TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/16 W250 2132300-2

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Veröffentlicht am 16.05.2019
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Entscheidungsdatum

16.05.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W250 2132300-2/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2019, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 23.04.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste am 09.01.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.11.2007 als unbegründet abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der BF nach Marokko ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.09.2008 als unbegründet abgewiesen.

2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 21.12.2007 wurde der BF wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz - SMG sowie wegen des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 Strafgesetzbuch - StGB sowie wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und 4 Wochen, wovon ein Teil von 5 Monaten und 2 Wochen unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

3. Mit Bescheid einer Bezirkshauptmannschaft vom 16.05.2008 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid einer Sicherheitsdirektion vom 15.10.2008 abgewiesen.

4. Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 29.04.2009 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Am 06.05.2009 wurden dem BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme Formblätter für die Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgelegt. Da der BF auf Grund eines Hungerstreiks nicht mehr haftfähig war, wurde er am 29.05.2009 aus der Schubhaft entlassen.

5. Am 06.07.2009 wurde mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion das gelindere Mittel der angeordneten Unterkunftnahme angeordnet, dieser Verpflichtung kam der BF nur für zwei Tage nach.

6. Mit Schreiben einer Bundespolizeidirektion vom XXXX wurde bei der Botschaft des Königreiches Marokko um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht.

7. Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 10.07.2009 wurde über den BF Schubhaft angeordnet, aus der er am 14.07.2009 wegen Haftunfähigkeit auf Grund von Paranoia entlassen wurde.

8. Am 26.09.2009 wurde über den BF mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion neuerlich Schubhaft angeordnet. Am 01.10.2009 stellte der BF im Stande der Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, am 05.10.2009 wurde er aus der Schubhaft entlassen, da er auf Grund eines Hungerstreiks nicht mehr haftfähig war. Am XXXX wurden zwei Lichtbilder, ein Fingerabdruckblatt sowie ein Formblatt im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates an die marokkanische Vertretungsbehörde weitergeleitet.

9. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.04.2010 wurde der Asylantrag des BF vom 01.10.2009 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Unter einem wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

10. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 11.08.2010 wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 vierter, fünfter und sechster Fall SMG iVm § 15 StGB sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

11. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 13.12.2010 wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15 und 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 11.08.2010 zu einer Zusatzstrafe im Ausmaß von zwei Wochen verurteilt.

12. Der BF stellte am 10.01.2011 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.05.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen.

13. Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 01.08.2011 wurde über den BF das gelindere Mittel der täglichen Meldeverpflichtung bei einer bestimmten Polizeiinspektion angeordnet, mit Aktenvermerk vom 23.02.2012 wurde das gelindere Mittel aufgehoben. Der BF meldete sich ab 02.08.2011 bis 23.06.2012 täglich bei der Polizei.

14. Am 20.12.2012 wurde der BF bei seiner Einreise aus Italien in Österreich aufgegriffen. Von der Anordnung fremdenpolizeilicher Maßnahmen wurde abgesehen, da keine Aussicht auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates bestand.

15. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.08.2013 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

16. Am 22.02.2014 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) einvernommen, wobei der BF seine Wohnadresse bekannt gab. Fremdenpolizeiliche Maßnahmen wurden nicht ergriffen, da das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates anhängig war.

17. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 25.09.2014 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

18. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 20.02.2015 wurde der BF wegen einer am 21.08.2014 begangenen Tat nach den §§ 15, 269 Abs. 1 dritter und vierter Fall StGB wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 25.09.2014 zu einer Zusatzstrafe von zehn Monaten verurteilt.

19. Am 06.08.2016 wurde über den BF mit Bescheid des Bundesamtes Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2016 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen. Am 25.08.2016 wurde der BF auf Grund einer durch Hungerstreik herbeigeführten Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

20. Im Stande der Schubhaft stellte der BF am 07.08.2016 seinen vierten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei und festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.12.2016 als unbegründet abgewiesen.

21. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde bei der marokkanischen Vertretungsbehörde am XXXX und am XXXX urgiert. In Aktenvermerken des Bundesamtes vom 16.02.2017 und 07.03.2017 wurde festgehalten, dass laufend Urgenzen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erfolgen und auch direkte Gespräche mit dem Konsul stattfinden.

