TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 W224 2206812-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2019
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Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W224 2206812-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Verein ZEIGE, Ottakringer Straße 54/4. Stock, TOP 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019, Zl. 1049141205 - 180402081/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin reiste am 09.05.2015 legal mittels Visums in Österreich ein und stellte am 28.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 14.09.2015, Zl. 1049141205/150572619/RDNÖ, wurde dem Antrag auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 iVm § 34 Absatz 2 Asylgesetz 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Begründend führte das BFA aus, dass dem Vater der (zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen und nicht verheirateten) Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 11.05.2006 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe zu ihrem Antrag keine eigenen Fluchtgründe angeführt, sondern sei wegen der Familienzusammenführung mit ihrem Vater nach Österreich gekommen.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.05.2018, Zl. 161 Hv 14/18m, wurde die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierte und fünfter Fall SMG unter Bedachtnahme auf § 5 Abs. 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer acht Monaten rechtskräftig verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Strafteil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Für die Dauer der Probezeit wurde eine Bewährungshilfe angeordnet. Zusätzlich wurde der Beschwerdeführerin die Maßnahme erteilt, gesundheitsbezogene Maßnahmen durchzuführen und dies dem Gericht alle drei Monate nachzuweisen.

4. Am 18.09.2018 wurde die Beschwerdeführerin vor dem BFA zur beabsichtigten Aberkennung des Asylstatus niederschriftlich einvernommen. Dabei gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie aufgrund einer schweren Traumatisierung nicht in den Iran zurückkehren könne. Sie habe in Österreich mehrere Kurse beim AMS besucht, ihre Lehre abgebrochen und zuletzt für zwei bis drei Monate als Kellnerin gearbeitet. 2015/16 habe sie bei der Caritas mitgearbeitet. Ihren Vater sehe sie zwei, drei oder vier Mal im Monat, zu ihrer Stiefmutter habe sie keine gute Beziehung. Ihre Mutter halte sich im Iran auf, jedoch wisse sie nicht, wo diese lebe. Sie hasse ihre Mutter, da diese süchtig sei. Als Kind sei die Beschwerdeführerin daher ständig bei verschiedenen Verwandten untergebracht worden, sie habe mehr als fünf Jahre bei ihrer Tante gelebt. Auch den Wohnsitz ihrer Großmutter kenne sie nicht. Seit vier Jahren habe sie keinen Kontakt mehr zu den Verwandten im Iran. Als sich ihre Eltern getrennt hätten, habe die Beschwerdeführerin einen Selbstmordversuch begangen. Jetzt habe sie keine Speiseröhre mehr.

Vorgelegt wurde ein Sozialbericht der Bewährungshelferin der Beschwerdeführerin. Im vorgelegten "Sozialbericht" führte die Bewährungshelferin der Beschwerdeführerin aus, dass anzunehmen sei, dass die Beschwerdeführerin keine potentielle gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, da sie sich in der Probezeit befinde und durch eine weitere Straftat den Widerruf der bedingten Strafnachsicht riskieren würde. Darüber hinaus sei kein aktuelles Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin bekannt. Die Beschwerdeführerin könnte aufgrund schwerer Traumatisierungen nicht in den Iran zurückkehren. Sie stehe in regelmäßigem Kontakt zur Bewährungshelferin und werde von dieser im Hinblick auf die Vermeidung erneuter Straffälligkeit unterstützt.

