TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/6 W194 2183172-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2019
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Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W194 2183172-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Daniela SABETZER über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , StA.

Afghanistan, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe sowie RA Edward W. Daigneault, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017, Zl. 15-1093371405/151675122, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 02.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte ihre Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

2. Am 29.11.2017 wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Einvernahme vor der belangten Behörde näher zu ihren Fluchtgründen befragt. Die Beschwerdeführerin führte dabei zusammengefasst an, dass sie Afghanistan bzw. XXXX gemeinsam mit ihrem erwachsenen Sohn (Beschwerdeverfahren hg. zu W194 2182570-1 protokolliert) wegen Grundstücksstreitigkeiten ihres Schwiegervaters und aus Furcht vor den Taliban verlassen habe. Ca. drei Monate vor ihrer Flucht sei ihr Mann verschwunden; er sei von den Taliban mitgenommen worden. Im Rahmen ihrer Einvernahme legte die Beschwerdeführerin ihre Tazkira vor.

3. Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.12.2017,

Zl. 15-1093371405/151675122, den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 02.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.12.2018 (Spruchpunkt III.).

Zu Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde begründend insbesondere aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat einer persönlichen Bedrohung durch die Taliban oder irgendwelche Privatpersonen ausgesetzt gewesen wäre. Ihr Fluchtvorbringen wurde als nicht glaubwürdig erachtet.

Die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführerin weiters mit Verfahrensanordnung vom 13.12.2017 einen Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite.

4. Am 20.12.2017 beauftragte und bevollmächtigte die Beschwerdeführerin ihren Rechtsberater, sie im Rechtsmittelverfahren gegen den gegenständlichen Bescheid zu vertreten.

5. Die Beschwerdeführerin erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 11.12.2017

* mit Schriftsatz vom 11.01.2018, bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, durch ihren Rechtsberater sowie

* mit Schriftsatz vom 16.01.2018, bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, durch ihren Rechtsanwalt

Beschwerde.

Begründend führte sie in ihrer Beschwerde vom 11.01.2018 im Wesentlichen aus, dass im angefochtenen Bescheid eine nähere Auseinandersetzung mit der individuellen Verfolgung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, insbesondere jener der alleinstehenden Frauen mit westlicher Orientierung, nicht erfolgt sei.

Der Beschwerde beigelegt war eine Teilnahmebestätigung betreffend die Beschwerdeführerin über die Teilnahme am Begleitkurs Alphabetisierung im Jahr 2017.

In der Beschwerde vom 16.01.2018 wurde begründend insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin als alleinstehender Frau Asyl zu gewähren gewesen sei.

6. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit hg. am 17.01.2018 eingelangter Beschwerdevorlage den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

7. Mit Schreiben vom 24.08.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin gemeinsam mit der Ladung zur Verhandlung Länderberichte zur Lage in Afghanistan.

8. Die belangte Behörde teilte dem Bundesverwaltungsgericht am 06.09.2018 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei.

9. Am 17.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin und deren Rechtsberater teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari/Farsi beigezogen wurde.

Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen der Verhandlung zu ihrer Identität, Herkunft, Familie, den persönlichen Lebensumständen, den Fluchtgründen sowie ihrem Leben in Österreich befragt.

Zudem wurden die (mit den Ladungen ausgesendeten) Länderberichte in das Verfahren eingebracht und aktualisierte Berichte ausgeteilt.

Die Beschwerdeführerin legte weitere Unterlagen zum Beweis ihrer Integrationsbemühungen vor.

Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung samt den vorgelegten Unterlagen wurde der belangten Behörde im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.

10. Mit hg. am 30.10.2018 eingelangter Stellungnahme übermittelte die Beschwerdeführerin eine ergänzende Stellungnahme zu den in der Beschwerdeverhandlung ausgehändigten Länderberichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin, ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Afghanistan, XXXX alt, Schiitin und Angehörige der Volksgruppe der Qizilbasch. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Farsi bzw. Dari.