22. Am 08.09.2018 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und am 09.09.2018 vom Bundesamt einvernommen. Am 09.09.2018 wurde der BF aus der Anhaltung entlassen, da die weitere Anhaltung nicht erforderlich war.

23. Am 10.12.2018 wurde der BF neuerlich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, das Bundesamt verfügte keine Maßnahmen.

24. Der BF wurde von 01.02.2019 bis 06.02.2019 zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe, die von einer Landespolizeidirektion in einem fremdenrechtlichen Verwaltungsstrafverfahren über den BF verhängt worden war, angehalten. Der BF kam dabei selbstständig einer Aufforderung zum Strafantritt nach.

25. Am 22.04.2019 wurde der BF neuerlich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und gemäß § 40 Abs. 1 Z. 3 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG festgenommen. Eine Einvernahme durch das Bundesamt war nicht möglich, da durch aggressives Verhalten des BF Selbst- und Fremdgefährdung vorlag und der BF auch am 23.04.2019 noch nicht einvernahmefähig war.

26. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.04.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass seit 27.12.2016 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliege und sich der BF unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Er sei illegal nach Österreich eingereist und habe sich bisher unkooperativ verhalten, da er nicht ausgereist sei. Er habe in keinster Weise an seinem Verfahren mitgewirkt und sei bei seiner Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum durch aggressives Verhalten aufgefallen, eine erkennungsdienstliche Behandlung habe er abgelehnt. Am 09.09.2018 sei er aufgefordert worden, sich selbstständig um die Ausstellung eines Reisedokumentes zu kümmern, dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Es seien bereits vier Anträge auf internationalen Schutz ab- bzw. zurückgewiesen worden. Einer Erwerbstätigkeit gehe der BF nicht nach und bestehe keine begründete Aussicht darauf, dass er eine Arbeitsstelle finden werde. Über ausreichend Barmittel zur Finanzierung seines Unterhaltes verfüge der BF nicht, er sei im Bundesgebiet weder beruflich noch sozial verankert. Auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 liege daher Fluchtgefahr vor. Der BF sei im Laufe seines Verfahrens mehrmals untergetaucht um sich dem Verfahren zu entziehen und habe in keinster Weise an den geführten Verfahren mitgewirkt. Im Zuge der aktuellen Anhaltung zeige der BF ein äußerst aggressives Verhalten. Die Schubhaft sei verhältnismäßig, da der BF im Bewusstsein der durchsetzbaren Ausweisungen und eines rechtskräftigen Rückkehrverbotes im Bundesgebiet verblieben sei. Die Sicherung des Verfahrens sei erforderlich, da sich der BF auf Grund des oben beschriebenen Verhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Auf Grund der Wohn- und Familiensituation, der fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF könne geschlossen werden, dass ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege. Bei der Prüfung der Fluchtgefahr sei auch das massive strafrechtliche Verhalten des BF einzubeziehen und erhöhe eine erhebliche Delinquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich. Mit einem gelinderen Mittel könne nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF die bestehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften missachtet habe und danach getrachtet habe, seinen illegalen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 23.04.2019 persönlich zugestellt, die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme wurde vom BF verweigert.

27. Am 10.05.2019 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 23.04.2019 und brachte im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde Verfahrensvorschriften insofern verletzt habe, da sie gerade bei einem Unterbleiben einer Einvernahme des BF feststellen hätte müssen, dass er über eine aufrechte Meldeadresse verfüge. An dieser sei der BF bis zu seiner Anhaltung wohnhaft gewesen und habe in einem Tageszentrum regelmäßig psychosoziale Betreuung wahrgenommen. Er sei somit für die belangte Behörde auch bei derartigen Terminen greifbar. Auf Grund des Verhaltens des BF während seiner Anhaltung sei die belangte Behörde auch verpflichtet gewesen, den psychischen Gesundheitszustand des BF genauer erheben zu lassen. Auch das habe die belangte Behörde unterlassen.