5. Mit Bescheid des BFA vom 31.01.2019, Zl. 1049141205 - 180402081/BMI-BFA_NOE_RD, wurde der Beschwerdeführerin im Spruchpunkt I. der Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dieser die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Im Spruchpunkt II. wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zu erkannt. Der Beschwerdeführerin wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Zur Aberkennung des Status einer Asylberechtigten führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Zl. 161 Hv 14/18, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierte und fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt worden sei, wobei ein Strafteil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin am 24.02.2016 und am 30.06.2016 das Vergehen des Diebstahls und am 15.11.2016 einen gewerbsmäßigen Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen, wo jedoch die Staatsanwaltschaft gemäß § 203 Abs 1 StPO von einer Strafverfolgung vorläufig zurückgetreten sei. Auch habe sich die Beschwerdeführerin des Vergehens nach § 269 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt) schuldig gemacht. Weiters würden in der "Personeninformation Auskunft" des BMI zahlreiche Vormerkungen wegen unberechtigten Fernbleibens aufscheinen. § 28a SMG falle unter die besonders schweren Verbrechen und die Beschwerdeführerin sei als gemeingefährlich anzusehen. Aus dem Akt sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht gewillt sei, sich an die Vorgaben des Gerichts und an die ihr zur Seite gestellte Bewährungshilfe zu halten. Sie sei zahlreiche Male wegen unerlaubten Fernbleibens zur Fahndung ausgeschrieben gewesen, darüber hinaus sei über sie ein Waffenverbot verhängt worden. Bei einer Rückkehr in den Iran bestehe keine besondere Gefährdung der Beschwerdeführerin. Da die Beschwerdeführerin gesund und arbeitsfähig sei, könne sie im Falle der Rückkehr in Teheran leben und dort ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass eine maßgeblich ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche private und familiäre Integration der Beschwerdeführerin in Österreich vorliege.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid leide an Feststellungs- und Begründungsmängeln, da die Beschwerdeführerin zwar ein Drogendelikt begangen habe, sie jedoch erstmalig straffällig geworden sei und ihr Beitrag zur Wahrheitsfindung mildernd zu berücksichtigen sei. Die Erwähnung des Diebstahldeliktes und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt erübrige sich, da die Staatsanwaltschaft auf die Strafverfolgung vorläufig verzichtet habe. Dass sie öfters von der WG abwesend gewesen sei, erkläre sich dadurch, dass dort frühe Torschlusszeiten gewesen sein, die mit den Kursen und der Verrichtung einer geringfügigen Beschäftigung nicht in Einklang zu bringen gewesen seien. Mit dem Waffenverbot wolle man der Beschwerdeführerin andichten, zur Ausübung ihrer gesetzeswidrigen Pläne sich gefährlicher Gegenstände zu bedienen. Entgegen den Angaben im Bescheid seien im Urteil keine Umstände erschwerend gewertet worden, mindernd seien der bisherige ordentliche Lebenswandel, das Geständnis und der Beitrag zur Wahrheitsfindung gewertet worden. Die Nichtvorlage von Unterlagen seitens der Beschwerdeführerin berechtige die Behörde nicht zur Aberkennung der Glaubwürdigkeit. Die Behörde habe es stets vermieden, die Personen zu befragen, die mit der Beschwerdeführerin und ihren Problemen zu tun hatten. Weiters habe es die Behörde unterlassen, Ermittlungen zur Integration sowie zur aktuellen Rückkehrsituation in den Iran zu tätigen. Die Behörde habe Teile des Vorbringens der Beschwerdeführerin ignoriert. Es liege durchaus im Bereich der Wahrscheinlichkeit, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin asylrelevant sei bzw. ihr subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Das Bundesverwaltungsgericht möge daher eine mündliche Beschwerdeverhandlung anordnen, in eventu die Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen.

