Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde K*****, vertreten durch die KNOETZL HAUGENEDER NETAL Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 540.829,24 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Februar 2019, GZ 11 R 177/18g-117, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. September 2018, GZ 58 Cg 55/14f-111, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Im Revisionsverfahren ist allein die Haftung der beklagten Kraftwerksbetreiberin gemäß § 26 Abs 2 WRG strittig. Diese Bestimmung normiert eine verschuldensunabhängige Schadenshaftung des Wasserberechtigten für den durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstandenen Schaden an einem schon zur Zeit der Erteilung der Bewilligung vorhandenen Objekt, wenn die Wasserrechtsbehörde bei der Erteilung der Bewilligung mit dem Eintritt dieser nachteiligen Wirkung überhaupt nicht oder nur in einem geringen Umfang gerechnet hat (1 Ob 127/04i mwN). Diese verschuldensunabhängige Erfolgshaftung dient dem Ausgleich für die aus einem Vorhaben erwachsenden vermögensrechtlichen Nachteile des Betroffenen, der sich gegen die vom Betrieb einer grundsätzlich rechtmäßigen Anlage ausgehenden Einwirkungen nicht oder nicht rechtzeitig zur Wehr setzen kann (1 Ob 41/80 mwN = SZ 54/64; RIS-Justiz RS0082422; RS0082428 [T1]).
2. Nach § 26 Abs 2 WRG muss der Schaden durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage an einem der in dieser Bestimmung genannten Schutzgüter eingetreten sein; weiters besteht eine Haftung nur dann, wenn die Behörde mit dem Schadenseintritt bei der Bewilligung nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet hat (1 Ob 279/04t = SZ 2005/81). Selbst wenn alle diese Voraussetzungen zutreffen, ist eine Haftung unter anderem dann ausgeschlossen, wenn die nachteilige Wirkung durch höhere Gewalt verursacht worden ist (§ 26 Abs 4 WRG).
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 41/80 mwN = SZ 54/64; RS0027309; RS0029808) ist höhere Gewalt ein von außen einwirkendes elementares Ereignis, das auch durch die äußerste zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war, und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist. Mit anderen Worten: Höhere Gewalt ist dann anzunehmen, wenn ein außergewöhnliches Ereignis von außen einwirkt, das nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt bzw zu erwarten ist und selbst durch äußerste zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann (1 Ob 93/00h mwN = RS0027309 [T3] = RS0029808 [T2]). Diese Beurteilung wird im Wesentlichen auch in der Lehre geteilt (Koziol/Apathy/Koch, Haftpflichtrecht3 Kap. C.4. Rz 10 iVm Kap. A.3. Rz 12; Kerschner, Zivilrechtliche Haftungsfragen bei Hochwasser, Welche Haftungslagen bestehen insbesondere für Gemeinden bei Hochwasserschäden? RFG 2004/38, 141 ff; R. Weiß, Höhere Gewalt als Haftungsausschluss [2009] 302 ff; Klete?ka, Schadenersatz versus höhere Gewalt, ÖJZ 2015/138, 1061 [1065 f]).
3. Dass die Vorinstanzen ausgehend von der dargelegten Rechtsprechung den Haftungsausschluss wegen „höherer Gewalt“ im Sinn des § 26 Abs 4 WRG bejahten, bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach den Feststellungen ist den Mitarbeitern der beklagten Kraftwerksbetreiberin kein Bedienungsfehler beim Betrieb der Wehranlagen, insbesondere auch nicht beim Kraftwerk *****, unterlaufen. Die Wehrbetriebsordnungen wurden eingehalten. Durch den Betrieb des genannten Kraftwerks ergeben sich „im streitgegenständlichen Bereich“ der klagenden Stadtgemeinde keine Veränderungen auf das Abfluss- und Sedimentationsverhalten des Flusses; dadurch kam es auch zu keiner Verstärkung der Ablagerungen. Beim Hochwasser im Juni 2013 hatte der Abfluss „eine Jährlichkeit eines HQ 200“. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass aufgrund des „200-jährigen“ Hochwassers, der Einhaltung der Wehrbetriebsordnungen, des Fehlens eines Bedienungsfehlers beim Betrieb der behördlich bewilligten Wehranlage sowie keiner Vermeidbarkeit der Folgen des Hochwasserereignisses (mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln) und des Umstands, dass es durch den Betrieb des Kraftwerks ***** zu keiner Verstärkung der Ablagerungen und „im streitgegenständlichen Bereich“ zu keinen Veränderungen auf das Abfluss- und Sedimentationsverhalten des Flusses gekommen ist, eine Haftung der Beklagten zu verneinen sei, überschreitet nicht den ihm in dieser Frage offen stehenden Beurteilungsspielraum.
4. Bei Vorliegen von höherer Gewalt im Sinn des § 26 Abs 4 WRG, die „in den Fällen des Abs 2 und 3“ die nachteilige Wirkung verursacht hat, kommt es zum Ausschluss der Schadenshaftung nach § 26 Abs 2 WRG. Entgegen der – nur abstrakt ausgeführten – Ansicht der Revisionswerberin hat der Kraftwerksbetreiber in diesem Fall nicht jedenfalls jenen Schaden zu tragen, der auch ohne den Eintritt höherer Gewalt entstanden wäre, ganz abgesehen davon, dass ein solcher Schaden nicht feststeht und nicht einmal in der Revision dargelegt wird, dass und inwieweit die Kraftwerke der Beklagten auch bei einem „gewöhnlichen“ Hochwasser einen Schaden durch vermehrte Ablagerungen verursacht hätten. Die Sedimente aus der fließenden Welle (50 %) wären auch ohne den staugeschützten Ausbau des Flusses vorhanden gewesen. Eine andere Schadensursache als das von den Vorinstanzen als höhere Gewalt gewertete Hochwasserereignis gab es nicht. Hat die Beklagte aber die gesetzlichen und behördlichen Vorschriften eingehalten, kein Verhalten unterlassen, das ein äußerst sorgfältiger Betreiber mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln gesetzt hätte, und ist sie selbst mit einem nicht verhinderbaren Elementarereignis – wie dem „200-jährigen“ Hochwasser – konfrontiert, ist nicht ersichtlich, warum eine gänzliche Haftungsbefreiung im Fall von höherer Gewalt „dem Grundgedanken der Eingriffs- bzw Gefährdungshaftung“ widersprechen sollte und „nicht sachgerecht“ wäre. Das Hochwasserereignis war – entgegen den Ausführungen der Klägerin – nicht vorhersehbar. Sie vermag auch nicht ausgehend von den getroffenen Feststellungen aufzuzeigen, dass Mitarbeitern der Beklagten ein sorgfaltswidriges Verhalten anzulasten wäre. Ihre Ansicht, die Haftungsbefreiung der höheren Gewalt sei möglichst eng auszulegen, rechtfertigt nicht eine solche „verfassungskonforme Interpretation“, dass sie ihren Schaden ersetzt erhält. Die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 26 Abs 4 WRG vermag sie nicht näher darzulegen, sodass für die angeregte Antragstellung nach Art 89 Abs 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof kein Anlass besteht.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E125428European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00066.19S.0527.000Im RIS seit
05.07.2019Zuletzt aktualisiert am
21.11.2019