TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/30 W272 2217886-1

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Entscheidungsdatum

30.04.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
VwGVG §35

Spruch

W272 2217886-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX Staatsangehörigkeit Nigeria, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 09.04.2019, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde vom 24.04.2019 wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 09.04.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gem. § 22 a Abs. 3 BFA-VG iVm §76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Bund hat gem. § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in der Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) hat am 12.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 13.07.2017 gab der BF an, dass er am 01.03.2017 einen Asylantrag in Italien gestellt hat.

2. Der BF wurde mit 22.07.2017 von der Betreuungsstelle Thalham abgemeldet.

3. Der BF ist freiwillig nach Italien ausgereist.

4. Mit Bescheid vom 17.10.2017 Zahl IFA XXXX , Verfzl Zl. XXXX wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 12.07.2017 ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wird. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist gem. Art. 25 (2) iVm 18 (1) (b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates Italien zuständig. Weiters wurde ausgesprochen, dass gem. § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) eine Außerlandesbringung angeordnet wird. Demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Italien zulässig ist.

5. Der BF reiste am 04.04.2019 aus Deutschland kommend in das Bundesgebiet ein. In Deutschland war er seit 04.01.2019 und arbeitete als Tellerwäscher.

6. Der BF wurde am 08.04.2019 im Rahmen einer Hausdurchsuchung in einer Wohnung in Wien angetroffen.

7. Aufgrund eines Festnahmeauftrages wurde der BF von der Landespolizeidirektion Niederösterreich festgenommen und dem BFA Niederösterreich vorgeführt und niederschriftlich befragt. Hierbei gab er zusammenfassend an, dass er in Palermo war und am 04.01.2019 in Berlin war, wo er als Tellerwäscher gearbeitet habe. Am 04.04.2019 sei er nach Österreich gefahren. Er besitze einen nigerianischen Pass und einen italienischen Aufenthaltstitel. Er habe keine Geldmittel mehr und sei nach Österreich gekommen, da dies ein Freund ihm gesagt habe und er hier einen Aufenthalt haben könne. Er sei nicht krank, habe keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte, keinen gemeldeten Wohnsitz noch gehe er einer legalen Beschäftigung nach. Er sei nach Österreich gekommen um einen Freund zu besuchen und habe bei einem anderen Freund übernachtet.

8. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.04.2019 verhängte das BFA über den Beschwerdeführer gem. Art. 18. Abs. 1 und 2 der Dublin Verordnung iVm. § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens. Begründend führte das Bundesamt aus, dass für das weitere Verfahren des Beschwerdeführers ITALIEN nach der Dublin III-VO zuständig sei und der BF zu überstellen sei. Er habe keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, sei mittellos und bereise mehrere und unterschiedliche europäische Länder bereist. Er sei ohne polizeiliche Meldung und für die Behörden nicht greifbar. Aufgrund seines SMG-Vergehens sei in seinem Fall von einer erhöhten Fluchtgefahr auszugehen bzw. die Gefahr sich den staatlichen Einrichtungen zu entziehen auszugehen. Er halte an seinem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fest, da er entgegen der Rechtslage nicht gewillt ist in dem für sein Verfahren zuständigen Mitgliedstaat Italien zu verbleiben. Er habe keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Er verfüge über keine familiären oder sozialen Beziehungen in Österreich und gehe keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er habe keine ausreichenden Existenzmittel oder existierenden gesicherten Wohnsitz. Es bestehe daher eine ganz erhebliche Fluchtgefahr und mit einem gelinderen Mittel wie die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung kann nicht das Auslangen gefunden werden. Er sei nicht bereit das Bundesgebiet aus eigenem Entschluss heraus zu verlassen. Er sei wiederholt mit der Suchtmittelkriminalität in Konflikt geraten und sei aktuell wegen eines Suchtmitteldeliktes vom LG Wien unter GZ 142Hv72/17z zur Personenfahndung (Aufenthaltsermittlung für Gericht) ausgeschrieben. Eine ehestmögliche Überstellung nach Italien werde im Zuge des Konsultationsverfahrens fixiert.

