TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/15 W112 2109963-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
FPG §76 Abs2a Z1
FPG-DV §9a
VwGVG §35

Spruch

W112 2109963-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. GAMBIA, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. 1025048500/150668955, und die Anhaltung in Schubhaft bis XXXX zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DV stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von XXXX bis XXXX für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX im Zuge eines Einsatzes wegen eines Suchtmitteldeliktes kontrolliert. Da er sich mittels Verlustanzeige betreffend ein XXXX Reisedokument lautend auf XXXX , geb. XXXX , auswies und angab, dass er alle restlichen Dokumente vor kurzem verloren habe, wurde er zur Identitätsfeststellung auf die Polizeiinspektion verbracht. Beim Beschwerdeführer wurden keine gefährlichen Gegenstände, aber Suchtmittel gefunden. Die Abfrage ergab, dass es sich beim Beschwerdeführer um XXXX , geb. XXXX , handelte und ein Festnahmeauftrag sowie eine Anordnung zur Außerlandesbringung gegen den Beschwerdeführer bestanden.

Der Beschwerdeführer wurde daraufhin festgenommen und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vorgeführt. Im Zuge der Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, keinen Vertreter zu haben und nicht XXXX zu sein. Sein Name sei XXXX , geb. am XXXX in XXXX , GAMBIA. Auf den Vorhalt des Ergebnisses der erkennungsdienstlichen Behandlung gab der Beschwerdeführer an, in der XXXX durcheinander und hungrig gewesen zu sein und daher einfach angegeben zu haben, was ihm durch den Kopf gegangen sei. Er habe das Bundesgebiet seit der Rechtskraft des das Asylverfahren abschließenden Bescheides und der Anordnung der Außerlandesbringung am 21.08.2014 nicht verlassen, dafür gebe es aber keinen Nachweis. Er wohne an der Adresse XXXX , und sei dort auch gemeldet. Er habe Freunde im Bundesgebiet, mit denen er verwandt sei; auf Nachfrage konnte der Beschwerdeführer nicht angeben, welches Verwandtschaftsverhältnis besteht. Er verfüge über kein Bargeld. Er lebe mit einer Frau zusammen, die nicht seine Gattin sei und die ihn unterstütze.

2. Mit Bescheid vom XXXX , zugestellt durch persönliche Übergabe an den Beschwerdeführer am selben Tag, wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DVO und § 57 Abs. 1 AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend führte das Bundesamt aus, der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 11.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei habe er angegeben, XXXX zu heißen, geb. am XXXX , StA GAMBIA. Am 13.08.2014 sei gegen ihn eine mittlerweile rechtskräftige und durchsetzbare Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 Abs. 1 FPG erlassen worden. Mit Schreiben vom 07.08.2014 habe das Bundesamt die XXXX Asylbehörden informiert, dass die Zuständigkeit XXXX gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO gegeben sei. Mit Schreiben vom 08.08.2014 seien die XXXX Asylbehörden vom Untertauchen des Beschwerdeführers informiert worden und die Überstellungsfrist bis 01.02.2016 verlängert worden. Am 21.08.2014 sei gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag erlassen worden. Auf Grund dessen sei er am XXXX von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen worden. Seit der Abmeldung aus der Grundversorgung am 16.07.2014 sei er unbekannten Aufenthalts. Bis zur Erlassung dieses Bescheides habe er dem Bundesamt seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben. Im Zentralen Melderegister scheine keine aufrechte Meldung des Beschwerdeführers auf. Er halte sich unrechtmäßig in Österreich auf, da er über keinen Aufenthaltstitel verfüge; sein Asylverfahren sei mit dem zurückweisenden Bescheid vom 13.08.2014 abgeschlossen, unter einem sei gegen ihn eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung der Außerlandesbringung nach XXXX erlassen worden. Er sei für die Behörde zur Vollziehung des Verfahrens nicht greifbar gewesen und im österreichischen Bundesgebiet untergetaucht, um sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Daher sei ihm der Bescheid vom 13.08.2014 auch durch Hinterlegung und Aushang zugestellt worden. Am XXXX sei er im Bundesgebiet neuerlich beim illegalen Aufenthalt betreten worden. Er habe sich nicht freiwillig der Fortsetzung des Verfahrens gestellt, sondern sei bei einer polizeilichen Zufallskontrolle betreten worden. Er habe sich bei der Einvernahme am XXXX unkooperativ gezeigt und mehrfach angegeben, nicht XXXX , geb. XXXX , sondern XXXX , geb. XXXX , zu sein, wohnhaft und gemeldet in XXXX . Eine ZMR-Nachschau unter beiden Identitäten habe keine Meldung ergeben. Das gelindere Mittel könne in seinem Fall nicht zur Anwendung gelangen, da sich der Beschwerdeführer äußerst unkooperativ erweise und bereits einmal im Bundesgebiet untergetaucht sei. Er verfüge nicht über die erforderlichen Geldmittel um auch nur seine primären Lebensbedürfnisse decken zu können. Er verfüge über keinerlei Bindungen zum Bundesgebiet. Auf Grund seines bisherigen Verhaltens könne nicht davon ausgegangen werden, dass er sich einem Verfahren auf freiem Fuß stellen werde, zumal er sich bereits einmal dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entzogen habe.

