TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/11 L510 1302581-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2019
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Entscheidungsdatum

11.01.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs2 Z2
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L510 1302581-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Mag. Kurt JELINEK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG i.d.g.F. stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX , rk mit 13.09.2018, wurde die beschwerdeführende Partei (bP) nach dem MarkenschutzG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder Bundesamt) wurde festgestellt, dass die bP vom BG XXXX am XXXX , rk mit 25.08.2015, wegen § 271 StGB, Verstrickungsbruch, zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Daraufhin wurde von der LPD XXXX am 25.09.2018 eine Aufstellung eventueller Verwaltungsstrafen angefordert. Der Auszug wurde am 25.09.2018 dem Bundesamt übermittelt und ergab, dass gegen die bP nach dem Glückspielgesetz rechtskräftige Geldstrafen in der Höhe von EUR 28.000,00, dreimal EUR 3.000,00 und EUR 48.000,00 aus den Jahren 2017 und 2018 verhängt worden sind.

Mit Schriftsatz vom 25.09.2018 wurde der bP vom Bundesamt eine Mitteilung zum Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt und damit mitgeteilt, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden hat und das Bundesamt beabsichtigt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bzw. Aufenthaltsverbot für das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten zu erlassen.

Um den Sachverhalt im Lichte ihrer persönlichen Verhältnisse beurteilen zu können, wurde der bP die Möglichkeit gegeben im Sinne ihres Rechts auf Parteiengehör eine Stellungnahme zu der beabsichtigten Vorgangweise und Fragen zu ihrer Person abzugeben und wurde ihr in gleichem Schriftsatz mitgeteilt, dass für den Fall, dass sie zur beabsichtigten Vorgangsweise der Behörde nicht Stellung nehme, das Verfahren ohne nochmaliger Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt und entschieden werde.

Am 26.09.2018 wurden die VSTV-Anzeigen nach dem Glückspielgesetz von der LPD XXXX angefordert, welche am 26.09.2018 dem Bundesamt übermittelt wurden.

Die bP ist der Aufforderung zur Stellungnahme durch Ihre Rechtsvertretung nachgekommen. Darin heißt es wie folgt:

"Richtig ist, dass Herr XXXX zu einer bedingt nachgesehenen niedrigen Freiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Monate wegen eines Verstoßes gegen § 60 Markenschutzgesetz verurteilt wurde sowie Verwaltungsstrafen wegen Verstößen nach dem Glückspielgesetz in der Höhe von EUR 48.0000, EUR 9.000,00 und EUR 28.000,00 verhängt wurden.

XXXX ist grundsätzlich ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch. Er lebt seit nunmehr 2005 in Österreich und hat seither, soweit es ihm erlaubt war, immer gearbeitet. Auf Grund politischer Unruhen in seinem Herkunftsland Türkei ist der Einschreiter nach Österreich gekommen. Herr XXXX wird dort politisch verfolgt und droht ihm bei einer Rückkehr eine mehrjährige Haftstrafe. Ziel der Einreise nach Österreich war es, sich ein neues Leben in Sicherheit aufzubauen und befindet sich der Einschreiter seither durchgehend im Bundesgebiet. Der Einschreiter hatte zunächst Asylstatus bis ihm 2014 ein Fremdenpass ausgehändigt wurde und ihm 2015 schließlich eine Rot-Weiß-Rot plus Karte gewährt wurde. Einen gültigen Reisepass besitzt der Einschreiter derzeit nicht.

In der Türkei besuchte der Einschreiter 5 Jahre lang die Volksschule (Pflichtschule) sowie 3 Jahre lang die Hauptschule im Anschluss daran war der Einschreiter 10 Jahre als Schneider tätig. Der letzte Wohnort des Einschreiters war Istanbul, wobei ihm eine genaue Adresse nicht mehr im Gedächtnis ist. Seit dem 01.10.2018 ist der Einschreiter bei dem Unternehmen XXXX , XXXX , als Hilfskraft beschäftigt und verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von rund EUR 934,00. Davor war der Einschreiter als Unternehmer tätig und betrieb selbständig ein Wettbüro.Der Einschreiter bewohnt gemeinsam mit seiner dreijährigen Tochter XXXX , geb. XXXX , sowie seiner Lebensgefährtin XXXX , geb. XXXX , welche rumänische Staatsbürgerin ist, eine Mietwohnung in der XXXX .