Sie ist verheiratet und hat drei Söhne und eine Tochter. Die Beschwerdeführerin hält sich derzeit mit ihren Söhnen XXXX in Österreich auf. Ihre Tochter lebt mit ihrem Ehemann in XXXX ; der Ehemann der Beschwerdeführerin ist in XXXX wohnhaft.

Die Beschwerdeführerin ist - abgesehen von Knieproblemen - gesund, nimmt keine Medikamente, ist strafgerichtlich unbescholten und nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

Sie stammt aus der Provinz XXXX und lebte dort bis zum Jahr XXXX , um anschließend daran in den Iran zu ziehen, wo sie bis zum Jahr XXXX wohnhaft war. In weiterer Folge kehrte die Beschwerdeführerin wieder nach XXXX zurück, wo sie bis zur ihrer Ausreise mit ihrem Sohn XXXX im Jahr 2015 wohnhaft war. Im November 2015 stellte die Beschwerdeführerin den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Ihre Söhne XXXX verließen Afghanistan im Jahr XXXX .

Die Beschwerdeführerin wuchs in einem traditionellen Umfeld in Afghanistan auf. Sie war bzw. ist weder in Afghanistan bzw. im Iran noch in Österreich erwerbstätig. Sie besuchte insgesamt fünf Jahre die Grundschule. Sie absolvierte keine Berufsausbildung. Die Beschwerdeführerin kümmerte sich in Afghanistan und im Iran um den Haushalt und ihre Kinder. In Afghanistan lebte die Beschwerdeführerin nach ihrer Heirat mit ihren Kindern und ihrem Ehemann im Haus ihres Schwiegervaters.

In Österreich teilt sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn XXXX eine Wohnung; ihr Sohn XXXX lebt mit einem Bekannten zusammen. Die Beschwerdeführerin wünscht sich auch ein Zusammenleben mit ihrem Sohn XXXX . Sie arrangierte von Österreich aus die Ehe ihres Sohnes XXXX mit einer Frau im Iran.

An einem durchschnittlichen Tag in Österreich kümmert sich die Beschwerdeführerin um den Haushalt, besucht einen Deutschkurs und bereitet das Abendessen zu.

Die Beschwerdeführerin besuchte in Österreich einen Deutschkurs für Anfänger mit Alphabetisierungsschwerpunkt, einen Werte- und Orientierungskurs, einen Begleitkurs Alphabetisierung sowie im Jahr 2018 den Kurs " XXXX Deutschkurs Startpaket". Sie brachte im gesamten Verfahren kein Zeugnis über die Ablegung einer Deutschprüfung in Vorlage.

Wenn sie körperlich dazu in der Lage ist, möchte die Beschwerdeführerin in Österreich später einmal in einem Supermarkt einer Beschäftigung nachgehen.

In ihrer Freizeit geht die Beschwerdeführerin gerne in den Park. An Feiertagen unternimmt sie mit ihrem Sohn XXXX Ausflüge. Mit ihrer Freundin XXXX geht die Beschwerdeführerin öfters in den Park; ihr Sohn XXXX übersetzt das Gespräch für beide dabei wechselseitig.

In Österreich geht die Beschwerdeführerin auch ohne Begleitung einkaufen; den Lebensmitteleinkauf erledigt die Beschwerdeführerin gemeinsam mit einem ihrer Söhne.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Österreich seit November 2015 eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise aus Afghanistan physischer oder psychischer Gewalt, Strafverfolgung oder konkreten Bedrohungen von erheblicher Intensität durch staatliche Organe oder Private bzw. speziell durch die Taliban, sei es vor dem Hintergrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, ausgesetzt war.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin aktuell, dh. im Falle einer (hypothetischen) Rückkehr, derartige Bedrohungen in ihrem Heimatland zu erwarten hätte.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018

Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft. Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung. Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was Großteils aus der Talibanzeit stammenden, unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018). Viel hat sich seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig. Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon

77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor. Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht. Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten. Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind. In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden. In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019. In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts. Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

Informationen zu Frauen in NGOs, den Medien und den afghanischen Sicherheitskräften können den Kapiteln 8. "NGOs und Menschenrechtsaktivisten", 11. "Meinungs- und Pressefreiheit" und 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5.2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).

