TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/30 L511 2005085-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2019
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Entscheidungsdatum

30.04.2019

Norm

ASVG §35
ASVG §4
ASVG §410
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L511 2005085-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch GEWEST Steuer- und BetriebsberatungsgmbH, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 21.07.2011, XXXX , zu Recht erkannt (mitbeteiligte Partei XXXX ):

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse

1.1. Gegenständliches Verfahren wurde eingeleitet durch Übermittlung der Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vom 01.02.2010 der mitbeteiligten Partei XXXX [BB] von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft Salzburg [SVA] an die Salzburger Gebietskrankenkasse [SGKK].

1.2. Die SGKK führte in der Folge ein Ermittlungsverfahren durch und holte einen Fragebogen zur Klärung der Versicherungspflicht (ausgefüllt am 16.04.2010), sowie Honorarnoten und Stundenaufzeichnungen von BB ein.

1.3. Auf Grund dieser Erhebungen forderte die SGKK den Beschwerdeführer im Juli 2010 auf, die bis dato angefallenen Beiträge nachzuzahlen, sowie BB laufend zur Sozialversicherung anzumelden.

1.4. Der Beschwerdeführer führte in der Folge gemeinsam mit BB mit undatiertem Schreiben [StN] aus, dass ein mündlicher Werkvertrag abgeschlossen worden sei. BB sei für das Projekt "Wohnbauvorhaben XXXX " beschäftigt worden und habe für den restlichen Bürobetrieb weder weitere Leistungen erbracht, noch sei sie in diesen eingegliedert gewesen. Der Arbeitsort sei frei wählbar gewesen und sie sei auch an keine Arbeitszeiten gebunden gewesen, habe jedoch Bauherrenbezogene Termine einzuhalten gehabt.

1.5. Über Antrag des Beschwerdeführers vom 28.09.2010 stellte die SGKK mit Bescheid vom 21.07.2011, GZ XXXX , fest, dass BB in der Zeit von 01.02.2010 - 15.10.2010 aufgrund der für den Beschwerdeführer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten entgeltlichen Tätigkeit der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlag [VPflB].

Begründend wurde ausgeführt, dass BB Planungs- und Zeichnungstätigkeiten im Rahmen eines Projektes durchführte. Es läge persönliche Arbeitsleistung vor, eine willkürliche Vertretung sei nicht möglich. BB verfüge über keine betrieblichen Strukturen und die Tätigkeit wird bei projektbezogenem Bedarf ausgeübt. BB arbeite im Büro des Beschwerdeführers und besitze keine Gewerbeberechtigung. Dies ergebe sich aus den Angaben von BB und deren Stundenaufzeichnungen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Weisungsfreiheit sei nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer hafte.

1.6. Mit Bescheid vom selben Tag, GZ XXXX , verpflichtete die SGKK den Beschwerdeführer als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG zur Entrichtung von nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von EUR 10.616,19 an die SGKK. Die Verpflichtung sei unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 30, 33, 34, 35 Abs. 1, 42 Abs. 3, 44 Abs. 1, 45, 49 Abs. 1 und 2, 54, 58 Abs. 1 und 2 ASVG und § 6 BMSVG ausgesprochen worden und nehme Bezug auf den Versicherungspflichtbescheid vom 21.07.2011 und auf die Beitragsvorschreibungen vom 23.08.2010 und 23.11.2010, welche einen integrierten Bestandteil des Bescheides darstellten [NVB] (hg. GZ 2005085-2).

1.7. Mit Schreiben vom 23.08.2011, Postaufgabe am 25.08.2011, wurde gegen oben bezeichnete Bescheide fristgerecht Einspruch, nunmehr Beschwerde, erhoben.

Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses wurde bestritten. Der Beschwerdeführer führte aus, BB sei als bautechnische Zeichnerin für ausschließlich ein Projekt tätig gewesen. Es habe sich um einen mündlichen Werkvertag gehandelt. Die Zeiteinteilung sei projektbezogen erfolgt. Die Verwendung des Computersystems, die projektbezogenen Terminvorgaben und die Kontrollmaßnahmen ließen noch nicht auf eine Dienstnehmereigenschaft schließen.