Der Einschreiter verfügt in seinem Herkunftsstaat Türkei über Angehörige, zu welchen er jedoch kaum Verbindung mehr hat. Lediglich zu seiner Mutter besteht seltener, jedoch regelmäßiger Kontakt. Der Einschreiter ist nunmehr seit bereits 13 Jahren in Österreich aufhältig und sozial vollständig integriert. Darüber hinaus wurde der Einschreiter in keinem anderen Staat, ausgenommen Österreich je von einem Gericht rechtskräftig wegen einer Straftat verurteilt und wurde bislang auch kein Aufenthaltsverbot in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegen ihn erlassen. XXXX strebt einen weiteren Aufenthalt in Österreich an, da er Österreich als sein zu Hause sieht, zumal er die letzten 13 Jahre hier in Sicherheit leben konnte. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wäre in Anbetracht der obigen Ausführungen jedenfalls unverhältnismäßig."

2. Die bP stellte ursprünglich nach illegaler Einreise aus der Türkei am 12.07.2005 einen Asylantrag in Österreich.

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 08.06.2006, XXXX , den Asylantrag abgewiesen und zugleich festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist und nach damaliger Rechtslage die Ausweisung in die Türkei ausgesprochen.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 14.06.2006 Beschwerde erhoben.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 13.02.2014 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, jedoch festgestellt, dass die Ausweisung in die Türkei auf Dauer unzulässig ist.

3. Am 26.11.2018 wurde die Lebensgefährtin der bP, XXXX , als Zeugin zum Familienleben mit der bP seitens des Bundesamtes niederschriftlich einvernommen.

4. Mit im Spruch angeführten Bescheid erließ das BFA gemäß § 67 Absatz 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen die bP ein für die Dauer von 2 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.). II. Gemäß § 70 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde der bP kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt Spruchpunkt III.).

Das BFA ging nach Prüfung der Aktenlage davon aus, dass es sich bei der bP nicht um eine nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) berechtigte Person türkischer Staatsangehörigkeit handelt.

Das Bundesamt ging weiter davon aus, dass die bP als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei. Diese Ableitung ergebe sich aus der Tatsache, dass sie als Vater einer in Österreich geborenen rumänischen Staatsbürgerin, welche mit der bP im gemeinsamen Haushalt wohne, zur Kernfamilie gehöre und somit als Familienangehöriger eines EWR-Bürgers anzusehen sei. Die Beziehung zu ihrer rumänischen Lebensgefährtin und Mutter ihrer Tochter reiche zur Erfüllung der Voraussetzungen des begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht aus.

Deshalb sei keine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot, sondern ein Aufenthaltsverbot zu erlassen gewesen.

Mit Verfahrensanordnung wurde der bP ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

5. Mit undatiertem Schriftsatz (Poststempel 28.12.2018) wurde durch die Vertretung der bP Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhoben.

6. Am 08.01.2019 langte die Rechtssache bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die bP ist türkischer Staatsbürger. Sie ist nicht im Besitz eines türkischen Reisepasses und nicht im Besitz eines österreichischen Fremdenpasses. Sie unterliegt nicht dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei und ist begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Sie reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 12.07.2005 einen Asylantrag in Österreich.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 13.02.2014 wurde ihr der Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten nicht gewährt, jedoch festgestellt, dass ihre Ausweisung in die Türkei auf Dauer unzulässig ist.

Am 04.11.2014, gültig bis 03.11.2015, wurde ihr vom Bundesamt ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.

Mit Aktenvermerk vom 01.10.2015 wurde mittels Aktenvermerk des Bundesamtes festgestellt, dass die Verurteilung des BG XXXX vom XXXX zu einer Geldstrafe noch nicht für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme ausreicht.

Am 04.11.2015, gültig bis 03.11.2016, wurde ihr vom Magistrat XXXX eine Niederlassungsbewilligung erteilt.

Am 04.11.2016, gültig bis 03.11.2017, wurde ihr vom Magistrat XXXX eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 08.11.2017, L519 1302581-2/5E, wurde die Beschwerde gegen die Nichtausstellung eines Fremdenpasses § 88 Abs. 1 Z. 1 FPG abgewiesen.