Das Vorliegen von Fluchtgefahr werde bestritten, da die aufrechte Meldung sowie die regelmäßige Betreuung in einem Tageszentrum dagegensprächen. Der BF sei zwar auf Grund seiner Anhaltung in Schubhaft von seiner Meldeadresse abgemeldet worden, könne jedoch nach seiner Entlassung aus der Schubhaft wieder dorthin zurückkehren.

Die angeordnete Schubhaft sei unverhältnismäßig, da dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, ob ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bereits eingeleitet sei oder ein solches bereits vorliege. Da sich die marokkanische Vertretungsbehörde in ähnlich gelagerten Fällen äußerst unkooperativ verhalten habe, sei nicht mit einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu rechnen. Es könne daher im Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft nicht abgesehen werden, ob eine zeitnahe Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgen werde.

Auch auf Grund des Gesundheitszustandes des BF sei die angeordnete Schubhaft unverhältnismäßig. Der BF habe im Rahmen der Beratungsgespräche mit seiner Rechtsvertretung einen sehr verwirrten Eindruck erweckt und habe eine Nachfrage bei seinen Betreuern des XXXX ergeben, dass er regelmäßig psychosoziale Betreuung in Anspruch nehme und unter anderem auch ein Medikament verschrieben bekommen habe, das insbesondere bei schizophrenen Psychosen verschrieben werde. Die Anhaltung in Schubhaft bedeute für den BF daher auf Grund seiner Erkrankung eine überdurchschnittliche psychische Belastung.

Auf Grund der aufrechten Meldung des BF hätte die belangte Behörde die Möglichkeit gehabt, über den BF das gelindere Mittel der täglichen Meldung anzuordnen.

Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen gemäß der Verwaltungsgerichtsaufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen habe, aufzuerlegen.

28. Das Bundesamt legte am 13.05.2019 den Verwaltungsakt vor und gab dazu eine Stellungnahme ab, aus der sich nach einer ausführlichen Schilderung des bisherigen Verfahrens im Wesentlichen ergibt, dass Marokko seit 18.02.2016 zu den sicheren Herkunftsstaaten zähle, weshalb asylrechtliche Rückkehrentscheidungen verbindlich durchzusetzen seien. Zudem bestehe ein erhöhter Sicherungsbedarf im Falle straffälliger Fremder und es sei im Hinblick auf die Verbeugung gerichtlich strafbarer Handlungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Durchsetzung und Sicherung der Außerlandesbringung ein besonderes Gewicht zuzuerkennen. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF könne durch eine periodische Meldeverpflichtung das Verfahren nicht gesichert werden, da der BF seit seiner Einreise im Bundesgebiet unsteten Aufenthaltes gewesen sei. Mit der Vertretungsbehörde werde laufend Kontakt aufgenommen und ein Termin für eine Vorführung des BF erwartet. Solange keine definitive Absage zur Ausstellung eines Reisedokumentes vorliege, könne die Außerlandesbringung des BF nicht als undurchführbar angesehen werden. Es könne nicht angenommen werden, dass der BF einer Ladung im Falle der Vorführung zu seiner Vertretungsbehörde nachkommen werde. Der BF sei am 23.03.2019 erneut in den Hungerstreik getreten, um seine Haftunfähigkeit herbeizuführen. Den Hungerstreik habe er am 29.04.2019 beendet.

Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und den BF zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.

29. Am 14.05.2019 legte das Bundesamt medizinische Unterlagen des BF vor.

30. Der BF übermittelte mit Schriftsatz vom 16.05.2019 eine Beschwerdeergänzung, in der im Wesentlichen abermals vorgebracht wird, dass es mehr als unwahrscheinlich sei, dass für den BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ein Heimreisezertifikat erlangt werden könne. Außerdem wurde ein Schreiben vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass der BF am 20.05.2019 einen Termin in einem Ambulatorium im Zusammenhang mit Drogensucht habe. Da auf diesen Termin noch weitere folgen werden, sei der BF nicht nur an seiner Wohnadresse sondern auch bei seinen Therapieterminen für die Behörde greifbar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.30. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht nicht fest, er gibt an, marokkanischer Staatsangehöriger zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 23.04.2019 in Schubhaft angehalten.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Der BF verfügt über kein Reisedokument und hat sich um die Erlangung eines derartigen Dokumentes bisher nicht bemüht.

