Entscheidungsdatum
04.03.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W224 2214993-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. 1049802205-181011269, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 10.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2015, Zl. 1049802205-150027017, wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigen zuerkannt.
3. Über den Beschwerdeführer wurde am 28.10.2018 die Untersuchungshaft verhängt.
4. Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck zur Zahl XXXX vom 05.11.2018, rechtskräftig geworden am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung (in zwei Fällen) in Anwendung des § 28 und des § 43a Abs. 3 StGB nach dem Strafsatz des § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten sowie gemäß § 369 Abs. 1 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages bzw. Teilschadenersatzes in der Höhe von EUR 1000,- binnen zwei Wochen ab Rechtskraft an die Privatbeteiligte verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Untersuchungshaft wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
5. Mit Bescheid vom 24.01.2019, Zl. 1049802205-181011269, erkannte das BFA dem Beschwerdeführer den mit Bescheid vom 28.11.2015 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 leg. cit. fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und dennoch gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG nach Syrien unzulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkte VI.). Darüber hinaus wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen Nötigung, Sachbeschädigung, Körperverletzung, schwerer Körperverletzung sowie gefährlicher Drohung (in zwei Fällen) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten sowie zur Zahlung eines Teilschmerzengeldes bzw. Teilschadenersatzes in Höhe von EUR 1000,- binnen zwei Wochen ab Rechtskraft verurteilt. Damit sei der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten einen Asylausschlussgrund bzw. Asylaberkennungsgrund verwirklicht.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurden im Wesentlichen vorgebracht, dass es ihm sehr leid tue, was passiert sei, er hätte niemanden verletzen wollen. Er habe Angst, dass er bei Aberkennung des Asylstatus keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen könne und sein Leben in Österreich nicht mehr finanzieren könne. Zur aktuellen Lage in Syrien verwies der Beschwerdeführer auf das LIB und führte aus, dass es ihm unzumutbar sei, nach Syrien zu gehen. Es werde ausdrücklich bestritten, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht über ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK verfüge. Er sei auch sehr gut integriert, spreche gut Deutsch, habe viele Freunde und gehe bald wieder einer geregelten Arbeit nach. Dies habe das BFA nicht ausreichend gewürdigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger, syrischer Staatsbürger muslimischen Glaubens, der der arabischen Volksgruppe angehört. Er stellte am 10.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des BFA vom 28.11.2015 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigen zuerkannt.
Dem Beschwerdeführer liegt im Bundesgebiet folgende Verurteilung zur Last:
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck zur Zahl XXXX vom 05.11.2018, rechtskräftig geworden am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung (in zwei Fällen) in Anwendung des § 28 und des § 43a Abs. 3 StGB nach dem Strafsatz des § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten sowie gemäß § 369 Abs. 1 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages bzw. Teilschadenersatzes in der Höhe von EUR 1000,- binnen zwei Wochen ab Rechtskraft an die Privatbeteiligte verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Untersuchungshaft wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am XXXX in XXXX
I.) Frau XXXX , als diese eine Nachricht auf ihr Handy bekam, dieses Handy unter Kraftanwendung aus den Händen entriss und zur Duldung der Abnahme des Handys nötigte;
II.) im Anschluss daran das Handy der Frau XXXX beschädigte;
III.) danach Frau XXXX vorsätzlich am Körper verletzte bzw. schwer am Körper zu verletzen versuchte;
IV.) Frau XXXX telefonisch mit einer Verletzung am Körper bedrohte.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich insbesondere aus dem vorliegenden Verfahrensakt zur Zuerkennung des Asylstatus sowie den Aussagen des Beschwerdeführers im Asylaberkennungsverfahren. Die ursprüngliche Asylgewährung ist aus dem vorliegenden Akteninhalt ersichtlich. Die strafgerichtliche Verurteilung ergibt sich aus dem dem Verwaltungsakt beiliegenden strafgerichtlichen Urteil sowie aus einer aktuellen Abfrage im Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2014/19/0127).
Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vor-liegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Vor-aussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. Nr. 28.394/95, Döry/Schweden; 8.2.2005, Appl. Nr. 55.853/00, Miller/Schweden), ebenso, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten und die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (EGMR 18.7.2013, Appl. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff).
Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie dem vorliegenden Strafurteilt des Landesgerichts Innsbruck zur Zahl XXXX vom 05.11.2018 geklärt erscheint. Die Beurteilung, ob die Verurteilung des Beschwerdeführers einen Grund für die Aberkennung des Status eines Asylberechtigten darstellt, stellt aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts eine Rechtsfrage dar.
Zu A) Aufhebung
1. Das BFA stützt die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG und führt in der Bescheidbegründung aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurteilung wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG erfüllt.
2. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn
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ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1),
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einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder
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der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).
Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn
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und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1),
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einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2),
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aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass er eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3)
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oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. 60/1974, entspricht (Z 4).