Mit 04.11.2017, gültig bis 03.11.2020, wurde ihr vom Magistrat XXXX eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt.

Sie wurde in den Jahren 2017 und 2018 nach dem Glückspielgesetz mit hohen Verwaltungsstrafen bestraft.

Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX , rk mit 13.09.2018, wurde sie nach dem MarkenschutzG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Die bP ist seit 09.08.2005 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Abwesenheiten sind nicht aktenkundig. Die bP ist somit über 10 Jahre dauernd in Österreich aufhältig.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Die o. a. Feststellungen wurden im Verfahren nicht bestritten. Insbesondere wurden berücksichtig:

-

Bescheid des BFA

-

Urteil des LG XXXX , XXXX vom XXXX .

-

Auszug aus der Verwaltungsstrafdatei der LPD XXXX .

-

Beschluss des LVwG XXXX vom 05.02.2018.

-

VSTV Anzeigen der LPD XXXX .

-

Auszug aus EKIS, IFA, Sozialversicherung.

-

BFA Akt.

-

Einvernahme Zeugin XXXX vom 26.11.2018.

-

Beschwerdeschriftsatz

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. (Aufenthaltsverbot)

Gemäß § 67 Absatz 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch einen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wurde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Das BFA argumentierte in Bezug auf Spruchpunkt I. rechtlich folgend:

"Der unionsrechtliche Begriff "Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" erfasst sämtliche Gefährdungsbereiche, also auch die gesamte Verwaltungspolizei.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kann der Kriterienkatalog in § 53 FPG als Orientierungsmaßstab herangezogen werden (vgl beispielhaft VwGH 25.02.2010, 2006/18/0098 und 02.09.2008, 2006/18/0343).

Diese Voraussetzungen treffen für Sie zu und es wird diesbezüglich auf die bereits geführten beweiswürdigenden Ausführungen, welche ein Aufenthaltsverbot gegen Ihre Person indizieren, verwiesen. Die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen fallen in den Kriterienkatalog des § 53 Abs. 2 Z. 2 FPG.

Sie wurden von der LPD XXXX rechtskräftig, wegen Verstoßes nach dem Glücksspielgesetz, zu Verwaltungsstrafen in der Höhe von EUR 28.000,00, EUR 9.000,00 und EUR 48.000,00 bestraft.

Sie wurden auch schon zweimal, wenn auch nur geringfügig, von einem inländischen Gericht, im Abstand von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Weder die Verwaltungsstrafen noch die Gerichtsurteile gelten als getilgt.

Gemäß § 55 Abs. 1 VStG gelten wegen Verwaltungsstrafen verhängte Straferkenntnisse mit Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft als getilgt. (BGBl I 2013/33)

Sie haben durch Ihr Verhalten gezeigt, dass Sie kein Interesse daran haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtigte ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Das von Ihnen gezeigte Verhalten ist erst vor kurzem gesetzt und ist aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es muss daher von einer aktuellen und gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.

Auffällig ist, dass Sie erst nach dem Erkenntnis des BVwG im Jahr 2014 straf- und verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung traten. Offensichtlich fühlten Sie sich nach der Entscheidung, und nach Erteilung eines Aufenthaltstitels, in Sicherheit. Das BVwG stellte 2014 im Erkenntnis fest, dass auf Grund Ihrer Unbescholtenheit dem Privat- und Familienleben ein hoher Stellenwert zukommt.

Diese Voraussetzungen können vom Bundesamt nun nicht mehr als gegeben angesehen werden. Sie wurden über längere Zeit und ohne einen Weg der Besserung einzuschlagen massiv straffällig, in dem Sie illegale Glücksspielautomaten betrieben. Nicht einmal die wiederkehrenden Kontrollen durch die Finanzpolizei konnten Sie davon abhalten. Auch wurden Sie seit 2014 zweimal von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt.

Sie nahmen bewusst in Kauf Personen der Spielsucht zuzuführen. Dabei ließen Sie außer Acht, dass, obwohl Sie selbst Familienvater sind, dadurch Familien oder gar Leben zerstört werden und Familienangehörige dem sozialen Abstieg preisgegeben werden können. Auch besteht für Spielsüchtige ein hoher Grad der Anfälligkeit in Bezug auf Beschaffungskriminalität. Sie haben durch das zugänglich machen illegalen Glücksspieles die von der Republik Österreich eingeführten Mechanismen zum Spielerschutz untergraben.

