TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W127 2161177-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W127 2161177-1/32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag.a Nadja Lorenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2017, Zl. 1101417106-160041777, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.04.2018 und 13.02.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 10.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.01.2016 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinem Fluchtgrund an, er habe Afghanistan wegen des Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen. Es gebe in Afghanistan überall Anschläge, zwei seiner Freunde seien bei den Anschlägen getötet worden. Da er in Afghanistan nicht mehr in Frieden leben könne, sei er geflüchtet. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.

2. Der Beschwerdeführer wurde am 20.01.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie seines gesetzlichen Vertreters und einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Dort gab er eingangs an, dass er Tadschike sei und zum Stamm der Qazelbash gehöre. Er habe 11 Jahre die Schule in Kabul besucht und etwa 1 Jahr als Installateur mit seinem Vater in Kabul gearbeitet. Seine Eltern, seine Geschwister sowie fünf Onkel, elf Tanten und seine Großeltern würden in Kabul leben und habe er einmal pro Woche Kontakt zu seiner Familie. Zum fluchtauslösenden Moment befragt gab der Beschwerdeführer an, dass es in Afghanistan sehr unsicher sei, es gebe dort Selbstmordanschläge und Attentate. Er habe zwei Freunde bei einem Attentat verloren, das sei zwei Jahre vor seiner Flucht gewesen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Die Eltern hätten gewollt, dass er ausreise, da die Sicherheitslage sehr schlecht sei. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren, die Lage sei unsicher. Er müsse nun viel lernen, seine Familie unterstützen und diese dann nach Österreich holen.

Im Zuge der Einvernahme wurden Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vorgelegt.

3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen habe; Fluchtgründe in Bezug auf Afghanistan seien im gesamten Verfahren nicht vorgebracht worden.

Der Beschwerdeführer habe im Familienverband in Kabul gelebt, sei dort zur Schule gegangen und habe mit dem Vater gearbeitet. Er sei männlich, jung, gesund und arbeitsfähig und könne ihm daher eine Rückkehr nach Afghanistan, speziell nach Kabul, und der dortige Aufbau einer Zukunft zugemutet werden, zumal er lange in Kabul gelebt habe und die Kernfamilie sowie zahlreiche Verwandte nach wie vor in Kabul leben würden. Auch sei Kabul von Österreich aus auf dem Luftweg erreichbar.

4. Hiegegen wurde Beschwerde erhoben und der gesamte Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes bekämpft. In der Begründung wurde betreffend Spruchpunkt I. des Bescheides kein näheres Vorbringen erstattet und zu Spruchpunkt II. ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände davon ausgegangen werden könne, dass er im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Artikels 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und der derzeit in seinem Herkunftsland vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Es wurde auf Anschläge in Kabul verwiesen, wobei die Heranziehung veralteter Dokumente durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gerügt wurde, sowie auf eine problematische "Erzielung" von Wohnraum und Versorgungsleistungen. Bei dem Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen Mann mit allgemein wenig Berufs- und Lebenserfahrung. Neben der schlechten Sicherheitslage in Kabul seien die in Österreich getätigten Integrationsanstrengungen sowie seine eineinhalbjährige Abwesenheit von Afghanistan zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände ("volatile Heimatprovinz, keine familiären/sozialen Kontakte oder Kenntnisse über die örtlichen/infrastrukturellen Gegebenheiten außerhalb der volatilen Heimatprovinz, mangelnde Lebenserfahrung") könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Artikels 3 EMRK ausgesetzt wäre.

5. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Am 13.06.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein weiterer Beschwerdeschriftsatz ein, mit dem der angefochtene Bescheid in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Unter Bezugnahme auf die Länderfeststellungen wurde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren gerügt. Die Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig, würden sich kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen und habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Situation von aus dem Ausland zurückkehrenden Afghanen sowie mit der Sicherheitslage in Kabul auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer verwirkliche das von UNHCR beschriebene Risikoprofil einer als "verwestlicht" wahrgenommenen Person. Die vom Bundesamt herangezogenen Länderinformationen zur Lage in Kabul seien unzureichend und veraltet, da lediglich eine Quelle aus dem Jahr 2017 stamme, der Rest sei aus dem Jahr 2016 und älter. Die Sicherheitslage in Kabul habe sich aber dramatisch verschlechtert. Die Behörde habe keine Schlüsse aus den verheerenden Anschlägen in Kabul für das Verfahren des Beschwerdeführers gezogen.

In Bezug auf die inhaltliche Rechtswidrigkeit wurden zu Spruchpunkt I. die Gesetzesbestimmungen des § 3 AsylG 2005 und des Artikels 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sowie die diesbezügliche Literatur zu den allgemeinen Begriffsbestimmungen zitiert und daraus der Schluss gezogen, dass dem Beschwerdeführer internationaler Schutz zu gewähren gewesen wäre. Zu Spruchpunkt II. wurden ebenfalls die die einschlägigen Normen zitiert und daraus gefolgert, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten hätte zuerkannt werden müssen. Betreffend Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, die Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zu einem bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich anzustellen. Sie hätte feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer in Österreich ein schützenswertes Privatleben im Sinne des Artikels 8 EMRK führe, zumal er Deutsch lerne und kontinuierlich Integrationsschritte setze.

Dem Schriftsatz beigeschlossen waren eine Kursbesuchsbestätigung betreffend einen Basisbildungskurs sowie eine Kursbesuchsbestätigung betreffend einen Deutschkurs Niveau A2.1.

7. Mit hg. Erkenntnis vom 04.07.2017, GZ. W127 2161177-1/3E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG als unbegründet abgewiesen.

8. Einer hiegegen eingebrachten Revision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.11.2017, Zl. Ra 2017/19/0275-10, stattgegeben und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hätte nicht aufgrund der Aktenlage entscheiden dürfen und eine Verhandlung durchführen müssen.

9. Am 12.04.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Über Ersuchen der Vertreterin wurde eine Frist von 14 Tagen für eine schriftliche Stellungnahme eingeräumt. Im Rahmen der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer mehrere Referenzschreiben, Kursbesuchsbestätigungen, ein ÖSD-Zertifikat für die Stufe A2 und eine Beschäftigungsbewilligung betreffend eine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter im Herbst/Winter 2016 zur Vorlage.

10. Mit Stellungnahme vom 25.04.2018 beantragte die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers die Einvernahme eines namentlich genannten Zeugen (Cousin des Beschwerdeführers), dessen Adresseruierung dem Gericht im Gegensatz zum Beschwerdeführer möglich sei, zum Beweis dafür, dass ein vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ins Treffen geführter Facebookeintrag, auf dem der Beschwerdeführer beim Besuch einer christlichen Kirche zu sehen sei, tatsächlich erfolgt sei. Der Beschwerdeführer sei zwar nicht zum Christentum konvertiert, auch wenn er sich selbst als nunmehr nicht praktizierender Moslem bezeichne, der die religiösen Gebote nicht einhalte, werde aber von seiner streng religiös eingestellten Familie der Konversion bezichtigt. Vor dem Hintergrund einschlägiger Länderberichte sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Chance hätte, seine Familie davon zu überzeugen, dass er noch Moslem sei.

Hinsichtlich der Situation von Schiiten und einer Bedrohung durch Taliban und Daesh wurde insbesondere auf ein der Stellungnahme beigefügtes Gutachten von Friederike Stahlmann hingewiesen. Der Beschwerdeführer habe überdies einen "westlichen" Lebensstil angenommen und pflege nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung seit er in Österreich ist Kontakte zu Frauen und Mädchen und schaue ausländische Filme. Er habe prägende Jahre seiner Adoleszenz in Österreich verbracht und könne ihm nicht zugemutet werden, sich an die "archaischen traditionellen Vorstellungen" in der afghanischen Gesellschaft wieder anzupassen. Insbesondere, da er seiner stark religiösen Familie in Kabul ausgesetzt wäre, ließe sich eine solche Anpassung nicht vermeiden, wolle der Beschwerdeführer nicht in Lebensgefahr geraten.