EVAW-Gesetz

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5.2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vgl. UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018).

Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen:

Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert (UNAMA/OHCHR 5.2018). Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt (AA 5.2018).

Frauenhäuser

Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren (NYT 17.3.2018). Die EVAW-Institutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z. B. Frauenhäuser) (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre (AA 5.2018). Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte (AA 5.2018; vgl. NYT 17.3.2018). Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in

den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben (AA 5.2018). Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord (AA 5.2018). Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anm.) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anm.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017). Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018).

Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAW-Gesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Legales Heiratsalter

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 5.2018). Dem Gesetz zufolge muss vor dem Ehevertrag das Alter der Braut festgestellt werden. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt Geburtsurkunden. Quellen zufolge ist die frühe Heirat weiterhin verbreitet. Gemäß dem EVAW-Gesetz werden Personen, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, für mindestens zwei Jahre inhaftiert; dennoch hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist. Lokalen NGOs zufolge, werden manche Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren zur Heirat versprochen - unter der Voraussetzung, die Ehe würde bis zum Erreichen der Pubertät nicht stattfinden. Berichte deuten an, dass diese "Aufschiebung" eher selten eingehalten wird. Medienberichten zufolge existiert auch das sogenannte "Opium-Braut-Phänomen", dabei verheiraten Bauern ihre Töchter, um Schulden bei Drogenschmugglern zu begleichen (USDOS 3.3.2017).

Familienplanung und Verhütung

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten (AA 5.2018). Ohne Diskriminierung, Gewalt und Nötigung durch die Regierung steht es Paaren frei, ihren Kinderwunsch nach ihrem Zeitplan, Anzahl der Kinder usw. zu verwirklichen. Es sind u.a. die Familie und die Gemeinschaft, die Druck auf Paare zur Reproduktion ausüben (USDOS 3.3.2017). Auch existieren keine Berichte zu Zwangsabtreibungen, unfreiwilliger Sterilisation oder anderen zwangsverabreichten Verhütungsmitteln zur Geburtenkontrolle (USDOS 20.4.2018). Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 5.2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Orale Empfängnisverhütungsmittel, Intrauterinpessare, injizierbare Verhütungsmethoden und Kondome sind erhältlich; diese werden kostenfrei in öffentlichen Gesundheitskliniken und zu subventionierten Preisen in Privatkliniken und durch Community Health Workers (CHW) zur Verfügung gestellt (USDOS 3.3.2017).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014) und kommen auch weiterhin vor (USDOS 3.3.2017). Laut AIHRC waren von 277 Mordfällen an Frauen im Jahr 2017 136 Eherenmorde (AIHRC 11.3.2018; vgl. Tolonews 11.3.2018).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist das Misstrauen eines Großteils der afghanischen Bevölkerung in das juristische System (KP 23.3.2016).