7. Mit Schreiben vom 03.04.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 05.04.2019, wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige iranische Staatsangehörige. Sie gehört der Volksgruppe der Perser an und ist ledig. Sie leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit 09.05.2015 in Österreich, mit Bescheid vom 14.09.2015, Zl. 1049141205/150572619/RDNÖ, wurde der Beschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 iVm § 34 Absatz 2 Asylgesetz 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.05.2018, Zl. 161 Hv 14/18m, wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen und anderen angeboten zu haben. Sie wurde rechtmäßig verurteilt, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im August 2017 ca. 1 kg Marihuana an eine näher bezeichnete Person geliefert zu haben, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im August 2017 einer näher bezeichneten Person 100 Stück Ecstasy-Tabletten, enthaltend 0,025 g MDMA pro Tablette, angeboten zu haben, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Oktober 2017 ca. 150 Stück Ecstasy-Tabletten, enthaltend 0,025 g MDMA pro Tablette, einer näher bezeichneten Person verkauft zu haben, am 15.10.2017 ca. 1 kg Marihuana an eine näher bezeichnete Person verkauft zu haben, am 24.09.2017 ca. 500 g Marihuana an eine näher bezeichnete Person weitergegeben zu haben sowie zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Oktober 2017 ca. 200 g Marihuana an eine näher bezeichnete Person verkauft zu haben. Die Beschwerdeführerin hat dadurch die Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierter und fünfter Fall SMG begangen. Sie wurde hierfür unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Strafteil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Für die Beschwerdeführerin wurde für die Dauer der Probezeit eine Bewährungshilfe angeordnet. Zusätzlich wurde der Beschwerdeführerin die Maßnahme erteilt, gesundheitsbezogene Maßnahmen durchzuführen und dies dem Gericht alle drei Monate nachzuweisen.

Die Beschwerdeführerin wurde wegen eines Diebstahles am 24.02.2016 angezeigt, das diesbezügliche Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 6 Abs. 1 JGG eingestellt. Ferner wurde die Beschwerdeführerin wegen eines Diebstahles am 30.06.2016 angezeigt, das diesbezügliche Verfahren wurde wegen § 4 Abs. 2 Z 2 JGG eingestellt. Eine weitere Anzeige gegen die Beschwerdeführerin erfolgte wegen eines gewerbsmäßigen Diebstahles und Diebstahles im Rahmen einer kriminellen Vereinigung am 15.11.2016, dieses Verfahren wurde diversionell erledigt, indem die Staatsanwaltschaft unter Setzung einer zweijährigen Probezeit vorläufig von der Verfolgung der Straftatvorläufig zurücktrat.

Die leibliche Mutter der Beschwerdeführerin lebt im Iran, einmal im Jahr hat die Beschwerdeführerin mit dieser Kontakt, kennt jedoch deren Wohnadresse nicht. Auch die Halbgeschwister der Beschwerdeführerin und ihre Großmutter mütterlicherseits sowie mehrere Tanten leben im Iran. Als Kind und Jugendliche war die Beschwerdeführerin bei unterschiedlichen Verwandten untergebracht, fünf Jahre lang und auch unmittelbar vor ihrer Ausreise lebte die Beschwerdeführerin bei einer Tante mütterlicherseits in Teheran. Die Beschwerdeführerin bekam im Iran finanzielle Unterstützung von ihrem Vater. Um die Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Iran zu organisieren, kontaktierten die Verwandten der Mutter der Beschwerdeführerin ihre Tante väterlicherseits, welche die Beschwerdeführerin bei der Ausreise unterstützte.

Der Vater der Beschwerdeführerin kam im August 2005 nach Österreich, mit Bescheid vom 11.05.2006, Zl. 05 12.909-BAT, wurde ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Die Beschwerdeführerin trifft ihren Vater zwei, drei oder viermal im Monat. Die Beschwerdeführerin steht in keinem persönlichen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Vater.

Die Beschwerdeführerin spricht Farsi und Deutsch. Die Beschwerdeführerin hat im Iran sechs Jahre Grundschule besucht und ein Jahr Unterstufe des Gymnasiums. In Österreich besuchte sie die Mittelschule sowie mehrere Kurse des AMS und begann im November 2016 eine Lehre, welche sie jedoch Ende Jänner 2017 wieder abbrach. Sie ging wiederholt auch kurzzeitigen Beschäftigungen nach (unter anderem als Kellnerin), eine regelmäßige Erwerbstätigkeit übte die Beschwerdeführerin jedoch nicht aus.