Im Erkenntnis des VwGH vom 15.03.2016, Ro 2015/17/0022, wird darauf verwiesen, dass die dem Spielerschutz dienenden Maßnahmen auch das Ziel verfolgen, die Beschaffungskriminalität zu verringern. Im gleichen Erkenntnis wird auch ausgesprochen, dass in Österreich die abstrakten Gefahren bestehen, die mit der Spielsucht einhergehen.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der EUGH festgehalten hat, dass Spiele und Wetten - wenn im Übermaß betrieben - sozialschädliche Folgen haben. (vgl. Stoß u.a.)

Die meisten Menschen gehen verantwortungsbewusst mit den Angeboten um. Glücksspiele können aber auch zum Risiko werden. Manche Menschen können mit dem Spielen nicht mehr aufhören, es entwickelt sich ein unwiderstehlicher Drang, immer wieder zu spielen in der Hoffnung, zu gewinnen oder verlorenes Geld zurückzubekommen. Wenn Glücksspiel zur Sucht wird, hat dies gravierende Folgen, nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Angehörigen. Neben den negativen Auswirkungen auf die Beziehungen, die oft auf Lügen und Ausreden aufbauen, belasten vor allem die finanziellen Schwierigkeiten: Schulden bedeuten ständige Auseinandersetzungen mit Geldgebern, Banken und Vermietern und führen auch die Angehörigen an die Grenzen ihrer Kräfte.

Laut den Ergebnissen der ersten, umfassenden "Österreichischen Studie zur Prävention der Glücksspielsucht" (veröffentlicht im Mai 2011, Download: Kurzfassung) weisen 0,4 Prozent aller Befragten ein problematisches und 0,7 Prozent ein pathologisches Spielverhalten auf. Das sind insgesamt etwa 64.000 Personen. Nimmt man nur die Zahl jener, die im vergangenen Jahr an einem Glückspiel teilgenommen haben, so weisen 1% der Personen ein problematisches und 1,6 % ein pathologisches Spielverhalten auf. (Institut Suchtprävention Pro Mente Oberösterreich - Abfragedatum 15.11.2018).

Viele Menschen nehmen gelegentlich an Glücksspielen teil. Bei einigen von ihnen nimmt das Spielverhalten süchtigen Charakter an:

die Gedanken kreisen zunehmend mehr um das Glücksspiel, allmählich geht die Kontrolle verloren bis der Spieldrang gänzlich unbeherrschbar ist, Verluste werden vor den Angehörigen verheimlicht und verzweifelt versucht durch weiteres Spielen auszugleichen. Das Glücksspiel wird zunehmend das Wichtigste im Leben, alles andere tritt allmählich in den Hintergrund. Folgeprobleme (psychisch, familiär, finanziell, beruflich) spitzen sich zu und können bis zum psychischen und/oder existenziellen Zusammenbruch führen.

Spielsucht laut Weltgesundheitsorganisation

In ihrer Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) charakterisierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das pathologische Glücksspiel bereits 1991 als eine Störung, die in häufig wiederholtem episodenhaften Glücksspiel besteht, das die Lebensführung der betroffenen Person beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt.

Die Betroffenen setzen ihren Beruf und ihre Anstellung aufs Spiel, machen hohe Schulden und lügen oder handeln ungesetzlich, um an Geld zu kommen oder um die Bezahlung von Schulden zu umgehen. Sie beschreiben einen intensiven, kaum kontrollierbaren Drang zum Glücksspiel, der verbunden ist mit einer gedanklichen und bildlichen Beschäftigung mit dem Glücksspiel und seinen Begleitumständen. Die gedankliche Beschäftigung und die Drangzustände verstärken sich häufig in belastenden Lebenssituationen.

Hauptmerkmal der Störung ist laut WHO beharrliches, wiederholtes Glücksspiel, das anhält und sich oft noch trotz negativer sozialer Konsequenzen, wie Verarmung, gestörte Familienbeziehungen und Zerrüttung der persönlichen Verhältnisse steigert.