9. Mit Schreiben vom 24.04.2019 erhob der BF Beschwerde gem. § 22 a BFA-VG gegen den gegenständlichen Bescheid. Begründet wurde dieser, dass der BF über einen italienischen Aufenthaltstitel und einen nigerianischen Pass sowie ausreichend Barmittel in der Höhe von ca. € 800 verfüge sowie seine Einreise in das Bundesgebiet nicht unrechtmäßig erfolgt sei. Gegenüber dem BF bestehe kein Aufenthalts- oder Einreiseverbot sowie keine aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung. Sei er jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet, so sei er verpflichtet gewesen in den Vertragsstaat zurückzukehren, in welche er einen Aufenthaltstitel habe. Erst bei Missachtung dieser Verpflichtung oder im Falle der Verletzung des ordre-public habe eine Abschiebung zu erfolgen. Der BF sei nicht verpflichtet worden nach Italien auszureisen. Er sei auch strafrechtlich unbescholten. Auch habe er zusagt, nach seiner Entlassung aus der Schubhaft unverzüglich nach Italien zurückzukehren. Weiters würden auch kein Grund der Fluchtgefahr vorliegen. Die Schubhaft darf nie als Standard-Maßnahme gesehen werden und aufgrund der kurzen Zeit in Österreich sei es auch nicht möglich und würden keine besonderen Umstände darstellen, dass er bisher eine fehlende berufliche und soziale Verankerung in Österreich habe. Der BF habe immer mit den österreichischen Behörden zusammengearbeitet, nie unrichtige Angabe gemacht und die Behörde habe es unterlassen dies zu würdigen. Auch wäre ein gelinderes Mittel wie die Anordnung einer periodischen Meldeverpflichtung ausreichend und naheliegend gewesen. Der BF sei bereit mit den Behörden zu kooperieren und würde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtung sowie einer allfälligen angeordneten Unterkunftsnahme Folge leisten. Weiters beantragte der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Beweis des Nichtvorliegens eines Sicherungsbedarfes sowie zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels. Die Anträge lauten auf Behebung des angefochtenen Bescheides und Aussprache, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, sowie in Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen würden. Es wurde der Ersatz der Aufwendungen des BF gem. VwG-Aufwandsersatzverordung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, beantragt.

10. Mit Beschwerdevorlage ergänzte das BFA den Bescheid und wies daraufhin, dass ein 2017 geführtes INT-Verfahren mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung in 1. Instanz rechtskräftig abgeschlossen wurde. Ein DUO-Verfahren und damit ein Kosultationsverfahren eingeleitet wurde. Eine selbständige Ausreise nach Italien nicht nachweislich dokumentiert wurde, jedoch mit 25.09.2017 angenommen wird. Die Person im Rahmen einer Suchtmittelamtshandlung gestellt und Barmittel und Gegenstände im Zusammenhang mit dem Grund der Amtshandlung von der Polizei sichergestellt wurde. Die Person ohne ZMR-Meldung im BG aufhältig war und kein gesicherter Wohnsitz bestehen würde. Der BF mittellos sei und keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht. Der BF wegen §27 SMG zur Aufenthaltsermittlung für Gericht ausgeschrieben ist und mehrmals wegen § 27 SMG polizeilich in Erscheinung getreten ist. Familiäre, soziale oder integrationsrelevante Beziehungen im Bundesgebiet nicht bestehen. Die Person einen nigerianischen Reisepass und eine italienische Aufenthaltstitel CASI SPECIALI besitzt. Aus den oa. Gründen die Beschwerde als unbegründet abzuweisen sei, sowie festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und der BF zum Ersatz der angeführten Kosten in der Höhe von € 426,20 zu verpflichten sei.

11. Mit Schreiben vom 09.04.2019 und 25.04.2019 (Verfristungsschreiben-Konsultationsverfahren) ersuchte das BFA Italien zur Veranlassung der notwendigen Maßnahmen zur Rückführung des BF. Ein genauer Zeitpunkt wurde noch nicht festgelegt.