Im Hinblick auf die Höhe der Nachverrechnung wurde (ohne weitere Begründung) ausgeführt, dass die Nachverrechnung nicht auf den Honoraren basiere.

2. Die SGKK übermittelte der damalig zuständigen Rechtsmittelbehörde, der Landeshauptfrau von Salzburg [LH], mit Vorlagebericht vom 18.05.2012 den Verwaltungsakt samt Einspruch und verwies auf die Bescheidbegründung.

2.1. Das Nachverrechnungsverfahren wurde mit Bescheid der LH vom 01.10.2012, GZ 20305-V/15.009/3-2012, ausgesetzt (hg. GZ 2005085-2), um den Ausgang des Versicherungspflichtverfahrens abzuwarten.

3. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Weiterführung der oben bezeichneten zum 31.12.2013 beim Landeshauptmann von Salzburg anhängig gewesenen Verfahren gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht [BVwG] über (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1).

3.1. Am 25.04.2019 führte das BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der alle Parteien teilnahmen (OZ 3), und in der die Tätigkeit von BB für den Beschwerdeführer im Detail erörtert wurde.

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. BB war von 01.02.2010 bis 15.10.2010 für den Beschwerdeführer als bautechnische Zeichnerin tätig. Sie wurde für das Projekt "Wohnbauvorhaben XXXX " [WT] beschäftigt und war ausschließlich im Rahmen dieses Projektes tätig. BB wurde zur temporären Unterstützung für die Dauer des Projektes WT beschäftigt, wobei die Mitarbeit von vornherein mit Projektende terminiert war. BB und der Beschwerdeführer schlossen für diese Tätigkeit einen mündlichen "Werkvertrag" ab, wobei insbesondere vereinbart war, dass BB selbst für die Abführung der Abgaben (Sozialversicherung und Steuer) zu sorgen habe.

1.2. Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum als Architekt selbständig tätig. BB führte für den Beschwerdeführer Planungs- und Zeichnungstätigkeiten im Rahmen einer Werkplanung durch. Die Werkplanung erfolgte auf Basis der bereits vom Beschwerdeführer vorliegenden Einreichpläne sowie aus den im Verlauf der Planung entstehenden Vorgaben der Haustechnik, der Statik, der Wohnbauförderung, etc. Neben BB war ein weiterer Mitarbeiter des Beschwerdeführers ebenfalls für das Projekt WT zuständig. Die Planungs- und Zeichnungstätigkeiten erfolgten grundsätzlich parallel, es gab jedoch Überschneidungen, die eine Absprache erforderlich machten. BB hielt soweit notwendig persönlich ohne Zwischenschaltung des Beschwerdeführers Kontakt mit den ausführenden Projektpartnern, etwa der Installationsfirma oder der Elektrofirma, und erstellte auf Grund deren Angaben und Bedürfnissen selbständig die notwendigen Werkpläne.

1.3. BB verfügt über eine entsprechende Ausbildung und das notwendige Knowhow zur Planerstellung, so dass sie die Werkpläne weitgehend selbständig erstellen konnte und mit dem Beschwerdeführer daher nur besondere Problemstellungen besprochen hatte. Diese erfolgten in offener Kommunikation im Büro des Beschwerdeführers, ohne dass dafür spezielle Besprechungstermine vorgesehen gewesen wären. Es gab auch weder eine ausdrückliche Berichtspflicht, noch erfolgte eine Kontrolle der einzelnen Pläne seitens des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hatte sich jedoch zu Beginn der Tätigkeit von BB von deren Qualifikation anhand von erstellten Plänen überzeugt. Die Haftung für die von BB erstellten Pläne gegenüber dem Auftraggeber für das Projekt WT lag ausschließlich beim Beschwerdeführer.

1.4. BB hätte sich grundsätzlich vertreten lassen können. Tatsächlich ist jedoch nie eine Vertretung erfolgt, weil es dazu einer Einarbeitung einer fachlich qualifizierten Person in das Projekt WT bedurft hätte.