Auswirkungen bei Angehörigen

Verleugnungsphase:

-

Vermehrtes Spielen wird noch akzeptiert

-

Gelegentliche Sorgen, äußern Verdacht, sind leicht zu besänftigen

Belastungsphase:

-

Trotz familiärer Probleme glauben den Versprechungen des Spielers

-

Vorwürfe, stellen Forderungen an den Spieler, Schuldgefühle, Verunsicherung

Erschöpfungsphase:

-

Kontrollversuche, Ohnmachtsgefühle, Verwirrung, Zweifel an sich selbst

-

Psychosomatische Beschwerden

-

Schuldenübernahmen für den Spieler

Hoffnungslosigkeit:

-

Tiefe Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Wut, Angst, Panik

-

Emotionaler Zusammenbruch

-

Medikamenten-/ Alkoholmissbrauch, Selbstmordgedanken, Selbstmordversuche

Diese Punkte sollten Sie erkennen lassen, welche Folgen die Spielsucht hat bzw. haben kann und welche Verantwortung Sie gegenüber Ihren Kunden hatten und Ihnen eventuelle die Augen dahingehend öffnen, dass der persönliche Profit durch das von Ihnen eventuell verursachte Leid nicht aufzuwiegen ist.

Die beeinträchtigten öffentlichen Interessen sind maßgeblich für das Wohlbefinden und Wohlergehen der Bevölkerung und können daher als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung bezeichnet werden.

Aufgrund der wiederkehrenden Missachtung der Rechtsordnung ist auch das Tatbestandmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt."

Dem wird in der Beschwerde im Wesentlichen folgend entgegengehalten:

"... 1.b. Das BFA begründete das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs 1 und 2 FPG (Spruchpunkt I.) im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigen Erkenntnissen der LPD XXXX vom 18.04.2017, 24.10.2017 und 27.02.2018 wegen Übertretungen nach dem Glückspielgesetz zu Geldstrafen in Höhe von € 48.000,-, € 9.000,-

und € 28.000,- bestraft wurde. Außerdem sei der Beschwerdeführer auch schon zweimal, wenn auch geringfügig (BG XXXX vom XXXX , Geldstrafe von 60 Tagessätzen a € 4,-, wegen § 271 Abs 1 StGB; LG für Strafsachen XXXX vom XXXX , gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 2 Monaten wegen § 60 Abs 1 MSchG) von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt worden.

Der nach § 67 Abs 1 FPG relevante, unionsrechtliche Begriff "Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" erfasse sämtliche Gefährdungsbereiche, also auch die gesamte Verwaltungspolizei, wobei nach der Rechtsprechung des VwGH der Kriterienkatalog in § 53 FPG als Orientierungsmaßstab herangezogen werden könne und die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen in den Kriterienkatalog des § 53 Abs 2 Z 2 FPG fielen, wonach ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden könne, wenn jemand wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens € 1.000,- oder primärer Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft worden sei.

Der Beschwerdeführer sei ohne den Weg der Besserung einzuschlagen massiv straffällig geworden, in dem er illegale Glückspiele betrieben habe und beeinträchtige sein bisheriger Aufenthalt daher ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialen Frieden. Das von ihm gezeigte Verhalten habe er erst vor kurzem gesetzt und sei aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es müsse daher von einer aktuellen und gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden (Bescheid, S 1 1 ff.).

Auch die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs nach § 70 Abs 3 FPG (Spruchpunkt II.) sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nach § 18 Abs 3 BFA-Verfahrensgesetze (Spruchpunkt III.) begründete das BFA mit der vermeintlich vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Bescheid, S 23 ff.)

2. a. Die angeführte Begründung des angefochtenen Bescheides des BFA verkennt die aufgrund des Status des Beschwerdeführer XXXX als begünstigter Drittstaatsangehöriger der seinen dauernden Aufenthalt bereits seit 13 Jahren im Inland hatte (Bescheid, S 4, 8), nach 5 67 Abs 1 5. Satz FPG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erforderlichen Voraussetzungen zur Gänze und verweist dabei insbesondere auch völlig verfehlt auf den Kriterienkatalog nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG, der die Voraussetzungen für ein Einreiseverbot für nicht begünstigte Drittstaatsangehörige zum Gegenstand hat und lediglich den Begriff der ("einfachen") Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach § 52 Abs 2 FPG näher beschreibt.

