TE Vwgh Erkenntnis 2019/6/17 Ra 2019/02/0029

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Veröffentlicht am 17.06.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
29/09 Auslieferung Rechtshilfe in Strafsachen
40/01 Verwaltungsverfahren
49/08 Amtshilfe Zustellung von Schriftstücken

Norm

AVG §56
AVG §68 Abs1
RHStRÜbk Eur 2005 Art5 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
VwRallg
ZustG §11 Abs1
ZustVwÜbk Eur idF 2005/III/053

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der D P in P, vertreten durch Mag. Aleksandra Fux, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Salztorgasse 7, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 10. Dezember 2018, Zl. LVwG-S-2178/001-2018, betreffend Zurückweisung i.A. Übertretungen kraftfahrrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Beschluss vom 10. Dezember 2018 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten als unzulässig zurück und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

2 Im Beschluss führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin sei mit dem angefochtenen Straferkenntnis mehrerer kraftfahrrechtlicher Übertretungen schuldig erkannt worden. Dieses Straferkenntnis sei der Revisionswerberin zugestellt worden. Mit Vorlageschreiben habe die Behörde die Eingabe der Revisionswerberin, datiert mit 7. September 2018, welche ausschließlich in polnischer Sprache verfasst gewesen sei, zur Entscheidung übermittelt. Mit (in die polnische Sprache übersetztem) Schreiben sei die Revisionswerberin aufgefordert worden, binnen einer Frist von zwei Wochen ihr Schreiben vom 7. September 2018 in deutscher Sprache zu übermitteln sowie dieses gegebenenfalls im Hinblick auf die (näher ausgeführten) Anforderungen an eine Beschwerde gemäß § 9 VwGVG zu ergänzen. Mit Hinweis darauf, dass die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik Österreich sei und diese daher auch für Eingaben an das Verwaltungsgericht zu verwenden sei, sei die Verbesserung gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen worden, widrigenfalls die Beschwerde zurückgewiesen werde. Die Revisionswerberin sei dem Auftrag zur Verbesserung ihrer Eingabe weder innerhalb der ausdrücklich eingeräumten Frist, noch bis zum Entscheidungszeitpunkt nachgekommen.

In weiterer Folge verwies das Verwaltungsgericht auf Art. 8 Abs. 1 B-VG sowie darauf, dass Anbringen grundsätzlich in deutscher Sprache zu verfassen seien. Schriftliche und mündliche Anbringen seien in deutscher Sprache zu formulieren; ebenso wie bei unzulässigen könne auch bei fremdsprachigen Eingaben nach § 13 Abs. 3 AVG vorgegangen werden (Hinweis auf VwGH 20.6.2017, Ra 2016/01/0288). Werde eine schriftliche Eingabe nicht in deutscher Sprache verfasst, dann hafte dem Anbringen ein verbesserungsfähiger Mangel an, dessen Behebung dem Einschreiter unter Setzung einer angemessenen Frist mit der Wirkung aufzutragen sei, dass nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist die Zurückweisung erfolge. Da das von der Revisionswerberin eingebrachte Anbringen nicht in deutscher Sprache verfasst gewesen sei und sie dem Auftrag zur Behebung dieses Mangels nicht nachgekommen sei, sei dieses als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen und den angefochtenen Beschluss aufheben sowie der Revisionswerberin Kostenersatz zuerkennen.

4 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Gemäß § 11 Abs. 1 Zustellgesetz sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. 7 Zunächst ist anzumerken, dass das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983 idF BGBl. III Nr. 53/2005, welches die unmittelbare Zustellung eines Schriftstückes durch die Post im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten ohne dem Erfordernis einer Übersetzung zulässt, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil es von der Republik Polen nicht ratifiziert wurde. 8 Vielmehr ist im vorliegenden Fall das Übereinkommen - gemäß

Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt - über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005, welches auch von der Republik Polen ratifiziert wurde (vgl. dazu die Kundmachung BGBl. III Nr. 28/2008) maßgeblich. Dessen Art. 5 lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel 5

Übersendung und Zustellung von Verfahrensurkunden

(1) Jeder Mitgliedstaat übersendet Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, für sie bestimmte Verfahrensurkunden unmittelbar durch die Post.

(...)

(3) Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, dass der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in diese andere Sprache zu übersetzen."

9 Die Revisionswerberin rügt im Wesentlichen, mangels zwingend erforderlicher Beifügung einer Übersetzung in eine der Revisionswerberin verständliche Sprache sei ihr das gegenständliche Straferkenntnis nicht rechtswirksam zugestellt und ihr gegenüber somit auch nicht erlassen worden.

10 Die Revision ist aus dem von der Revisionswerberin aufgezeigten Grund zulässig und auch berechtigt.

11 Wie dem Verfahrensakt zu entnehmen ist, gab es im gegenständlichen Verfahren Anhaltspunkte dafür, dass die Revisionswerberin der deutschen Sprache unkundig ist, unter anderem weil sie sich zwei Mal ausschließlich in polnischer Sprache an die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht gewendet hat. In Anbetracht dessen wäre die belangte Behörde im Sinne des Art. 5 Abs. 3 des oben zitierten Übereinkommens gehalten gewesen, das an die Revisionswerberin nach Polen zugestellte Straferkenntnis - oder zumindest dessen wesentlichen Inhalt - in die polnische Sprache zu übersetzen. Da sie dies unterlassen hat, war die Zustellung des Straferkenntnisses nicht rechtswirksam (vgl. in diesem Sinne VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0097). Eine Heilung dieses Zustellmangels kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. Larcher, Zustellrecht (2010), Rz 574, mwH). 12 Grundsätzlich gilt, dass nur der Spruch des Bescheides, nicht aber dessen Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen kann. Dieser Grundsatz gilt aber jedenfalls für verfahrensrechtliche Bescheide nicht uneingeschränkt. Auch wenn sich der Spruch eines Bescheides auf die Zurückweisung eines Rechtsmittels beschränkt, ohne den Grund dafür in den Spruch aufzunehmen, so kommt der unterschiedliche normative Gehalt einer Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet oder unzulässig im Gegensatz zu jenem der Zurückweisung eines Rechtsmittels mangels Vorliegen einer anfechtbaren Entscheidung in der insoweit bindenden Begründung zum Ausdruck (vgl. zur auf Entscheidungen der Verwaltungsgerichte übertragbaren Rechtsprechung VwGH 9.8.2013, 2013/08/0137, mwN). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht das als Beschwerde gedeutete Schreiben der Revisionswerberin aus dem Grund als unzulässig zurückgewiesen, weil die Revisionswerberin einem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen sei. Tatsächlich wäre die "Beschwerde" zurückzuweisen gewesen, weil das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten der Revisionswerberin nicht rechtswirksam zugestellt und daher ihr gegenüber nicht erlassen wurde.

13 Da das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die Rechtslage verkannte, hat es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Juni 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeVerwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020029.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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