Er sei illegal nach Österreich eingereist und halte sich seit der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz illegal in Österreich auf. Er scheine gleichzeitig an diesem illegalen Aufenthalt festhalten zu wollen. Er habe sich im bisherigen Verfahren unkooperativ verhalten, indem er bereits einmal untergetaucht sei und sich so dem Verfahren und dem behördlichen Zugriff entzogen habe. Er halte sich in Österreich im Verborgenen auf und habe durch das Unterlassen der Meldung wissentlich Vorkehrungen getroffen, um sich einem behördlichen Zugriff für möglichst lange Zeit zu entziehen. Derzeit sei er in Österreich unterstandslos bzw. ohne jedwede Meldung. Er verfüge über keine Barmittel und sei in keinster Weise integriert; er verfüge über keinerlei familiäre oder soziale Bindungen im Bundesgebiet. Er sei auch nicht beruflich verankert.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich, da er sich auf Grund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Es sei davon auszugehen, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aus seiner Wohn- und Familiensituation, der fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie auf Grund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege, zumal er sich seit der Abmeldung aus der Grundversorgung am 16.07.2014 dem Verfahren entzogen habe und seinen Aufenthalt im Verborgenen fortsetze. In seinem Fall liegen bereits die Dublin-Unterlagen zwecks Überstellung nach XXXX beim Bundesamt auf. Die Überstellung nach XXXX könne nach einer Vorlaufzeit von vier Arbeitstagen erfolgen. Sofern er sich der Überstellung nicht widersetze, werde die Frist von sechs Wochen zur Überstellung daher nicht überschritten werden. Das Bundesamt habe keinerlei Grund zur Annahme, dass er sich einem Verfahren auf freiem Fuß stellen werde. Er verfüge über keinerlei Bindungen und sei in keinster Weise integriert. Er sei unterstandslos und mittellos und verweigere jegliche Kooperation mit der Behörde. Er halte an seinem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fest und habe sich auch nicht freiwillig der Behörde zur Fortsetzung seines fremdenrechtlichen Verfahrens gestellt, sondern sei durch die Polizei im Rahmen eines Zufallsaufgriffes festgenommen worden. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergebe im Fall des Beschwerdeführers, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Dabei sei auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima-ratio-Maßnahme darstelle. Es sei daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. Die finanzielle Sicherheitsleistung komme auf Grund seiner finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht. Er sei im Bundesgebiet nicht gemeldet und habe seinen illegalen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt. Trotz einer durchsetzbaren Ausreiseentscheidung habe er das Bundesgebiet bis zur Bescheiderlassung nicht verlassen, obwohl ihm das möglich gewesen wäre. Weiters verfüge er nicht über die erforderlichen Geldmittel, um auch nur seine primären Lebensbedürfnisse decken zu können. Auch mit der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten könne nicht das Auslangen gefunden werden. Es bestehe auf Grund er der persönlichen Lebenssituation des Beschwerdeführers sowie auf Grund seines bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung der Abschiebung, vereitelt. Es liege somit eine ultima-ratio-Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordere und eine Verfahrensführung, während sich der Beschwerdeführer in Freiheit befinde, ausschließe. Es sei weiters auf Grund seines Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen wie die Haftfähigkeit gegeben seien. Gegenteiliges habe auch der Beschwerdeführer in der Einvernahme am XXXX nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer verweigerte die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme des Bescheides.

Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer XXXX als Rechtsberater beigegeben.

3. Während sich der Beschwerdeführer in Schubhaft befand, wurde im Polizeianhaltezentrum für ihn ein Lebenslauf abgegeben, wonach der Beschwerdeführer von 2006-2008 und 2010-2012 als XXXX in GAMBIA gearbeitet und eine Ausbildung XXXX gemacht habe, ein Meldezettel lautend auf XXXX , geb. XXXX , StA XXXX , betreffend den Nebenwohnsitz XXXX vom 04.12.2014, die Kopien der Sozialversicherungskarte, der Aufenthaltsberechtigungskarte und des Personalausweises, lautend auf XXXX , STA Gambia, geb. am XXXX in XXXX (GAMBIA), ausgestellt in XXXX am 01.11.2014, 06.06.2014 und 26.06.2014.

Mit Schreiben vom 18.06.2015 wurde die begleitete Abschiebung des Beschwerdeführers veranlasst und das Laissez-passer ausgestellt. Am 19.06.2015 wurde der Abschiebeauftrag erteilt und XXXX von der Überstellung informiert.

Am 21.06.2015 verzichtete der Beschwerdeführer auf die Vorführung zur Einholung seiner Effekten von der von ihm angegebenen Adresse XXXX , seine Effekten würden von seinem Bruder ins Polizeianhaltezentrum gebracht.

Am XXXX endet die im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogene Schubhaft durch Abschiebung des Beschwerdeführers per Flugzeug nach XXXX .

4. Die mit Schriftsatz vom XXXX an das Landesverwaltungsgericht XXXX erhobene Schubhaftbeschwerde wurde von diesem am 06.07.2015 an das Bundesamt weitergeleitet.