In Österreich wohnte die Beschwerdeführerin von November 2015 bis Dezember 2018 in der sozialpädagogischen Einrichtung KIG1-LEA der Wiener Kinder- und Jugendwohlfahrt. Im Zeitraum von 23.12.2015 bis 23.11.2018 war die Beschwerdeführerin zahlreiche Male von der WG der KIG1-LEA abgängig, teilweise für einen Zeitraum von bis zu einem Monat (zB 08.10.2018 bis 08.11.2018; 24.08.2018 bis 10.09.2018).

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Iran persönlichen Übergriffen oder Bedrohungen ausgesetzt wäre.

Zwar hat die Beschwerdeführerin bereits Kontakte in Österreich geknüpft, eine intensive Bindung zu Freunden und eine umfassende Teilnahme am sozialen Leben in Österreich sind im Verfahren jedoch nicht hervorgekommen.

2. Zur Lage im Iran wird festgestellt (entnommen aus: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 03.07.2018):

1. Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

2. Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den größten menschenrechtlichen Problemen gehören die hohe Anzahl an Exekutionen, Folter, harsche und lebensbedrohliche Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, politische Gefangene, widerrechtliche Einmischung in die Privatsphäre, schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit. Weiters Frauen- und LGBTI-Rechte und eingeschränkte politische Partizipation, sowie Korruption. Es gab nur wenige Unternehmungen seitens der Regierung, diese Probleme zu untersuchen, gerichtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem in Iran (US DOS 20.4.2018). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 8.12.2016). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 9.2017).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit waren 2017 weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren noch immer an der Tagesordnung und blieben straflos. Es wurden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Vereinzelt wurden auch Rufe nach einem Ende der Islamischen Republik laut. Einige Personen wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitsbehörden getötet und hunderte wurden inhaftiert (FH 1.2018). Laut dem rezenten Bericht der UN-Sonderberichterstatterin über die Menschenrechtssituation in Iran wurden bei den Protesten 22 Personen getötet, die Polizei bestätigte mindestens 1.000 Verhaftungen landesweit, ein Mitglied des Parlamentes sprach von 3.700 Verhafteten. Angeblich wurde eine große Anzahl an Studenten, die nicht an den Demonstrationen teilnahmen, präventiv in Haft genommen (HRC 5.3.2018).

Im März 2017 verlängerte der UN-Menschenrechtsrat das Mandat der UN-Sonderberichterstatterin über die Menschenrechtssituation in Iran. Die iranische Regierung verweigerte sowohl der Sonderberichterstatterin als auch anderen UN-Experten weiterhin die Einreise. Im Mai wurde Präsident Hassan Rohani für eine zweite Amtszeit gewählt. Der Wahl ging ein Zulassungsprozess voraus, der von Diskriminierung geprägt war: Der Wächterrat schloss Hunderte Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihres Glaubens oder ihrer politischen Überzeugung von einer Kandidatur aus. Dass Personen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein sollen, zu Ministern ernannt wurden, stieß in der Öffentlichkeit auf Kritik. Die EU und die iranische Regierung berieten über eine Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs. Gleichzeitig verbüßten mehrere iranische Menschenrechtsverteidiger Gefängnisstrafen, weil sie Kontakt zu Vertretern der EU und der UN hatten. Die Regierungen Australiens, Schwedens, der Schweiz und weiterer Länder nahmen bilaterale Gespräche mit Iran über Menschenrechte auf (AI 22.2.2018).

Gegen Journalisten, Online-Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger wird weiterhin vorgegangen, ohne Rücksicht auf nationale und internationale rechtliche Standards (HRW 18.1.2018).

Wie schon 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt vier Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die außerordentlich hohe Anzahl an Hinrichtungen (AA 6.2017a).

3. Frauen

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Nach dem Iran-Irak-Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Esfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2018c).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil durchaus relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen), unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf (AA 23.2.2018).