1.5. Für die Tätigkeit verwendete BB einen PC-Arbeitsplatz im Büro des Beschwerdeführers. Sowohl das erforderliche Softwareprogramm zum Zeichnen der Pläne, als auch sämtliche übrigen Arbeitsmittel, etwa

Plotter, Telefon, ... waren im Büro des Beschwerdeführers vorhanden

und mussten nicht von BB bereitgestellt werden. Es wäre ihr aber auch freigestanden die Pläne auf einer anderen, eigenen Software anzufertigen. Für den Beschwerdeführer war nur wesentlich, dass die Pläne (zusätzlich) im Format DWG abgespeichert werden konnten, damit diese weiterbearbeitet und archiviert werden konnten.

1.6. Die Arbeitszeit war an die projektbedingten Erfordernisse geknüpft. Das bedeutet, dass die Pläne entsprechend dem Baufortschritt zu zeichnen bzw. zu adaptieren waren. Weitere zeitliche Vorgaben seitens des Beschwerdeführers an BB gab es nicht. BB war im Wesentlichen aus Praktikabilitätsgründen hauptsächlich tagsüber im Büro, damit sie für Projektpartner am Bau erreichbar war bzw. diese erforderlichenfalls erreichen konnte.

1.7. Die Entlohnung erfolgte nach geleisteten Arbeitsstunden mit EUR 19,00 je Stunde. BB führte zu diesem Zweck Stundenaufzeichnungen, die auch Basis der Bezahlung waren.

1.8. BB verfügte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über keine Gewerbeberechtigung.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen, sowie durch die mündliche Verhandlung vom 25.04.2019 [VHS] (OZ 3). Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG folgende Unterlagen herangezogen:

* Versicherungserklärung vom 01.02.2010 [VE]

* Fragebogen ausgefüllt von BB vom 16.04.2010 [FB]

* Stellungnahme des Beschwerdeführers [StN]

* Beschwerde [Bsw]

* Bescheide [B]

* Verhandlungsschrift vom 25.04.2019 [VHS]

2.2. Die Feststellung ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben von BB und dem Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem BVwG (OZ 3). Strittig geblieben ist im Verfahren ausschließlich die rechtliche Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG].

3.1.2. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die OÖGKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

3.1.3. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

3.1.4. Verfahrensgegenständlich maßgebliche Rechtsgrundlagen des ASVG

Gemäß § 4 Abs. 1 Z1 ASVG sind aufgrund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Gemäß Z14 leg.cit. sind auch die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

§ 35 Abs. 1 ASVG: Als Dienstgeber gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht) geführt wird, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in den Dienst genommen hat, oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts verweist.

Gemäß § 4 Abs. 4 ASVG stehen den Dienstnehmern Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe (Z1) oder eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit) (Z2), wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind (lit.a) oder dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt (lit.b) oder dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird (lit.c) oder dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes (lit.d), handelt.

Gemäß § 4 Abs. 6 ASVG schließt eine Pflichtversicherung gemäß Abs. 1 für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß Abs. 4 aus.

§1 ALVG§ 1 Abs. 1 lit.a AlVG: Für den Fall der Arbeitslosigkeit sind Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, versichert (arbeitslosenversichert) soweit sie in der Krankenversicherung auf Grund gesetzlicher Vorschriften pflichtversichert sind oder Anspruch auf Leistungen einer Krankenfürsorgeanstalt haben und nicht nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen versicherungsfrei sind.

3.2. Werkvertrag oder Dienstvertrag

3.2.1. Der Beschwerdeführer begründet das Nichtvorliegen eines der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses im Wesentlichen damit, dass BB die Planungs- und Zeichnungstätigkeit auf Basis eines mündlich geschlossenen Werkvertrages in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit getätigt habe.

Zunächst kommt es bei Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG im Sinn des § 539a ASVG und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (primär) auf die vertragliche Vereinbarung bzw. auf die Bezeichnung des Vertrages, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit an (VwGH 16.05.2017, Ra2017/08/0047 mwN).