11. Mit Schreiben vom 16.01.2019 betreffend die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden der beschwerdeführenden Partei aktuelle Länderberichte zur Kenntnis gebracht.

12. Zu diesen Länderberichten übermittelte die Beschwerdeführervertreterin in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eine mit 08.02.2019 datierte Stellungnahme, in der diese insbesondere darauf hinwies, dass UNHCR in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 festhalte, dass eine interne Schutzalternative in Kabul grundsätzlich nicht in Betracht komme. Der Beschwerdeführer sei als schiitischer Muslim zudem einer erhöhten Gefahr ausgesetzt. Dies gelte auch für eine Ansiedlung in Mazar-e Sharif oder Herat, wo sich der Beschwerdeführer überdies noch nie aufgehalten habe und über keinerlei soziale Anknüpfungspunkte verfüge. Auch die vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Länderberichte würden nahelegen, dass eine Rückkehr in die Stadt Kabul generell nicht möglich sei.

Hinsichtlich der aktuell herrschenden Dürre und einer Verschlechterung der Versorgungslage in Mazar-e Sharif und Herat wurde aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung vom 25.09.2018 (bzw. laut ecoi.net vom 12.10.2018: "Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Folgen von Dürren in den Städten Herat und Masar-e Scharif", a-10737) sowie aus dem o.a. ACCORD-Bericht vom 07.12.2018 zitiert. Unter Hinweis auf einen der Stellungnahme beigeschlossenen Bericht vom Human Rights Watch vom 31.07.2016 führte die Beschwerdeführervertreterin Menschenrechtsverletzungen im Gebiet von Mazar-e Sharif ins Treffen, die von einer dem afghanischen Vizepräsidenten Dostum zugerechneten Miliz verübt würden.

Unter einem wurde der Antrag auf Einvernahme eines genauer bezeichneten Zeugen (Cousin des Beschwerdeführers) wiederholt, zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer wegen Fotos, die er auf Facebook gestellt hätte, - und einer deswegen unterstellten Konversion - Probleme mit Verwandten in Afghanistan zu gewärtigen hätte. Dem Beschwerdeführer drohe durch Angehörige asylrelevante Verfolgung, vor der ihn der afghanische Staat nicht zu schützen in der Lage sei.

13. Am 13.02.2019 wurde die mündliche Verhandlung im Beisein der Vertreterin des Beschwerdeführers fortgesetzt, eine Kurzinformation der Staatendokumentation vom 22.01.2019 ins Verfahren eingebracht und dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, ergänzendes Vorbringen zu erstatten. Nach Befragung zu seinem Gesundheitszustand und einem Schulbesuch in einer Kirche im Februar oder März 2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er mit seinen Eltern nicht (mehr) spreche, aber mit seinen Geschwistern telefonischen Kontakt habe. Seine Familie würde sich in Pakistan aufhalten, näheres wisse er nicht. Den Grund des Kirchenbesuchs würden ihm seine Eltern nicht glauben, da sie ein Foto des Beschwerdeführers gesehen hätten. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst, wegen "dieser Facebookgeschichte" von Verwandten und Dorfbewohnern bzw. Menschen aus der Umgebung getötet zu werden. Sie würden glauben, dass er Christ geworden sei, und würden ihm keine Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen. Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer nicht auch Fotos von sich in einer Moschee auf Facebook gestellt habe, gab er an, er habe lange Zeit nicht mehr gebetet und denke daher nicht an die Moschee. Die Verwandten, vor denen er Angst habe, würden in Kabul leben. Außerhalb von Kabul habe der Beschwerdeführer entfernte Verwandte in Mazar-e Sharif. Seine "nahen Verwandten" wie Onkel und Tanten hätten in Kabul gelebt, "entfernte Verwandte" wie etwa Cousins seiner Eltern hätten in Mazar-e Sharif gelebt; ob sie noch immer dort leben würden, wisse er nicht. Über Vorhalt, dass der Beschwerdeführer in der letzten Verhandlung angegeben habe, in Afghanistan lebe von seiner Familie niemand mehr, erklärte der Beschwerdeführer, er habe damit seine Kernfamilie, also Eltern und Geschwister gemeint. Betreffend seinen in Österreich aufhältigen Cousin gab der Beschwerdeführer über weiteres Befragen an, dieser sei von Onkeln des Beschwerdeführers sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits angerufen und gefragt worden, warum der Beschwerdeführer seine Religion gewechselt habe. Er habe seinem Cousin die Angelegenheit erklärt und dieser habe ihm geglaubt. Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer nicht nach Herat zurückkehren könne, gab er an, er habe auch dort niemanden und könne daher nicht dort leben.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer zwei Bestätigungen bzw. Empfehlungsschreiben betreffend einen von ihm besuchten Kurs für den Pflichtschulabschluss zur Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes, in den hg. Akt sowie insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, aktualisiert mit 08.01.2019; EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018; EASO Country of Origin Information Report "Afghanistan: Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City" vom August 2017; EASO Country of Origin Information Report "Afghanistan: Individuals targeted under societal and legal norms" vom Dezember 2017; EASO Country of Origin Information Report "Afghanistan: Individuals targeted by armed actors in the conflict" vom Dezember 2017; UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018; ACCORD-Länderbericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018" vom 07.12.2018.