3.2. Es liegt eine mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.08.2016 erlassene durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.3. Der BF hat sich seinem mit Antrag vom 10.01.2011 eingeleiteten Asylverfahren entzogen. Das Verfahren wurde mit Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 07.02.2011 eingestellt.

3.4. Der BF hat seine Anträge auf internationalen Schutz vom 01.10.2009 und 07.08.2016 jeweils während aufrechter Schubhaft gestellt. Im Zeitpunkt beider Anträge lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.5. Der BF ist dem mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 29.05.2009 angeordneten gelinderen Mittel nicht nachgekommen.

3.6. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine nahen Angehörigen und geht keiner Erwerbstätigkeit nach.

3.7. Der BF bezog zuletzt seit 19.11.2018 Leistungen aus der Grundversorgung und verfügte seit 19.11.2018 über einen Wohnsitz im Rahmen der Grundversorgung, an dem er seit 06.12.2018 nach den Bestimmungen des Meldegesetzes gemeldet ist. Das Bundesamt stellte dem BF seit seiner Entlassung aus der Schubhaft am 25.08.2016 keine Schriftstücke zu. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der BF an seiner Meldeadresse nicht erreichbar war.

3.8. Dem mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 01.08.2011 angeordneten gelinderen Mittel der täglichen Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion kam der BF von 02.08.2011 bis 23.06.2012 nach.

3.9. Der BF wurde von 01.02.2019 bis 06.02.2019 zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe, die von einer Landespolizeidirektion in einem fremdenrechtlichen Verwaltungsstrafverfahren über den BF verhängt worden war, angehalten. Der BF kam dabei selbstständig einer Aufforderung zum Strafantritt nach.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF weist sechs Vorstrafen auf, die letzte Tat, die zu einer Verurteilung führte, hat der BF am 21.08.2014 begangen.

4.2. Bei der marokkanischen Vertretungsbehörde wurde bereits im XXXX die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF beantragt. Trotz laufender Urgenzen konnte bislang kein Heimreisezertifikat für den BF erlangt werden. Die marokkanische Vertretungsbehörde hat nicht mitgeteilt, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Ein Interview des BF vor einer Delegation der marokkanischen Vertretungsbehörde fand bisher nicht statt, ein Termin dafür wurde bisher mit der marokkanischen Vertretungsbehörde nicht vereinbart. Ergänzende Angaben zur Identität des BF wurden zuletzt am XXXX an die marokkanische Vertretungsbehörde weitergeleitet.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 13.08.2016 betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Da der BF im bisherigen Verfahren keine Unterlagen vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen, steht seine Identität nicht fest. Dass er volljährig und marokkanischer Staatsangehöriger ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in seinen bisherigen Verfahren. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Die bisher vom BF gestellten Anträge auf internationalen Schutz wurden ab- bzw. zurückgewiesen.

2.2. Dass der BF gesund ist, ergibt sich aus den vom Bundesamt vorgelegten medizinischen Unterlagen. Daraus ergibt sich, dass der BF am 22.04.2019 die Untersuchung verweigert hat, dass jedoch keine relevanten Krankheitssymptome oder Verletzungen erkennbar waren. Darüber hinaus ist der Krankenkartei des BF zu entnehmen, dass er wegen Eigen- und Fremdgefährdung von 22.04.2019 bis 30.04.2019 in einer besonders gesicherten Zelle angehalten wurde. Insgesamt sind der Krankenkartei keine Anhaltspunkte für eine Erkrankung des BF zu entnehmen und wurde vom Amtsarzt am 14.05.2019 die weitere Haftfähigkeit des BF festgestellt.

2.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Dass der BF über keine Reisedokument verfügt und sich um die Erlangung eines derartigen Dokumentes bisher nicht bemüht hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Angaben des BF in seiner Beschwerde, in der er ausdrücklich zugesteht, bisher seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen zu sein.