Gemäß Art. 33 Abs. 1 der GFK darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Nach Art. 33 Z 2 GFK kann sich ein Flüchtling aber nicht auf diese Begünstigung beziehen, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zuletzt VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531) müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss
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ein besonders schweres Verbrechen verübt haben,
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dafür rechtskräftig verurteilt worden,
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sowie gemeingefährlich sein und
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es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).
Unter den Begriff des schweren Verbrechens iSd Art. 1 Abschn. F lit b GFK fallen nach herrschender Lehre nur Straftaten, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders verwerflich sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen der betroffenen Person diese eindeutig überwiegt. Dieser Standpunkt - Berücksichtigung subjektiver Faktoren, wie Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe - wird auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertreten (zB. VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen (vgl. etwa VwGH 14.02.2018, Ra 2017/18/0419; VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; mit Hinweis auf die zur Vorläuferbestimmung ergangene und auch für die aktuelle Rechtslage weiterhin maßgebliche Rechtsprechung). Um ein schweres Verbrechen, das zum Ausschluss von der Anerkennung als Asylberechtigter - und im vorliegenden Fall somit zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten - führen kann, handelt es sich typischerweise bei Vergewaltigung, Tötung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel und bewaffneter Raub. Schließlich auch Menschenhandel bzw. Schlepperei (vgl. Putzer, Asylrecht. Leitfaden zum Asylgesetz 20052, 2011, Rz. 125).
In seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288, beschäftigte sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit der Entwicklung des Begriffes "besonders schweres Verbrechen" und führte dazu Folgendes aus:
"Das Asylgesetz aus 1968 hatte den in Art. 33 Z. 2 GFK enthaltenen Begriff ‚besonders schweres Verbrechen' mit der Umschreibung ‚Verbrechen, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist' präzisiert (vgl. § 4 leg. cit.). Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verlor ein Flüchtling - u.a. - Asyl, wenn festgestellt wurde, dass hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist. Obwohl diese Bestimmung von einer ‚Konkretisierung' des Begriffs ‚besonders schweres Verbrechen' abzusehen schien, umschrieb § 37 Abs. 4 des Fremdengesetzes aus 1992 diesen Begriff weiterhin als ‚Verbrechen, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist' (vgl. dazu Rohrböck, Das Asylgesetz 1991, 148 ff). Gestützt darauf ging die Rechtsprechung weiterhin davon aus, dass auch unter dem in § 5 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 1991 übernommenen Begriff ‚besonders schweres Verbrechen' ein solches zu verstehen ist, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0247 uva.). Wie sich im Fall Ahmed vor dem EGMR (vgl. dazu EGMR 17. Dezember 1996 Ahmed, 71/1995/577/663) gezeigt hatte, war die Konkretisierung des Begriffs ‚besonders schweres Verbrechen' nach abstrakten Deliktstypen nicht dazu geeignet, den Unwert einer Tat im Einzelfall (insbesondere unter Berücksichtigung von Erschwernis- und Milderungsgründen) zu erfassen und führte in Einzelfällen aus völkerrechtlicher Sicht zu bedenklichen Ergebnissen. Mit der seit 1. Jänner 1998 geltenden Rechtslage wurde von einer Konkretisierung des Begriffs ‚besonders schweres Verbrechen' überhaupt abgesehen und nur die - aus dem Völkerrecht stammenden - Wendungen ‚aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit' der Republik darstellen oder die .... ‚wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt' worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens ‚eine Gefahr für die Gemeinschaft' bedeuten, übernommen (vgl. § 13 Abs. 2 AsylG 1997 und § 57 Abs. 4 FrG 1997, die wörtlich an Art. 33 Z. 2 GFK anknüpfen)."
Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.12.2002, 2001/01/0494, wurde eine (länger zurückliegende) Verurteilung wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 300.000 Schilling nicht als "besonders schweres Verbrechen" beurteilt, wobei der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausführte, dass "[o]hne Hinzutreten besonderer Umstände nämlich, aus denen sich ergäbe, dass sich das vom Beschwerdeführer begangene Delikt bei einer Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 12 Abs. 3 SGG) als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, [...] - selbst unter Berücksichtigung der im Urteil als erschwerend für die Strafzumessung gewerteten Gewinnsucht als Motiv für die Tatbegehung (sowie die mehrfache Tatbegehung) - aus der Verurteilung zu einer bloß zweijährigen Freiheitsstrafe, in deren Höhe die als erschwerend angenommenen Umstände bereits zum Ausdruck gekommen sind, wegen eines ‚typischer Weise' schweren Deliktes nicht geschlossen werden [kann], dass der Straftat die für ein ‚besonders schweres Verbrechen' erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet.