11. Die Beschwerde langte am 24.04.2019 beim BVwG ein.

12. Auf Nachfrage des BVwG teilte die Behörde mit, dass die Einreise nach Österreich nicht dokumentiert ist, jedoch insgesamt eine hohe Reiseaktivität des BF angenommen wird. Am 19.07.2017 in Wien Brunnengasse eine Anzeige gegen den BF wegen SM-Besitz (Cannabiskraut) eingebracht wurde, jedoch wegen § 38 SMG von der Verfolgung zurückgetreten wurde. Am 19.08.2017 gegen den BF wegen SM-Verkauf eine Anzeige erstattet und in diesem Zusammenhang eine Aufenthaltsermittlung durchgeführt wurde. Das Verfahren ist noch aufrecht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger NIGERIAS, der in Italien über einen gültigen Aufenthaltstitel "CASI SPECIALI" verfügt.

Der Beschwerdeführer stellte am 01.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien.

Der Beschwerdeführer stellte am 12.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Beschwerdeführer reiste freiwillig nach Italien aus.

Mit rechtskräftigen Bescheid vom 17.10.2017 Zahl IFA XXXX , Verfzl Zl. XXXX seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen wurde, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 12.07.2017 ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wird. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist gem. Art. 25 (2) iVm 18 (1) (b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates Italien zuständig ist. Weiters ausgesprochen wurde, dass gem. § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) eine Außerlandesbringung angeordnet wird. Demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Der BF reiste von Italien am 04.01.2019 nach Deutschland aus und arbeitete als Tellerwäscher.

Der Beschwerdeführer reiste von Deutschland aus am 04.04.2019 nach Österreich ein.

Der Beschwerdeführer stellte keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Er wurde am 08.04.2019 im Zuge einer Hausdurchsuchung in 1160 Wien, XXXX aufgefunden und in Verwahrungshaft genommen und am 09.04.2019 durch das BFA einvernommen.

Mit oa. Bescheid des Bundesamtes vom 09.04.2019 verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens nach Italien.

Der Beschwerdeführer hat keine familiäre oder enge soziale Kontakte in Wien. Er verfügt derzeit über keine Geldmittel.

Gegen den BF liegt eine Aufenthaltsermittlung für eine Behörde der Strafjustiz als Beschuldigter wegen des Vergehens nach §§27/Z2a, 27/3, 27/1Z2, 27/2 SMG durch die LPD LKA Ass Wien für Wien vor.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass er BF nicht bereit ist das Bundesgebiet freiwillig nach Italien zu verlassen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren. Der italienische Aufenthaltstitel ergibt sich aus dem vorgelegten Dokument. Die Festellungen zur familiären und sozialen Beziehungen in Österreich ergibt sich aus der Niederschrift vor dem BFA. Dass der BF vom 04.01.2019 bis 04.04.2019 in Deutschland war und als Tellerwäscher arbeitete ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 09.04.2019 vor dem BFA (AS 30). Die Einreise mit 04.04.2019 ergibt sich aus den Angaben des BF.

Dass der BF im Jahr 2017 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Italien ausreiste ergibt sich aus der Aktenlage und einem email seitens des BFA (AS 47).

Die Aufenthaltsermittlung ergibt sich aus dem im Akt vorliegenden Amtsvermerk vom 08.04.2019 Landespolizeidirektion Niederösterreich.

Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist ergibt sich aus dem Strafregisterauszug.

Dass der BF in Österreich nicht gemeldet ist ergibt sich aus dem ZMR und seinen Angaben vor dem BFA.

Der BF gab zu keiner Zeit an, dass er nicht freiwillig das Bundesgebiet verlassen werde und nicht wieder nach Italien zurückkehren werde.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

4. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A.I-II.) - Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung bzw. Fortsetzung in Schubhaft.

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz in Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 1), dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 2), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 3).

Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Er ist im Besitz eines nigerianischen Reisepasses und eines italienischen Aufenthaltstitels.

