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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §68 Abs1Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. November 2018, Zl. LVwG 30.6-1992/2018-11, betreffend Übertretung des FSG (mitbeteiligte Partei: M M in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 10. Juli 2018, Zl. VStV/918300751289/2018, als unbegründet abgewiesen wird und der Mitbeteiligte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 145,20 zu leisten hat.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Landespolizeidirektion Steiermark vom 10. Juli 2018 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe am 3. November 2017 um 06.55 Uhr an einem näher bezeichneten Ort ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse oder Unterklasse gewesen sei, weil ihm diese mit näher bezeichnetem Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark entzogen worden sei. Er habe dadurch § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 FSG verletzt. Wegen dieser Übertretung wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 4 Z 1 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 726,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt.
2 Begründend führte die Landespolizeidirektion Steiermark in diesem Straferkenntnis unter anderem aus, dass über den Mitbeteiligten mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 27. Februar 2018 wegen einer Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 45,-- verhängt worden sei. Er sei demnach schuldig, als Lenker des im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten Kraftfahrzeuges am 3. November 2017 um 06.55 Uhr an einem näher bezeichneten Ort (demselben Ort, der auch in der Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses genannt wird) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 8 km/h überschritten zu haben. Aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung des Mitbeteiligten als Lenker in jenem Verfahren stehe somit auch fest, dass er zum angeführten Zeitpunkt das Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt und somit die Übertretung nach § 37 Abs. 4 iVm § 1 Abs. 3 FSG begangen habe. Da der Mitbeteiligte der Vorladung für den 2. Juli 2018 unentschuldigt ferngeblieben sei, sei das Verfahren, wie im ordnungsgemäß durch Hinterlegung am 12. Juni 2018 zugestellten Ladungsbescheid vom 6. Juni 2018 angedroht, gemäß § 41 Abs. 2 VStG ohne seine weitere Anhörung durchgeführt worden.
3 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und machte darin geltend, dass nicht er das Kraftfahrzeug gelenkt habe, sondern seine Freundin M. B. zu diesem Zeitpunkt mit seinem Auto gefahren sei. Er habe zu dieser Zeit auch eine Schiene bis über den linken Ellbogen tragen müssen. Er habe die Strafe nur für seine Freundin einbezahlt. Bei der Vorladung (zur Einvernahme bei der LPD Steiermark im Verfahren wegen Übertretung des FSG) sei er nicht da, sondern vom 28.6 bis 3.7.2018 auf Urlaub gewesen.
4 Das Verwaltungsgericht führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Mitbeteiligte angehört sowie seine Freundin bzw. Lebensgefährtin als Zeugin vernommen wurden. Als Beweismittel legte der Mitbeteiligte Krankenhausbefunde zu seiner Schienenversorgung vor.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein; die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig.
6 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass dem Mitbeteiligten mit rechtskräftigem Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 27. Juli 2017, Zl. VA/17/069505, die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung entzogen worden sei. Auch zur Tatzeit sei nach den Angaben des Mitbeteiligten dieser nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gewesen. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Steiermark vom 27. Februar 2018 sei er bestraft worden, weil er am 3. November 2017 um 06.55 Uhr in G. an einem näher bezeichneten Tatort als Lenker eines näher bezeichneten Fahrzeuges die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe. Die Strafverfügung sei in Rechtskraft erwachsen. Ausgehend davon habe die belangte Behörde zu Recht ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem Führerscheingesetz eingeleitet. Allerdings hätten der Mitbeteiligte und die Zeugin übereinstimmend angegeben, dass M. B. das Fahrzeug des Mitbeteiligten zur fraglichen Tatzeit am fraglichen Tatort gelenkt habe. M. B. habe sich auf der Fahrt zu ihrer Arbeitsstelle befunden. Der Mitbeteiligte habe damals offensichtlich eine Ellbogenschiene tragen müssen, welche die Beweglichkeit des linken Armes stark eingeschränkt habe. Da somit dem Mitbeteiligten die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht einwandfrei habe erwiesen werden können, sei im Zweifel gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG das gegenständliche Strafverfahren einzustellen gewesen.
Die Begründung für den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiedergabe der verba legalia.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Landespolizeidirektion Steiermark, welche eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung durch die Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts von der - näher dargelegten - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung von Strafverfügungen gegeben sieht. Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Gemäß § 1 Abs. 3 FSG ist - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - das Lenken eines Kraftfahrzeuges nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse, in die das Kraftfahrzeug fällt. 10 Gemäß § 37 FSG begeht, wer (u. a.) dem FSG zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Gemäß § 37 Abs. 4 Z 1 FSG ist eine Mindeststrafe von 726 Euro zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl die Lenkberechtigung entzogen wurde.
11 Im Verfahren ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte mit rechtskräftiger Strafverfügung der Landespolizeidirektion Steiermark vom 27. Februar 2018 wegen einer Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO rechtskräftig bestraft wurde, weil er als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges am 3. November 2017 um 06.55 Uhr in G. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 8 km/h überschritten hat. 12 Ebenso unstrittig ist, dass der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt dieser Geschwindigkeitsübertretung über keine gültige Lenkberechtigung verfügte, die ihn zum Lenken des Kraftfahrzeuges berechtigt hätte, weil sie ihm behördlich entzogen worden war. 13 Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, ohne dies im Übrigen offenzulegen und - wie es in diesem Fall gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit § 25a Abs. 1 VwGG geboten gewesen wäre - die Revision (mit kurzer Begründung) zuzulassen. Die Revision ist auch berechtigt:
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht. Von dieser Bindungswirkung sind auch Strafverfügungen erfasst (vgl. etwa VwGH 24.9.2015, Ra 2015/02/0132, mwN).
15 Liegt wie im hier vorliegenden Fall daher eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitun g vor, ist die Behörde - im Beschwerdeverfahren das Verwaltungsgericht - jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die in der Strafverfügung genannte Tat begangen hat, gebunden (vgl. z.B. VwGH 21.8.2014, Ra 2014/11/0027, mwN). 16 Vor diesem Hintergrund war der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes daher zugrunde zu legen, dass der Mitbeteiligte zur Tatzeit am Tatort ein Kraftfahrzeug gelenkt - und dabei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten - hat. Das Beschwerdevorbringen des Mitbeteiligten, in dem er das Fehlen der Lenkberechtigung nicht bestritten, sondern lediglich vorgebracht hat, dass nicht er, sondern seine Freundin das Kraftfahrzeug gelenkt hätte, war daher von vornherein nicht geeignet, die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu widerlegen.
17 Indem sich das Verwaltungsgericht über diese Bindungswirkung hinwegsetzte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
18 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall -
entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.
19 Dieser Fall liegt hier vor. Der Mitbeteiligte hat die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung weder in seiner Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aus anderen Gründen als wegen der von ihm behaupteten fehlenden Lenkereigenschaft - die allerdings aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung durch die Strafverfügung der Landespolizeidirektion Steiermark vom 27. Februar 2018 für das Verwaltungsgericht bindend feststand - bestritten; er hat auch keine Einwendungen gegen die Strafbemessung erhoben.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 10. Juli 2018, Zl. VStV/918300751289/2018, als unbegründet abgewiesen wird und der Mitbeteiligte gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, somit EUR 145,20 zu leisten hat.
Wien, am 13. Juni 2019
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020015.L00Im RIS seit
10.07.2019Zuletzt aktualisiert am
10.07.2019