b. Nach § 67 Abs 1 5. Satz FPG ist die Erlassung eines

Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger .... oder begünstigte

Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn - über den 2. Satz leg. cit. hinausgehend, wonach das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darzustellen hat, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt - aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Schon im Hinblick auf diese Formulierungen des § 67 Abs 1 2. und 5. Satz FPG ist die Heranziehung des Kriterienkatalogs nach § 53 Abs 2 FPG ausgeschlossen, allenfalls wäre die Berücksichtigung des Kriterienkatalogs nach § 53 Abs 3 FPG zu den Voraussetzungen eines Einreiseverbots von 10 Jahren oder eines unbefristeten Einreisverbots in Betracht zu ziehen, der den Begriff der vom Drittstaatangehörigen ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit näher beschreibt. Unter diesen Kriterienkatalog sind jedoch weder die gegen den Beschwerdeführer verhängten, gerichtlichen Vorstrafen noch überhaupt gegen Drittstaatsangehörige verhängte Verwaltungsstrafen zu subsumieren.

c. Der vom BFA in diesem Zusammenhang angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 25.02.2010, 2006/18/0098; 02.09.2008, 2006/18/0343) ist die Anwendung des Kriterienkatalogs nach § 53 Abs 2 FPG im Übrigen in keiner Weise zu entnehmen. Nach diesen Entscheidungen könne bei Beurteilung der vom begünstigten Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefährdung zwar auf einen Kriterienkatalog zurückgegriffen werden, im Hinblick auf die damals bestehende Rechtslage verweisen diese Erkenntnisse aber auf den Kriterienkatalog nach §. 60 Abs. 2 FPG (alt) als "Orientierungsmaßstab", der nicht mit dem aktuellen Kriterienkatalog nach § 53 Abs 2 FPG, sondern lediglich mit dem des § 53 Abs 3 FPG vergleichbar ist (siehe auch die diesen Erkenntnissen zugrunde liegenden Vorstrafen der begünstigten Drittstaatsangehrigen).

3. a. Nach der Begründung des BFA komme die besondere Gefährlichkeit des Beschwerdeführers insbesondere darin zum Ausdruck, dass er fortwährend illegale Glückspielautomaten betrieben habe, ihn nicht einmal die wiederkehrenden Kontrollen der Finanzpolizei davon abhalten konnten und die im FPG bei Verwaltungsstrafen vorgesehene Grenze von mindestens € 1.000,- (Kriterienkatalog zu § 53 Abs 2 FPG) zur Erlassung eines Einreise- bzw.(?) Aufenthaltsverbotes (s.o.) um ein Vielfaches überschritten worden sei (Bescheid, S 12, 14).

b. Zu diesen Ausführungen ist zunächst anzuführen, dass der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der gegenständlichen Straferkenntnisse entgegen dieser Ausführungen des BFA nicht wegen des Betriebs von Glücksspielautomaten, sondern wegen der Zugänglichmachung von verbotenen Ausspielungen mit Glückspielgeräten iSd § 2 Abs 4 GSpG zu Geldstrafen verurteilt wurde (Bescheid, S 7).

Hätte er tatsächlich selbst Glückspielautomaten iS. der Ausführungen des BFA auf eigene Rechnung betrieben, läge ihm aber nicht dieser Verwaltungsstraftatbestand zur Last, sondern der gerichtlich zu verfolgende Straftatbestand des Glückspiels nach § 168 Abs 1 StGB. Dessen Schwere und Gewicht ist zwar zweifelsfrei maßgeblich höher zu bemessen als der des genannten Verwaltungsstraftatbestandes, dennoch ist hierfür aber "lediglich" eine Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen vorgesehen, sodass schon deshalb das den gegenständlichen Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers vom BFA beigemessene besondere Gewicht nicht zu erkennen ist.

c. Auch die vom BFA dem Beschwerdeführer unterstellte Nachhaltigkeit der Begehung dieser Straftaten kann dem tatsächlichen Geschehen nicht entnommen werden.

