Entscheidungsdatum
04.03.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2214995-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. des XXXX und 2. der XXXX, beide vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wegen Gerichtsgebühren zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit der im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Mahnklage vom XXXX.2018 begehren die durch den Rechtsanwalt XXXX vertretenen Beschwerdeführer (BF) als Kläger im Verfahren XXXX des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX von einem Beklagten EUR
100.800 samt Anhang (Zinsen und Kosten) sowie die mit EUR 20.000 bewertete Feststellung seiner Haftung für zukünftige Schäden, die aus dem Abschluss diverser Verträge resultieren. Gleichzeitig beantragten die BF die Bewilligung der Verfahrenshilfe, unter anderem durch Befreiung von Gerichtsgebühren. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen.
Nach erfolgloser Lastschriftanzeige wurden dem BF mit dem Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom XXXX.2018 Pauschalgebühren nach TP 1 GGG von EUR 3.210,90 sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 3.218,90, zur Zahlung vorgeschrieben. Dagegen erhoben die BF eine Vorstellung an den Präsidenten des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX. Daraufhin wurden ihnen mit dem oben angeführten Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:
Pauschalgebühr TP 1 GGG iVm § 19a GGG EUR 3 210,90
(Bemessungsgrundlage: EUR 120.800)
Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8,00
Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22,00
Summe EUR 3 240,90
Es wurde ausgesprochen, dass für den Mehrbetrag und die Einhebungsgebühr auch Dr. XXXX als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.
In der Bescheidbegründung werden Grund und Höhe der zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert angeführt und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.
Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene gemeinsame Beschwerde der BF mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Gleichzeitig beantragen die BF, der Beschwerde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die BF begründen die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK sowie Art 7 und Art 18 B-VG. Bei der Einbringung einer Klage stünden nicht inhaltliche, sondern finanzielle Fragen im Vordergrund. Personen aus der Mittelschicht, die es sich nicht leisten könnten, Rechtsstreitigkeiten zu führen, die aber auch nicht die Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe erfüllten, würde der Zugang zum Recht erschwert, wenn nicht sogar gänzlich verwehrt. Die Gebühren seien unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer bei der Einbringung zu entrichten; dies widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine Art "verbotene Steuer" seien. Der Eingriff in das Eigentum durch die fehlende Möglichkeit, den Tarif des GGG herabzusetzen, wenn tatsächlich eine geringere Leistung erbracht würde, die in keinem Verhältnis zum Aufwand stünde, sei verfassungs- und europarechtswidrig.
Der Präsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen XXXX legte die Beschwerde und die Verfahrensakten (ohne Beschwerdevorentscheidung) dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 22.02.2019 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten.
In der Beschwerde, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde bekämpft. Der relevante Sachverhalt steht somit anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen; das sind alle gerichtlichen Verfahren, auf die die Bestimmungen der JN anzuwenden sind (Dokalik, Gerichtsgebühren13 TP 1 GGG Bemerkung 5), also auch die hier zu beurteilende Klage.
Gemäß § 2 Z 1 lit a iVm TP 1 GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger. Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.
Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren ist gemäß § 14 GGG grundsätzlich der Wert des Streitgegenstands nach den §§ 54 bis 60 JN. Ausgehend vom Streitwert von EUR 120.800 beträgt die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz nach TP 1 Z I GGG hier EUR 2.919.
Gemäß § 19 a GGG ("Streitgenossenzuschlag") erhöhen sich die in TP 1 bis 4 GGG angeführten Gebühren ua dann, wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden. Die Erhöhung beträgt 10 %, wenn zumindest auf einer Seite zwei Streitgenossen vorhanden sind. Da hier im Grundverfahren die beiden BF einem Beklagten gegenüberstehen, beträgt der Streitgenossenzuschlag 10 % oder EUR 291,90. Die Pauschalgebühr für die Klage beträgt daher insgesamt EUR
3.210.90.
Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen. Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.
Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der belangten Behörde verwiesen werden.
Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe - ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen - nicht, sodass sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen unterbleiben. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe zuletzt VfGH 18.06.2018, E 421/2018).
Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (zB Verfahrenshilfe) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Eine exzessive Höhe der Gebühr liegt hier nicht vor.
Die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).
Im Ergebnis ist die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Bemessungsgrundlage, Einhebungsgebühr,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2214995.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.07.2019