Entscheidungsdatum
23.04.2019Norm
AVG §68Spruch
G302 2154766-3/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Vorsitzenden sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Barbara BAMMER als Beisitzerin und den fachkundigen Laienrichter Mag. Thorsten BAUER als Beisitzer über die Anträge von XXXX, SVNR: XXXX, vom 07.05.2018 und vom 02.07.2018 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017 abgeschlossenen Verfahrens Zl. XXXX beschlossen:
A)
Die Anträge werden wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017, Zl. XXXX, wurde über den Vorlageantrag von XXXX (im Folgenden: Antragsteller oder kurz AST), SVNR: XXXX, gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice vom 05.04.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt, dass die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt werde. Die Revision sei nicht zulässig.
Mit Eingabe vom 28.12.2017 stellte der AST einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Z 4 VwGVG.
Dieser Antrag auf Wiederaufnahme wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 20.04.2018, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen.
Mit Eingaben vom 07.05.2018 und vom 02.07.2018 stellte der AST weitere Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsakts.
Das BVwG erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der dem BVwG vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
2.2. Die maßbegebenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), lauten:
"§ 32 (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
2.3. Auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH vom 09.08.2018, Ra 2018/22/0078).
Die maßbegebenden Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG lauten:
"...
§ 68 (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3. tatsächlich undurchführbar ist oder
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.
...."
2.4. Die Anordnung des § 68 Abs. 1 AVG zielt in erster Linie darauf ab, die wiederholte Aufrollung einer bereits "entschiedenen Sache" ohne nachträgliche Änderung (d.h. bei Identität) der Sach- und Rechtslage auf Antrag der Partei oder durch die Behörde selbst (von Amts wegen) zu verhindern (VwGH 02.08.1996, 94/02/0364; 25.04.2003, 2000/12/0055; 24.01.2006, 2003/08/0162; vgl. auch Thienel/Zeleny20 AVG § 68 Anm. 4). Anbringen, die darauf abzielen, sind (außer in den hier nicht in Rede stehenden Fällen der §§ 69 und 71 AVG) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn sie nicht (ausnahmsweise) der Behörde (von Amts wegen) "Anlass zu einer Verfügung gem. den Abs. 2 bis 4" des § 68 AVG geben.
Für den VwGH bedeutet die Rechtskraft eines Bescheides "in materieller Hinsicht die Bindung an den einmal erlassenen, formell rechtskräftigen Bescheid" (VwGH 28.11.1991, 90/06/0172; 23.04.2003, 2000/08/0040; vgl. etwa auch VwSlg 8035 A/1971), also die mit dem Bescheid verbundene Bindungswirkung für die Behörden und die Parteien (Thienel/Schulev-Steindl5 234 f; vgl. auch Hauer/Leukauf 6 AVG § 68 Anm. 5; Hellbling 416; ferner VwGH 31. 3. 2016, 2013/07/0156), und zwar nicht nur hinsichtlich der normativen Aussagen, sondern auch hinsichtlich der Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit. Der Gerichtshof übersieht aber nicht, dass die "sogenannte materielle Rechtskraft" ein "von der Lehre entwickelter Begriff" ist, der in der österreichischen Gesetzessprache nicht vorkommt (VwGH 26.09.1984, 84/11/0166).
Auch rechtswidrige Bescheide erwachsen in materielle Rechtskraft (VwGH 18.01.1971, 1311/70; 15.09.1978, 2300/77; 08.02.1994, 93/08/0166), oder anders ausgedrückt, die Gesetzwidrigkeit eines formell rechtskräftigen Bescheides bietet der Verwaltungsbehörde keine Handhabe, ihn aufzuheben oder abzuändern (VwSlg 956 A/1949). Es gehört zum Wesen der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft von Bescheiden, dass ein rechtskräftiger Bescheid selbst dann seine volle Rechtswirksamkeit entfaltet, wenn er mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch steht (VwGH 18.03.1994, 94/12/0034; 25.03.1997, 96/05/0262; 24.02.2006, 2005/12/0227; vgl. auch VwGH 23.05.2012, 2012/08/0022; 16.10.2017, Fe 2016/05/0001; Leeb, Bescheidwirkungen 20).