Das vom Beschwerdeführer rechtmäßig betriebene Wettbüro wurde erstmals am 02.06.2015 von der Finanzpolizei kontrolliert und in weitere Folge auch am 06.09.2017 sowie am 09.11.2017. Diese Kontrollen führten zu gegenständlichen Strafbescheiden vom 18.04.2017, 24.10.2017 sowie 27.02.2018 (Bescheid, S 7), erstgenannte Bescheide erlangten jedoch erst mit der Zurückziehung der dagegen erhobenen Beschwerden am 05.02.2018 Rechtskraft, sodass eine nachhaltige Interessenlosigkeit der Respektierung österreichischer Gesetze keineswegs erkannt werden kann (Bescheid, S 14, 21), zumal er die Strafbarkeit seines diesbezüglichen Verhaltens durch Erhebung entsprechender Rechtsmittel auch in Frage stellte und ihm diese somit zum Zeitpunkt der folgenden Tatbegehungen auch noch nicht bewusst sein musste.

Die Annahme, dass diese Verwaltungsstraftaten auch im Herkunftsland des Beschwerdeführers, der Türkei, mit entsprechenden Strafen bedroht sind, ist als bloße, substanzlose Vermutung des BFA zu bewerten, sodass auch der daraus gezogene Schluss, der Beschwerdeführer habe daher mit einem zumindest bedingten Vorsatz bei der Tatbegehung und keinesfalls lediglich fahrlässig oder unwissend gehandelt (Bescheid, S 22), jeglicher Grundlage entbehrt.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang aber auch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer nach Vorliegen der Rechtskraft gegenständlicher Straferkenntnisse keine weiteren diesbezüglichen Handlungen setzte, letztlich auch seine freiberufliche Tätigkeit als Geschäftsführer eines Wettbüros beendete und nunmehr als Hilfskraft beim Unternehmen XXXX in XXXX beschäftigt ist, wobei er ein Nettoeinkommen von € 943,-- bezieht. Im Zusammenhang mit dem Einkommen seiner Lebensgefährtin XXXX von monatlich € 1.050,- und der Familienbeihilfe stehen der Familie des Beschwerdeführers somit monatlich ca. € 2.200,- zur Verfügung (siehe Bescheid, S 10), sodass dessen zwar eingeschränkte, jedoch für eine einfache Lebensführung durchaus ausreichende wirtschaftliche Situation entgegen der Ansicht des BFA (US 14) keineswegs die Begehung weiterer Straftaten zu indizieren vermag, wobei er im Übrigen die ihm zur Last gelegten Tathandlungen im Hinblick auf die Beendigung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer eines Wettbüros auch nicht mehr ausführen könnte..."

Seitens des BVwG wird festgehalten, dass die bP, wie auch vom BFA selbst festgestellt, begünstigter Drittstaatsangehöriger ist und sich bereits seit mehr als 10 Jahren im Bundesgebiet aufhält. Auch kam im Verfahren nicht hervor, dass dieser Aufenthalt nicht grundsätzlich ununterbrochen gewesen wäre. Ferner wurden durch das BFA auch keine maßgeblichen Abwesenheiten dargelegt, welche gegen die Annahme eines mehr als 10jährigen durchgehenden Aufenthaltes sprechen würden. Zudem kam nicht hervor und wurde auch durch das BFA nicht dargelegt, dass der Aufenthalt nicht rechtmäßigen gewesen wäre (vgl. VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228). Deshalb kommt gegenständlich der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 5 zur Anwendung.

Dies bedeutet, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig ist, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Die im fünften Satz des Abs. 1 vorgenommene Reduktion der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots auf eine "nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich" folgt der Textierung des Art 28 Abs. 3 der FreizügigkeitsRL. Hiebei handelt es sich um eine Konzentration auf Fälle schwerer Kriminalität. Dies wird noch deutlicher, wenn zur Interpretation dieses Begriffes der entsprechende Begriff der RL herangezogen wird, wonach es "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit" bedarf. Der EuGH hat dazu (23. 11. 2010, C-145/09, Baden-Württemberg/Panagiotis Tsakouridis) den Rahmen abgesteckt.

Demnach

• sind von diesem Begriff sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst;

• handelt es sich um Sachverhalte, die die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit berühren können;

• kann die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität ein solch zwingender Grund sei;

• setzt eine solche Maßnahme, wenn sie angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist, voraus, dass dieses Ziel unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer im Aufnahmemitgliedstaat des Unionsbürgers und insb. der schweren negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für Unionsbürger haben kann, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden kann;

• kann eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren nicht zu einer Ausweisungsverfügung führen, ohne dass die folgenden Umstände berücksichtigt werden: das persönliche Verhalten der betroffenen Person, die gegebenenfalls zu der Zeit zu beurteilen ist, zu der die Ausweisungsverfügung ergeht, und zwar nach Maßgabe der verwirkten und verhängten Strafen, des Grades der Beteiligung an der kriminellen Aktivität, des Umfangs des Schadens und gegebenenfalls der Rückfallneigung, ist gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist, zu gefährden.