Über den Beschwerdeführer wurde die Schubhaft gem. Art. 18. Abs. 1 und 2 der Dublin Verordnung iVm. § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens verhängt.

§ 52 Abs. 6 FPG bestimmt: "Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen."

§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG normiert, dass sich ein Fremder rechtmäßig bis zu drei Monaten (Art. 21 SDÜ) im Bundesgebiet aufhält, wenn er Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist, sofern er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgeht.

Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass der BF sich zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung länger als den in § 31 Abs. 1 Z 3 FPG normierten Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hat. Der BF gab jedoch selber an, dass er seit 04.01.2019 in Deutschland (Berlin) war und mit 04.04.2019 nach Österreich einreiste.

Wie der VwGH schon in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0103 aussprach ist der Art 21 Abs. 1 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen), dessen "Geltung" ausdrücklich angeordnet ist anzuwenden und somit bei der Auslegung dieser Bestimmung einzubeziehen. Dieser lautet:

"Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitel sind, können sich aufgrund dieses Dokumentes und eines gültigen Reisedokumentes bis zu drei Monaten in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Abs. 1 a, c und e der Verordnung (EG)Nr. 562/2006... (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisvoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen."

Nunmehr sind die in Art. 6 Abs. 1 lit. a, c und e VO (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex n.F.)) aufgeführten Einreisevoraussetzungen zu erfüllen.

Art. 6 Abs. 1 der erwähnten Verordnung (EU) Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex n.F. - SGK) ordnet (auszugsweise) an:

"Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige

(1) Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen folgende Einreisevoraussetzungen:

a) Er muss im Besitz eines gültigen Reisedokuments sein das seinen Inhaber zum Überschreiten der Grenze berechtigt und

folgende Anforderungen erfüllt:

i) Es muss mindestens noch drei Monate nach der geplanten Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültig (sein).

In begründeten Notfällen kann von dieser Verpflichtung abgesehen

werden.

ii) Es muss innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre ausgestellt worden sein.

b) ...

c) Er muss den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen, und er muss über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des

beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben.

d) ...

e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein."

Schon der klare Wortlaut der zitierten Bestimmung lässt erkennen, dass danach der von einem Mitgliedstaat ausgestellte Aufenthaltstitel nur zum vorübergehenden Aufenthalt (drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten) berechtigt. Dass gemäß Art 21 SDÜ gegebene Aufenthalts- und Bewegungsrecht innerhalb der Vertragsstaaten solle auf private oder touristische Zwecke eingeschränkt sein. Aus dieser Bestimmung ist jedoch nicht ableitbar und Telos, dass der BF im gesamten Schengener Raum jeweils für drei Monate in einem Mitgliedstaat verweilt und nicht mehr in seinen Staat, welcher ihn einen Aufenthaltstitel ausstellte zurückkehrt. Da der BF bereits drei Monate in Deutschland - einem Mitgliedstaat - verbrachte, wäre er verpflichtet wieder nach Italien zurückzukehren und ist daher nicht berechtigt gleich anschließend nach Österreich zu reisen, um dort für drei weitere Monate zu verbleiben. Unabhängig davon ist es jedoch notwendig, dass der BF über die notwendigen Mittel für die Dauer des Aufenthaltes verfügen kann. Diese notwendigen Mittel für einen Aufenthalt in Österreich oder den rechtmäßigen Erwerb solcher Mittel für einen längeren Aufenthalt konnte der BF nicht darlegen, sodass der Aufenthalt in Österreich daher nicht rechtmäßig ist (vgl. VwGH vom 07.03.2019, RO 2018/21/0009).