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 26.02.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169, 15.11.2000, 2000/01/0184).
Die Zurückweisung eines Anbringens gem. § 68 Abs. 1 AVG setzt zweierlei voraus: Zum einen muss sich der Antrag auf eine entschiedene Sache beziehen, die nur dann vorliegt, wenn sich gegenüber dem Bescheid, dessen Abänderung oder Aufhebung begehrt wird, weder am erheblichen Sachverhalt noch an der maßgeblichen Rechtslage etwas geändert hat und sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.07.1992, 92/06/0062; 27.05. 004, 2003/07/0100; 17.12.2009, 2008/22/0275; 13.05.2011, 2011/10/0040). Zum anderen muss die Partei einen rechtlichen Anspruch auf neuerliche Entscheidung in derselben Sache - sei es unter unzutreffendem Vorbringen (vermeintlich) geänderter Sach- oder Rechtslage oder unter einfachem Hinwegsetzen über den bereits rechtskräftig gewordenen Bescheid - geltend gemacht haben (VwGH 28.07.1995, 95/02/0082; 28.03.2000, 99/08/0284; 24.03.2004, 99/12/0114; vgl. auch FB VI 49; Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 648 f; Walter/Thienel I2 AVG § 68 Anm 5), der ihr nicht zusteht (Thienel/Schulev-Steindl5 300).
Ob die Behörde ein Anbringen mit Bescheid gem. § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen hat, hängt nicht von seinem Wortlaut ab, sondern von seinem Zweck. Auch wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahingehend lautet, dass eine bereits entschiedene Sache wieder aufgerollt werden soll, es aber im Ergebnis darauf hinausläuft, sind die Voraussetzungen für die Zurückweisung wegen res iudicata gem. § 68 Abs. 1 AVG erfüllt (VwGH 11.12.1990, 90/05/0167; 21.06.2007, 2006/10/0093; 12.10.2010, 2009/05/0317). Auf eine solche neuerliche Aufrollung zielen also nicht nur Anbringen ab, mit denen expressis verbis die Abänderung eines Bescheides begehrt wird, sondern auch solche, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits entschiedenen Sache bezwecken (VwGH 03.11.2004, 2004/17/0215), ohne dass im Wortlaut des Begehrens ausdrücklich die nochmalige Aufrollung der Sache angesprochen wird (VwGH 22.11.2004, 2001/10/0035; 25.04.2006, 2006/06/0038).
Die Prüfung der Frage, ob der Antrag der Partei zurückzuweisen ist oder angesichts des geänderten Sachverhalts eine neuerliche Sachentscheidung ergehen soll, hat ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei bei der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde vorgebracht wurden (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0135). Daher muss die Partei, will sie eine neuerliche Entscheidung über einen abgewiesenen Anspruch herbeiführen, die wesentlichen neuen Umstände, welche die materielle Rechtskraft zu "durchbrechen" geeignet sind, selbst geltend machen. Fehlen solche Gründe im Parteienbegehren, ist die Behörde berechtigt, den neuerlichen Antrag wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs.1 AVG zurückzuweisen (VwGH 04.06.1991, 90/11/0229;
27.06.2001, 98/18/0297). In der Berufung (Beschwerde an das VwG gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (VwSlg 5642 A/1961; VwGH 28.11. 1968, 571/68;
04.06.1991, 90/11/0229).
Ob die Behörde über den neuerlichen Antrag selbst Erhebungen durchgeführt hat oder ob sie sich allein darauf gestützt hat, was von der Partei vorgebracht wurde, ist für die Frage der Zurückweisung wegen entschiedener Sache ohne Bedeutung (VwGH 10.06.1991, 89/10/0078; 27. 6. 2001, 98/18/0297; 24. 4. 2002, 2002/18/0039). Voraussetzung für eine Zurückweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG ist diesbezüglich nur, dass Identität der Sache vorliegt.
