Entscheidungsdatum
29.03.2019Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W112 2210604-1/18E
Gekürzte Ausfertigung des am 10.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA INDIEN, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl.1132691800/181139737/BMI-BFA, und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 17.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 18.01.2017 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und erließ eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer. Es stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach INDIEN zulässig war und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen; es räumte ihm eine 14tätige Frist für die freiwillige Ausreise ein. Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 30.05.2017 als unbegründet ab. Beschwerde oder Revision gegen dieses Erkenntnis wurde von keiner der Parteien erhoben.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX im Zuge einer Verkehrskontrolle polizeilich betreten und festgenommen. In der niederschriftlichen Einvernahme am folgenden Tag verweigerte der Beschwerdeführer das Ausfüllen der Formblätter zur Beantragung eines Heimreisezertifikates. Das Bundesamt verhängte mit Bescheid vom XXXX , dem Beschwerdeführer zugestellt durch persönliche Übernahme um 12:00 Uhr, über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Unter einem stellte es dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung einen Rechtsberater zur Seite.
Gegen diesen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer durch XXXX als gewillkürten Vertreter Beschwerde und beantragte, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Nachsicht im Akt, Befragung des Beschwerdeführers und eines Verantwortlichen des Bundesamtes die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen.
Am 04.12.2018 legte das Bundesamt den Akt vor, erstattete eine Stellungnahme und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen, gemäß "§ 83 Abs. 4 FPG" feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.
Am 10.12.2018 fand die mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm.
Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 10.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer war INDISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Er verfügte über kein Aufenthaltsrecht in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 16.10.2016 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.01.2017 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt am 07.06.2017, als unbegründet abgewiesen. Es wurde weder Revision noch Beschwerde gegen dieses Erkenntnis erhoben. Der Beschwerdeführer war bei der Rückkehrberatung nicht rückkehrwillig und kam der Ausreiseverpflichtung nicht nach. Der Beschwerdeführer hätte sich der Abschiebung auf freiem Fuß entzogen, er war nicht ausreisewillig.
Der Beschwerdeführer verließ unmittelbar nach Beginn des Asylverfahrens unabgemeldet sein Quartier der Grundversorgung und lebte seither an verschiedenen Adressen; seit XXXX verfügte er über keine Meldeadresse mehr. Er bestritt seinen Lebensunterhalt nach der Grundversorgung und vor der Anmeldung des Gewerbes durch Schwarzarbeit. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers um eine echte selbstständige Tätigkeit handelt. Während sein Gewerbeschein ruhte, wurde er von Freunden unterstützt.
Dokumente legte der Beschwerdeführer in Österreich nur zur Erlangung des Führerscheins und der Gewerbeberechtigung vor, nicht aber im Asylverfahren oder zur Effektuierung der Ausreise. Er verfügte über ein soziales Netz, das ihm ein Leben im Verborgenen ermöglicht hätte.
Der Beschwerdeführer verweigerte die Unterschrift auf der Bescheidübernahmebestätigung und der Niederschrift, verweigerte Angaben bei der amtsärztlichen Untersuchung und das Ausfüllen eines Antrages zur Beantragung eines Heimreisezertifikates bei der INDISCHEN Botschaft. Er befand sich von 02.12.2018 bis 10.12.2018 im Hungerstreik.
Er war gesund und haftfähig und wurde seit XXXX im Polizeianhaltezentrum XXXX in Schubhaft angehalten. Am 06.12.2018 wurde der Beschwerdeführer zur Erlangung eines Heimreisezertifikates der INDISCHEN Botschaft vorgeführt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergaben sich aus den hg. mündlichen Verhandlungen am 10.12.2018, den beigeschafften Verwaltungs- und Gerichtsakten des Asyl- und Schubhaftverfahrens, Auskünften aus dem ZMR, IZR, SIS, Strafregister und der Anhaltdatei, den medizinischen Unterlagen betreffend die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, sowie dem Schreiben des Bundesamtes zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vom 10.12.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX und die Anhaltung in Schubhaft
Die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, 2 Z 1 FPG lagen vor: Der volljährige Beschwerdeführer war INDISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger und verfügte über kein Aufenthaltsrecht für Österreich. Eine durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme lag aufgrund der mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2017 verfügten Rückkehrentscheidung vor.