Da der BF jedoch über einen gültigen Aufenthaltstitel in Italien verfügt, wäre er verpflichtet gewesen, dass Hoheitsgebiet zu verlassen und einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Diese Möglichkeit gab die Behörde den BF jedoch nicht, forderte ihn dazu nicht auf, noch ist ersichtlich, dass der BF nicht gewillt gewesen wäre, einer solchen Aufforderung nicht nachzukommen. Der BF gab keinen Grund zur Annahme, dass er nicht gewillt ist freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen, auch zeigte er bei seiner freiwilligen Ausreise im Jahr 2017, dass er gewillt war das Bundesgebiet zu verlassen. Es bestand daher keine Notwendigkeit, dass der BF zur Sicherung der Übernahme durch Italien festgenommen werden musste. Auch die Nichtanordnung einer U-Haft durch ein Gericht aufgrund eines Antrages der Staatsanwaltschaft zeigt, dass nicht von einer Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit auszugehen war. Gegen den BF liegen keine strafrechtlichen Verurteilungen vor. Die Schubhaft dient auch nicht dem Zweck eine etwaige Strafverfolgung im Sinne des Verfahrens 142 HV 72/17z-1 (Anlass §§ 27/2a, 27/3,27/1Z2, 27/2 SMG) sicherzustellen. Dem BF hätte die Möglichkeit gegeben werden müssen, die Kosten für die Ausreise (Bahnticket), welche als gering einzustufen sind, durch zumindest Unterstützung von anderen aufzubringen und den Nachweis der Behörde vorzulegen.

War Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114).

Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft sei 09.04.2019 für rechtswidrig zu erklären.

Aus den oben genannten Erwägung war daher der Schubhaftbescheid sowie die darauf gestützte Anhaltung für rechtswidrig zu erklären.

2. Fluchtgefahr:

Die belangte Behörde verhängte die Schubhaft laut Spruch gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens.

Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223).

Der BF ist als Staatsangehöriger Nigerias Drittstaatsangehöriger und stellte den Antrag auf internationalen Schutz in ITALIEN nach dem 01.01.2014. Daher ist die Dublin III-VO auf den BF anwendbar. Er wurde zur Sicherung der Abschiebung nach ITALIEN in Schubhaft genommen, nachdem er in ITALIEN einen Asylantrag stellte und in das Bundesgebiet weiterreiste.

Art. 28 der seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.

Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.

Hierbei muss jedoch eine erhebliche Fluchtgefahr vorherrschen. Die in den Bestimmungen des FPG vorhandene taxative Aufzählung von Möglichkeiten für Fluchtgefahr alleine reichen jedoch nicht aus um von einer erheblichen Fluchtgefahr im Sinne der der Dublin III-VO zu sprechen.

In einer der Grundsatzentscheidungen, sprach der VwGH mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 zu § 76 Abs. 3 Z3 FPG aus: Die Notwendigkeit der Schubhaft kann sich daraus ergeben, dass sich der Fremde vor der Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Staat dem behördlichen Zugriff entzogen und hierüber nach seiner Einreise zusätzlich falsche Angaben gemacht hat (VwGH vom 28. Juni 2007, 2006/21/0051). Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt insbesondere dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu. Die konkrete Situation des Asylwerbers muss geprüft werden, auch wenn er als Fremder vorher in einem sicheren Drittland einen Asylantrag gestellt hat (vgl. VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0027).

Z 6: Auch bei Fällen mit Dublin-Bezug ist darauf zu achten, dass die Schubhaftverhängung keine Standardmaßnahme gegen Asylwerber sein darf (VwGH vom 28. Februar 2008, 2007/21/0391). Siehe auch Erläuterungen zu Z 3.

Z 6 berücksichtigt insbesondere die bisherige Judikatur des VwGH, wonach für die Schubhaftverhängung ‚besondere Gesichtspunkte vorliegen (müssen), die erkennen ließen, es handle sich um eine von den typischen ‚Dublin-Fällen' abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Fremden geschlossen werden könne' (Zl 2014/21/0075 sowie Zl 2013/21/0170 mwN).