Alle Parteien des durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens haben gem. § 68 Abs. 1 AVG einen Rechtsanspruch gegenüber der Behörde (dem VwG) auf Beachtung der eingetretenen Unabänderlichkeit (Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit; vgl. VwGH 10.06.1991, 89/10/0078; 09.07.1992, 92/06/0062; 12.12.2013, 2012/06/0208; Antoniolli/Koja 586). Deckt sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem Antrag, der dem Vorbescheid zugrunde lag, sind die mitbeteiligten Parteien berechtigt, bei Identität von Sach- und Rechtslage das Vorliegen der res iudicata einzuwenden. Allerdings steht der mitbeteiligten Partei aufgrund der durch den Umfang ihrer subjektiven Rechte beschränkten Mitsprachebefugnis das Recht, dass eine entschiedene Sache nicht neuerlich aufgerollt wird, nur dann und insoweit zu, als sie dadurch in diesen subjektiven Rechten berührt sein kann (VwGH 30.05.1995, 95/05/0049; 09.11.2004, 2003/05/0143).
Setzt sich die Behörde über das Recht der Partei(en) auf Beachtung der Unabänderlichkeit (Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit) hinweg und erlässt sie in einer schon entschiedenen Sache nochmals gesetzwidrigerweise eine Sachentscheidung, nimmt sie eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch. Durch den inhaltlich rechtswidrigen Bescheid (VwGH 20.06.1985, 84/08/0099; 30.05.1955, 93/05/0023; 14.05.2003, 2000/08/0015) wird die Partei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (VfSlg 6930/1972; 10.086/1984). Eine neuerliche Entscheidung in derselben Sache ist nur amtswegig unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 bis 4 AVG oder aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung (vgl. § 68 Abs. 6 AVG) zulässig.
Im gegenständlichen Fall sind keine Unterlagen eingelangt, die eine Änderung der Sachlage darstellen. Es ist weder eine Änderung in den für die Beurteilung als maßgeblich erachteten Umständen noch in der maßgebenden Rechtslage eingetreten. Das gegenständliche Parteibegehren deckt sich im Wesentlichen mit dem früheren Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.
Soweit der BF ausführt, dass ihm mit Zustelldatum 18.06.2018 zwei Bescheide der belangten Behörde zugestellt worden seien, aus denen sich eindeutig eine betrügerische Handlungsweise durch Erschleichung dieser Erkenntnisse ergebe und somit der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG vorliege, ist auszuführen, dass ihm gegen diese beiden Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde zugestanden ist.
Wie schon in der Entscheidung vom 20.04.2018 ausgeführt, wäre es zudem dem Antragsteller bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich gewesen, den vor dem Landesgericht XXXX abgeschlossenen Vergleich vom 06.09.2017 im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend zu machen; somit liegt ein Mitverschulden des Antragstellers an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes vor (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 38), zumal die inhaltliche Entscheidung des BVwG erst am 19.12.2017 ergangen ist. Das BVwG weist wiederholt darauf hin, dass dieses im Erstverfahren nach den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen entschieden hat. Ein Vergleich in einem Zivilprozess dient der Beilegung der Streitsache und berührt in keinster Weise die Auslegung des AlVG.
Soweit der Antragsteller die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung bemängelt, bildet dies keinen Grund zur Wiederaufnahme des Verfahrens (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 30 mwN).
Zusammengefasst steht einer neuerlichen Sachentscheidung somit die Rechtskraft des Bescheides des BVwG vom 20.04.2018, Zl. XXXX, entgegen.
Die Anträge waren daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH vom 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Im vorliegenden Beschwerdefall handelt es sich ausschließlich um die Lösung von Rechtsfragen. Somit konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Prozesshindernis der entschiedenen Sache, Wiederaufnahme,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G302.2154766.3.00Zuletzt aktualisiert am
04.07.2019