Das Bundesamt ging zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vorlag, weil die Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer unangemeldet aufhältig war, zutraf. Hinzu kam, dass er seine Dokumente nicht vorgelegt hatte, das Ausfüllen eines Antrages auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates verweigerte und in den Hungerstreik trat. Es ging auch zutreffend davon aus, dass Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG vorlag: Der Beschwerdeführer hatte die Grundversorgung ausgeschlagen, keine Familie in Österreich und keinen ordentlichen Wohnsitz mehr. Er hatte Freunde, die ihn den Aufenthalt im Verborgenen ermöglicht hätten. Es wurde ein Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung eingeleitet.
Die belangte Behörde auch zutreffend davon aus, dass mit der Verhängung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG nicht das Auslangen gefunden werden konnte: Im Falle des Beschwerdeführers bestand bei Vorliegen einer durchführbaren Rückkehrentscheidung (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) erhebliche Fluchtgefahr, auf Grund derer wegen des persönlichen Eindrucks, den der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung vermittelte, sowie seinem Vorverhalten nicht das Auslangen gefunden werden konnte.
Die Anhaltung war auch verhältnismäßig: Dabei war gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, dass eine durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag. Das Verfahren wurde schnell geführt, die Vorführung vor die INDISCHE Botschaft fand am 06.12.2018 statt. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates war auf Grund des Visums und der sichergestellten Dokumente auch ohne vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antrag mit hinreichender Sicherheit zu rechnen. Der Beschwerdeführer war bei der Verhängung der Schubhaft uneingeschränkt haftfähig und blieb trotz Hungerstreiks haftfähig.
Die Beschwerde gegen den Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft war daher abzuweisen.
Zu A.II.) Fortsetzungsausspruch
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor:
Der Beschwerdeführer war weiterhin nicht aufenthaltsberechtigter Fremder und gegen ihn bestand eine weiterhin eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.
Es lag weiterhin erhebliche Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG vor.
Mit der Verhängung gelinderer Mittel konnte angesichts des Vorverhaltens des Beschwerdeführers und insbesondere seinen Einlassungen in der hg. mündlichen Verhandlung und dem persönlichen Eindruck, den er dabei vermittelte, bei Vorliegen einer durchführbaren Rückkehrentscheidung (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden.
Die Anhaltung war weiterhin verhältnismäßig, da der Beschwerdeführer weiterhin gesund war, das Verfahren vom Bundesamt effizient geführt wurde und mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates und in weiterer Folge der Durchführung der Abschiebung weiterhin zu rechnen war.
Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen.
Zu A.III. und A.IV.) Anträge auf Kostenersatz
Dem Beschwerdeführer gebührte als unterlegener Partei kein Kostenersatz, die belangte Behörde war auf Grund der Beschwerdeabweisung obsiegende Partei und hatte Anspruch auf Kostenersatz.
§ 1 VwG-AufwErsV bestimmte die Höhe des zu ersetzenden Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei mit €
57,40 und die Höhe des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei mit € 368,80. Der Beschwerdeführer hatte der belangten Behörde daher Kosten iHv € 426,20 zu ersetzen.
Der Abspruch über den Barauslagenersatz wurde einer separaten Entscheidung vorbehalten.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder wich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlte es an einer Rechtsprechung; weiters war die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch lagen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor: Die Rechtslage zu § 76 Abs. 3 FPG war auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021, die Rechtslage zu § 35 VwGVG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144, geklärt.
Text
BEGRÜNDUNG der gekürzten Ausfertigung
Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.
Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 10.12.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.
Schlagworte
Fluchtgefahr, gekürzte Ausfertigung, Kostenersatz, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W112.2210604.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.07.2019