechtslage vor BGBl. I Nr. 33/2013 - auch VwGH 30.5.2007, 2007/19/0188, wonach die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde nach § 33a VwGG in der damaligen Fassung durch den Verwaltungsgerichtshof der Zurückweisung einer weiteren Beschwerde nicht entgegenstand). 18 Eine verspätet eingebrachte Revision ist insoweit nicht als "wirksam" zu beurteilen. Gegenteilige Darlegungen in zwei in dieser Hinsicht auch nicht näher begründeten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes waren nicht tragend (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/19/0370, Rz 12: Damit ist dem Wiederaufnahmeantrag der Erfolg zu versagen; 18.10.2017, Ra 2017/19/0308, Rz 15: Schon deshalb konnte der noch nicht erledigte Verfahrenshilfeantrag keine Auswirkungen auf die Revisionsfrist haben), sodass es keines Vorgehens nach § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG bedarf (vgl. VwGH 27.6.2017, Ro 2015/10/0045, mwN).
19 Zur Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG macht die Revision geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die ständige Judikatur zu § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG). Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) sei gemäß § 122 WKG nur von den Mitgliedern der Wirtschaftskammer zu entrichten. Die Rechtsanwaltsgesellschaft gehöre der Wirtschaftskammer nicht an.
20 Die Revision ist zulässig und begründet.
21 Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (Kammerumlage II) gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG; vgl. VwGH 26.1.2011, 2010/13/0197, VwSlg. 8608/F). Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag sind daher nur von "Kammermitgliedern" iSd WKG zu entrichten. Die Revisionswerberin ist unbestritten kein Mitglied der Wirtschaftskammern (vgl. § 2 WKG iVm mit der Anlage zum WKG). 22 Die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts ist durch die Sache des Beschwerdeverfahrens begrenzt. Über diese Sache hinaus besteht keine Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts (vgl. VwGH 22.10.2015, Ro 2015/15/0035, mwN). Sache des Beschwerdeverfahrens im vorliegenden Fall war - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen sowie die Festsetzung von Säumniszuschlägen. Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (iSd § 122 Abs. 7 und 8 WKG) waren weder Gegenstand der beim Bundesfinanzgericht angefochtenen Bescheide (auch wenn darin - überflüssigerweise - zur Fälligkeit und zur Rechtsmittelbelehrung auf diese Zuschläge verwiesen wurde) noch der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde. Mit der erstmaligen Festsetzung von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag hat das Bundesfinanzgericht eine Entscheidung getroffen, die in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde fiele (vgl. z.B. VwGH 22.8.2012, 2010/17/0196, mwN).
23 Eine berichtigende - gesetzeskonforme - Auslegung des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses in die Richtung, es sei kein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag erstmals festgesetzt worden, sondern es sei über die Beschwerde betreffend Säumniszuschläge entschieden worden, ist im Hinblick auf die mehrmalige Erwähnung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag auch im Rahmen der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht vorzunehmen. Im Übrigen gilt das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung von Bescheiden (oder Erkenntnissen) in erster Linie dann, wenn diese Bescheide (oder Erkenntnisse) nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden können. Im Revisionsverfahren obliegt es hingegen dem Verwaltungsgerichtshof, eine bei ihm angefochtene Entscheidung im Rahmen des Revisionspunktes in jeder Hinsicht auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, wozu auch gehört, ob der Spruch der Entscheidung entsprechend deutlich abgefasst ist (vgl. VwGH 29.4.2015, 2013/08/0136, VwSlg. 19113/A, mwN). 24 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben. 25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20
14.
Wien, am 12. Juni 2019
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130018.L00Im RIS seit
12.11.2019Zuletzt aktualisiert am
12.11.2019