In dem als Schubhaftbeschwerde bezeichneten Schreiben führt der durch XXXX vertretene Beschwerdeführer aus, dass er sich im Polizeianhaltezentrum XXXX in Schubhaft befunden habe. Er sei XXXX und in XXXX anerkannter Flüchtling. Er habe in XXXX keine Arbeit finden können, daher habe man ihm geraten nach Österreich zu fahren, weil hier XXXX gesucht würden. Das XXXX Arbeitsamt habe über 20 Firmen in Österreich gefunden, die XXXX suchen würden und bereit gewesen seien, den Beschwerdeführer einzustellen. Dazu habe er aber seine Zeugnisse in Österreich anerkennen lassen und Deutsch lernen müssen. Über Freunde habe er die Telefonnummer eines XXXX in XXXX erhalten, bei dem er kurzfristig wohnen hätte können. Dieser hätte ihm auch bei den Amtswegen behilflich sein sollen. So sei er legal nach Österreich eingereist. Auf dem Weg nach XXXX sei der Beschwerdeführer aber erkrankt und habe in diesem Zustand aus Unachtsamkeit sein Notizbuch verloren, in dem er die Nummer notiert habe. Verzweifelt und mit hohem Fieber habe er Hilfe gesucht und sei von einem Mann nach XXXX gebracht worden. An der Pforte der Erstaufnahmestelle habe er einen Namen nennen müssen, um eingelassen zu werden, und habe den Rufnamen angegeben, den er als Kind gehabt habe. Er sei in XXXX medizinisch versorgt worden. Nach zwei Tagen sei er befragt worden und sei mit den Fingerabdrücken und seinem Aufenthaltsstatus in XXXX konfrontiert worden. Der Referent habe für seine leidliche Geschichte Verständnis gezeigt. Der Beschwerdeführer sei unverzüglich nach XXXX zurückgekehrt. Als er gesund gewesen sei, sei er nach XXXX zurückgekehrt und von einer Kontaktperson vom Bahnhof abgeholt und zum Verein XXXX gebracht worden. Dieser habe mit ihm das XXXX aufgesucht und dieses habe über zwanzig Unternehmen gefunden, die XXXX suchen würden. Er habe eine Adresse bekommen, wo er seine Zeugnisse anerkennen lassen könne. Der Verein habe ihm seine Adresse als Postadresse zur Verfügung gestellt und ihn auch veranlasst, einen Deutschkurs inklusive Prüfung zu absolvieren. Er habe bei wechselnden Bekannten Unterkunft genommen, die er meist nicht einmal persönlich gekannt habe und sei immer höchstens zwei der drei Wochen geblieben, um die nötigen Schritte einzuleiten, bevor er jeweils nach XXXX zurückgekehrt sei. Dies habe die Polizei auch überprüft. Bei einem seiner Aufenthalte in XXXX seien ihm seine Dokumente gestohlen worden. Er habe eine Anzeige bei der Polizei erstattet und sei sofort zurückgekehrt, um sich neue Dokumente ausstellen zu lassen. Er sei mit der Bestätigung nach XXXX zurückgekehrt, um sich neue Dokumente ausstellen zu lassen. Als er nach XXXX zurückgekehrt sei, sei er auf der Straße kontrolliert worden und habe außer der Anzeige keine Dokumente vorlegen können, weshalb er ins Polizeianhaltezentrum XXXX gebracht worden sei. Dies sei völlig zu Unrecht erfolgt, weil sich der Beschwerdeführer völlig legal in Österreich aufhalte. Jedoch sei dem Verein das Recht verweigert worden, den Beschwerdeführer zu kontaktieren. Erst nach fünfzehn Tagen seien sie vom Schubhaftbetreuer des Beschwerdeführers kontaktiert worden, allerdings sei die Telefonverbindung schlecht gewesen. Nur mit Hilfe des Mannes, der ihn nach der Einreise zum XXXX gebracht habe, haben sie nach zwanzig Tagen erfahren, wo sich der Beschwerdeführer aufgehalten habe. Als ihn die Obfrau des Vereins besucht habe, habe sie erfahren, dass die Abschiebung für den folgenden Tag anberaumt sei. Obwohl die Vollmacht zugunsten des XXXX aktenkundig sei, sei ihr der Schubhaftbescheid nicht zugestellt worden. Als sie den Beschwerdeführer in der Schubhaft besuchen habe wollen, habe sich ein Justizwachebeamter über sie lustig gemacht und sie teilweise sogar beschimpft. Danach habe der Beamte den Beschwerdeführer als Kriminellen hingestellt und rassistische Bemerkungen gemacht. Man habe es ihr freigestellt, Österreich zu verlassen und woanders hinzugehen. Der Name des Beamten sei über Dienstpläne ermittelbar und sie erwarte einen respektvolleren Umgang mit Gefangenen und Vereinen und erwarte eine Entschuldigung. Der Anstaltsleiter habe sogar ihren Besuch verhindern wollen, indem er behauptet habe, den Verein gebe es nicht und erst auf Beharren der Obfrau des Vereins habe er den Verein im Computer gefunden und sie zu ihrem Mandanten vorgelassen. Es werde daher beantragt, dem Einspruch im vollen Umfang stattzugeben und den Beschwerdeführer umgehend zu enthaften. Weiters werde begeht, den Beschwerdeführer zur Gänze aus der Staatskasse für die zu Unrecht erlittene Schubhaft zu entschädigen.