Reisefreiheit

Es existieren gewisse Sicherheitsbedenken, wenn Frauen alleine reisen: Manchmal ist es der Vater, der seiner Tochter nicht erlaubt alleine zu reisen und manchmal ist es die Frau selbst, die nicht alleine reisen will. In vielen Firmen, öffentlichen Institutionen sowie NGOs ist die Meinung verbreitet, dass Frauen nicht alleine in die Distrikte reisen sollten und es daher besser sei einen Mann anzustellen. Doch hat sich die Situation wesentlich verbessert. So kann nach eigener Aussage eine NGO-Vertreterin selbst in unsichere Gegenden reisen, solange sie sich dabei an die örtlichen Gegebenheiten hält, also lokale Kleidungsvorschriften einhält (z. B. tragen einer Burqa) und sie die lokale Sprache kennt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Während früherer Regierungen (vor den Taliban) war das Tragen des Chador bzw. des Hijab nicht verpflichtend - eine Frau konnte auch ohne sie außer Haus gehen, ohne dabei mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. In der Stadt Mazar-e Sharif wird das Tragen des Hijab heute nicht so streng gehandhabt, wie in den umliegenden Gegenden. Andere Provinzen sind bei diesem Thema viel strenger. In Mazar-e Sharif könnte es in Einzelfällen sogar möglich sein, ganz auf den Hijab zu verzichten, ohne behelligt zu werden. Garantie besteht darauf natürlich keine (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Frauen in Afghanistan ist es zwar nicht verboten Auto zu fahren, dennoch tun dies nur wenige. In unzähligen afghanischen Städten und Dörfern, werden Frauen hinter dem Steuer angefeindet etwa von Gemeindevorständen, Talibansympathisanten oder gar Familienmitgliedern. Viele Eltern unterstützen zwar grundsätzlich die Idee ihren Töchtern das Autofahren zu erlauben, haben jedoch Angst vor öffentlichen Repressalien. Die Hauptstadt Kabul ist landesweit einer der wenigen Orte, wo autofahrende Frauen zu sehen sind. In Kabul sowie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Jalalabad gibt es einige Fahrschulen; in Kabul sogar mehr als 20 Stück. An ihnen sind sowohl Frauen als auch Männer eingeschrieben. In Kandahar zum Beispiel sind Frauen generell nur selten alleine außer Haus zu sehen - noch seltener als Lenkerin eines Fahrzeugs. Jene, die dennoch fahren, haben verschiedene Strategien um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Manche tragen dabei einen Niqab, um unerkannt zu bleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 5.2018).

1.2.2. Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Afghanistan - Frauen in urbanen Zentren" vom 18.09.2017

1. Wie sind die Kleidungs- und Kopftuchvorschriften in den drei Großstädten Kabul,

Mazar-e Sharif und Herat?

Den nachfolgend zitierten Quellen (inklusive Bildquellen) ist zu entnehmen, dass Kleidungs und Kopftuchvorschriften in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat erheblich variieren. Dies gilt auch für die Erwartungen, die an Frauen bezüglich ihrer Bekleidung gestellt werden. Generell umfasst Frauenkleidung in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel, mit verschieden Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten. Es herrschen weiterhin Debatten über die angemessenste Art der Bekleidung von Frauen, vor allem auch darüber was letztendlich eine richtige "islamische" Körper- oder Kopfbedeckung darstellt. Die Vorstellungen, wie Frauen sich in der Öffentlichkeit zeigen sollen bzw. dürfen unterscheiden sich oft erheblich, je nach der Herkunft, Geschlecht und Bildungsstand der Befragten (siehe die Umfrage der Asia Foundation, unter Einzelquellen).

[...]

2. Wie gestaltet sich das Alltagsleben für Frauen in den genannten Städten?

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig ist. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen - rechtlich, beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen, und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt.

[...]

3. Wie gestalten sich die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif? Welche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung haben Frauen (e.g. Sport, etc.)?

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass afghanische Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif in einer Vielzahl beruflicher Felder aktiv sind. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Die Quellen erläutern die mannigfaltigen Schwierigkeiten mit denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Berufswelt zu kämpfen haben. Diese reichen von Diskriminierung in der Rekrutierung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung. Während es Frauen der afghanischen Elite seit dem Ende der Taliban- Herrschaft zuweilen möglich war eine Reihe erfolgreicher Unternehmen aufzubauen, mussten viele dieser Neugründungen seit dem Einsturz der afghanischen Wirtschaft 2014 wieder schließen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten. Die letzten Jahre sahen einen steigenden Druck auf Frauen in der Arbeitswelt und eine zunehmende Abneigung gegenüber Frauen im Beruf, vor allem in konservativen Kreisen. Trotzdem finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen. Was die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Frauen in afghanischen Städten betrifft, so gibt es auch hier, laut nachfolgend zitierten Quellen, eine Vielzahl von Beispielen. Konkrete Informationen können den Einzelquellen entnommen werden.