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 10.01.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Kabul geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt. Er hat 11 Jahre lang in Kabul die Schule besucht und seinem Vater etwa ein Jahr lang bei dessen Arbeit als Installateur geholfen. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben in Pakistan, nur seine Onkel und Tanten leben noch in Kabul. In Mazar-e Sharif leben entfernte Verwandte des Beschwerdeführers (Onkel zweiten Grades). Der Beschwerdeführer hat lediglich zu seinen Geschwistern telefonischen Kontakt.

Der Beschwerdeführer praktiziert seine Religion in Österreich derzeit nicht, ist aber weder zu einer anderen Religion konvertiert noch hat er seine Religionsgemeinschaft verlassen.

Der Beschwerdeführer ist gesund, volljährig, ledig und hat keine Kinder. Er hat in Österreich keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Ein Cousin des Beschwerdeführers, zu dem dieser keinen Kontakt mehr hat, lebt in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Er hat in Österreich Deutschkurse besucht und die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 bestanden. Der Beschwerdeführer hat einen Basisbildungskurs sowie einen Werte- und Orientierungskurs besucht und an einem Vorbereitungslehrgang für den Pflichtschulabschluss teilgenommen. Er besucht derzeit einen weiteren Pflichtschulabschlusskurs, der voraussichtlich im Mai 2019 mit dem Abschluss der Externistenprüfungen endet. Der Beschwerdeführer betreibt den Boxsport und trainiert auch mit österreichischen Freunden. Für den Herbst/Winter 2016 wurde dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung betreffend eine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter erteilt; darüber hinaus ist er in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt keine physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung aufgrund eines ihm unterstellten Glaubensabfalls bzw. einer ihm unterstellten Konversion zum Christentum oder aufgrund einer in Österreich angenommenen "westlichen" Verhaltensweise.

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit weder Gewalt noch Diskriminierung von erheblicher Intensität. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Paschtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten - in der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25 % in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Etwa 99,7 % der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime, der Großteil davon sind Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen etwa 0,3 % der Bevölkerung aus.

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt. Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber.

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30 %. Rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, die aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, tagen regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - gelegentlich kommt es dabei aber zu Auseinandersetzungen mit Paschtunen. Ungefähr seit dem Jahr 2016 wurden insbesondere von Taliban und dem IS vermehrt terroristische Angriffe auf schiitische kulturelle und religiöse Einrichtungen bzw. Veranstaltungen verübt, bei denen zahlreiche schiitische Muslime - überwiegend ethnische Hazara - verletzt oder getötet wurden.

