TE Bvwg Beschluss 2019/4/29 W210 2174618-2

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Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W210 2174618-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2019, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am 01.01.1998, StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der von der gegenständlichen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes Betroffene (im Folgenden: Betroffener) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab der Betroffene an, dass sein Vater und er von Paschtunen verfolgt worden seien. Sein Vater sei ca. sechs Monaten zuvor von Paschtunen getötet worden. Er selbst sei bedroht worden.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 06.12.2018, GZ W238 2174618-1/12E, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde am 07.12.2018 rechtswirksam zugestellt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben.

3. Am 04.04.2019 wurde der Betroffene aus Deutschland rücküberstellt, zu seinem neuerlichen Antrag erstbefragt gab er an, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht seien und er eine neue Chance in Österreich bekommen wolle.

4. Dem Betroffenen wurden am 08.04.2019 aktuelle Feststellungen zur Lage in Afghanistan, Stand: 26.03.2019, ausgefolgt. Es wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass er entweder bis zum Einvernahmetermin schriftlich oder im Rahmen seiner Einvernahme mündlich zu den ausgefolgten Länderfeststellungen Stellung nehmen konnte.

5. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 12.04.2019 brachte der Betroffene im Beisein seines Rechtsberaters vor, seine Fluchtgründe würden nach wie vor vorliegen und die Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz habe sich verschlechtert.

Das BFA teilte dem Betroffenen mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Die Verfahrensanordnung wurde dem Betroffenen übersetzt und nachweislich ausgefolgt.

6. Im Anschluss an diese Einvernahme hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Betroffenen gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem Bescheid vom 12.04.2019 auf. Dies wurde im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.04.2019 dokumentiert.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert habe. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Betroffene keinen neuen, entscheidungswesentlichen, Sachverhalt vorgebracht habe und sich auf seine bereits rechtskräftig behandelten Fluchtgründe bezogen habe. Auch die allgemeine Lage in Afghanistan habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Selbiges gelte für die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen.

Das BFA protokollierte sodann, dass die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem BVwG zur Überprüfung übermittelt würden, was als Beschwerde gelte.

7. Im Anschluss an die Verkündung des Bescheides legte der Betroffene einen Lehrvertrag für den Zeitraum 07.09.2018 bis 06.09.2021 und gab dazu an, dieser Lehre nicht nachzugehen.

8. Am 16.04.2019 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein, worüber das BFA noch am selben Tag verständigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Betroffene führt den Namen XXXX und ist volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Er stammt aus der Provinz Ghazni und lebte dort bis zu seiner Ausreise.

Der Betroffene stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 25.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete diesen damit, dass sein Vater und er von den Paschtunen verfolgt worden seien.

Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 02.10.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. In einem wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gegen den Betroffenen erlassen und die Abschiebung als zulässig festgestellt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 06.12.2018, GZ W238 2174618-1/12E, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde am 06.12.2018 per ERV zugestellt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Am 22.01.2019 reiste der Betroffene unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Deutschland, stellte dort am 29.01.2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und wurde aus Deutschland am 04.04.2019 im Rahmen der Dublin-III-Verordnung nach Österreich rücküberstellt.

Am 04.04.2019 stellte der Betroffene einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen mit denselben Fluchtgründen wie im ersten Verfahren, er wollte noch eine Chance haben. Dabei handelt es sich nicht um einen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde.

Der Betroffene hat in Österreich keine Familienangehörigen oder eine familienähnliche Lebensgemeinschaft. Umfassende Sozialkontakte des Betroffenen in Österreich bestehen nicht. Der Betroffenen bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der Betroffene leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Betroffenen, zu seinem sozialen Hintergrund in Afghanistan und zu seinem Leben in Österreich gründen auf den diesbezüglich widerspruchsfreien und folglich glaubhaften Angaben des Betroffenen in den Verfahren über seinen ersten und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Erledigung sowie zum damaligen Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem hg. Gerichtsakt zum ersten Asylverfahren, GZ W238 2174618-1.

Die Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom 06.12.2018, mit welchem die Beschwerde gegen die Abweisung des (ersten) Antrags auf internationalen Schutz vom 25.11.2015 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde, ergibt sich daraus, dass das Erkenntnis am 06.12.2018 zugestellt wurde und unbekämpft blieb. Das Protokoll über die erfolgte Zustellung durch ERV liegt im Akt W238 2174618-1 auf.

