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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des JG in M, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Oktober 1997, Zl. VerkR-590.168/1-1997/Kar, betreffend Vorschreibung einer Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 1997 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 5b StVO der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (kurz: BH) vom 16. Juni 1997 keine Folge gegeben und dieser Bescheid insofern bestätigt, als gemäß § 4 Abs. 5b StVO eine Gebühr in Höhe von S 500,-- vorgeschrieben wurde. Die belangte Behörde änderte jedoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, daß die Gebühr für die Ausfertigung des von der Gendarmeriedienststelle erstatteten Unfallberichtes zu entrichten sei.
In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, es sei am 5. März 1997 gegen 15.50 Uhr an einem näher genannten Ort auf der Bundesstraße B 156 zu einem Verkehrsunfall gekommen, an dem der Beschwerdeführer mit seiner dem Kennzeichen nach bestimmten Zugmaschine sowie der Unfallsgegner F.S. mit seinem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw beteiligt gewesen seien. Bei diesem Verkehrsunfall sei kein Personenschaden entstanden und es sei ein Identitätsaustausch im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich mit dem Unfallsgegner darüber geeinigt, daß die Gendarmerie geholt werden solle. Da der Wohnort des Beschwerdeführers in der Nähe der Unfallstelle gelegen sei, habe der Beschwerdeführer die telefonische Verständigung der Exekutive übernommen und gegen 16.05 Uhr bei einem näher genannten Gendarmerieposten angerufen.
Mit Eingabe vom 15. April 1997 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers das Bevollmächtigungsverhältnis der BH angezeigt und einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt sowie beantragt, ihm die Ausfertigung einer Ablichtung der "Anzeige" (gemeint wohl: des Unfallberichtes) des näher genannten Gendarmeriepostens zu ermöglichen.
Die Sachbearbeiterin der BH habe anläßlich einer Vorsprache des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers am 16. April 1997 auf einen "Erlaß" (des Bundesministeriums für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, vom 27. Juni 1996) verwiesen, wonach "jeder Unfallgegner, welcher die Gebühr nach § 4 Abs. 5b StVO 1960 (Blaulichtsteuer) nicht bezahlt habe, vor der Akteneinsichtnahme diese selbst dann zu entrichten habe, wenn der Unfallgegner diese bereits, wie im gegenständlichen Fall, bezahlt habe". Der Rechtsvertreter habe diese Rechtsmeinung nicht geteilt und die Gebühr nicht bezahlt, weshalb ihm die Ausfolgung einer Ablichtung der Verkehrsunfallsanzeige (gemeint wohl: des Unfallberichtes) nicht ermöglicht und dem Beschwerdeführer die Gebühr von S 500,-- nach § 4 Abs. 5b StVO vorgeschrieben worden sei.
Aus dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 5b dritter Satz StVO sei unmißverständlich zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer eine Ausfertigung des von der Gendarmeriedienststelle erstatteten Unfallberichtes erhalte, wenn er die Gebühr in Höhe von S 500,-- entrichte. In der Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers vom 15. April 1997 sei diesem gemäß § 4 Abs. 5b vierter Satz StVO die Gebühr vorgeschrieben worden, weil er diese nicht ohne weiteres entrichtet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 5b StVO in der Fassung des Art. 69 Z. 1 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist für Verständigungen nach Abs. 5 und Meldungen gemäß Abs. 5a eine Gebühr von 500 S einzuheben, es sei denn, die Verständigung nach Abs. 5 ist deshalb erfolgt, weil die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander Namen und Anschrift nicht nachweisen konnten. Von der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr sind die Gebietskörperschaften und Lenker von Fahrzeugen derselben ausgenommen. Auf Wunsch erhält jede Person des Abs. 5, die eine gebührenpflichtige Verständigung oder Meldung vorgenommen hat oder die die Gebühr entrichtet, eine Ausfertigung des von der Polizei- oder Gendarmeriedienststelle erstatteten Unfallberichtes. Die Gebühren sind, sofern sie nicht ohne weiteres entrichtet werden, von den Bezirksverwaltungsbehörden im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser vorzuschreiben. Sie fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Organe zu tragen hat.
Nach § 105 Abs. 1 StVO in der Fassung des Art. 69 Z. 3 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist mit der Vollziehung der §§ 4 Abs. 5b und 95 der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft, Verkehr und Wissenschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres betraut.
Im Zusammenhang mit der Zurückweisung einer nach Art. 137 B-VG erhobenen Klage auf Rückerstattung einer gemäß § 4 Abs. 5b StVO entrichteten Gebühr führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 29. September 1998, A 35/97, u.a. folgendes aus:
"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr führt aus, daß es sich im vorliegenden Fall um eine Angelegenheit handle, die der Vollziehung der StVO zuzurechnen sei. Für die Vollziehung der StVO seien gemäß Art. 11 B-VG die Länder zuständig. Dies würde für die Bestimmung des § 4 Abs 5b StVO bedeuten, daß eine allenfalls erforderliche bescheidmäßige Vorschreibung der Gebühr durch die Bezirksverwaltungsbehörde zu erfolgen hätte. Über eine eventuelle Berufung gegen einen solchen Bescheid hätte die Landesregierung in zweiter und letzter Instanz zu entscheiden. Dieselbe Zuständigkeitsverteilung müsse daher auch für den Fall der Rückforderung einer zu Unrecht eingehobenen Gebühr gemäß § 4 Abs 5b StVO gelten.