3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof verweist in ständiger Rechtsprechung (für viele VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119) auf das Erkenntnis VwGH 20.05.1980, 2397/79, in dem er sich grundlegend mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits beschäftigte. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, ankommt. Dabei unterscheidet sich der freie Dienstvertrag von einem abhängigen Dienstverhältnis durch die persönliche Unabhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber.

3.2.3. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind beim Werkvertrag ausschließlich auf das Endprodukt als solches gerichtet (VwGH 23.12.2016, Ra2016/08/0144 mwN; 21.09.2015, Ra2015/08/0045 mwN; 01.10.2015, Ro2015/08/0020 mwN; sowie Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG8 (2017) §4 Rz87).

3.2.4. Ein solches Werk ist gegenständlich nicht ersichtlich. Gegenstand der Tätigkeit von BB war die Erstellung und Adaptierung von Werkplänen, anhand der bereits vorgegebenen Einreichpläne, sowie anhand der im Verlauf der Planung entstandenen Vorgaben der ausführenden Projektpartner. Soweit der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter in der Verhandlung darauf hinwies, das geschuldete Werk sei "die Werkplanung WT" gewesen, so vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil BB nicht alleine an der Werkplanung gezeichnet hatte, sondern noch ein weiterer Mitarbeiter des Beschwerdeführers im Rahmen der Werkplanung Pläne erstellte. Bei der Erstellung von einzelnen Plänen im Rahmen der Werkplanung handelt es sich somit nicht um ein Endprodukt im beschriebenen Sinn, sondern um laufend zu erbringende Dienstleistungen, wobei BB auch über keine unternehmerische Organisation verfügte und letztlich nur über ihre eigene Arbeitskraft disponierte. Aus einer solchen Erwerbstätigkeit wird auch dann keine selbständige Erbringung von Werkleistungen, wenn die genannten Dienstleistungen gedanklich in einzelne zeitlich bzw. mengenmäßig bestimmte Abschnitte - verfahrensgegenständlich etwa einzelne Pläne - zerlegt und diese Abschnitte sodann zu "Werken" mit einer "gewährleistungstauglichen Leistungsverpflichtung" erklärt werden (vgl. jüngst VwGH 28.03.2017, Ra2017/08/0016 sowie insbesondere zu "atomisierten Werkverträgen" VwGH 01.10.2015, Ro 2015/08/0020 mwN).

3.3. Zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses

3.3.1. Es bleibt somit zu prüfen, ob BB die Planungs- und Zeichnungstätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Beschwerdeführer (Dienstgeber gemäß § 35 ASVG) oder im Rahmen eines freien Dienstvertrags erbracht hat. Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber (vgl. VwGH 24.01.2006, 2004/08/0101 mwN).

3.3.2. Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG schon deshalb nicht vor. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind weiters die Bindung des Beschäftigten an (1) Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden (2) Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (3) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (VwGH 01.10.2015, Ra2015/08/0020, Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG8, § 4).

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Absatz 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, etwa aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages - nur beschränkt ist (VwGH 21.09.2015, Ra2015/08/0045 mwN; 31.07.2014, 2013/08/0247 mwN).

3.3.2.1. Im Hinblick auf die Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten ergibt sich aus den Feststellungen, dass BB ihre Tätigkeit ausschließlich im Büro des Beschwerdeführers versah. Sämtliche dafür

notwendigen Betriebsmittel, Computer, Software, Plotter, ... wurden

vom Beschwerdeführer bereitgestellt. BB konnte sich ihre Zeit zwar völlig frei einteilen, musste sich dabei jedoch an projektbezogene Abgabetermine im Rahmen des Baufortschrittes, somit gegenüber dem Auftraggeber des Architekturbüros orientieren. Damit orientierte sich die Arbeitszeitgestaltung im Kern an den Bedürfnissen des Beschwerdeführers, der als beauftragter Architekt für die Rechtzeitigkeit der Pläne haftete (vgl. in Bezug auf einen Architekten insbesondere VwGH 13.11.2013, 2013/08/0150; aber auch VwGH 11.12.2013, 2011/08/0322 mwN).