Die Feststellungen zum zweiten, gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensakts des BFA.

Dass es sich bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Behauptungen und vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz am 06.12.2018 verwirklicht wurde, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Betroffenen im Verfahren, der sich selbst auf diese Gründe aus dem ersten Verfahren bezog und lediglich angab, dass er eine zweite Chance wolle. Die wiederholte Fragen des einvernehmenden Beamten des BFA, ob er den gegenständlichen Antrag auf Asyl ausschließlich aus denselben Gründen stelle, welche er bereits im Vorverfahren vorgebracht habe, bejahte der Betroffene beide Male ausdrücklich. Zusammengefasst ergibt sich beim Betroffenen im zweiten Asylverfahren das Bild, dass dieser schlicht nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Afghanistan zurückzukehren.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Der Betroffene gab bereits im Erstverfahren zu Protokoll, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Dass sich daran seit Abschluss des Erstverfahrens etwas geändert hätte, wurde weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Hinweise auf das Bestehen eines Familienlebens sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Auch gab der Betroffene im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens vor dem BFA ausdrücklich an, dass sich an seinem Privatleben in Österreich nichts geändert habe. Eine finanzielle Abhängigkeit von einer in Österreich lebenden Person verneinte der Betroffene ebenfalls.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen gründet auf dessen eigenen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA am 12.04.2019. Dieser gab hier zu Protokoll, Medikamente wegen eines Juckreizes zu nehmen, ansonsten aber keine weiteren Medikamente nehmen zu müssen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Betroffenen, die einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen könnte, sind weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren hervorgekommen.

Dass die allgemeine Situation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens (06.12.2018) im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Afghanistan für den Betroffenen nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie im Erkenntnis des BVwG enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan. Das Erkenntnis des BVwG, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 02.10.2017 abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, datiert auf den 06.12.2018. Der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde am 12.04.2019 erlassen und gründet sich auf das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018, aktualisiert am 26.03.2019. Die letzten Anschläge in Afghanistan veranlassten eine Aktualisierung der Berichte dahingehend, ergeben jedoch keine wesentliche Lageänderung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018 ua. wurden verwaltungsgerichtliche Normanfechtungsanträge zur Überprüfung von ua. § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie gegen § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 abgewiesen, im Übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt A): Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

...

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG lautet:

"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:

Das Verfahren über den ersten Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 25.11.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 02.10.2017 und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das BVwG am 06.12.2018 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 04.04.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Der Bescheid vom 02.10.2017 ist mit wirksamer Zustellung des abweisenden Erkenntnisses des BVwG vom 06.12.2018 am 07.12.2018 in Rechtskraft erwachsen.

Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG des BFA vom 02.10.2017 wurde somit ebenfalls am 07.12.2018 rechtskräftig, sie ist auch weiterhin aufrecht. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.

Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 04.04.2019 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage. Die behauptete Angst des Betroffenen vor den Paschtunen war bereits Gegenstand des ersten, rechtskräftig abgeschlossenen, Asylverfahrens. Bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen handelt es sich insgesamt nicht um einen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz am 06.12.2018 verwirklicht wurde. Aus den Länderberichten ergibt sich zudem, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Betroffenen keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid vom 02.10.2017 bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 06.12.2018 eingetreten ist. Eine Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Betroffenen zu keiner Zeit vorgebracht. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass der Betroffene bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den Betroffenen im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

Es sind auch keine erheblichen in der Person des Betroffenen liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Betroffene gab in diesem Zusammenhang selbst an, lediglich ein Medikament wegen allergischen Juckreizes zu nehmen und sonst keiner Medikamente zu bedürfen.

Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Betroffenen ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Betroffene hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Betroffene bereits im ersten Asylverfahren angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Dass sich an seinem Privatleben in Österreich etwas geändert hätte, verneinte er ebenfalls. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen Aufenthalts, der seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unrechtmäßig ist, und seiner vorübergehenden Ausreise nach Deutschland nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 12.04.2019 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Prognoseentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W210.2174618.2.00

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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