TE OGH 2019/5/22 7Nc14/19x

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Veröffentlicht am 22.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Höllwerth und die Hofrätin Dr. Solé, als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****l M*****, geboren am ***** 2004, und des mj M*****o M*****, geboren am ***** 2006, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 19. Februar 2019, GZ 1 Ps 194/18z-4, gemäß § 111 JN ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache hinsichtlich des mj M*****o M***** an das Bezirksgericht Neunkirchen wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

Die Eltern lebten während aufrechter Ehe zuletzt im Sprengel des Bezirksgerichts Mürzzuschlag. Das Bezirksgericht Mürzzuschlag hat die Ehe der Eltern mit Urteil vom 16. 8. 2018 geschieden. Eine Vereinbarung der Eltern im Sinn des § 179 Abs 2 ABGB ist nicht aktenkundig. Nach einer Bekanntgabe des Zentralen Melderegisters ist der mj M*****o seit 4. 2. 2019 bei der Mutter mit Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Neunkirchen aufrecht gemeldet. Der mj M*****l hält sich nach den Angaben des Vaters in dessen Haushalt im Sprengel des Bezirksgerichts Mürzzuschlag auf.

Der Vater beantragte am 19. 2. 2019 die Regelung des Kontaktrechts zum mj M*****o.

Das Bezirksgericht Mürzzuschlag nahm zu diesem Antrag keine Beweise auf, sondern übertrug mit dem im Spruch genannten, den Eltern zugestellten und unbekämpft gebliebenen Beschluss die Pflegschaftssache hinsichtlich des mj M*****o gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Neunkirchen, weil sich dieses Kind jetzt ständig in dessen Sprengel aufhalte.

Das Bezirksgericht Neunkirchen lehnte die Übernahme des Akts mit der wesentlichen Begründung ab, dass eine Teilübertragung einer Pflegschaftssache nur hinsichtlich eines von mehreren Kindern nicht zweckmäßig sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Bezirksgericht Mürzzuschlag legte den Akt dem Obersten Gerichtshof „zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt“ vor.

1. Das Bezirksgericht Mürzzuschlag hat keinen Beschluss gefasst, mit dem es seine Unzuständigkeit ausgesprochen und die Rechtssache im Sinn des § 44 JN an das Bezirksgericht Neunkirchen überwiesen hat. Demnach liegt auch kein negativer Kompetenzkonflikt, sondern eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN vor, die (jedenfalls derzeit) nicht zu genehmigen ist:

2. Die Ehe der Eltern ist geschieden. Im Fall einer Obsorge beider Eltern nach Auflösung der Ehe haben diese nach § 179 Abs 2 ABGB vor Gericht eine Vereinbarung darüber zu schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird. Das ist nach der Aktenlage bislang nicht geschehen und das Bezirksgericht Mürzzuschlag ist insoweit untätig geblieben. Es existieren keinerlei Erhebungsergebnisse, ob die erst seit kurzem bestehende Situation der getrennten Betreuung der beiden Kinder im jeweiligen Haushalt eines Elternteils als voraussichtlich dauerhaft und stabil anzusehen ist. Es geht nicht an, als einen der ersten gerichtlichen Schritte die Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN zu betreiben, bevor noch eine Klärung der Stabilität der vorliegenden Verhältnisse erfolgt ist (zu deren Bedeutung vgl etwa RS0046971 [T4 und T5]). Daher kommt eine Zuständigkeitsübertragung derzeit nicht in Frage.

3. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass sich die getrennte Betreuung der beiden Kinder im jeweiligen Haushalt eines Elternteils als voraussichtlich dauerhaft und dem Wohl der Kinder entsprechend erweist, ist eine Trennung der Obsorgeverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es trifft zwar zu, dass die Aufteilung einer für Geschwister geführten Pflegschaftssache im Allgemeinen als nicht zweckmäßig angesehen wird (RS0047074 [T8]), das muss aber dann keine Rolle spielen, wenn wegen der vom Pflegschaftsgericht zu regelnden Fragen und des Alters der Kinder ein wechselseitiges Abstimmen von Maßnahmen oder ein besonderer Informationsaustausch nicht mehr im Vordergrund steht (8 Nc 31/15y).

Textnummer

E125368

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0070NC00014.19X.0522.000

Im RIS seit

05.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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