Laut einem Bericht der niederländischen Unternehmensbehörde (Rijksdienst voor Ondernemend Nederland), im Auftrag des niederländischen Außenministeriums, zur Frage der Anstellung von Frauen in afghanischen Klein- und Mittelbetrieben, hat sich die Lage von Frauen auf dem afghanischen Arbeitsmarkt seit dem Ende der Taliban-Herrschaft 2001 erheblich verbessert. Während weiterhin eine dezidierte Präferenz für Frauen in "Frauenberufen" (d.h. im Bildungs- und Gesundheitsbereich, als Lehrerinnen, Ärztinnen und Krankenschwestern) zu vermerken ist, sowie in traditionellen Feldern, wie dem Kunsthandwerk, brachen Frauen in Städten verstärkt mit Traditionen und sind auch verstärkt in andere Branchen, wie der Privatwirtschaft und den Medien vertreten. Unternehmen, die von Frauen geführt werden, finden sich vor allem in urbanen Gebieten, üblicherweise als Teil von schon bestehenden Familienunternehmen der Mittel- und Oberschicht (bzw. unter jenen mit Beziehungen auf hoher Ebene). Jedoch kann selbst für solche Frauen Reisen weiterhin ein Problem bleiben. Für Frauen außerhalb der Elite sind Unterstützung für Berufsbildung, Unternehmertum sowie Mikrofinanzierung maßgeblich. Konservative Einstellungen gegenüber Frauen auf dem Arbeitsmarkt können, laut Bericht, durch Bildung, Verbindungen und fortschrittliche religiöse Botschaften überwunden werden. Die verschlechterte Sicherheitslage in den letzten Jahren, vor allem aber der Rückzug von Geldgebern, infolge dessen es im Jahre 2014 zu einem Zusammenbruch der afghanischen Hilfs- und Militärauftragswirtschaft kam, hat zu einem verstärkten Klima der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit geführt. Im Zuge dessen haben viele neu gegründete Unternehmen von Frauen wieder schließen müssen. Konservativere Einstellungen gewinnen außerdem wieder Überhand. So sieht der Bericht einerseits eine zunehmende öffentliche Nervosität und konservative Abneigung gegenüber Frauen in der Berufswelt. Andererseits scheint es jedoch auch innerhalb des Wirtschaftssektors starke Befürwortung für die Anstellung von Frauen zu geben. Frauen der Unterschicht sehen sich trotz verschlechterter Sicherheitslage gezwungen Arbeit zu suchen, insbesondere, wenn männliche Familienmitglieder fortgezogen oder ausgewandert sind.

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Die US-amerikanische Online-Platform The World Post (Teil der Huffington Post) berichtet über ein sogenanntes "Familienkino", das in Kabul zu bestimmten Tageszeiten Vorstellungen ausschließlich für Frauen anbietet. In einem Land, in dem Kinos normalerweise fast ausschließlich von Männern frequentiert werden, bietet das Galaxy Family Cinema Frauen so die Möglichkeit sich für ein paar Stunden in Ruhe und Sicherheit zu unterhalten.