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 23.2.2018). Unabhängig vom Alter kann eine Frau nicht ohne Erlaubnis ihres männlichen Vormunds heiraten. Auch können iranische Frauen ihre iranische Staatsbürgerschaft nicht an ausländische Ehemänner oder ihre Kinder weitergeben (HRW 18.1.2018, vgl. US DOS 20.4.2018, ACCORD 12.2015). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet. Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen. Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 23.2.2018).

Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetes Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u. a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Die Arbeitslosenrate bei Frauen ist doppelt so hoch wie jene der Männer. Offizielle Statistiken über die Situation der Arbeitslosen im Iran sind nicht besonders zuverlässig. Gemäß dem Global Gender Gap Report 2015 sind nur 23% der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren in den Arbeitsmarkt integriert. Selbst gut qualifizierte Frauen haben Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Dieses Ungleichgewicht hat sich in den letzten Jahren weiter verstärkt. Vor allem junge Frauen sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Es gab einen drastischen Anstieg der Anzahl arbeitsloser Frauen im Alter von 15-24 Jahren. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die beruflichen Möglichkeiten für Frauen sind durch soziale und rechtliche Regelungen eingeschränkt. Spezifische gesetzliche Regelungen bestimmen die Arbeit von Frauen und unterstreichen die traditionelle Rolle der Frau in der Gesellschaft - nämlich als Mutter und Ehefrau (ÖB Teheran 9.2017). Konservative Kreise betonen immer wieder, dass sie Frauen in einer islamischen Gesellschaft ausschließlich in ihrer Rolle als Mütter sehen (AA 23.2.2018). Zum Beispiel legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben, und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellenausschreibungen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich - ungeachtet ihrer Qualifikationen - für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und werden Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat (ÖB Teheran 9.2017).

Krisenzentren und Frauenhäuser existieren mittlerweile in Iran. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Jedoch sind Informationen über diese Einrichtungen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 9.2017).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Alleinstehende Frauen, die nicht geschieden sind, sind laut Gesetz in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Es wird berichtet, dass Frauen - vorwiegend in ländlichen Regionen - oft eine Zustimmung eines männlichen gesetzlichen Vertreters benötigen, um alleine zu reisen und einen Reisepass zu beantragen. Alleinreisende Frauen in ländlichen Regionen sind demnach Belästigungen durch staatliche und nicht staatliche Akteure ausgesetzt. Letztlich erlebte auch die Diskussion rund um das Stadionverbot für Frauen wieder frischen Wind, nachdem die iranische Männerfußballnationalmannschaft nach ihrer Qualifikation zur WM 2018 bei Präsident Rohani eine Gesetzesänderung forderte. Der Oberste Führer Khamenei erließ im September 2016 eine Fatwa, die das Radfahren für Frauen in der Öffentlichkeit verbietet. Seitdem protestieren Radfahrerinnen empört in den Sozialen Medien durch das Hochladen von Bildern, die Frauen beim Radfahren zeigen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass alleinstehende Frauen in Iran Unterstützung vom Staat und der Gesellschaft nur beschränkt erwarten können. Vorwiegend Frauen, denen kein familiärer Rückhalt zuteil wird und die außerhalb der gesellschaftlichen Normen leben (Prostituierte, Betroffene des Frauenhandels, weggelaufene Mädchen, Geschiedene, lesbische Frauen) sind Diskriminierungen und Unterdrückung durch Staat und Gesellschaft ausgesetzt. Die schwierige wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit unter Frauen, vor allem in ländlichen Regionen, veranlassen Frauen, das Land zu verlassen und in die Stadt zu ziehen oder zu emigrieren (ÖB Teheran 9.2017).

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 23.2.2018). Vergewaltigung ist generell mit der Todesstrafe bedroht, bei Ehepartnern wird Vergewaltigung jedoch nicht anerkannt (ÖB Teheran 9.2017). Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, sind weit verbreitet und werden nicht geahndet.