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.02.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften.

Eine Person wird in Afghanistan nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, da es auch viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. Auch für als "verwestlicht" wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko - insbesondere im urbanen Bereich.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Die afghanische Hauptstadt Kabul hat etwa 4,6 Millionen Einwohner und ist über den Flughafen gut zu erreichen. Die Lage in Kabul ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 wurden von UNAMA 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul dokumentiert.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in abgelegenen Distrikten aufgrund von Aktivitäten der Taliban verschlechtert, insbesondere in der Stadt Herat ist die Lage aber vergleichsweise friedlich.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre - insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes - weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Rückkehrer können nach ihrer Ankunft in Kabul für bis zu zwei Wochen von IOM untergebracht werden. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser - insbesondere in der Stadt Kabul - lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, Schulbildung und Berufserfahrung sowie zu seinen Familienangehörigen beruhen auf seinen diesbezüglich plausiblen und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Hinsichtlich der Aufenthaltsorte von Familienangehörigen in Afghanistan haben sich im Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht teilweise Ungereimtheiten ergeben, die der Beschwerdeführer nur wenig überzeugend erklären konnte. In der Verhandlung am 12.04.2018 gab er etwa an, er habe in Afghanistan keine Familienangehörigen mehr, schränkte dies in der Verhandlung am 13.02.2019 aber über Vorhalt dahingehend ein, dass lediglich von seiner Kernfamilie niemand mehr in Afghanistan lebe. Auch hinsichtlich Mazar-e Sharif wurde in der Stellungnahme vom 25.04.2018 noch angegeben, der Beschwerdeführer habe dort "keinerlei soziale Anknüpfungspunkte", in der Verhandlung am 13.02.2019 behauptete der Beschwerdeführer aber, er habe dort entfernte Verwandte (Cousins seiner Eltern). Im Ergebnis konnten aber auch diesbezüglich die Angaben des Beschwerdeführers - insbesondere in der Verhandlung am 13.02.2019 - der Entscheidung zugrunde gelegt werden, zumal sich aus diesen keine andere Beurteilung des Sachverhaltes ergibt.

Die Feststellungen zur Religionszugehörigkeit und Religionsausübung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie in den Stellungnahmen vom 25.04.2018 und 08.02.2019. Soweit in der Stellungnahme vom 25.04.2018 behauptet wurde, der Beschwerdeführer bezeichne sich als nicht praktizierender Muslim, der die religiösen Gebote nicht einhalte, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer am 12.04.2018 in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich näher ausgeführt hat, dass er manchmal bete, aber nicht regelmäßig. Am 13.02.2019 hat der Beschwerdeführer angegeben, lange nicht mehr gebetet zu haben, ein Glaubensabfall oder insbesondere eine Konversion zum Christentum wurde aber weiterhin nicht behauptet.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des aktuellen Privat- und Familienlebens sowie insbesondere der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung am 12.04.2018 und 13.02.2019 sowie die vorgelegten Bestätigungen und Empfehlungsschreiben den Feststellungen zugrunde gelegt. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung geht aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) hervor. Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer hat seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowohl im Rahmen der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme durch das Bundesamt mit der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan begründet. Eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Bedrohung wurde nicht substantiiert behauptet.

Erst in der Beschwerde(-ergänzung) vom 12.06.2017 und in der Folge in der mündlichen Verhandlung am 12.04.2018 und am 13.02.2019 sowie in den Stellungnahmen vom 25.04.2018 und 08.02.2019 wurde für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine Gefährdung als "verwestlicht" wahrgenommene Person sowie eine Bedrohung aufgrund unterstellter Apostasie bzw. Konversion zum Christentum ins Treffen geführt.

Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass Rückkehrern aus dem "Westen" alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung droht. Der Beschwerdeführer hat auch kein konkretes Vorbringen zu einer individuell drohenden Verfolgung erstattet und darüber hinaus hinsichtlich seines "westlichen" Lebensstils im Wesentlichen lediglich vorgebracht, in Österreich (ausländische) Filme zu schauen, Musik zu hören und Kontakte zu Frauen und Mädchen zu pflegen, was ihm in Afghanistan nicht möglich sei. In der mündlichen Verhandlung am 12.04.2018 ist der Beschwerdeführer dem Vorhalt, dass aus Medienberichten bekannt sei, dass in Kabul - etwa auf dem Universitätsgelände oder in Teehäusern - sehr wohl Mädchen und Burschen miteinander reden könnten, auch wenn sie nicht verlobt oder verheiratet seien, ausschließlich dahingehend entgegengetreten, dass er dem schiitischen Glauben angehöre, Schiiten streng gläubig seien und ihnen Kontakt zu Mädchen verboten sei, mit denen sie nicht verheiratet oder nahe verwandt seien. Diese sehr vage gehaltene Erklärung zeigt allerdings noch keine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers auf. Soweit in der Stellungnahme vom 25.04.2018 vorgebracht wurde, dem Beschwerdeführer drohe aufgrund seines "westlichen" Lebensstils Verfolgung durch seine streng gläubige Familie, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits am 12.04.2018 in der Verhandlung angegeben hat, er habe in Afghanistan keine Familie mehr. Am 13.02.2019 hat der Beschwerdeführer klargestellt, dass er - zumindest in einem anderen Zusammenhang - mit "Familie" nur seine Eltern und Geschwister gemeint habe. Soweit man dennoch davon ausgeht, dass sich "streng gläubige Familie" auf seine Onkel in Kabul bezogen haben sollte, wird damit eine konkrete Bedrohung noch immer nicht schlüssig dargelegt, zumal davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan seine Lebensweise an die örtlichen Gepflogenheiten anpassen würde. Insbesondere wenn der Beschwerdeführer in Afghanistan nicht wieder mit seinen streng gläubigen Verwandten zusammenwohnt, ist nicht von drohenden Übergriffen auszugehen.

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, er befürchte aufgrund von drei auf Facebook veröffentlichten Fotos, die ihn in einer christlichen Kirche zeigen sollen, Verfolgung wegen einer ihm unterstellten Konversion bzw. Apostasie, wurde mangels Relevanz für die gegenständliche Entscheidung trotz Zweifeln an der Darstellung des Beschwerdeführers folgender, auf den Angaben des Beschwerdeführers basierender Sachverhalt der weiteren Beurteilung zugrunde gelegt und konnte daher von der beantragten Befragung eines Zeugen abgesehen werden:

Der Beschwerdeführer hat drei in Österreich im Rahmen einer - nicht religiös motivierten - Schulveranstaltung in einer christlichen Kirche aufgenommene Fotos, auf denen auch er selbst zu sehen ist, in dem sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht, das Bezug habende Benutzerkonto - und damit auch diese Fotos - in weiterer Folge aber gelöscht. Mehrere Verwandte, Freunde und Bekannte des Beschwerdeführers haben die Fotos vor der Löschung gesehen und diesem daraufhin unterstellt, zum Christentum konvertieren zu wollen. Der Beschwerdeführer befürchtet daher, insbesondere von seinen in Kabul lebenden Onkeln getötet zu werden.