3.3.2.2. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass BB auch ohne spezielle Einschulung durch den Beschwerdeführer weitgehend ohne Anweisungen arbeitete, und bei ihr auftauchende Fragestellungen in Form einer offenen Kommunikation mit dem Beschwerdeführer gelöst wurden. Dass ausdrückliche Weisungen somit nicht oder nur selten erteilt wurden, ist vor dem Hintergrund der fachlichen Qualifikation von BB, von der der Beschwerdeführer sich vor Beginn ihrer Tätigkeit überzeugt hatte, zu beurteilen. Zweifellos war davon auszugehen, dass BB auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer Vortätigkeit von sich aus wusste, wie sie Werkpläne zu erstellen hatte und mit Projektpartnern zu kommunizieren hatten, sodass die Erteilung von Weisungen durch die "stille Autorität" des Beschwerdeführers ersetzt werden konnte (vgl. VwGH 13.11.2013, 2013/08/0150). Dass diese "Letztverantwortung" seitens des Beschwerdeführers gegeben war, ergibt sich auch aus daraus, dass BB im Fall von auftauchenden Problembereichen, Rücksprache mit dem Beschwerdeführer hielt.

3.3.2.3. Im mündlichen Werkvertrag war vertraglich eine generelle Vertretungsbefugnis eingeräumt. Dieses kann unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (vgl. VwGH 14.07.2017, Ra2016/08/0132 mwN). Die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, etwa im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen, stellt keine generelle Vertretungsberechtigung (etwa VwGH 11.06.2014, 2012/08//0157 mwN). Gegenständlich wurde vom Vertretungsrecht kein Gebrauch gemacht. Aus den Feststellungen ergibt sich darüber hinaus auch, dass der Beschwerdeführer BB auf Grund der von ihm überprüften Kompetenzen eingestellt hatte und letztlich beide Parteien davon ausgegangen sind, dass BB die Pläne grundsätzlich persönlich erstellt.

3.3.2.4. Zusammenfassend ergibt sich aus dem Gesamtbild der Beschäftigung nach Abwägung der maßgeblichen Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems (VwGH 11.06.2014, 2012/08/0157), dass BB die Planungs- und Zeichnungstätigkeit ausschließlich persönlich erbrachte, dabei in die betriebliche Organisation des Beschwerdeführers eingebunden war und auch dessen "stiller Autorität" unterlag. Auch die Arbeitszeit orientierte sich an den Bedürfnissen des Beschwerdeführers, so dass nach Ansicht des BVwG im vorliegenden Beschäftigungszeitraum die Bestimmungsfreiheit von BB durch die Beschäftigung nicht nur beschränkt, sondern weitgehend ausgeschaltet war (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011). Gegenständlich überwiegen daher aus Sicht des BVwG die Merkmale persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG somit jedenfalls jene, persönlicher Unabhängigkeit.

3.3.3. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit bleiben die außerhalb der Erwerbstätigkeit bestehenden Vermögensverhältnisse eines Dienstnehmers außer Betracht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist daher nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein eines Beschäftigten auf ein Entgelt zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden. Sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist daher bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Folglich kann wirtschaftliche Abhängigkeit zwar bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen, nicht aber persönliche Abhängigkeit ohne wirtschaftliche Abhängigkeit (VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011 mHa die ständige Rechtsprechung).

4.3.4. Gegenständlich lag somit bei BB ein abhängiges Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zum Beschwerdeführer vor, welches die Geringfügigkeitsgrenze für das Jahr 2010 gemäß § 5 Abs. 2 ASVG idF BGBl. II Nr. 450/2009 idH von EUR 366,33 pro Monat überschritt, weshalb die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen war.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion stützt sich auf die umfangreiche jeweils zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 ASVG und weicht bei der Betrachtung des gegenständlichen Einzelfalls von dieser Rechtsprechung auch nicht ab. Es ergaben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Abgrenzung, Beitragsnachverrechnung, Dienstverhältnis, persönliche
Abhängigkeit, Versicherungspflicht, Werkvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2005085.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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