5. Das Bundesamt legte am selben Tag die Beschwerde und die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vor und erstattete eine Stellungnahme, in der es ausführte, dass der Beschwerdeführer den Asylantrag am 11.07.2014 im Zuge eines Aufgriffs durch Beamte der Polizeiinspektion XXXX gestellt habe. Dieser sei rechtskräftig gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz in XXXX gestellt habe, zuletzt am 08.01.2014. Der Bescheid sei in Österreich auf Grund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden und am 21.08.2014 in Rechtskraft erwachsen. Der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers sei nicht bekannt und der Beschwerdeführer für die Behörden nicht greifbar gewesen. Daher sei das Überstellungsverfahren am 08.08.2014 ausgesetzt und die Überstellungsfrist bis 01.02.2016 verlängert worden. Gegen den Beschwerdeführer sei ein Festnahmeauftrag erlassen worden. Der Beschwerdeführer sei am XXXX um 15:40 Uhr im Bereich

XXXX betreten worden. Er sei beim Eintreffen der Polizei geflüchtet, aber aufgegriffen worden. Er habe sich nicht ausweisen können und lediglich die Verlustbestätigung eines XXXX Ausweises vorlegen können. Er habe angegeben, seine sonstigen Dokumente verloren zu haben. Die Verlustbestätigung sei auf den Namen XXXX , geb. XXXX , ausgestellt worden. Die Computer-Abfrage habe ergeben, dass es sich beim Beschwerdeführer um XXXX , geb. XXXX , gehandelt habe, gegen den ein Festnahmeauftrag und eine Anordnung der Außerlandesbringung bestehe. Auf Grund dessen sei der Beschwerdeführer festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt worden. Eine separate Anzeige nach dem SMG sei erstattet worden, weil bei der Visitierung des Beschwerdeführers Suchtmittel gefunden worden seien. Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme behauptet, nicht XXXX sondern XXXX zu sein, allerdings habe ein Abgleich der Fingerabdrücke ergeben, dass es sich beim Beschwerdeführer um XXXX handle. Er bediene sich zur Verschleierung seiner Identität im Verkehr mit Behörden verschiedener Identitäten. Der Beschwerdeführer habe angegeben, an der Adresse XXXX , behördlich gemeldet zu sein. Ein Auszug aus dem Melderegister bestätige, dass an dieser Adresse ein XXXX , geb. XXXX , gemeldet sei, allerdings handle es sich bei diesem um einen XXXX Staatsangehörigen, ausgewiesen durch einen XXXX Personalausweis. Der Beschwerdeführer habe nie behauptet, XXXX Staatsangehöriger zu sein. Er habe sich nach seiner Abmeldung aus der Grundversorgung am 16.07.2014 unstet im Bundesgebiet aufgehalten und der Behörde keine Adresse bekanntgegeben, an der er erreichbar sei. Der Schubhaftbescheid vom XXXX sei dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellt worden. Gelindere Mittel hätten im Fall des Beschwerdeführers nicht sinnvoll angewendet werden können, weil er sich einem Verfahren aus freien Stücken nicht gestellt hätte und er sich stets im Verborgenen aufgehalten habe. Es könne nicht angenommen werden, dass er der Ausreiseverpflichtung aus eigenem nachkommen werde, womit die getroffene Maßnahme zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens als dringend erforderlich anzusehen sei. Es bestünden keine familiären oder sonstigen Bindungen des Beschwerdeführers zum österreichischen Bundesgebiet. Er sei nicht im Besitz von Barmitteln und habe nicht angeben können, auf welche Weise er seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Der Beschwerdeführer sei am XXXX in Begleitung dreier Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach XXXX abgeschoben worden. Am 06.07.2015 sei die Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft beim Bundesamt eingelangt. Demnach sei der Beschwerdeführer in XXXX anerkannter Flüchtling. Dies sei aber nicht belegt worden. Auf Grund der unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift, vor der Meldebehörde und vor dem Bundesamt bestünden berechtigte Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers als XXXX . Die in der Beschwerde behauptete Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX sei ebenfalls nicht belegt. Er verfüge entgegen dem Beschwerdevorbringen, er sei nach XXXX zurückgekehrt, um sich neue Dokumente ausstellen zu lassen, über keine gültigen Ausweis- oder Reisedokumente und halte sich demnach unrechtmäßig in Österreich auf. Er sei nicht behördlich gemeldet, habe sich einem Asylverfahren entzogen und sei für die Behörde nicht greifbar gewesen. Es werde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlagen und den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten zu verpflichten. Zudem beantragt die belangte Behörde Kostenersatz iHv € 426,20 an Vorlage- und Schriftsatzaufwand.

6. Das Bundesverwaltungsgericht traf auf Grund des Endes der Schubhaft durch Abschiebung am XXXX keinen Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG.

7. Mit Beschluss vom 06.11.2015 stellte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG den Antrag an Verfassungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass § 9a Abs. 4 sowie § 21 Abs. 9 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung - FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005 idF BGBl. II Nr. 143/2015, in eventu § 9a Abs. 4 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005

(Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung - FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005 idF BGBl. II Nr. 143/2015, in eventu die Wortfolge "Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen," in § 9a Abs. 4 sowie § 9a Abs. 4 Z 1 bis 9 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung - FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005 idF BGBl. II Nr. 143/2015, gesetzwidrig war(en).

8. Mit Schriftsatz vom 24.05.2016 erstattete das Bundesverwaltungsgericht eine Replik im Verordnungsprüfungsverfahren auf die Äußerung des Bundesministers für Inneres.