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Das afghanischen Magazin Afghan Zariza berichtet in seiner Online Ausgabe über den sogenannten "Frauen-Garten" (Bagh-e zanan) in Kabul - ein öffentlicher Park für Frauen mit verschiedenen Unterhaltungs-, Bildungs- und Sportmöglichkeiten. Der Garten, der sich über 13 Hektar Land streckt und vom Frauenministerium verwaltet wird, erlebt täglich einen großen Ansturm, vor allem am Wochenende. Er wurde nach der Taliban-Herrschaft durch finanzielle Unterstützung des US Entwicklungsministeriums (USAID) und mit Hilfe von mehr als 600 afghanischen ArbeiterInnen (großteils Frauen aus armen Verhältnissen) wiederaufgebaut. Neben den Gartenanlagen zählt auch ein Fitnesscenter, Buchgeschäft und Internetlokal zudem Einrichtungen des Bagh-e zanan. Frauen können dort Computer benutzen und kostenfrei Sprachkurse belegen. Außerdem wird der Garten 24 Stunden/Tag von einem Sicherheitsteam bewacht.

[...]

Die Berliner Tageszeitung TAZ berichtet über Afghanistans erstes Frauenorchester, das von der jungen Negin Khoplwak geleitet wird und im Januar 2017 beim Weltwirtschaftsforum in Davos aufgetreten ist. Das Orchester, das von Khoplwak und dem Direktor des afghanischen nationalen Instituts für Musik (ANIM) ins Leben gerufen wurde, ist ein Beispiel für die Förderung musikbegabter junger Frauen in Kabul, sowie ein Zeichen gegen die Taliban unter deren Herrschaft jegliche Form von Musik verboten war.

4. Wie gestalten sich medizinische und psychosoziale Leistungen für Frauen in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif?

Staatliche Krankenhäuser bietet kostenfreie medizinische Versorgung in Afghanistan an. Die PatientInnen müssen jedoch ihre Medikamente selbst kaufen. Dies, sowie die Behandlung in privaten Klinken, ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen oft nicht leistbar. Während in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif die medizinische Grundversorgung generell gewährleistet ist, hängt es von der sozioökonomischen Lage der Betroffenen ab, ob sie sich bestimmte Behandlungen leisten können. Verschiedene Arten der Empfängnisverhütung sind im Handel erhältlich und werden unentgeltlich in öffentlichen Gesundheitszentren, sowie gefördert in privaten Gesundheitszentren und durch Gesundheitsarbeiter angeboten. Die Gesundheitslage von Frauen und Kindern bleibt, trotz Verbesserungen, schwierig. Wohlhabende Afghan/innen reisen zur medizinischen Behandlung oft nach Pakistan oder Indien. Die öffentliche psychiatrische Versorgung ist unzureichend. Dies gilt vor allem auch für Binnenflüchtlinge und Rückkehrer/innen. Trotzdem wird das Gesundheitswesen für Frauen in Städten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif stetig ausgebaut. Das größte Problem bleibt der ungleiche Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, vor allem für Frauen aus armen und ärmsten Schichten.

[...]

Die deutsche Online Platform Qantara berichtet über die Organisation Medica Afghanistan, die afghanischen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat psychosoziale Dienste anbietet.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und die Beschwerdeschriftsätze sowie in die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden.

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu der Staatsangehörigkeit, dem Alter, der Muttersprache, der Herkunft, den Familienverhältnissen und dem Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in den Beschwerdeschriftsätzen und in der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufkommen lässt.

2.2. Zu den Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin begründete die Stellung ihres Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status der Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass zwischen ihrem Schwiegervater und den Cousins mütterlicherseits Grundstücksstreitigkeiten bestanden hätten, im Zuge welcher sich zwei der Söhne der Beschwerdeführerin gezwungen gesehen hätten im Jahr XXXX auszureisen und ihr Ehemann im Jahr XXXX verschwunden sei. Drei bis vier Monate nach dem Verschwinden ihres Ehemannes seien die Beschwerdeführerin und ihr dritter Sohn aus Afghanistan ausgereist (vgl. die AS 128-129).

Zudem habe die Beschwerdeführerin in Afghanistan Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer "westlichen Orientierung" als alleinstehende Frau zu gewärtigen (vgl. AS 309).