Auch in seinem Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, beurteilte der Verwaltungsgerichtshof eine Verurteilung (der Aktenlage nach die einzige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Drogendeliktes) aufgrund der Weitergabe einer größeren Menge an Amphetamin zu einer "trotz des exorbitant hohen Strafrahmens von ein
bis 15 Jahren ... vergleichsweise geringen Freiheitsstrafe von 20
Monaten [...] nicht als solche wegen eines in der konkreten Ausprägung ‚besonders schweren Verbrechens' im Sinne des zuvor beschriebenen Verständnisses dieses Begriffes". Dazu führte er illustrativ aus, "dass etwa in der Bundesrepublik Deutschland für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall FlKonv bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG mit Gesetz vom 29. Oktober 1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert wurde (vgl. näher Hailbronner, a. a.0., Rz 3)."
Auf das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, verwies der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt (insbesondere VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; zuletzt 21.09.2015, Ra 2015/19/0130), sodass weiterhin von der Aktualität dieser - wenn auch zur Vorgängerbestimmung ergangenen - Rechtsprechung auszugehen ist.
3. Fallbezogen wurde der Beschwerdeführer unter wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung (in zwei Fällen) in Anwendung des § 28 und des § 43a Abs. 3 StGB nach dem Strafsatz des § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten sowie gemäß § 369 Abs. 1 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages bzw. Teilschadenersatzes in der Höhe von EUR 1000,- binnen zwei Wochen ab Rechtskraft an die Privatbeteiligte verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind zu den "besonders schwere Verbrechen" nur Straftaten zu zählen, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter - insbesondere Leib und Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit - betreffen.
Wie in der bereits zitierten Rechtsprechung gefordert, war aber darüber hinaus zu prüfen, ob sich die begangene Tat im konkreten Fall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweist.
Bei schwerer Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 4 StGB droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Selbst wenn in der aktuellen Rechtslage der Begriff "besonders schweres Verbrechen" nicht mehr als "Verbrechen, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist" definiert wird und die im Gesetz vorgesehene Strafdrohung daher nicht geeignet ist, um zu beurteilen, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist der Strafrahmen von über fünf Jahren ein Indiz dafür, dass ohne Hinzutreten besonderer Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, der Straftat die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere keinesfalls anhaftet.
Der Beschwerdeführer wurde aufgrund eines "typischer Weise" schweren Deliktes - bei einer Strafdrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe für das begangene Verbrechen - zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wurden die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie sein Teilgeständnis und die Tatsache, dass eine Tat beim Versuch geblieben ist, mildernd berücksichtigt, erschwerend wirkten die Tatwiederholung der gefährlichen Drohung sowie das Zusammentreffen von einem Verbrechen und mehreren Vergehen. Es kann in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung auch in diesem Fall - ohne Hinzutreten besonderer Umstände - nicht geschlossen werden, dass der Straftat die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet.
Besondere Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, treten fallbezogen aber gerade nicht hinzu, wobei dies bereits durch die Höhe der verhängten Strafe und ihre Relation zur Strafdrohung zum Ausdruck kommt. Aus den im Strafurteil genannten erschwerenden Umstände kann eine besondere Schwere der Verbrechen nicht abgeleitet werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Zusammentreffen mit mehreren Vergehen die Schwere des Verbrechens an sich nicht zu beeinflussen vermag. Darüber hinaus wurden auch im angefochtenen Bescheid keinerlei Gründe dargelegt, aufgrund derer sich die begangene Tat als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte.
Mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens ist grundsätzlich auf die weiteren zu prüfenden Punkte nach dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.10.1999, 99/01/0288, (Einschätzung der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers und die Güterabwägung, ob die Interessen des Zufluchtsstaates jene des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Schutzes überwiegen) nicht weiter einzugehen.
Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass die im Strafurteil ausgesprochene Nachsicht von zwei Drittel verhängten Freiheitsstrafe auch indiziert, dass von einer Gemeingefährlichkeit fallbezogen gerade nicht ausgegangen werden kann. Würde der Beschwerdeführer tatsächlich eine Gefahr für Gemeinschaft und Sicherheit Österreichs darstellen, wäre eine bedingte Strafnachsicht nicht möglich gewesen (siehe dazu insbesondere § 43 Abs. 1 StGB, wonach das Gericht die Strafe bedingt nachzusehen hat, wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten).
Fallbezogen lag daher weder eine Verurteilung zu einem besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 noch ein anderer Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vor. Im gegenständlichen Verfahren kamen auch keine anderen Gründe, die zu einer Aberkennung des Status des Asylberechtigten führen würden, hervor.
Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfolgte daher zu Unrecht.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 bzw. deren Vorgängerbestimmungen (zB VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; 03.12.2002, 99/01/0449; 03.12.2002, 2001/01/0494; 23.09.2009, 2006/01/0626; 21.09.2015, Ra 2015/19/0130; 14.02.2018, Ra 2017/18/0419; 05.04.2018, Ra 2017/19/0531).
Schlagworte
Aberkennung des Status des Asylberechtigten, AberkennungstatbestandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W224.2214993.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.07.2019