Geschlechtsspezifische Gewalt ist weiterhin nicht strafbar. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist seit 2012 anhängig. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren. Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie Mädchen noch früher verheiraten wollten. Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Nach der Wahl berief Präsident Rohani keine Frau in sein Kabinett. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie werden schikaniert und festgenommen, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, werden Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen (AI 22.2.2018). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Die Gesetze - und Strafmaßnahmen - gibt es schon seit fast 40 Jahren, genauso lange haben sie nicht viel gebracht. Die Kopftücher wurden und werden immer kleiner und die Mäntel immer kürzer und enger. Auch strengere Kontrollen der Sittenpolizei auf den Straßen führten nicht zu dem erhofften Sinneswandel der Frauen. Laut Polizeichef Rahimi gab es in diesem Jahr bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).

4. Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).

Seit dem Amtsantritt der Regierung Rohani 2013 konnte sich die iranische Wirtschaft etwas erholen. Der Abschwung der Wirtschaft (-6,6 % im Jahr 2012; -1,9 % im Jahr 2013) konnte 2014 gestoppt werden. Im Jahre 2016 konnte die Regierung schon ein Wirtschaftswachstum von 4,6% verzeichnen. Das weitere Wachstum ist wesentlich von den Sanktionserleichterungen abhängig und ohne einen stark zunehmenden Außenhandel nicht realistisch. Seit Anfang 2014 ist es der iranischen Regierung gelungen, den Abwärtstrend des Rial zu stoppen. Im iranischen Jahr 1394 (2014/2015) betrug die durchschnittliche Inflation 14,7%; derzeit liegt sie bei ca. 10%. Es ist abzusehen, dass sich die Währung durch die positiven Impulse des Atomabkommens auf die iranische Wirtschaft auch zukünftig stabil halten wird. Die Aufhebung der Sanktionen hat nur sehr langsam Konsequenzen für den Durchschnittsiraner. Kritiker warten ungeduldig auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein Wirtschaftswachstum, das nicht nur in der Ölwirtschaft, sondern auch in der Privatwirtschaft, etc, zu spüren ist. In seiner zweiten Amtszeit setzt Präsident Rohani daher verstärkt auf den weiteren Ausbau der Wirtschaft. Ausländische Investoren sollen für den iranischen Markt gewonnen werden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Eine nachhaltige Erholung der iranischen Wirtschaft wird nämlich auch davon abhängen, ob es der Regierung gelingt, die Devisenknappheit und das Inflationsproblem langfristig unter Kontrolle zu bringen. Devisenreserven befinden sich Großteils im Ausland und können von der iranischen Regierung nur eingeschränkt verwendet werden. Beide Problembereiche sind eng mit dem Zugang zu ausländischen Devisenquellen und Investitionen aus dem Ausland verbunden. Gegenwärtig halten sich sowohl einheimische als auch ausländische Investoren aufgrund der derzeit noch nicht absehbaren politischen Risiken mit Investitionen zurück (ÖB Teheran 9.2017).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 nach offiziellen Statistiken 10,7% mit Tendenz nach oben. Inoffiziellen Zahlen zufolge ist der Wert jedoch fast doppelt so hoch. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger "brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 9.2017). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 1.2018).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast komplett unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln. Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten Jahren wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass der Modernisierung der Infrastruktur des Erdölsektors nach dem Ende der Sanktionen eine hohe Priorität eingeräumt werden wird (GIZ 3.2018b).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2018b).