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Afghanistan keinen konkreten persönlichen Bedrohungs- und Gefährdungshandlungen ausgesetzt war, ergibt sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin sowohl in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Seite 10 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Haben Sie persönlich je Kontakt mit den Taliban gehabt? - BF: Nein. Ich habe nicht öfters das Haus verlassen.") als auch in der Einvernahme vor der belangten Behörde (vgl. AS 129, arg. "F:

Sind sie selbst jemals konkret bedroht worden? - A: Nein, ich nicht, ich war aber immer ängstlich wenn ich rausgegangen bin.").

Hinsichtlich des Vorbringens zu den Grundstücksstreitigkeiten bzw. der Entführung durch die Taliban gelangt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der divergierenden Angaben der Beschwerdeführerin in Bezug auf das Kerngeschehen ihres Vorbringens zu dem Ergebnis, dass die Angaben nicht glaubhaft sind:

Einleitend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor der belangten Behörde angab, dass sich aufgrund der Bedrohungen durch die Cousins mütterlicherseits des Schwiegervaters der Beschwerdeführerin diese und ihr Ehemann gemeinsam entschieden hätten, dass ihre beiden Söhne XXXX Afghanistan verlassen sollten [vgl. AS 128, arg. "F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)! - A: Mein Schwiegervater hat Grundstücke und Haus, deswegen hat er Grundstückstreitigkeiten mit den Cousins mütterlicherseits gehabt. (...) Wir haben uns dann entschieden 2 unserer Söhne weg zu schicken, wir hatten Angst dass diese entführt werden, da sie uns ständig bedroht haben. (...)"]. Im Gegensatz dazu, führte die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass ihr Ehemann die Entscheidung zur Ausreise betreffend seine beiden Söhne getroffen habe (vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Haben XXXX gemeinsam XXXX verlassen? - BF: Ja. Ihr Vater hat die Entscheidung getroffen, dass wir sie ins Ausland schicken sollen, weil ihr Leben in Gefahr war.").

Ferner ist in Berücksichtigung zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor der belangten Behörde davon sprach, dass sie sich nach der Entführung ihres Ehemannes gemeinsam mit ihrem Sohn bei einem Bekannten des Ehemannes der Beschwerdeführerin bezüglich dessen Aufenthaltsortes erkundigt habe [vgl. AS 129, arg. "F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)! - A: (...) Nach einiger Zeit ist er verschollen, wir haben seinen Bekannten gefragt und diese sagten er wäre von den bewaffneten Taliban mitgenommen worden. (...)"]. Im Widerspruch dazu, legte sie in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dar, dass ihr Sohn alleine diesbezüglich Erkundigungen eingeholt und von zwei Männern eine entsprechende Auskunft erhalten habe [vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Bitte erzählen Sie ein bisschen wann Ihr Mann verschwunden ist und was da passiert ist? - BF: Mein Mann hat als XXXX gearbeitet. Eines Tages haben sie ihn mitgenommen. Als mein Mann in der Nacht nicht nach Hause gekommen ist, ist mein Sohn XXXX dorthin gegangen, wo mein Mann gearbeitet hat und hat ihn gefragt. Dort waren zwei Personen, die meinem Sohn erzählt haben, dass zwei bewaffnete Leute gekommen seien und ihn geschlagen hätten und anschließend mitgenommen hätten (BF weint)."].

Überdies führte die Beschwerdeführerin erstmals in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ins Treffen, dass die Familie auch Drohbriefe der Taliban erhalten habe [vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Warum haben Sie Afghanistan verlassen? Wegen des Verschwindens Ihres Mannes oder waren da noch andere Gründe? - BF: (...) Die Taliban haben uns gedroht und gesagt, dass wir ihnen entweder unsere Söhne zur Verfügung stellen sollen, oder ihnen unsere Grundstücke geben sollen. Sie haben uns Drohbriefe geschickt und uns immer wieder bedroht. (...)"]; in der Einvernahme vor der belangten Behörde hingegen war diesbezüglich niemals die Rede.