9. Mit Erkenntnis vom 13.06.2016 wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Bundesverwaltungsgerichts festzustellen, dass § 9a Abs. 4 und § 21 Abs. 9 FPG-DV, BGBl. II 450/2005 idF BGBl. II 143/2015, gesetzwidrig waren, ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, § 76 FPG aF habe den Begriff der Fluchtgefahr zwar nicht wörtlich festgelegt, aber für Fremde in Abs. 1 leg.cit. bestimmt, dass über sie Schubhaft verhängt werden könne, "sofern dies notwendig ist, um das Verfahren [...] zu sichern". Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, habe Schubhaft ferner verhängt werden dürfen, "wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen". Damit haben die Voraussetzungen für die Schubhaft in § 76 FPG aF aber jenen geglichen, die die Dublin-III-VO in Art. 2 lit. n unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" definiert habe, nämlich "das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die [...] zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller [...], gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte". Soweit § 9a Abs. 4 FPG-DV die Fluchtgefahr bei Fremden näher definiert habe, habe sich die Verordnung daher jedenfalls auf § 76 FPG zu stützen vermocht. Dies habe gleichermaßen für § 76 Abs. 2a FPG idF vor dem FRÄG 2015 gegolten: Danach habe das Bundesamt Schubhaft über Asylwerber anzuordnen gehabt, wenn bestimmte, in den Z 1 bis 6 genannte Voraussetzungen vorgelegen und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens "notwendig" gewesen sei. Notwendig habe die Verhängung der Schubhaft aber stets nur dann sein können, wenn sich die betreffende Person sonst dem Verfahren entzogen hätte. Damit habe auch § 76 Abs. 2a FPG idF vor dem FRÄG 2015 den Sicherungsbedarf und die (in diesem Sinne verstandene) Fluchtgefahr als Voraussetzungen der Schubhaftverhängung festgelegt. Bereits in VfSlg. 17.891/2006 habe der Verfassungsgerichtshof jedoch bezogen auf die mit § 76 FPG vor dem FRÄG 2015 weitgehend vergleichbare Vorgängerbestimmung Folgendes ausgeführt:

"3.1. Anders als in § 76 Abs. 1 FPG (arg.: 'sofern dies notwendig ist, um das Verfahren [...] zu sichern') hat der Gesetzgeber in Abs. 2 leg.cit. keine ausdrückliche Regelung darüber getroffen, unter welchen Voraussetzungen die Anordnung der Schubhaft - abgesehen von der Subsumtion unter einen der in Z 1 bis 4 geregelten Tatbestände - zulässig ist.

Dennoch ist aus folgenden Gründen davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das durch Art. 1 (iVm Art. 2 Abs. 1) des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit verfassungs-gesetzlich gewährleistete Recht, wonach '(n)iemand (...) aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen (...) festgenommen oder angehalten werden (darf)', bei der Regelung des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG beachtet hat:

3.1.1. Der Gesetzgeber ist sichtlich davon ausgegangen, dass der in Art. 1 Abs. 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unmittelbar und im Einzelfall von den zuständigen Behörden zu berücksichtigen ist. Auch die oben zitierten Erläuternden Bemerkungen zu § 76 FPG machen deutlich, dass das Gebot, wonach die Verhängung der Schubhaft notwendig sein muss, um das Verfahren zu sichern, vom Gesetzgeber nicht unterlaufen werden sollte (arg.:'[...], wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft als solche gegeben sind, [...]').

3.1.2. Der Gesetzgeber hat für alle Fälle der Schubhaft durch die Begrenzung der Haftdauer (§ 80 FPG) sowie das Gebot der Anwendung gelinderer Mittel (§ 77 FPG) eine klare Wertung iS des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit vorgenommen.

In den Erläuternden Bemerkungen wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (vgl. 952 BlgNR, XXII. GP, S 104 f.):

[...]

3.2. Zusammenfassend ist der Verfassungsgerichtshof daher der Auffassung, dass die in § 76 Abs. 2 Z 4 FPG festgelegte Ermächtigung im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

Dass es der Gesetzgeber - im Wissen um die Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist (zur entsprechenden Verpflichtung der unabhängigen Verwaltungssenate vgl. auch VfSlg. 14.981/1997 und 17.288/2004, wonach 'im Einzelfall eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft erforderlich ist') - den vollziehenden Behörden (unter der nachprüfenden Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen, belastet die Regelung nicht mit Verfassungswidrigkeit."

Es sei somit auch die gleichlautende Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG verfassungskonform dahin zu interpretieren gewesen, dass sie die Verhängung der Schubhaft nur gestattet habe, wenn deren Anordnung zur Sicherung des Verfahrens (insbesondere, weil sich die Partei dem Verfahren zu entziehen droht) "notwendig" gewesen sei. § 76 FPG idF vor dem FRÄG 2015 habe also eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erlassung einer Durchführungsverordnung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG für Tatbestände, deren Vorliegen nach den Denkgesetzen einen Schluss darauf zuließen, dass "Fluchtgefahr" im Sinne der Umschreibung dieses Tatbestandes in § 76 FPG vorlag, geboten. Angesichts des Vorhandenseins einer gesetzlichen Grundlage der angefochtenen Verordnungsbestimmungen sei es daher für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung ohne Bedeutung gewesen, ob die Bundesministerin für Inneres auch intendiert habe, mit der Verordnung Art. 2 lit. n der Dublin-III-VO umzusetzen. § 9a Abs. 4 FPG-DVO habe vor diesem gesetzlichen Hintergrund detailreiche Tatbestände normiert, bei deren Vorliegen die Verordnungsgeberin davon ausgegangen sei, dass die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung im Sinne des Gesetzes wegen "Fluchtgefahr" notwendig gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinen Bedenken darauf beschränkt, dass § 76 FPG keine Definition der Fluchtgefahr enthalten und die Verordnung daher ohne gesetzliche Deckung in verfassungswidriger Weise Unionsrecht umgesetzt habe. Es habe in seinem Antrag aber nicht behauptet, dass die in der angefochtenen Verordnungsbestimmung genannten Gründe nicht den Schluss darauf zuließen, dass sich die betreffende Person voraussichtlich (der Abschiebung oder) dem Verfahren entziehen werde. Die vom Bundesverwaltungsgericht ob der angefochtenen Verordnungsbestimmungen geltend gemachten Bedenken haben somit insgesamt nicht zugetroffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX , geb. XXXX , ist GAMBISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger.