5. Sozialbeihilfen

Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch i.H.v. 800.000 IRR (ca. 20 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld i.H.v. 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 11 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 2.3.2018).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2017).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung sichert allen Arbeitnehmern einen Schutz bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Berufsunfällen zu. Von 15.000 Obdachlosen in Iran im Jahr 2015 waren 5.000 Frauen. Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 65 Jahren werden vom Sozialversicherungssystem erfasst. Die Finanzierung ist zwischen Arbeitnehmer (7% des Lohns), Arbeitgeber (20-23%) und dem Staat, welcher den Beitrag des Arbeitnehmers um weitere 3% erhöht, aufgeteilt. Das Sozialversicherungssystem ist für Selbständige zugänglich, sofern diese zwischen 12% und 18% ihres Einkommens freiwillig zahlen. Beamte, Soldaten, Polizisten und die Revolutionsgarden (IRGC) haben ihre eigenen Rentensysteme (IOM 2017).

Es gibt einige NGOs, die gezielt in Not geratene Personen unterstützen. Dazu zählt zum Beispiel BEHZISTI, welche beispielsweise Drogensüchtigen, alleinerziehenden Müttern, Personen mit Einschränkungen etc. hilft. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozial-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Der Zugang ist für alle Bürger gleich, dennoch gibt es zusätzliche Unterstützungen, die von den Communities/Organisationen getragen werden: Z.B. The Imam Khomeini Relief Foundation eine gemeinnützige Organisation, die im März 1979 gegründet wurde und ärmliche Familien unterstützt (IOM 2017).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2018b).

6. Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt. Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut (GIZ 3.2018c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 18.6.2018a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Chorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 9.2017).

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Dank eines Entwicklungsprogrammes für die Erweiterung der prä-stationären kostenlosen Notfalldienste konnte die Anzahl dieser von weniger als 600 zur Zeit der Revolution auf nahezu 2000 im Jahr 2013 vergrößert werden. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 9.2017).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen "Behvarz" (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise "nahversorgt" werden (In Städten übernehmen sog. "Gesundheitsposten" in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser). Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) anzufinden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 9.2017).

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten "Hohen Versicherungsrat" (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die "Organisation für Sozialversicherung" (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die "Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste" (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die "Imam Khomeini Stiftung", um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge (ÖB Teheran 9.2017). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2018c).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden ("Out-of-pocket expenditure" ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 9.2017).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI genannt: www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern gedeckt (IOM 2017).

In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 3.2018c). Trotz kürzlicher Sanktionen gegen Iran, die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. "The Red Crescent" ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen in Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Mengen ausgeteilt werden, um den Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu unterbinden. Darüber hinaus gibt es vor allem in größeren Städten mehrere private Kliniken, die für Privatpatienten Gesundheitsdienste anbieten. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitszentrum kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2017).

7. Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 2.3.2018).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 9.2017).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen berichtet der FFM-Bericht, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie in Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, ihrem Aufenthalt in Österreich und der Asylzuerkennung ergeben sich aus dem vorliegenden Akt und stimmen mit den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin überein. Auch die Angaben zur bisherigen Bildungs- und Berufslaufbahn ergeben sich aus den gleichbleibenden und schlüssigen Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren. Gleiches gilt im Hinblick auf die Angaben zu den Familienangehörigen im Iran und in Österreich.

Dass die Beschwerdeführerin an keinen schweren bzw. lebensbedrohenden Krankheiten leidet, ergibt sich ebenfalls aus dem bisherigen Verfahren sowie dem angefochtenen Bescheid und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. In der niederschriftlichen Einvernahme am 18.09.2018 gab die Beschwerdeführerin zwar an, keine Speiseröhre zu haben und mit dem Essen aufpassen zu müssen, eine schwerwiegende Einschränkung durch die fehlende Speiseröhre wurde jedoch nicht behauptet. Auch wurden seitens der Beschwerdeführerin keine ärztlichen Gutachten oder andere Unterlagen vorgelegt, die eine relevante Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine schwere Traumatisierung nachgewiesen hätte. Da die Beschwerdeführerin auch in Österreich immer wieder (geringfügigen) Beschäftigungen nachgegangen ist, ist jedenfalls von ihrer Arbeitsfähigkeit auszugehen.