Dieser Auffassung pflichtet der Verfassungsgerichtshof bei."
Unbeschadet der Vollziehungsklausel des § 105 Abs. 1 StVO in der Fassung des Art. 69 Z. 3 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, welche mit der Vollziehung des § 4 Abs. 5b StVO in der genannten Fassung den Bundesminister für Wirtschaft, Verkehr und Wissenschaft (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres betraut, soll - abgesehen von der in § 4 Abs. 5b leg. cit. auch zum Ausdruck kommenden Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung dieser Bestimmung - offenbar nicht die allgemeine Kompetenz der Länder zur Vollziehung von Angelegenheiten der Straßenpolizei (siehe auch den vorzitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom 29. September 1998) berührt werden. Der Gesetzgeber wollte daher offenbar mit der Neufassung des § 105 Abs. 1 StVO in der vorgenannten Fassung nicht - wie der Wortlaut dieser Bestimmung in der genannten Fassung vermuten ließe - die Vollziehung des § 4 Abs. 5b StVO schlechthin in die Bundeszuständigkeit stellen, sondern nur insoweit, als die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung des § 4 Abs. 5b leg. cit. vorgesehen ist. Im Hinblick auf die erkennbar auch vom Verfassungsgerichtshof geteilte Meinung (siehe den vorzitierten Beschluß vom 29. September 1998), daß § 4 Abs. 5b leg. cit. - abgesehen von der in diesem Beschluß nicht erwähnten Mitwirkung von Bundesorganen - von den Ländern im Rahmen des Art. 11 B-VG zu vollziehen ist, war daher die belangte Behörde im Beschwerdefall zur Erledigung der bei ihr anhängig gewesenen Berufung zuständig.
Der Beschwerdeführer wendet unter anderem ein, es dürfe nicht übersehen werden, daß zwar die unmittelbaren Unfallbeteiligten einander ihre Identität nachweisen hätten können, es aber auch einen geschädigten Dritten gebe, dessen Trauerweide im Zuge des Unfallgeschehens beschädigt worden sei, und der vom Schadensereignis zum Zeitpunkt der Verständigung der Gendarmerie keine Kenntnis gehabt habe. Die Unfallgegner hätten auch nicht gewußt, wem dieser Baum gehöre. Nach § 4 Abs. 5 StVO dürfe die Verständigung der Exekutive von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nur dann unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben, was jedoch im Beschwerdefall nicht vorgelegen habe.
Dem Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang entgegenzuhalten, daß es aufgrund der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung für die Gebührenpflicht nicht etwa um eine allenfalls nach § 4 Abs. 5b erster Satz StVO gebührenfreie Verständigung nach Abs. 5 leg. cit. oder Meldung gemäß Abs. 5a leg. cit., sondern um eine Gebührenvorschreibung nach § 4 Abs. 5b dritter Satz leg. cit. geht.
Unbestritten ist, daß vom Beschwerdeführer für die von ihm vorgenommene Verständigung der Gendarmeriedienststelle keine Gebühr im Sinne des § 4 Abs. 5b erster Satz StVO entrichtet wurde. Angesichts des bei der Unfallaufnahme festgestellten Schadens im Vermögen eines Dritten - ohne Hinweis auf den möglichen rechtzeitigen Nachweis von Namen und Anschrift der am Unfall Beteiligten und des geschädigten Dritten - fehlt auch ein Anhaltspunkt dafür, daß etwa eine Gebührenpflicht aufgrund der vom Beschwerdeführer erfolgten Verständigung der Gendarmerie im Sinne des § 4 Abs. 5b erster Satz StVO entstanden wäre.
Die belangte Behörde stützte jedoch die Gebührenvorschreibung auf § 4 Abs. 5b dritter Satz zweite Alternative StVO ("... oder die die Gebühr entrichtet, ..."). Sie vermeint, es sei dem Beschwerdeführer in Erledigung seines Antrags auf Akteneinsicht vom 15. April 1997 sowie auf Ausfertigung einer Ablichtung des von der Gendarmeriedienststelle aufgenommenen Unfallberichtes eine Gebühr vorzuschreiben, weil sie der Beschwerdeführer "nicht ohne weiteres" entrichtet habe, weshalb auch die Entscheidung der Erstbehörde im Spruch abzuändern gewesen sei.
Diese Rechtsansicht kann jedoch nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden. § 4 Abs. 5b dritter Satz leg. cit. regelt zwar verschiedene Fälle, in denen auf Wunsch bestimmter Personen diese "eine Ausfertigung des von der Polizei- oder Gendarmeriedienststelle erstatteten Unfallberichtes" (von der Behörde) erhalten, nicht jedoch ist aus dieser Bestimmung zu entnehmen, daß dieser Satz auch einen Gebührentatbestand - etwa im Sinne des ersten Satzes dieses Absatzes - enthält. Aus dem Verlangen nach Ausfolgung eines Unfallberichtes allein kann somit eine Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühr nicht abgeleitet werden. Da der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Gebührenvorschreibung ausdrücklich auf den dritten Satz des § 4 Abs. 5b StVO gestützt wurde, verkannte die Behörde die Rechtslage und belastete den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die Frage der Verweigerung der Akteneinsicht nicht Gegenstand des hier zu beurteilenden Verwaltungsverfahrens war, weshalb die diesbezüglichen Rügen des Beschwerdeführers ins Leere gehen.
Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Jänner 1999
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen B-VG sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997020537.X00Im RIS seit
21.02.2002