In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die Länderfeststellungen zur Religionsfreiheit - insbesondere betreffend die Möglichkeit, binnen drei Tagen zu widerrufen - hinzuweisen. Der Beschwerdeführer ist (weiterhin) gläubiger Muslim und kann bei einer Rückkehr wieder nach den Sitten und Regeln seiner Religionsgemeinschaft leben. Dass es hiefür erforderlich wäre, fünfmal täglich in der Moschee zu beten, wie vom Beschwerdeführer in der Verhandlung behauptet wurde, kann den Länderberichten nicht entnommen werden. Vielmehr geht aus diesen hervor, dass es in Afghanistan viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig eine Moschee besuchen (vgl. EASO Country of Origin Information Report "Afghanistan: Individuals targeted under societal and legal norms" vom Dezember 2017, Pkt. 2.9). Auch für die Befürchtung des Beschwerdeführers, er würde bei einer Rückkehr keine Gelegenheit erhalten, seinen aufrechten Glauben zu "beweisen", sind weder den Länderberichten noch dem Vorbringen des Beschwerdeführers konkrete Anhaltpunkte zu entnehmen. Auch aus den beiden in der Stellungnahme vom 25.04.2018 diesbezüglich angeführten Länderberichten ergibt sich keine abweichende Beurteilung, wobei festzuhalten ist, dass die genannten Berichte keine mit der vorliegenden Situation vergleichbaren Sachverhalte behandeln, zumal sich die dortigen Aussagen jeweils auf eine tatsächlich vollzogene Konversion zum Christentum bzw. Apostasie beziehen.

Darüber hinaus könnte der Beschwerdeführer einer allfälligen Bedrohung durch seine Verwandten bzw. Freunde und Bekannten in Kabul durch eine Neuansiedlung in einer anderen Stadt oder auch in einem anderen Stadtteil Kabuls entgehen, da keinerlei Hinweise hervorgekommen sind, dass in Afghanistan nach dem Beschwerdeführer gesucht würde. Für eine seinen unmittelbaren Bekanntenkreis übersteigende Verbreitung der Fotos sind auch keine konkreten Hinweise hervorgekommen, zumal der Beschwerdeführer diese bzw. den Bezug habenden Account bereits vor längerer Zeit gelöscht hat.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind daher nicht hervorgekommen.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet.

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Die Situation in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte bzw. Folgeberichte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des U.S. Department of State sowie von UNHCR, UNAMA, EASO und ACCORD; vgl. etwa ecoi.net-Themendossier "Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul" vom 04.03.2019) versichert hat.

Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen vom 25.04.2018 und 08.02.2019, in denen drei weitere Länderberichte aus dem Jahr 2016 sowie insbesondere ein Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018, eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 25.09.2018 bzw. 12.10.2018 ("Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif", a-10737) und die UNHCR-Richtlinien in der Fassung vom 30.08.2018 herangezogen wurden, ergibt sich keine andere Beurteilung der aktuellen Lage. Auch die darin enthaltenen Informationen sind nicht geeignet, die in den Feststellungen zur Situation in Afghanistan - insbesondere zur relevanten Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif - enthaltenen Kernaussagen zu widerlegen, sondern sind im Wesentlichen mit diesen in Einklang zu bringen.

Wie auch seitens der Beschwerdeführervertreterin in der Stellungnahme vom 25.04.2018 festgehalten wurde, bezieht sich die aus dem Gutachten von Friederike Stahlmann zitierte Analyse der Situation der Schiiten in Afghanistan insbesondere auf ethnische Hazara, die regelmäßig das primäre Ziel von gegen Schiiten gerichteten Anschlägen sind. Eine im selben Ausmaß auch die der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörigen Tadschiken treffende Gefährdung ist den Länderberichten nicht zu entnehmen (vgl. EASO Country of Origin Information Report "Afghanistan: Individuals targeted by armed actors in the conflict" vom Dezember 2017, Pkt. 1.2.11.5).

Soweit in dem angeführten Gutachten von Friederike Stahlmann für Rückkehrer nach Kabul schlechtere Bedingungen beschrieben werden als aus den o.a. Länderfeststellungen hervorgehen, ist festzuhalten, dass die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte und die in diesen angeführten Quellen von zahlreichen verschiedenen angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen - die teilweise jüngeren Datums sind und deren Zugrundelegung von Entscheidungen vom Verwaltungsgerichtshof in Vergangenheit in zahlreichen Fällen bestätigt wurde - und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten. Zu dem Gutachten ist im Übrigen festzuhalten, dass sich dieses oft auf persönliche Erfahrungen der Sachverständigen aus Aufenthalten in einem kleinen Teil Afghanistans stützt, die etwa 10 Jahre zurückliegen. Verschiedene Aussagen in dem Gutachten - etwa betreffend das Gewaltniveau in Afghanistan ("Die Gefahr, allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, besteht im gesamten Staatsgebiet.") - zeigen überdies eine zu undifferenzierte Beurteilung der Lage, die nicht in Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen steht. Auch in den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 wird etwa regelmäßig auf die spezifischen Umstände des Falles abgestellt und innerhalb Afghanistans auch regional differenziert.

Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des UNHCR in den von der rechtsfreundlichen Vertreterin ins Verfahren eingebrachten Richtlinien vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul ("UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.") ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Beschwerdeführer aus Kabul stammt und mit den dortigen Gegebenheiten grundsätzlich vertraut ist. Wenngleich den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"; vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt das erkennende Gericht diesbezüglich der etwas differenzierteren Beurteilung des EASO in dem Bericht "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2018, in dem für Kabul hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von

Artikel 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt und darüber hinaus hinsichtlich alleinstehender leistungsfähiger erwachsener Männer ("single able-bodied adult men") von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ausgegangen wird.

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auch mit den Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien betreffend einen UNAMA-Bericht vom Juli 2018 in Einklang zu bringen, in dem 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 genannt werden (eine Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr), zumal diese Zahlen im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung der Provinz Kabul von rund 4,6 Millionen Einwohnern zu betrachten sind, wobei von einer erhöhten Gefährdung für Staatsbedienstete und Ausländer auszugehen ist. Hinsichtlich der Würdigung der EASO-Leitlinien ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Artikel 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information - COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch Artikel 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass "in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht" (S. 127 der deutschen Fassung, Fn. 688), ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese "grundsätzlich" nicht verfügbar sei.

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf die EASO-Leitlinien vom Juni 2018, denen etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (vgl. auch die im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen betreffend die Provinz Balkh - einschließlich der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif - auf Seite 79 des Berichtes): "For Herat city, it can be concluded that indiscriminate violence is taking place at such a low level, that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence."

Für die Städte Herat und Mazar-e Sharif geht EASO hinsichtlich "single able-bodied adult men" ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Im Hinblick auf die Auswirkungen der aktuell auch die Provinzen Herat und Balkh betreffenden Dürre auf die dortige Versorgungslage (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, S. 125 f) ist den vorliegenden Länderberichten nicht zu entnehmen, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Provinzhauptstädten Mazar-e Sharif und Herat nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre, zumal die von der Dürre betroffenen Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser unterstützt werden bzw. die Nahrungsmittelpreise - insbesondere die Preise für Getreide und Brot - relativ stabil geblieben sind (vgl. ACCORD-Länderbericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018" vom 07.12.2018; siehe auch ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018, aus denen eine Unterstützung der von Dürre betroffene Bevölkerung insbesondere mit Trinkwasser und Nahrungsmittel hervorgeht).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

Wie oben ausgeführt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Für den Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan wurde kein substantiiertes Vorbringen zu einer Verfolgungsgefahr erstattet und auch hinsichtlich der ins Treffen geführten Nachfluchtgründe - eine "Verwestlichung" des Beschwerdeführers sowie ein unterstellter Glaubensabfall insbesondere aufgrund der von ihm angeblich veröffentlichten Fotos von einem Besuch einer christlichen Kirche - ist unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer diesbezüglich drohenden Verfolgung auszugehen:

Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass "verwestlichten" Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 19 u. S. 57). Auch in den in diesem Zusammenhang von der beschwerdeführenden Partei zitierten UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1).

Vor dem Hintergrund der Länderberichte und des Amtswissens zu Afghanistan ist im Ergebnis dennoch davon auszugehen, dass eine Fortsetzung der vom Beschwerdeführer in Österreich angenommenen "westlichen" Lebensweise in Afghanistan nur mit gewissen Anpassungen bzw. Einschränkungen möglich sein wird. Anhaltpunkte dafür, dass die ang

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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