Der Beschwerdeführer stellte am 11.07.2014 - nach Asylantragstellung in XXXX am 08.01.2014 und der Gewährung von subsidiärem Schutz in XXXX am 06.06.2014 - unter der Identität XXXX , geb XXXX , StA GAMBIA, ohne Dokumente vorzulegen oder anzugeben, dass er im XXXX subsidiär schutzberechtigt ist, einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nach der Erstbefragung am selben Tag wurde der Beschwerdeführer in die Grundversorgung aufgenommen, am 16.07.2014 wurde er wegen unbekannten Aufenthalts von der Grundversorgung abgemeldet. Am 07.08.2014 teilte Österreich XXXX mit, dass es der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers zugestimmt habe. Mit Schreiben vom 08.08.2014 teilte Österreich XXXX mit, dass der Beschwerdeführer untergetaucht war und dass sich die Überstellungsfrist bis 01.02.2016 verlängert hatte. Mit Bescheid vom 13.08.2014, der dem Beschwerdeführer am selben Tag durch Hinterlegung im Akt zugestellt wurde, wies das Bundesamt den Antrag wegen der Zuständigkeit XXXX zurück, stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach XXXX zulässig war und ordnete die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers an. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

Am 21.08.2014 erließ das Bundesamt ein Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer. Am 04.12.2014 begründete er unter dem Namen XXXX einen Nebenwohnsitz an der Adresse des ihn vertretenden Vereins. Am 09.09.2015 begründete er unter dem Namen XXXX eine Obdachlosenmeldeadresse beim Verein XXXX . Am XXXX wurde der Beschwerdeführer von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Folge des Festnahmeauftrages bei einer Amtshandlung im öffentlichen Raum festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt.

Das Bundesamt verhängte über den Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid vom XXXX gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DV die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

Die Schubhaft wurde von XXXX bis XXXX im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX nach XXXX überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Identität des Beschwerdeführers gründen sich auf die von seiner Vertretung am 17.06.2015 im Polizeianhaltezentrum vorgelegten Kopien XXXX Ausweise. Die Angaben zum Asylverfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem beigeschafften Asylbescheid samt Zustellnachweis.

Die Angaben zur Grundversorgung und zu den Meldeadressen des Beschwerdeführers gründen sich auf den GVS-Auszug und den ZMR-Auszug.

Die Angaben zur Schubhaftverhängung gründen sich auf den aktenkundigen Bescheid. Die Angaben zum Vollzug der Schubhaft fußen auf dem Auszug aus der Anhaltedatei, ebenso die Angaben zur Überstellung nach XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befindet sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Das Bundesamt erließ den angefochtenen Bescheid daher zutreffend als Mandatsbescheid; er wurde mit Bescheidzustellung vollstreckt.

Die Beschwerde rügt, dass der Schubhaftbescheid dem den Beschwerdeführer vertretenden XXXX nicht zugestellt worden sei. Ausweislich des vorliegenden Aktes war diese Vollmacht nicht aktenkundig; vor allem aber gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme am XXXX an, unvertreten zu sein (AS 22).

Ungeachtet dessen tut die Beschwerde mit diesem Vorbringen schon deshalb keinen Verfahrensmangel dar, weil gemäß § 11 Abs. 8 BFA-VG die Zustellung eines Schubhaftbescheides in dem Zeitpunkt als vollzogen gilt, in dem eine Ausfertigung dem Fremden tatsächlich zugekommen ist, auch wenn der Fremde einen Zustellbevollmächtigten hat. Die Zustellung einer weiteren Ausfertigung an den Zustellungsbevollmächtigten ist in diesen Fällen unverzüglich zu veranlassen; dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht die Rechtswidrigkeit der Schubhaft nach sich zieht (zur Vorgängerbestimmung des § 76 Abs. 4 FPG s. VwGH 19.05.2011, 2010/21/0106).

2. Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Daher ist die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG (in der seit 19.06.2015 in Kraft stehenden Fassung) hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Da diese Bestimmungen bereits vor der Erhebung der Beschwerde mit Schriftsatz vom XXXX in Kraft standen, wäre die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und nicht beim Landesverwaltungsgericht und auch nicht beim Bundesamt einzubringen gewesen. Die Beschwerde gilt somit mit Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt am 06.07.2015 als eingebracht.

4. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu A.I.) Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX und die Anhaltung in Schubhaft

1. Mit Bescheid vom XXXX verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG.

Gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle, dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat gemäß Art 28 Abs. 3 Dublin III-VO so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

Der Beschwerdeführer wurde nach Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 11.07.2014 wegen der Zuständigkeit XXXX mit Bescheid vom 13.08.2014 und der damit verbundenen Anordnung der Außerlandesbringung zum Zwecke der Überstellung gemäß Art. 29 ff Dublin III-VO nach XXXX in Schubhaft genommen. Das Bundesamt stützte den angefochtenen Bescheid daher zutreffend auf Art. 28 Dublin III-VO (s. VwSlg 19.483 A/2016).

