TE Vwgh Beschluss 1999/1/27 98/04/0195

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Veröffentlicht am 27.01.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/04/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über den Antrag 1) der EW und 2) des JW, beide in G, beide vertreten durch Dr. L und Dr. J, Rechtsanwälte in P, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Juli 1998, Zl. Ge-442268/6-1998/Bi/G, betreffend gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, sowie über die mit diesem Antrag verbundene nachgeholte Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem am 19. Oktober 1998 zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tag beantragten die Beschwerdeführer, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Juli 1998, mit dem u.a. ihre Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 28. November 1997, betreffend gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (Mühle), abgewiesen wurde, zu bewilligen. Gleichzeitig wurde Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich erhoben.

Im Wiedereinsetzungsantrag wurde - unter Anschluß einer eidesstattlichen Erklärung der Beschwerdeführer - begründend ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei den Beschwerdeführern durch Hinterlegung am 20. August 1998 zugestellt worden. Sie hätten die entsprechende Sendung am 31. August 1998 am Postamt abgeholt, weil sie sich vom 16. bis 30. August 1998 auf Urlaub im Ausland befunden hätten. Wegen dringender Erledigung in Wels seien sie, ohne die Briefsendung zu öffnen, sofort nach Wels weitergefahren. Den Brief hätten sie auf die Mittelkonsole ihres Fahrzeuges gelegt. Weil sie von ihren Erledigungen so sehr in Anspruch genommen worden seien, hätten die Beschwerdeführer in der Folge auf eine Öffnung des Briefes, ja auf den Brief überhaupt vergessen und seien nach Hause gefahren. Der Brief dürfte in der Folge während der danach durchgeführten Fahrten zwischen Mittelkonsole und Fahrzeugsitz gerutscht sein, sodaß er den Beschwerdeführern auch nicht mehr aufgefallen und mangels Auffälligkeit auch nicht in Erinnerung verblieben sei. Erst anläßlich einer Fahrzeuginnenreinigung durch den Zweitbeschwerdeführer am 5. Oktober 1998 sei dieser auf die Briefsendung gestoßen und ihm diese dadurch wiederum in Erinnung gerufen worden. Er habe den Brief sofort geöffnet und festgestellt, daß es sich dabei um den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Juli 1998 handle. Die Beschwerdeführer hätten das Ende der Beschwerdefrist mit 12. Oktober 1998 errechnet und am 6. Oktober 1998 ihren Rechtsvertreter mit der Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid beauftragt. Erst da hätten sie erfahren, daß die Beschwerdefrist bereits am 20. August 1998 zu laufen begonnen und daher am 1. Oktober 1998 geendet habe. Aufgrund der dargelegten Umstände seien die Beschwerdeführer somit ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, fristgerecht Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß einer Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis "unvorhergesehen", wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und sein Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1551 f, referierte hg. Judikatur), wobei das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment dahin zu verstehen ist, daß die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit auch dann noch gewahrt ist, wenn der Partei ein nur "minderer Grad des Versehens" unterläuft.

Demgegenüber haben die Beschwerdeführer, indem sie die - den angefochtenen Bescheid enthaltende - hinterlegte amtliche Sendung zwar behoben, diese aber, ohne sich über ihren Inhalt zu vergewissern, in einer Art und Weise verwahrten, daß sie in (zeitweiligen) Verlust und dadurch bei den Beschwerdeführern in völlige Vergessenheit geraten konnte, die im Verkehr mit Gerichten bzw. Behörden erforderliche und zumutbare Sorgfalt in einem Maße außer Acht gelassen, die nur als auffallend sorglos bezeichnet werden kann. Das von den Beschwerdeführern als Grund für die Versäumung der Beschwerdefrist geltend gemachte Ereignis stellt daher schon aus diesem Grund keinen Umstand dar, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnte. Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit nicht stattzugeben.

Die nachgeholte Beschwerde erweist sich demnach als verspätet, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 20. oder am 31. August 1998 erfolgte. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998040195.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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