3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.08.2016 erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme beruhen auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Beschwerdeverfahren gegen diesen Bescheid betreffend.

3.3. Das sich der BF seinem mit Antrag vom 10.01.2011 eingeleiteten Asylverfahren entzogen hat steht insofern fest, als sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, dass dieses Verfahren mit Aktenvermerk vom 07.02.2011 eingestellt wurde, da der Aufenthaltsort des BF unbekannt war.

3.4. Die Feststellung, dass der BF die Anträge auf internationalen Schutz am 01.10.2009 und 07.08.2016 jeweils während aufrechter Schubhaft stellte und jeweils eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, beruht auf den im Verwaltungsakt einliegenden Bescheidausfertigungen die jeweilige Anordnung der Schubhaft betreffend und den jeweiligen Entlassungsscheinen aus der Schubhaft.

3.5. Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 29.05.2009 wurde über den BF das gelindere Mittel der angeordneten Unterkunftnahme verhängt. Dass er sich lediglich zwei Tage in dieser Unterkunft aufhielt, ergibt sich aus der Rechnung, die der Betreiber der Unterkunft der Behörde übermittelt hat. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF dem angeordneten gelinderen Mittel nicht nachgekommen ist.

3.6. Aus dem gesamten Verwaltungsakt ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der BF über nahe Angehörige im Bundesgebiet verfügt oder einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

3.7. Die Feststellungen zum Bezug der Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einer Einsichtnahme in das Grundversorgungs-Informationssystem, jene die Meldeadresse des BF betreffend aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Aus dem Verwaltungsakt ist seit der Entlassung des BF aus der Schubhaft am 25.08.2016 kein Versuch der Zustellung eines Schriftstückes an den BF ersichtlich. Mit Ausnahme der Aufgriffe des BF am 08.09.2018, seiner Einvernahme und Entlassung aus der Anhaltung am 09.09.2018 und seinem Aufgriff am 10.12.2018 sind dem Verwaltungsakt bis zum Aufgriff des BF am 22.04.2019 keine weiteren Aktenvorgänge zu entnehmen. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der BF an seiner Meldeadresse für das Bundesamt nicht erreichbar war.

3.8. Dass der BF dem mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 01.08.2011 angeordneten gelinderen Mittel der täglichen Meldeverpflichtung nachgekommen ist, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden von der betreffenden Polizeiinspektion an die Bundespolizeidirektion übermittelten Meldelisten.

3.9. Die Feststellungen zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 01.02.2019 bis 06.02.2019 beruhen auf einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei. Dieser ist insbesondere auch zu entnehmen, dass sich der BF nach einer Aufforderung zum Strafantritt selbstständig bei einer Polizeiinspektion gemeldet hat und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einem fremdenrechtlichen Verwaltungsstrafverfahren beruht.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Die Feststellungen zur den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister.

4.2. Die Feststellungen zum bisher geführten Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates beruhen auf einer Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Diesem sind insbesondere der Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats einer Bundespolizeidirektion vom XXXX sowie die Urgenzen vom XXXX und XXXX zu entnehmen. Weiters ergibt sich aus Aktenvermerken vom 16.02.2017 und 07.03.2017, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF laufend urgiert wird und Gespräche mit dem Konsul darüber stattfanden. Dem Verwaltungsakt sind keine Hinweise dafür zu entnehmen, dass ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt wurde oder dass die marokkanische Vertretungsbehörde mitgeteilt hätte, dass kein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt wird. Ebenso ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, dass ein Interviewtermin des BF vor einer Delegation der Vertretungsbehörde stattgefunden hat oder organisiert worden ist. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich auch, dass zuletzt mit Schreiben vom XXXX ergänzende Angaben zur Identität des BF an die marokkanische Vertretungsbehörde übermittelt wurden. Weitere diesbezügliche Schreiben bzw. Aktenvorgänge lassen sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung des BF angeordnet. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht (VwGH vom 19.04.2012, 2009/21/0047). Steht von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen (VwGH vom 17.11.2005, 2005/21/0019). Ist bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht innerhalb der [höchst zulässigen Schubhaftdauer] zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mithin von Anfang an nicht verhängt werden (VwGH vom 17.11.2005, 2005/21/0019).