2. Im Sinne der Dublin III-VO bezeichnet gemäß deren Art. 2 lit. n der Ausdruck "Fluchtgefahr" das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Das Bundesamt verhängte die Schubhaft gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG zur Sicherung der Abschiebung.

Das Bundesamt hatte gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen worden war oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukam und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig war, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstanden.

Der Beschwerdeführer war ein erwachsener Fremder; er verfügte über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Die Anordnung der Außerlandesbringung war mit Bescheid vom 13.08.2014 erlassen worden und mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft erwachsen.

Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe sich nicht unrechtmäßig in Österreich aufgehalten, verfängt ungeachtet des Vorbringens zu seinem Aufenthaltsstatus in XXXX nicht, weil dieser vor der Erlassung des Bescheides vom 13.08.2014 datiert und daher von der Rechtskraft der Anordnung der Außerlandesbringung umfasst ist.

Dabei ist weiters unerheblich, ob das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei selbständig nach XXXX ausgereist, aber wieder nach Österreich zurückgekehrt, das im Widerspruch zur Aussage des Beschwerdeführers in der Einvernahme am XXXX , er habe Österreich seit der Rechtskraft des Bescheides vom 13.08.2014 nicht verlassen (AS 23), steht, zutrifft, da gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben.

Zwischen der Erlassung der Anordnung der Außerlandesbringung mit Bescheid vom 13.08.2014 und der Festnahme des Beschwerdeführers am XXXX waren ungeachtet der Frage des Zutreffens dieser Behauptung keinesfalls 18 Monate vergangen, weshalb die Anordnung der Außerlandesbringung jedenfalls aufrecht und durchführbar war. Da XXXX das Untertauchen des Beschwerdeführers am 08.08.2014 mitgeteilt worden war, war auch die 18-monatige Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen.

Das Bundesamt verhängte die Schubhaft daher zutreffend zur Sicherung der Abschiebung.

3. § 76 Abs. 2a Z 1 FPG enthielt aber keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Art. 2 lit. n Dublin III-VO:

"Auszugehen ist davon, dass die seit 01.01.2014 anzuwendende Dublin III-VO - anders als die bis dahin geltende Dublin II-VO - nunmehr selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Fremden zum Zweck der Überstellung in den nach der genannten Verordnung zuständigen Mitgliedstaat enthält. Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung ‚die entsprechende Person' zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der ‚Fluchtgefahr' ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO ‚das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte', zu verstehen. [...]

Zum Schubhaftgrund nach § 76 Abs. 2 Z 4 FPG hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt klargestellt, dass ungeachtet des Vorliegens des in dieser Bestimmung enthaltenen Tatbestandes die Inhaftierung eines asylsuchenden Fremden nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Verfahrensstadium ein "Untertauchen" befürchten lassen. Für eine solche Befürchtung müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen.

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, in ständiger Rechtsprechung judiziert, es könne dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen ‚Dublin-Fälle' seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in ‚Dublin-Fällen' nicht zu einer ‚Standardmaßnahme' gegen Asylwerber werden dürfe. Es müssten vielmehr besondere Gesichtspunkte vorliegen, die erkennen ließen, es handle sich um eine von den typischen ‚Dublin-Fällen' abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Fremden geschlossen werden könne (vgl. das diese Rechtsprechung zusammenfassende, schon erwähnte Erkenntnis vom 20.02.2014, 2013/21/0170, mwH).

Mit dem Fortschreiten der einzelnen Phasen des Asylverfahrens verdichtet sich (bei typisierender Betrachtung) zwar aus der Sicht des Asylwerbers die Wahrscheinlichkeit, dass er letztlich abgeschoben werden könnte; insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme könnten daher dann u. U. auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. das Erkenntnis vom 25.03.2010, 2008/21/0617). Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof nicht nur - wie erwähnt - zum Tatbestand der Z 4, sondern auch zu dem ebenfalls noch ein frühes Verfahrensstadium erfassenden Tatbestand der Z 2 des § 76 Abs. 2 FPG judiziert, dass ungeachtet von dessen Verwirklichung die Schubhaftnahme eines Asylwerbers nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 07.02.2008, 2007/21/0402, mwH).

Vor diesem Hintergrund kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der Z 2 und der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für sich betrachtet keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Dublin III-VO enthalten. Vielmehr knüpft der dort jeweils als Grund für die Anordnung von Schubhaft genannte Umstand im gegebenen Zusammenhang nur an die Führung eines Verfahrens nach der Dublin III-VO an, was für sich genommen deren Art. 28 Abs. 1 widersprechen würde.