Des Weiteren ist es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, dass vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der Ausreise von zwei Söhnen der Beschwerdeführerin im Jahr XXXX bestehenden Gefahr für alle drei ihrer Söhne, den Taliban ausgeliefert zu werden, ein Sohn der Beschwerdeführerin die Ausreise aus Afghanistan nicht angetreten und sich noch weitere XXXX Jahre im Haus des Schwiegervaters aufgehalten haben soll [vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Warum haben Sie Afghanistan verlassen? Wegen des Verschwindens Ihres Mannes oder waren da noch andere Gründe? - BF: (...) Die Taliban haben uns gedroht und gesagt, dass wir ihnen entweder unsere Söhne zur Verfügung stellen sollen, oder ihnen unsere Grundstücke geben sollen. Sie haben uns Drohbriefe geschickt und uns immer wieder bedroht. XXXX ist mit dem Messer attackiert worden. Nachdem er attackiert wurde, haben wir ihn ins Ausland geschickt."]. Diesbezüglich ist auch noch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin im Widerspruch dazu in der Einvernahme vor der belangten Behörde angab, dass nur zwei ihrer Söhne den Taliban übergeben hätten werden sollen [vgl. AS 129, arg. "F: Was war dafür ausschlaggebend? - A: Wir wurden bedroht, die Taliban verlangten, dass wir diese beide[n] Söhne zu den Taliban schicken. Einer von beiden wurde mit dem Messer angegriffen."]. Überhaupt im Widerspruch dazu steht das Vorbringen in der Beschwerde, dass die Söhne der Beschwerdeführerin tatsächlich entführt worden sein sollen und nicht nur die entsprechende Gefahr bestanden haben soll [vgl. AS 329, arg. "Auch meine Söhne wurden von diese[n] entführt und sollten zwangsrekrutiert werden."].

Schlussendlich ist auch in Berücksichtigung zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde anführt, dass sie aufgrund der Tatsache, dass es sich nach dem Verschwinden ihres Ehemannes bei ihr um eine alleinstehende Frau gehandelt habe, Afghanistan verlassen habe [vgl. AS 329, arg. "Mein Ehegatte blieb verschollen. Als alleinstehende Frau, konnte ich nicht in Afghanistan nicht überleben, weshalb mir keine andere Wahl blieb als zu flüchten und hier am 2.11.2015, Antrag auf internationalen Schutz zu stellen."], um wiederum in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht darzulegen, auf Anraten ihres Schwiegervaters Afghanistan verlassen zu haben [vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Warum haben Sie Afghanistan verlassen? Wegen des Verschwindens Ihres Mannes oder waren da noch andere Gründe? - BF: Nachdem mein Mann verschwunden ist, hat mein Schwiegervater gemeint, dass er das Land verlassen soll. Sie werden uns auch verschleppen (BF weint). Mein Schwiegervater hat mit seinen Cousins mütterlicherseits eine Grundstreitigkeit. (...)"].

Abgesehen davon vermochte die Beschwerdeführerin auch nicht nachvollziehbar darzulegen, warum konkret sie in Afghanistan aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten ihres Schwiegervaters (weiterhin) Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohungssituationen ausgesetzt sein bzw. warum ein aufrechtes Interesse an der Beschwerdeführerin bestehen sollte: Zum einen verneinte die Beschwerdeführerin ausdrücklich, selbst jemals irgendwelchen Bedrohungs- und Verfolgungssituationen in Afghanistan ausgesetzt gewesen zu sein (vgl. AS 129, arg. "F: Sind sie selbst jemals konkret bedroht worden? - A: Nein, ich nicht, ich war aber immer ängstlich wenn ich rausgegangen bin."). Zum anderen ist vor dem Hintergrund, dass es dem Ehemann, dessen Entführung durch die Taliban gemäß dem Vorbringen der Beschwerdeführerin der unmittelbar fluchtauslösende Grund für die Beschwerdeführerin gewesen sei [vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. "RI: Warum haben Sie Afghanis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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