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde bereits im XXXX bei der marokkanischen Vertretungsbehörde beantragt. Trotz laufender Urgenzen konnte bislang kein Heimreisezertifikat für den BF erlangt werden. Es fand auch kein Interview des BF vor einer Delegation der marokkanischen Vertretungsbehörde statt, dem Verwaltungsakt lassen sich auch keine Hinweise dafür entnehmen, dass ein solches Interview für den BF jemals konkret beabsichtigt war. Eine Rückmeldung der Vertretungsbehörde, wie der konkrete Fall des BF beurteilt wird, lässt sich dem Verwaltungsakt ebenfalls nicht entnehmen. Ergänzende Angaben zur Identität des BF wurden der Vertretungsbehörde zuletzt am XXXX übermittelt.

Gemäß § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z. 2 FPG kann die Schubhaft grundsätzlich 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist oder eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt.

In seiner Stellungnahme vom 13.05.2019 führt das Bundesamt aus, dass mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF weiterhin zu rechnen sei, da die marokkanische Vertretungsbehörde bisher nicht mitgeteilt habe, dass ein derartiges Dokument nicht ausgestellt werde. Darüber hinaus werde ein Termin für eine Vorführung des BF erwartet.

Dem Verwaltungsakt lässt sich entnehmen, dass seit dem Jahr 2009 laufend im Fall des BF Urgenzen an die marokkanische Vertretungsbehörde gerichtet wurden, bisher wurde jedoch weder ein Termin zur Vorführung des BF erreicht, noch ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Es ist daher bei einer bisherigen Verfahrensdauer von beinahe 10 Jahren nicht absehbar, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgen werde, zumal sich auch der Sachverhalt - insbesondere die vom BF bekannt gegebenen persönlichen Daten - seit der Beantragung des Heimreisezertifikates nicht geändert hat und seit dem Jahr 2009 keine weiteren Angaben zur Identität des BF an die Vertretungsbehörde übermittelt wurden.

Die Anordnung von Schubhaft erscheint daher im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als unzulässig.

1.3.5. Doch auch was das Erfordernis des Sicherungsbedarfs betrifft, ist von einem solchen derzeit nicht auszugehen.

Dem Bundesamt ist zwar zuzustimmen, dass der BF eine Reihe von Tatbeständen des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt hat, da er sich seinem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen hat, eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, Asylanträge im Stande der Schubhaft zu Zeitpunkten gestellt hat, in denen eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und er seiner Verpflichtung aus einem angeordneten gelinderen Mittel nicht nachgekommen ist. Daher ist grundsätzlich von Fluchtgefahr auszugehen.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist jedoch das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF befindet seit 19.11.2018 (wieder) in der Grundversorgung und verfügte vor Anordnung der Schubhaft über einen Wohnsitz, an dem er auch gemeldet war. Einer Aufforderung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe in einem Verwaltungsstrafverfahren kam der BF im Februar 2019 nach. Das Bundesamt selbst verfügte nach den Aufgriffen des BF am 08.09.2018 und 10.12.2018 keine fremdenpolizeilichen Maßnahmen und ging offenbar von keinem Sicherungsbedarf aus. Inwiefern sich der Sachverhalt geändert hat, um nach einem Aufgriff des BF am 22.04.2019 von einem die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarf auszugehen, erschließt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht. Es ist nach Ansicht des Gerichtes auf Grund des vom BF in den Monaten vor der Anordnung der Schubhaft gezeigten Verhaltens von keinem Sicherungsbedarf auszugehen, dem nur durch die Anordnung von Schubhaft begegnet werden kann. Insofern stellt die hier zu beurteilenden Schubhaft keine ultima ratio dar, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid für rechtswidrig zu erklären war.

3.1.6. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 23.04.2019 ist daher rechtswidrig.

3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

3.2.2. Der bereits der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides zur Grunde liegende Sachverhalt hat - insbesondere im Hinblick auf das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates - keine wesentliche Änderung erfahren, weshalb daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen war, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.4. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt III. und IV. - Kostenersatz

3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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