Die Feststellungen zur Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels ergeben sich aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.05.2018, Zl. 161 Hv 14/18m.

Weitere gegen die Beschwerdeführerin erhobene Anzeigen sind der "Kriminalpolizeilichen Aktenindex Auskunft" zu entnehmen. Die Meldungen über die wiederholte Abgängigkeit der Beschwerdeführerin von der Sozialeinrichtung für minderjährige Personen (WG der KIG1-LEA) ergibt sich aus der "Personeninformation Auskunft".

Weder aus den Länderberichten noch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergab sich für den Fall einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgungshandlungen oder die Gefahr einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführerin Asyl nicht aufgrund eigener Fluchtgründe zuerkannt wurde, sondern diese ihren Asylstatus von ihrem Vater ableitete. Die Beschwerdeführerin selbst gab weder in der niederschriftlichen Einvernahme vom 11.09.2015, die die Zuerkennung des Asylstatus betraf, noch in der niederschriftlichen Einvernahme vom 18.09.2018, konkrete Gründe an, aus denen ihre eine asylrelevante Verfolgung drohe oder sie anderen Übergriffen oder Bedrohungen im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Am 11.09.2015 gab die Beschwerdeführerin befragt nach ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, sie habe den Iran verlassen, weil sie dort kein Zuhause gehabt habe. Sie habe sich bei niemandem aufhalten können, sei von ihrem Stiefvater geschlagen und bedroht worden. Letztlich sei sie im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen. Im Falle einer Rückkehr hätte die Beschwerdeführerin kein Zuhause mehr, würde wieder Depressionen bekommen und möglicherweise wieder einen Selbstmordversuch machen. Aufgrund dieses Vorbringens ist zwar nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin nicht in den Iran zurück möchte, eine gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung oder anderweitige drohende Übergriffe sind daraus aber nicht abzuleiten. Dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit bedroht wurde, kann nicht als relevant erkannt werden, besteht im Falle einer etwaigen Rückkehr für die Beschwerdeführerin doch keinesfalls die Notwendigkeit, in irgendeiner Weise mit diesem in Kontakt zu treten. Am 18.09.2018 gab die Beschwerdeführerin an, dass das Leben im Iran für sie unvorstellbar sei und sie nicht zurückkehren könne. Zwar wurde von ihrer Vertreterin behauptet, die Beschwerdeführerin könne aufgrund einer schweren Traumatisierung nicht in den Iran zurück, jedoch wurden auch diesbezüglich keinerlei ärztliche Gutachten oder Unterlagen vorgelegt. Konkret nach den Gründen befragt, aus denen sie nicht in den Iran zurückkehren könne, gab die Beschwerdeführerin an, sie möchte alleine aufgrund der Kultur nicht in den Iran zurückkehren. Dementsprechend wurde auch im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Iran einer besonderen Gefährdung oder Verfolgungshandlung nicht ausgesetzt sei. Aus dem gesamten Vorbringen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung oder die Gefahr einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Mit der unbestimmten Behauptung, die Behörde habe Ermittlungen zur aktuellen Rückkehrsituation in den Iran unterlassen, war auch die gegenständliche Beschwerde nicht geeignet, die Feststellungen der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen.

Die Feststellungen zur Integration der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus den vorliegenden Akten und stimmen ebenfalls mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin überein. Auch wenn die Beschwerdeführerin zum Zwecke der Familienzusammenführung nach Österreich kam, lebt sie derzeit nicht mit ihrem Vater zusammen und gab an, diesen nur zwei, drei oder viermal im Monat zu sehen. Auch ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Vater besteht nicht, gab die Beschwerdeführerin doch selbst an, selbstständig sein zu wollen und auch aus diesem Grund ihren Vater nicht so oft zu sehen.

Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die daraus gewonnenen Ergebnisse werden der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt, zumal mit der Beschwerde weder die Beweiswürdigung des BFA im angefochtenen Bescheid erschüttert werden ko

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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