Die von der Behörde begründete erhebliche Fluchtgefahr aufgrund dessen, dass der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben darüber gemacht hat (§ 76 Abs. 3 Z6 FPG), kann das BVwG nicht aus den vorliegenden Akten feststellen, zumal der BF in diesem Verfahren zu keinem Zeitpunkt über seine Staatsbürgerschaft hinwegtäuschte, keinen weiteren Antrag stellte, im Gegenteil klar darlegte, dass er in Italien einen Aufenthaltstitel hat und den Behörden auch freiwillig seine Ausweise und persönlichen Daten inkl. Adressen übergab (Amtsvermerk v. 08.04.2019). Dass der BF versucht hat in einen dritten Mitgliedstaat von Österreich aus weiterzureisen, wurde in keinem Stadium des Verfahrens durch die Behörde festgestellt und kann auch nicht durch das BVwG festgestellt werden. Es liegen keine mit maßgebender Wahrscheinlichkeit, aufgrund konkreter Anhaltspunkte, drohende Verfahrensvereitelungen in Hinblick auf das Überstellungverfahren vor. Die Vereitelung eines strafrechtlichen Verfahrens in Hinblick auf eines SMG-Vergehens kann nicht Grundlage der Verhängung einer Schubhaft sein.

Eine weitere Begründung der erheblichen Fluchtgefahr fand die Behörde aufgrund des festgestellten Sachverhaltens, dass der BF keine soziale Verankerung in Österreich hat, insbesondere keine familiären Beziehungen, Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z9). Aufgrund der geringen Aufenthaltsdauer kann dem BF nicht zur Last gebracht werden, dass er über keine oder nur geringe soziale Verankerung in Österreich verfügt, bzw. keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht. Der BF war nicht obdachlos, sondern hatte eine Unterkunft. Er besaß zwei Handys und Bargeld. Die geringe soziale Verankerung kann nicht tragende Säule für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sein und damit Grundlage der erheblichen Fluchtgefahr.

Auch wenn im Gegensatz zur Ansicht des BVwG seitens der Behörde ein Sicherungsbedarf gegeben ist, so hat die Behörde gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme besteht, dass der Zweck der Schubhaft damit erreicht werden kann.

§ 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Die verhängte Schubhaft ist jedoch nach Ansicht des Gerichtes als Ultima Ratio zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welche das BFA Gebrauch machen hätte müssen. Warum der BF nicht vertrauenswürdig ist, konnte das BFA nicht darlegen. Dem BFA wäre es möglich gewesen, beim BF ein gelinderes Mittel anzuwenden und eine engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF war mit den Behörden kooperativ und war bisher strafrechtlich unbescholten. Eine Anzeige aus dem Jahr 2019 ist nicht vorhanden. Die Aufenthaltsermittlung geht aus einem Verfahren aus dem Jahr 2017 zurück. Der BF hat einen nigerianischen Reisepass, einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel und eine Unterkunft, wobei die Behörde es unterlassen hat nachzugehen, ob die zur Verfügungstellung der Unterkunft kostenlos war und er sich daher dort anzumelden hat. Der Behörde wäre es daher möglich gewesen, den BF durch gelindere Mittel wie die Anordnung einer periodischen Meldeverpflichtung anstelle der Schubhaft den Zweck des Überstellungsverfahrens zu erreichen. Es wäre auch die Unterkunftnahme in der von der Behörde bestimmten Räumlichkeit möglich gewesen.

Durch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erweist sich auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung als rechtswidrig.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen:

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur "ermächtigt", einen "weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

Aus dem festgestellten Sachverhalt sind keine neuen Anhaltegründe im Sinne des § 76 Abs. 2 hinzugetreten, welche die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Schubhaft schaffen.

Zu Spruchpunkt A III - IV. - Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Dem Beschwerdeführer gebührte als obsiegende Partei Kostenersatz, die belangte Behörde war auf Grund der Beschwerdestattgabe unterlegene Partei und hatte keinen Anspruch auf Kostenersatz.

Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerde, den Ersatz der Verfahrenskosten. § 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer daher Kosten iHv €

737,60 zu ersetzen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Da im gegenständlichen Fall der maßgebliche und der hg. Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint und der BF nur bei nicht antragsgemäßer Entscheidung eine mündliche Verhandlung verlangte, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Ausreisewilligkeit, Dublin III-VO, gelinderes
Mittel, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W272.2217886.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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