Der VwGH hat in seiner umfangreichen Judikatur zu § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 mehrfach festgestellt, dass Gefährdungsprognosen auf Basis dieser Bestimmung möglich sind und auch vorgenommen werden müssen (vgl. zuletzt VwGH, Ra 2016/21/0035, 25.02.2016; mwH auf B 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0079; B 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0017; E 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0133).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH vom 19.02.2014, 2013/22/0309; vgl. auch E 20. August 2013, 2013/22/0070; E 31. Mai 2011, 2008/22/0831; E 27. Mai 2010, 2007/21/0297).

Bei der in § 67 Abs. 1 FPG vorgesehenen Gefährdungsprognose ist nicht auf den Zeitpunkt der strafbaren Handlung oder der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung abzustellen, sondern soll beurteilt werden, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - mit Blick auf die Gegenwart und die Zukunft - das persönliche Verhalten (nach wie vor) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (VwGH, 2012/18/0098, 07.11.2012).

Das BFA hat gegenständlich zum persönlichen Verhalten der bP sehr umfangreiche Feststellungen getroffen, hat sehr ausführlich Darlegungen zum Spielerschutz getätigt und ist auf die rechtsgutbezogene Pflichtwidrigkeit bei Übertretungen nach dem Glückspielgesetz und deren sozialschädlichen Folgen eingegangen. Diesen Ausführungen wird seitens des BVwG auch nicht entgegengetreten. Es wird seitens des BVwG auch nicht verkannt, dass die in Bezug auf die bP verhängten Verwaltungsstrafen keinesfalls als geringfügig anzusehen sind.

Dennoch wird gegenständlich nach Ansicht des BVwG durch diese Übertretungen und dem individuell aufgezeigten Verhalten der bP nicht jener Grad an Gefährdung für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich erreicht, wie er etwa für die Fälle schwerer Kriminalität durch den EuGH abgesteckt wurde. Vergleichsweise sprach der VfGH in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei, oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse. Zu den zwei strafrechtlichen Verurteilungen der bP ist festzustellen, dass einmal eine Geldstrafe und einmal eine bedingte Freiheitsstrafe zu 2 Monaten verhängt wurde. Auch dadurch ergibt sich in Verbindung mit den Verwaltungsstrafsachen kein anderes Ergebnis.

Zudem wäre auch für den Fall der Erreichung jenes Grades an Gefährdung gegenständlich mit Blick auf die Gegenwart und die Zukunft nicht ersichtlich, dass durch das persönliche Verhalten der bP (nach wie vor) damit zu rechnen wäre, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich maßgeblich und nachhaltig gefährdet würde, da davon ausgegangen werden kann, dass die durch die bP durch ihr strafbares Verhalten beeinträchtigten Rechtsgüter und Grundinteressen aufgrund der Tatsache, dass die bP kein Wettbüro mehr vertreibt, nicht weiterhin beeinträchtigt werden können.

Da somit gegenständlich die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gem. § 67 Abs. 1 Satz 5 schon dem Grunde nach nicht gegeben waren, konnten weitere Erwägungen unterbleiben und war spruchgemäß zu entscheiden.

Da sich die Spruchpunkte II. und III. von Spruchpunkt I. ableiten, waren auch diese ersatzlos zu beheben.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da entsprechend § 24 Abs. 2 Z. 1 aufgrund der Aktenlage bereits feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, begünstigte Drittstaatsangehörige, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Gefährdung der Sicherheit,
Gefährdungsprognose, Geldstrafe, Gesamtverhalten AntragstellerIn,
Kassation, Nachhaltigkeit, öffentliche Ordnung, öffentliche
Ruhe/Ordnung, öffentliche Sicherheit, Rückkehrentscheidung,
strafrechtliche Verurteilung, Verwaltungsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L510.1302581.3.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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