Dass die Verordnung aber eine ausdrückliche Festlegung im Gesetz verlangt, ist nach dem eindeutigen, keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlaut des Art. 2 lit. n Dublin III-VO ganz klar, sodass es diesbezüglich auch keiner Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf. (Vgl. dazu auch Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 48 zu Art. 2, wonach die VO keine Kriterien vorgebe, anhand derer das Vorliegen von Fluchtgefahr beurteilt werden könne, sondern dies vielmehr den Mitgliedstaaten mit der Mindestanforderung überlasse, dass diese Kriterien im nationalen Recht der Mitgliedstaaten festgelegt und sachlich sein müssen.) Art. 2 lit. n Dublin III-VO verlangt - entgegen der Meinung in der Revisionsbeantwortung - unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von ‚Fluchtgefahr'. Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur vor allem zum Tatbestand der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von ‚Fluchtgefahr' (Gefahr des ‚Untertauchens') als maßgeblich angesehen hat (vgl. ausgehend vom grundlegenden Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, etwa die Erkenntnisse vom 08.07.2009, 2007/21/0093, vom 22.10.2009, 2007/21/0068, vom 30.08.2011, 2008/21/0498 bis 0501, und zuletzt vom 19.03.2014, 2013/21/0225, sowie vom 24.10.2007, Zl. 2006/21/0045, und vom 02.08.2013, 2013/21/0054 [...]) reicht daher nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten [...] gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall ist, kommt Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht (siehe idS auch den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14)." (VwSlg. 19.056 A/2015)

"Das trifft sinngemäß auch für den im vorliegenden Fall maßgeblichen Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 erster Fall FPG zu. Danach hat das BFA über einen Asylwerber - es sei denn, einer Anhaltung stünden besondere Umstände in seiner Person entgegen - Schubhaft anzuordnen, wenn gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 4a oder § 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen wurden und die Schubhaft (u.a.) zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist. Auch diese Bestimmung stellt somit - neben der Anknüpfung an ein bestimmtes Stadium des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz (Erlassung einer durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung in den zuständigen Mitgliedstaat) - nur auf die generell umschriebene Notwendigkeit der Schubhaft ab. Auch diese Bestimmung enthält somit keine ausreichenden Kriterien zur Konkretisierung von ‚Fluchtgefahr'." (VwGH 19.05.2015, Ro 2014/21/0065)

Die Verhängung von Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG kam daher den Beschwerdeführer, der sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befand, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 Dublin III-VO nicht in Betracht.

4. Das Bundesamt stützte den angefochtenen Bescheid aber auf Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DV.

Gemäß § 9a Abs. 4 FPG-DV lagen Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr im Sinne des § 76 FPG vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich der Fremde dem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder der Abschiebung entzogen oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschwert hätte. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkte oder die Rückkehr oder Abschiebung umging oder behinderte (Z 1); ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist war (Z 2); ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hatte (Z 3); ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben worden war oder dieser dem Fremden nicht zukam (Z 4); ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestanden hatte, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befunden hatte oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, angehalten worden war (Z 5); ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen war, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin III-VO zuständig war (Z 6), insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hatte oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hatte (lit. a), der Fremde versucht hatte, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen (lit. b), oder es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich war, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigte (lit. c); ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkam (Z 7); ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt worden waren, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Z 8); der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9).

Die Verordnungsbestimmung des § 9a Abs. 4 FPG-DV war nicht gesetzwidrig (VfSlg. 20.066/2015), allerdings war sie unionsrechtswidrig:

"Die [Bundesministerin für Inneres] reagierte auf [das Erkenntnis VwSlg. 19.056 A/2015 und die nachfolgende Rechtsprechung] zur Schubhaft in ‚Dublin III-Fällen', indem sie den seit 01.01.2014 geltenden Abs. 4 des § 9a der FPG-DV, wonach ‚Fluchtgefahr' vorliege, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entziehen wird, mit der Verordnung BGBl. II Nr. 143/2015 mit Wirksamkeit vom 29. Mai 2015 bis einschließlich 19. Juli 2015 (vgl. § 21 Abs. 9 FPG-DV) dahin änderte, dass in den Z 1 bis 9 nähere Umstände angeführt wurden, die das Vorliegen von ‚Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr' rechtfertigen sollen.

[...] Für den angeführten Geltungsbereich stellt sich - wie erwähnt - die (auch im vorliegenden Fall allein maßgebliche) Frage, ob die Festlegung objektiver Kriterien für die Annahme von ‚Fluchtgefahr' durch eine von der BMI erlassene Verordnung den Anforderungen des Art. 2 lit. n Dublin III-VO genügte oder ob es hierfür eines Gesetzes im formellen Sinn bedurft hätte. Für die Zeit ab 20.07.2015 spielt die Beantwortung dieser Frage - wie zur Vollständigkeit anzumerken ist - keine Rolle mehr, weil mit dem an diesem Tag in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 (FrÄG 2015) der Text des gleichzeitig wieder außer Kraft getretenen § 9a Abs. 4 FPG-DV idF BGBl. II Nr. 143/2015 in den § 76 Abs. 3 FPG übernommen wurde.

[...] Zunächst ist festzuhalten, dass sich die angesprochene Frage für den Verwaltungsgerichtshof bei Erlassung des Erkenntnisses vom 19.02.2015, Ro 2014/21/0075, (noch) nicht stellte, sodass [...] aus den dort gewählten, sich an der deutschen Sprachfassung der Dublin III-VO orientierenden Formulierungen kein zwingender Schluss auf eine diesbezügliche Meinung des Gerichtshofes zu ziehen war. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch der deutsche Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in dem ebenfalls von einem "acte clair" ausgegangen und demzufolge ein Vorabentscheidungsersuchen für nicht erforderlich gehalten wurde und dem der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis vom 19. Februar 2015 gefolgt ist, in Rz 21 f unter Bezugnahme auch auf die englische und die französische Sprachfassung der Verordnung zum Ergebnis kam, die den Verdacht von Fluchtgefahr stützenden Gründe müssten ‚in einem Gesetz' definiert sein; diese Kriterien ‚

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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